Olaf Schmidt
Auffällig wenig Singvögel!
Foto: C. Josten
Im Winter 2020/21 mehrten sich die besorgten Stimmen, die die Vogelvielfalt an ihren Futterstellen vermissen. Im Februar 2021 veröffentlichte der LBV das Ergebnis der aktuellen Vogelzählung: Haus – und Feldsperling sowie die Kohlmeise belegten die Plätze 1 bis 3.
Auffällig jedoch war die geringe Zahl der Vögel, die die Vogelliebhaber an ihren Futterstellen beobachten konnten. Immer häufiger wurde und wird die Frage gestellt, ob es sich hier um ein Singvogelsterben handelt oder warum weniger Vögel beobachtet werden können. Diese Fragen wurden auch dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein gestellt.
Gibt es tatsächlich weniger Singvögel?
Abb. 1: Ein Rotkehlchen im Schnee (Foto: H. J. Fünfstück_5erls-naturfotos.de)
Auch der Abzug vieler Zugvogelarten verzögerte sich wegen der milden Herbstwitterung. Davon betroffen waren vor allem Kurzstreckenziehern wie Bachstelze, Hausrotschwanz oder Mönchsgrasmücke.
Abb. 2: Eine Amsel auf einem Pfaffenhütchen (Foto: H. J. Fünfstück_5erls-naturfotos.de)
Im Durchschnitt wurden nur noch 32 Vögel pro Garten gemeldet. Die Spitzenreiter bei den beobachteten Vogelarten waren die beiden heimischen Sperlingsarten, der Hausspatz auf Platz 1 und der Feldsperling auf Platz 2. Dann folgten auf den weiteren Plätzen Kohlmeise, Amsel und Blaumeise. Die Top Ten der beobachteten Vogelarten vervollständigten die Arten Buchfink, Erlenzeisig, Grünfink, Elster und Rotkehlchen.
Neuartige Vogel-Krankheiten
Abb. 3: Die Blaumeise - trotz "Blaumeisen-Krankheit" durch eine bakterielle Infektion immer noch auf Platz 5 der Wintervogelzählung (Foto: H. J. Fünfstück_5erls-naturfotos.de)
Begonnen hat dies mit einem plötzlichen Sterben der Grünfinken im Sommer 2009. Als Erreger wurde Trichomonas gallinae nachgewiesen. Insbesondere an verkoteten Futterstellen infizierten sich die Grünfinken. Schätzungsweise starben etliche hunderttausende. Von diesem Einbruch hat sich die Population der Grünfinken örtlich und regional bis heute nicht richtig erholt. Früher zählten die Grünfinken zu den häufigsten Singvögel an den Futterstellen, heute nicht mehr. Immerhin belegten sie bei der Wintervogelzählung den 8. Platz.
Abb. 4: Überdurchschnittlich viele Wacholderdrosseln waren ab Oktober bis zum Jahresende auf Durchzug (Foto: H. J. Fünfstück_5erls-naturfotos.de)
Im Frühjahr 2020 wurde dann aus dem Rhein-Main-Gebiet von neuartigen Krankheitsbildern an Blaumeisen berichtet. Hier handelte es sich um eine Infektion mit dem Bakterium Sutonella ornithocola, das eine Lungenentzündung hervorruft. Selten werden auch andere Singvögel befallen. Schwerpunkte dieses »Blaumeisensterbens« liegen nach wie vor im Rhein-Main-Gebiet, in Hessen und Thüringen. Der Erreger wird durch Stechmücken übertragen. Trotz dieser Bestandseinbußen liegt die Blaumeise bei der Wintervogelzählung 2021 nach Haussperling, Feldsperling, Kohlmeise und Amsel auf dem 5. Platz.
Überwinternde Vogelgäste
Abb. 5: Diese Vogelbeere ist ein gefundenes Fressen. (Foto: Hildegard Mantel)
Ebenso überdurchschnittlich war auch der Durchzug von Wacholderdrosseln ab Oktober bis zum Jahresende. Auch in München konnten Wacholderdrossel-Trupps von 20 bis 30 Exemplaren beobachtet werden. Ein vermehrter Einflug von Seidenschwänzen oder Bergfinken war dagegen bisher nicht zu verzeichnen. Obwohl es auch in Oberfranken Beobachtungen von größeren Bergfinkentrupps gab. Bergfinken suchen gerne Buchenwälder auf, um Bucheckern zu fressen.
Abb. 6: Der Erhalt von Strauch- und Krautmänteln hilft den überwinternden Vogelarten über die karge Jahreszeit hinweg. (Foto: Lisa Schubert, AELF FFB)
Die Bedeutung von Hecken und Waldrändern mit einer standortsgerechten Vielfalt an Straucharten für überwinternde Vogelarten darf nicht unterschätzt werden. Hier können wir durch den Erhalt von Strauch- und Krautmänteln an Wäldern bzw. durch die Pflanzung beerentragender Sträucher in Gärten, Flur und Wald auch den überwinternden Vogelarten auf Dauer mit genügend Nahrungsressourcen über die karge Jahreszeit hinweg helfen.
Weiterführende Informationen
- Vogelschutz im Wald - LWF-Merkblatt 21
- Waldvogelschutz auf Erfolgskurs – LWF aktuell 126
- Beerenstarke Vogelbeere – LWF aktuell 119
- Waldnaturschutz in Vogelschutzgebieten - LWF-aktuell 76
- Managementplanung in den Wäldern der EU-Vogelschutzgebiete - LWF-aktuell 69
- Vogelbeere und Tierwelt - LWF-Wissen 17
- Natura 2000-Kartieranleitungen für waldrelevante Vogelarten
- Arbeitsanweisung zur Erfassung und Bewertung von Waldvogelarten in Natura 2000 - Vogelschutzgebieten (SPA)
- Thema Vögel
- LWF aktuell - Übersicht
- Newsletter - Service der LWF
Autor
- Olaf Schmidt
- Er leitete bis zum 31. Juli 2020 die Bayerische Landesanstzalt für Wald und Forstwirtschaft.