LWF aktuell 139
Die Nymphenfledermaus – eine typische Waldfledermaus
von Christine Franz
Abb. 1: Die Nymphenfledermaus ist die kleinste europäische Myotis-Art. Ihr Fell am Bauch ist nur wenig heller als das am Rücken. (© Burkard Pfeiffer)
So oft kommt es nicht vor, dass in unseren Breiten neue Säugetierarten entdeckt werden. Entsprechend groß war die Aufregung in Fachkreisen, als 2012 erstmals die Nymphenfledermaus (Myotos alcathoe) in Bayern nachgewiesen wurde – eine Fledermausart, die sehr eng an alte Laubwälder gebunden ist.
Die Nymphenfledermaus gibt es schon länger bei uns, sie wurde nur nicht als eigene Art erkannt. Sie ähnelt unseren beiden bis dato bekannten heimischen Bartfledermäusen (Myotis mystacinus und Myotis brandti) morphologisch so sehr, dass die kleinen Unterschiede selbst Spezialisten über Jahrzehnte nicht auffielen.
Als eigene Art entdeckt und erstmals beschrieben wurde die Nymphenfledermaus 2001 in Griechenland von dem renommierten Erlanger Fledermaus-Professor Otto von Helferson und Kollegen (v. Helferson et al. 2001). Das Forscherteam fing in abgelegenen feuchten Waldtälchen jagende Tiere und konnte später über molekulargenetische Untersuchungen zweifelsfrei nachweisen, dass es sich um eine eigenständige Art handelt.
In Anlehnung an eine Figur aus der griechischen Mythologie erhielt sie den Namen Myotis alcathoe – die Nymphenfledermaus. Die Geschichte geht so: Die Nymphe Alkathoe weigerte sich an einem Fest des Weingottes Dionysos teilzunehmen und wurde zur Strafe in eine Fledermaus verwandelt.
Nymphenfledermaus unter Schutz
- Artenschutzrechtlicher Status: streng geschützt
- FFH: Anhang IV-Art
- Rote Liste europäische Ebene: »DD« (Datenlage ungenügend)
- Rote Liste Deutschland: 1 (vom Aussterben bedroht)
- Rote Liste Bayern: 1 (vom Aussterben bedroht)
Verbreitung in Bayern und Lebensraum
Abb. 2: In drei von vier Untersuchungsgebieten, an 19 von insgesamt 39 Batcorder-Standorten, konnte die Nymphenfledermaus bei der LWF-Fledermausstudie nachgewiesen werden. (© Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 2022)
Nach Dietz und Kiefer (2014) ist die Nymphenfledermaus die am stärksten an urwaldähnliche Bedingungen angepasste europäische Fledermaus. Das bestätigen zahlreiche Telemetriestudien, Netzfänge und der Einsatz von Horchboxen unter anderem in Österreich, Frankreich, Tschechien, der Slowakei sowie in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern (Reiter et al. 2015, Brand & Ronchi 2014, Lučan et al. 2009, Danko at al. 2010, Dietz & Dietz 2015, Dietz & Höhne 2015, Karst et al. 2015, Meisel at al. 2015, Pfeiffer at al. 2015, Landesamt für Umwelt 2021). Die Nachweise der Nymphenfledermaus konzentrieren sich demnach vor allem auf alte bis sehr alte Laubwälder – insbesondere auf Wälder mit hohen Eichen- oder Buchenanteilen, oft in der Nähe von kleinen, permanenten Fließ- oder Stillgewässern (Abbildung 2).
Die Wochenstuben- und Tagesquartiere der Tiere befinden sich fast ausschließlich im Kronenraum alter Laubbäume (v. a. Eichen) unter abstehender Rinde, Stammanrissen, kleinen Ausfaulungen und in Nischen an Astabbrüchen. Somit ist die Art eher den Spaltenbewohnern zuzuordnen. Telemetriestudien in Baden-Württemberg (Dietz & Dietz 2015) zeigten, dass vor allem Wochenstubenverbände meist täglich, spätestens aber am dritten Tag das Quartier wechseln. Gründe hierfür sind wohl insbesondere Parasitenvermeidung, Schutz vor Prädatoren, geeignetes Mikroklima sowie die geringe Dauerhaftigkeit der Quartiere. Dementsprechend sollte ein Wald über ein hohes Angebot an potenziellen Quartieren verfügen, um als Habitat für die Nymphenfledermaus geeignet zu sein. Über die Winterquartiere der Art ist noch sehr wenig bekannt. Bisher wurden nur Einzeltiere in unterirdischen Quartieren (Höhlen, Stollen, Keller) gefunden. Vermutlich überwintert sie in Baumhöhlen im Wald (Dietz & Kiefer 2014).
Jagdstrategie und Raumnutzung
Der Aktivitätsradius der Nymphenfledermaus ist klein. Ihre Jagdgebiete befinden sich in direkter Umgebung des Quartiers. Dietz und Dietz (2015) ermittelten bei ihren Telemetriestudien, dass die Tiere über die Hälfte ihrer Jagdzeit in Entfernungen bis 600 m um das jeweilige Quartier verbrachten und die durchschnittliche Größe des Jagdhabitats eines Tieres bei circa 100 ha lag. Andere Quellen geben Entfernungen bis 1.500 m bzw. 3.000 m zu den Jagdgebieten an (Brinkmann et al. 2015, Dietz 2014.)
Nachweise bei LWF-Fledermausstudie
Abb. 3: Typischer Bestand mit Nymphenfledermaus-Nachweis nördlich von Ullstadt: durchgewachsener Mittelwald, strukturreich, mehrschichtig mit hohem Alteichenanteil. (© Klaus Schreiber, LWF)
In vier Untersuchungsgebieten wurden hierfür Batcorder in insgesamt 39 Waldbeständen zur Erfassung der Fledermausaktivitäten installiert. Die Aufzeichnungen erfolgten einmal monatlich jeweils eine Nacht lang im Zeitraum April bis September. Überraschende Beibeobachtung: In drei der vier Untersuchungsgebiete, auf 19 Batcorder-Standorten, konnte die seltene Nymphenfledermaus nachgewiesen werden, und zwar auf den Flächen bei Mainberg, bei Sulzheim und nordöstlich von Ullstadt (Abbildung 3).
Von allen 13 erfassten Fledermausarten wies die Nymphenfledermaus nach der Zwerg- und Mückenfledermaus die dritthöchste Gesamtaktivität (Maßeinheit: Dauer der aufgezeichneten Rufe in Sekunden) auf. Die Rufintensität an einem Standort im FFH-Gebiet 6028-371 »Dürrfelder und Sulzheimer Wald« nördlich von Gerolzhofen lässt sogar darauf schließen, dass sich dort vermutlich ein Wochenstubenquartier befindet.
Die Nachweis-Standorte bestätigen dabei die bisherigen Kenntnisse zu den Lebensraumansprüchen der Art: Es sind Waldbestände, die sich durch hohe Eichenanteile (zwischen 65 und 100 %) in der Bestockung auszeichnen. Der Großteil befindet sich in der Reifungsphase – das geschätzte Alter der prägenden Baumschicht liegt zwischen 120 und 150 Jahren. Nahezu alle Bestände sind strukturreich und weisen mehrere Bestandsschichten auf. Es sind überwiegend geschlossene Wälder mit einem geschätzten Überschirmungsgrad (Baumschicht) zwischen 80 und 100 %. Kleinere Fließ- bzw. Stillgewässer liegen durchwegs in erreichbarer Nähe.