Wald kompakt - LWF aktuell 152
Neozoische Insekten an Waldbäumen
Als Neobiota werden Tier-, Pflanzen- oder Pilzarten bezeichnet, die von Natur aus nicht in Mitteleuropa vorkommen. Sie sind durch den Einfluss des Menschen zu uns gekommen. In Deutschland breiteten sich laut Bundesamt für Naturschutz in den letzten rund 500 Jahren 1.149 neobiotische Tierarten (Neozoen) aus. Der größte Anteil entfällt mit 553 Arten auf die Insekten, von denen 115 Arten als etabliert gelten. Von diesen sind bisher nur wenige invasiv.
Intensiver globaler Handel, Klimaerwärmung und anthropogen veränderte Lebensräume werden Einwanderung, Einfuhr, Etablierung und Ausbreitung weiterer neozoischer Insekten künftig eher noch befördern.
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Amerikanische Kiefernwanze Leptoglossus occidentalis (Heidemann, 1910) (© L. Weltner)
Vorbeugenden Maßnahmen kommt im Umgang mit Neobiota daher ein hoher Stellenwert zu. Neobiota sollten möglichst früh erkannt und – falls notwendig und möglich – mit geeigneten Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Erfahrungen der letzten 20 Jahre mit in Deutschland und anderen europäischen Ländern durchgeführten Tilgungsmaßnahmen gegen den Asiatischen Laubholzbock (ALB) zeigen, dass eine erfolgreiche Ausrottung größerer, flugfähiger Arten möglich ist. Schwieriger ist es, Befall und Ausbreitung kleinerer Insektenarten mit hoher Vermehrungsrate einzugrenzen, wie z.B. Esskastanien-Gallwespe, Rosskastanien-Miniermotte, Eichennetzwanze und Douglasien-Gallmücke. Aus Sicht des Waldschutzes, der immer den Erhalt der Wälder und ihrer Funktionenvielfalt im Fokus hat, können einige von den im Beitrag genannten neozoischen Insektenarten wirtschaftliche Schäden an Waldbäumen verursachen. Beim Großteil der aufgeführten Arten ist das Schadpotenzial aber noch nicht abschließend abschätzbar. Aus Waldschutzsicht bringen eingeschleppte Nematoden, Bakterien oder Pilze – im Vergleich zu eingeschleppten Insekten – ein größeres Gefährdungspotenzial mit sich.Olaf Schmidt, Andreas Hahn, LWF
Olaf Schmidt, Andreas Hahn, LWF
Rindenschlitzen - auch nach Buchdruckerbefall wirksam
In der ersten Aprilhälfte begann wie jedes Jahr mit den wärmeren Frühlingstemperaturen der Ausflug der überwinternden Buchdrucker. Idealerweise sollte über den Winter angefallenes Schadholz längst aufgearbeitet und aus dem Wald gebracht sein.
Dies kann bei sehr zerstreut liegenden Einzelwürfen, wenn Bodenbedingungen, Witterung oder Gelände den Einsatz größerer Maschinen erschweren, herausfordernd sein. In diesen Fällen ist das Rindenschlitzen mit Anbaugerät für die Motorsäge eine zeitsparende und vergleichsweise ergonomische Alternative zur manuellen Vollentrindung (doppelt so schnell) oder auch zur motormanuellen Vollentrindung (ca. ein Drittel schneller).
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Mit dem Streifenmesseraufsatz für Motorsägen geschlitzte Fichtenstämme. In dem stark fragmentierten Bast haben Buchdrucker nahezu keine Chancen mehr sich fortzupflanzen. (© T. Hase (StMELF))
Während präventives Schlitzen von Schadholz (ohne Buchdruckerbefall) bereits etabliert ist, legen neueste Ergebnisse aus den LWF-Abteilungen Forsttechnik und Waldschutz nahe, dass die Maßnahme auch zum Zeitpunkt der Eiablage und des fortgeschrittenen Larvenstadiums noch waldschutzwirksam ist (kurative Anwendung). Ab dem Puppenstadium sinkt der Behandlungserfolg, sodass im Zweifelsfall die Vollentrindung zu bevorzugen ist. Insgesamt kann das Rindenschlitzen aber für alle frühen Entwicklungsphasen (weiße Stadien bis zur Puppe) empfohlen werden. Im zunehmenden Jahresverlauf überlappen verschiedene Buchdruckergenerationen und deren Geschwisterbruten, sodass in einem Polter meist viele Entwicklungsstadien gleichzeitig vorzufinden sind. Daher empfiehlt die LWF das kurative Schlitzen nur zu Beginn der Schwärmperiode je nach Schwärmbeginn bis etwa Anfang/Mitte Mai, bis die erste Generation das Puppenstadium erreicht hat. Für eine entsprechende Wirksamkeit ist eine saubere Arbeitsausführung essenziell. Die Stämme müssen vollumfänglich bearbeitet und tief genug – d. h. bis auf den Splint – geschlitzt werden. Die Experten und Expertinnen der LWF sehen viele Vorteile in dem Verfahren:
- Motorsägen sind weit verbreitet
- Es sind keine besonderen Kenntnisse erforderlich
- Die Anbaugeräte sind einfach an die gängigsten Motorsägenmodelle zu montieren
- Die Anschaffungskosten von 400–500 € sind kalkulierbar und die Geräte auch für eine gemeinschaftliche Anwendung geeignet (z. B. über eine FBG/WBV)
- Kleinere Waldbesitzer können ihre Unabhängigkeit erhöhen, da auch noch nicht gerücktes oder abgefahrenes Holz unschädlich gemacht werden kann
- Rindenschlitzen ist als insektizidfreies Verfahren zur Borkenkäferbekämpfung in Bayern förderfähig
Tobias Frühbrodt, Andreas Hohenadl, Andreas Hahn
Startschuss: Projekt LabForest
Mit dem Klimawandel nehmen sowohl das Ausmaß als auch die Häufigkeit von Großschadereignissen wie Stürme oder Borkenkäferbefall zu. Steigende Temperaturen und eine veränderte Niederschlagsverteilung verringern die Widerstandsfähigkeit der Waldökosysteme weiter. Wie sollte in Zukunft am besten mit solchen Schadflächen umgegangen werden? Ziel ist es, langfristig Wälder zu schaffen, die resistenter sind. Außerdem stellt sich die Frage, wie sich dieser Umgang auf die Ökosystemleistungen auswirkt.
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Geschlitzte Stämme auf einer nicht geräumten Versuchsfläche mit bereits etablierter Vorausverjüngung als eine der acht Behandlungsvarianten (© T. Thymian, LWF)
Im Projekt „LabForest" werden verschiedene Managementstrategien für den Waldumbau im Zusammenhang mit solchen Störungen untersucht und anschließend mit Blick auf die erbrachten Ökosystemleistungen bewertet. „LabForest" wird als regionale Innovationsgruppe vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (Fdk: 033L307D). In diesem Projekt wirken Professuren der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Technischen Universitäten München und Dresden, die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), die Bayerische Waldbauernschule, der Gräflich Arco-Zinnebergsche Forstbetrieb sowie die Universität Alberta, die Bayerischen Staatsforsten AöR und die Städtische Forstverwaltung München als assoziierte Partner mit. Dreh- und Angelpunkt von „LabForest" ist der Universitätswald der LMU bei Landshut. Dort werden verschiedene Ökosystemleistungen vom Wasser- und Kohlenstoffhaushalt über Biodiversität bis hin zu ökonomischen Aspekten untersucht. Diese vor Ort im Reallabor umgesetzten Strategien umfassen Kombinationen des Etablierens von Vorausverjüngung, Kombinationen des Räumens oder aber Belassens von Schadholz auf der Fläche sowie Varianten mit zusätzlicher Pflanzung auf Störflächen zur Steuerung der Baumartenzusammensetzung. Mit dem Holzeinschlag im Winter hat das Realexperiment nun begonnen.
Im Fokus des Waldschutz-Arbeitspaketes der LWF steht die Frage, welchen Einfluss die entstehenden Waldstrukturen auf das zukünftige Befallsrisiko durch den Buchdrucker haben. Dazu werden Waldstrukturdaten an Standorten des bayernweiten Borkenkäfermonitorings erhoben und im Kontext der Anflugzahlen analysiert.
Tobias Thymian, Dr. Tobias Frühbrodt, Dr. Andreas Hahn, LWF
Die Grünliche Waldhyazinthe – Orchidee des Jahres 2025
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Die Grünliche Waldhyazinthe ist an den grünlich-weißen Blüten und den schräg zueinander-stehenden Staubbeutelfächern zu erkennen. (© K. Stangl)
Mit der Grünlichen Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha), im Volksmund auch Berg-Kuckucksblume genannt, haben die Arbeitskreise Heimische Orchideen (AHO) in diesem Jahr eine eher unscheinbare Vertreterin der Pflanzenfamilie gekürt. So ist die Art mit einer Wuchshöhe von bis zu 60 Zentimetern zwar durchaus stattlich, fällt aber aufgrund ihrer hellgrün-weißlichen Blüten deutlich weniger ins Auge als andere heimische Orchideen. Weitere charakteristische Blütenmerkmale sind der dünne, lange und nach hinten verdickte Sporn sowie die schräg zueinander stehenden Staubbeutelfächer. Letztere sind ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur sehr ähnlichen Schwesterart Platanthera bifolia (Weiße Waldhyazinthe), die sich durch parallel angeordnete Staubbeutelfächer und reinweiße Blüten auszeichnet.
Die Blütezeit variiert in Abhängigkeit vom Standort und liegt zwischen Mitte Mai und Ende Juli. Die Bestäubung der Blüten erfolgt durch nachtaktive Schmetterlinge, die vom zarten Duft der Pflanze und dem am Ende des Sporns befindlichen Nektar angelockt werden.
Die Art kommt in Bayern sowohl im Wald als auch im Offenland auf verschiedenen Standorten vor, wobei (wechsel-)feuchte und basen- bzw. kalkreiche Böden bevorzugt werden. Frische, krautreiche Tannen-Fichtenwälder oder Steppen-Kiefernwälder werden genauso besiedelt wie Halbtrockenrasen, Sumpfdotterblumen- oder Pfeifengraswiesen. Platanthera chlorantha zählt in Bayern vor allem in den Kalkgebieten noch zu den „häufigeren" Orchideenarten. Die Hauptverbreitungsgebiete der Art liegen entsprechend im Alpenvorland und den Bayerischen Alpen sowie im fränkischen Jura und in Unterfranken. In den Bayerischen Alpen kommt die Art bis in Höhenlagen von 1.700 m ü. NHN vor.
Der Zustand und die Entwicklung der Bestände variieren je nach Region deutlich. Während die nach Naturschutzrecht geschützte Art in den Alpen als ungefährdet gilt, zeigen die Bestände in der mittleren und südlichen Frankenalb zum Teil deutliche Rückgangstendenzen auf. Als Gefährdungsursachen gelten u.a. zu hohe Düngereinträge, zunehmende Trockenheit oder aber auch eine „Verdunklung" ehemals lichter Wälder. Trotz der insgesamt noch relativ weiten Verbreitung wird die Art daher in der Roten Liste der Gefäßpflanzen Bayerns in der Kategorie 3 „gefährdet" geführt.
Dr. Thomas Kudernatsch (LWF)
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