Header Boden und Klima

RSS-Feed der Bay. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft abonnieren

So verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr. Unser RSS-Feed "Nachrichten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft" informiert Sie kostenlos über unsere aktuellen Beiträge.

Aufruf des RSS-Feeds

Alexandra Wauer, Tobias Mette und Hans-Joachim Klemmt
Quo vadis, Kiefer? – LWF aktuell 117

Frühjahr und Sommer 2016: Im Großraum Nürnberg werden immer mehr sterbende Kiefern mit roten Nadeln beobachtet, ein Alarmsignal. Hier ist die Kiefer die wichtigste Wirtschaftsbaumart. Sollte es tatsächlich mit ihr bergab gehen? Ein Gemeinschaftsprojekt der LWF und des Lehrstuhls für Ökoklimatologie der TU München geht den Ursachen nach. Der folgende Beitrag beleuchtet den Aspekt, den die jährliche Waldzustandserhebung dazu leisten kann. Langfristig wird die daraus entstehende Zeitreihe wertvolle Erkenntnisse zu Absterbe- und Revitalisierungsprozessen liefern.

Der folgende Beitrag beleuchtet den Aspekt, den die jährliche Waldzustandserhebung dazu leisten kann. Langfristig wird die daraus entstehende Zeitreihe wertvolle Erkenntnisse zu Absterbe- und Revitalisierungsprozessen liefern.
Der Sommer 2015 war in Bayern außergewöhnlich heiß und trocken. Beispielsweise wurden im unterfränkischen Kitzingen 40,3 °C gemessen, ein neuer Hitzerekord. Hinsichtlich der Anzahl der heißen Tage (Tmax ≥ 30 °C) und der klimatischen Wasserbilanz war 2015 im Vergleich zum Trockensommer 2003 sogar noch extremer, wie Abbildung 1 verdeutlicht.

Reaktion der Kiefern auf die Extremjahre 2003 und 2015

Linien- und Balkendiagramm vergleicht Niederschlag und Temperatur der Jahre 2003/04 und 2015/16 miteinander. Kein Trend abzusehen Zoombild vorhanden

Abb. 1: Vergleich von Temperatur und Niederschlag 2003 zu 2015. (Grafik: LWF)

Vergleicht man die Ergebnisse der Waldzustandserhebungen von 2003 und 2004 mit denen der Jahre 2015 und 2016, so zeigt sich, dass die Differenzen von 2003 auf 2004 deutlich größer ausfielen als von 2015 auf 2016, vor allem beim Anteil der Schadstufen zwei bis vier (Tabelle 1). Bis zum Jahr 2013 erholten sich die bei der jährlichen Waldzustandserhebung (WZE) aufgenommenen Kiefern deutlich, in diesem Jahr betrug ihr mittlerer Nadelverlust nur 15,2 %. Danach ist in Bayern eine stetige Verschlechterung zu beobachten.

Der mittlere Nadelverlust stieg 2014 auf 22 %, die Ursache dafür ist unbekannt. 2015 erreichte er 24, 2016 knapp 26 %. Die Ergebnisse der Jahre 2015 und vor allem 2016 lassen sich als Reaktion auf den Trockensommer 2015 werten. Die Kiefer als ursprünglich boreale Baumart leidet wahrscheinlich dank ihrer Fähigkeit, äußert tief wurzeln zu können, weniger unter Trockenheit, sondern vermehrt unter großer Hitze (u. a. Rigling et al. 2006). Dazu kommen Sekundärschädlinge, die bereits geschwächte Bäume zum Absterben bringen können (z. B. Diplodia pinea, Kiefernprachtkäfer, Waldgärtner).

Die postglaziale Evolution von Pinus sylvestris ermöglichte vor allem dieser Baumart mit ihrer großen ökologischen Amplitude, Randbereiche zu besiedeln, in denen andere Baumarten keine oder nur wenige Chancen hatten, und besonders viele Standortsrassen hervorzubringen. Gerade diese Eigenschaft der Kiefer, auch auf armen und trockenen Standorten noch gute Wuchsleistungen hervorzubringen, trug zu ihrem häufigen Anbau in Mittelfranken bei.
     
     
     
     
     
     
     
Tabelle 1: Vergleich der Ergebnisse der Waldzustandserhebung (WZE) nach den Trockensommern 2003 und 2015 (1 Mittelwert: Durchschnittlicher Nadelverlust aller aufgenommenen Kiefern; ² Anteil am Gesamtkollektiv; ³ WZE 2016: alle Trakte)
Baumart und Jahr Mittelwert Schadstufe 0 % Schadstufe 1 % Schadstufe 2-4 %
Kiefer 2003 22,3 12,4 67,7 19,9
Kiefer 2014 24,8 8,7 59,2 32,1
Differenz 2004-2003 +2,5 -3,7 -8,5 +12,2
Kiefer 2015 24,0 15,1 57,6 27,3
Kiefer 2016 25,6 11,3 53,6 35,1
Differenz 2016-2015 +1,6 -3,8 -4,0 +7,8

Situation in Mittelfranken

Besonders betroffen war die Kiefer in Mittelfranken, dort wirkte sich der Trockensommer 2015 außergewöhnlich stark aus. Die Kiefer ist in dieser Region eine wichtige Wirtschaftsbaumart. Insbesondere im Gebiet der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ansbach, Fürth, Roth, Uffenheim, Weißenburg und Neumarkt waren bereits ab September 2015, verstärkt dann ab Winter/Frühjahr 2016 an Kiefern rötlich-braune Verfärbungen der Nadeln bis hin zum Absterben der Bäume zu beobachten.

Deshalb wurden die Schäden an der Kiefer im Projekt »Kiefernmonitoring in Mittelfranken « genauer unter die Lupe genommen. An diesem Projekt waren die Abteilungen »Boden und Klima« und »Waldschutz« der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) sowie der Lehrstuhl für Ökoklimatologie der TU München beteiligt. Ziel war, Schäden an den Kiefern im Wuchsgebiet 5 »Fränkischer Keuper und Albvorland« infolge des Trockensommers 2015 zu erfassen und Ursachen zu ergründen.

Konzept für die Beobachtung der Kiefern im Rahmen der Waldzustandserhebung

Kiefernkrone mit großem hellgrünen Mistelbusch an der SpitzeZoombild vorhanden

Abb. 2: Stark mit Misteln befallene Kiefer in Mittelfranken (Foto: R. Petercord)

An 96 ausgewählten Traktecken der Bundeswaldinventur (BWI) wurden alle Probebäume der Winkelzählprobe 4 (WZP 4) erstmals im Rahmen der WZE 2016 angesprochen. Diese Inventurpunkte wurden entsprechend einer Versuchsanordnung ausgewählt, die zwölf verschiedene Standort-Kombinationen der Faktoren Bonität, Waldrandlage, Staunässe und Nährstoffe abdeckt und auf denen mindestens vier lebende Kiefern stocken. Grundlagen für die Auswahl der Standorte waren die Daten der BWI 3 aus dem Jahr 2012, das Bayerische Standortinformationssystem BaSIS sowie klassische Standortskarten (Mette 2016).

Über, in größeren Gebieten absterbende Kiefern, wurde bisher nur an Standorten im Wallis oder in den Pyrenäen berichtet (Rigling et al. 2006; Galiano et al. 2010). Als Ursachen wurden Trockenheit bzw. Dürreereignisse, Mistelbefall und diverse Faktorenkomplexe diskutiert (Rigling et al. 2006; Rigling et al. 2013).

Im Rahmen der WZE werden nicht nur der Nadel-/Blattverlust, sondern auch Schäden und Befall mit Schadorganismen angesprochen. Die »Momentaufnahme « eines einzelnen Jahres dokumentiert zwar den Istzustand, läßt aber kaum Schlüsse hinsichtlich der künftigen Entwicklung zu. Deshalb wurden die für das Kiefernmonitoring ausgewählten BWI-Traktecken in die jährliche Waldzustandserhebung integriert, um langfristige Zeitreihen zu erzielen, mit denen sich Mortalität und Absterbe- bzw. Revitalisierungsprozesse nachvollziehen und dokumentieren lassen.

Ergebnisse 2016 und 2017

Die erste Aufnahme fand im Anschluss an die WZE vom 25. Juli bis 12. August 2016 statt, die zweite im Rahmen der WZE im Juli 2017. Bei der Waldzustandserhebung werden nur Bäume der Kraft- Klassen 1 bis 3 (Lichtkrone) aufgenommen. Die erhobenen Daten wurden hinsichtlich der Parameter Nadelverlust/ Schadstufe (Tabelle 2), Ausfallgründe (Tabelle 3), und Mistelbefall ausgewertet. Anschließend wurden sie mit den Ergebnissen der WZE 2016 und 2017 für Gesamtbayern sowie für die anderen Trockengebiete verglichen (Tabelle 2).

Tabelle 2 zeigt, dass die Kiefer vor allem im mittelfränkischen Projektgebiet als auch 2016 im gesamten Wuchsgebiet 5 »Fränkischer Keuper und Albvorland« die höchsten Nadelverluste im gesamten Freistaat aufweist. Insbesondere der Anteil der Schadstufen 2 bis 4 von knapp 50 % 2016 ließ aufhorchen. Um dieses Ergebnis weiter verfolgen zu können, wurde ab 2017 im gesamten Wuchsgebiet 5 das Aufnahmeraster auf 8 x 8 km verdichtet und damit eine bessere Datengrundlage geschaffen.

Die Unterschiede zwischen den beiden ersten Aufnahmejahren belegen noch keine Tendenz. Es ist auch noch zu früh, aus diesen Daten Hinweise für ein zukünftig verstärktes Abgehen der Kiefer in Mittelfranken ableiten zu wollen. Eine langfristige Zeitreihe, die die kommenden Jahre abbildet, wird Aufschluß geben.
     
     
     
     
     
     
Tabelle 2: Mittlere Nadelverluste und Anteile der Schadstufen 2 bis 4 nach Regionen
Region Mittelwert 2016 Mittelwert 2017 Schadstufe 2-4 , 2016 Schadstufe 2-4 , 2017
Kiefer gesamt 26,7 25,2 39,3 32,2
Kiefer in den Wuchsgebieten 4 und 6 (Fränkische Platte, Schwäbischer und
Fränkischer Jura)
23,4 24,1 38,6 29,4
Kiefer im Wuchsgebiet 5 (Fränkischer Keuper und Albvorland) 28,9 22,9 42,7 26,7
Kiefer in den Trakten des Projekts" Mittelfranken" 29,6 29,4 47,5 44,5
Kiefer im Wuchsgebiet 15 (Alpen) 24,6 23,9 29,6 25,9
   
   
   
   
   
   
Tabelle 3: Anteile der ausgefallenen Kiefern nach Ausfallgründen, Vergleich zwischen 2016 und 2017
Ausfallgrund 2016 Anteil [%] 2017 Anteil [%]
Planmäßige Nutzung 4,4 1,9
Nutzung auf Grund von Schäden 0,4 0,7
Tor stehend im Bestand ohne Feinreisig 0,1 0,3
Zum Aufnahmezeitpunkt frisch abgestorben 0,6 0,3
Nicht mehr bonitierbar 4,3 4,7

Ausfallgründe

Der Anteil planmäßig genutzter Bäume ging von 2016 auf 2017 zurück. Dagegen stiegen die Anteile auf Grund von Schäden genutzter bzw. im Bestand tot stehender Bäume ohne Feinreisig leicht an. Inwieweit sich diese Tendenzen fortsetzen, werden die Aufnahme in den kommenden Jahren zeigen.

Mistelbefall

Bayerische Landkarten, auf der der Mistelbefall bayernweit eingezeichtet ist. Befallen sind insbesodnere Kiefern in MittelfrankenZoombild vorhanden

Abb. 3: Verbreitung der Mistel in Bayern nach Wuchsgebieten. (Grafik: LWF)

Die Mistel als Halbschmarotzer entzieht dem besiedelten Baum Wasser. Bei stärkerem Befall leidet der Baum vor allem in Trockenperioden unter Wasserstress. Starker Mistelbesatz führt zu Zuwachsverlusten und schließlich zum Absterben. Im Rahmen der jährlichen Waldzustandserhebung wird seit 2007 auch der Mistelbefall erfasst. Damals lag die relative Befallsrate der Kiefernmistel noch bei circa 1,5 %. Im Jahr 2016 waren an den Inventurpunkten bereits knapp 13 % der Kiefern mit Misteln besiedelt. Im Gebiet zwischen Ansbach und Neumarkt/Oberpfalz sowie zwischen Roth und Bamberg weisen die Kiefern die höchsten Nadelverluste auf. Dort breitet sich auch die Mistel stärker als in anderen Kieferngebieten aus.

Im Gegensatz zu Mittelfranken sind in den übrigen bayerischen Wuchsgebieten meist nur wenige Kiefern von Misteln befallen (Abbildung 3), auf den Inventurpunkten in den Alpen wurde bisher kein Befall nachgewiesen. In Mittelfranken sind derzeit knapp ein Drittel der aufgenommenen Kiefern mit Misteln besiedelt. Diese unterschiedliche regionale Verteilung steht im Einklang mit den Temperaturansprüchen der Mistel. Nach Auswertungen verschiedener Klimaparameter lassen sich signifikante positive Einflüsse der Jahresdurchschnittstemperatur und insbesondere der Sommertemperatur sowie ein signifikant negativer Einfluss der Jahresniederschlagsmenge auf den Mistelbefall feststellen (Hardtke 2013; Petercord et al. 2017; Behrendt 2018).

Die Bayerische Staatsregierung hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erstellung von Anpassungskonzepten an den Klimawandel beauftragt. Hier liefert das Netz der WZE eine wichtige Datengrundlage. Unter anderem sollen für die jährlichen Klimaanpassungsreports Klimaanpassungsindikatoren ermittelt und berechnet werden, die sich auf diese Daten stützen. Ein geplanter Klimaanpassungsindikator widmet sich der Ausbreitung der Mistel. Dafür sind unter anderem verlässliche Daten für diese Baumart notwendig, die die Standardaufnahmen der WZE liefern.

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren