Beate Kohler und Robert Vogl
Forstverwaltung »meets« Jugendverbände – LWF aktuell 126

Bayerns Forstverwaltung strebt mehr Waldpädagogik für Jugendliche an

Jugendliche stehen mit ihren Forderungen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit derzeit im Fokus der Medien. Die weltweite Bewegung »Fridays for Future« und mehrere hunderttausend Jugendliche, die bis zur Coronapandemie auf den Straßen für mehr Klimaschutz demonstrierten, zeigen, wie sehr der Wunsch nach einer gerechten und lebenswerten Zukunft Jugendliche bewegt. Jugendliche interessieren sich für Nachhaltigkeitsthemen. Als Entscheidungsträger von morgen sind sie eine wichtige Zielgruppe, der sich die Bayerische Forstverwaltung in Zukunft stärker widmen möchte.

Menschen stehen im Wald und unterhalten sichZoombild vorhanden

Abb. 1: Um Jugendliche zu erreichen ist die Zusammenarbeit zu verbessern (Foto: R. Nützel)

Dominierende Zielgruppe der forstlichen Bildungsarbeit in Bayern sind bislang Grundschulkinder der Klassenstufen 3 und 4. In der aktuellen Richtlinie zur Waldpädagogik der Bayerischen Forstverwaltung werden jedoch auch Schüler weiterführender Schulen, Kinder der Elementarstufe, Kinder und Jugendliche aus dem außerschulischen Bereich sowie Multiplikatoren als wichtige Zielgruppen forstlicher Bildungsarbeit angeführt (StMELF 2017). Die Bayerische Forstverwaltung strebt daher eine gezielte Erweiterung der Zielgruppen an.

Die Aus- und Fortbildung von Multiplikatoren erscheint aufgrund seiner Effizienz und der zu erwartenden großen Reichweite als ein besonders vielversprechender Ansatz. Hierzu erfolgte im Rahmen eines Projekts der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf (HSWT) eine umfassende Kundenpotenzialanalyse.

Ziel dieser Untersuchung war es, das bereits bestehende Angebot sowie die Bedürfnisse und Wünsche potenzieller Zielgruppen zu erfassen. Im Fokus der Untersuchung standen Multiplikatoren in den vier Bereichen »Jugendarbeit in Verbänden«, »weiterführende Schulen«, »Kita« und »Gesundheitswesen«.

Untersuchungsaufbau

Vier weiße Rechtecke auf rostrotem Grund, die hierarchisch von oben nach unten angeordnet sindZoombild vorhanden

Abb. 2: Untersuchungsablauf (Grafik: LWF)

Der in Abbildung 2 dargestellte Untersuchungsablauf zeigt die vier aufeinander aufbauenden Schritte. Zunächst erfolgte eine Ist-Analyse (1). Diese setzte sich aus einer Befragung der bayerischen Walderlebniszentren und Nationalparkeinrichtungen sowie einer umfassenden Internet- und Medienrecherche zusammen, bei der bayernweit Fort- und Weiterbildungen unterschiedlichster Anbieter im Bereich der natur- und waldbezogenen Bildungsarbeit analysiert wurden. Hierbei wurden mehr als 600 Datenbanken und Institutionen berücksichtigt.

Auf Basis dieser Ergebnisse wurden in einem Expertendialog mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) die o.g. vier Multiplikatorengruppen für die Bedarfsanalyse (2) identifiziert. Die Analyse erfolgte im Rahmen von 68 Telefoninterviews. Durch die Zusammenführung der Ergebnisse von Ist- und Bedarfsanalyse konnten erste Gelingensbedingungen für erfolgreiche, zielgruppenorientierte Weiter- bildungsangebote im Feld der waldbezogenen Bildungsarbeit identifiziert werden.

Hierauf aufbauend erfolgte eine Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT-Analyse) (3) der gegenwärtigen forstlichen Bildungsarbeit in Bayern, mit dem Ziel, die Potenziale der o.g. Zielgruppen zu analysieren und eine Priorisierung der Zielgruppen für das weitere Vorgehen im Projekt vorzunehmen. Ergebnis dieses Prozesses war ein eindeutiger Fokus auf Multiplikatoren, die mit Jugendlichen arbeiten, konkret »Jugendarbeit in Verbänden« sowie »LehrerInnen weiterführender Schulen«.

Für beide Zielgruppen wurden Vorschläge für erfolgsversprechende Fortbildungen (4) erarbeitet. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die wesentlichen Ergebnisse zur Zielgruppe »Jugendarbeit in Verbänden«. Ergebnisse zur Zielgruppe »LehrerInnen weiterführender Schulen« werden in der AFZ/DerWald 2020 publiziert.

Aktuelles Angebot

Von den insgesamt über 600 identifizierten Multiplikatorenangeboten im Bereich waldbezogener Bildungsarbeit in Bayern richten sich lediglich elf Prozent an Jugendliche außerhalb des formalen Bildungswesens. Auffällig ist auch, dass mit zehn Prozent kaum Fortbildungen zu Nachhaltigkeitsthemen angeboten wer- den, obwohl sich Wald als exemplarisches Ökosystem und Lernort hervorragend für deren anschauliche Vermittlung eignet.

Wald und Nachhaltigkeit in der Jugendarbeit von Verbänden

Grafik, die zeigt, wie wichtig Wald istZoombild vorhanden

Abb. 3: Stellenwert von »Wald« in der Jugendarbeit der Verbände (Grafik: LWF)

Die Bedarfsanalyse erfolgte anhand von zwölf Expertengesprächen mit Verbandakteuren (z. B. BildungsreferentInnen, JugendgruppenleiterInnen) aus den Bereichen Naturschutz, Landwirtschaft, Kirche und Soziales sowie Natursport in Bayern.

Die Ergebnisse zeigen, dass Naturerfahrung und Naturbildung in der verbandlichen Jugendarbeit nicht im Vordergrund stehen. Zwei Drittel der Befragten betonen, dass die Jugendlichen eher an umweltpolitischen Themen wie Biodiversität, Klimawandel, Ernährung und Landwirtschaft interessiert seien und diese Inhalte zum Beispiel über Kampagnen und Aktionen in die Bevölkerung trügen.

Speziell nach dem Stellenwert von »Wald« gefragt, zeigt sich jedoch, dass »Wald« bei einem Großteil der befragten Verbände ein mittlerer bis hoher Stellenwert in der Jugendarbeit zukommt (Abbildung 3).
Grafik, die den Srtellenwert von Nachhaltigkeitsthemen zeigtZoombild vorhanden

Abb. 4: Stellenwert von Nachhaltigkeitsthemen in der Jugendarbeit der Verbände. Die Schriftgröße korreliert mit der Häufigkeit der Nennung. (Grafik: LWF)

Verbände, die dem Wald einen hohen Stellenwert einräumen, thematisieren Inhalte wie die Biodiversität in Wäldern, die Schutzfunktion sowie das Verhalten im Wald. Darüber hinaus begegnen die Jugendlichen Wald im Rahmen von Waldpflegeeinsätzen oder durch Aktivitäten wie Exkursionen oder Zeltlager. Einzelne Verbände kooperieren dabei mit Partnern aus den Bereichen Forst und Naturschutz.

Nur wenige Befragte geben an, dass Wald überhaupt keine Rolle in ihrer Jugendarbeit spielt. Den geringen Stellenwert begründen sie mit einer überwiegend städtischen Umgebung sowie dem geringen Alltagsbezug des Themas.

Abbildung 4 zeigt, dass Themen der »Nachhaltigkeit« ein deutlich höherer Stellenwert zugesprochen wird als dem »Wald«. Dominierend ist dabei »Nachhaltiger Konsum« am Beispiel von Ernährung, Plastikmüll oder Textilverbrauch. Weitere Themen sind Biodiversität, Klimaschutz, Upcycling oder die Wertschätzung von Lebensräumen.

Interesse an Fortbildungen

Großer rostroter Kringel in der Mitte, darüber kleine Kringel in gelb, darunter drei rostrote Recktecke, alles auf hellgelbem GrundZoombild vorhanden

Abb. 5: Bedarfsgerechte Fortbildungsinhalte und Rahmenbedingungen für JugendgruppenleiterInnen in Verbänden. Die Schriftgröße korreliert mit der Häufigkeit der Nennung. (Grafik: LWF)

Das Interesse an Fortbildungen für JugendgruppenleiterInnen im Bereich waldbezogener Bildungsarbeit wird von allen Befragten hoch eingestuft. Der Fokus dieser Fortbildungen sollte auf Nachhaltigkeitsthemen wie zum Beispiel nachhaltiger Konsum oder die wechselseitige Beziehung von Natur/Wald und Mensch liegen (Abbildung 5). Darüber hinaus sind beispielsweise Artenkenntnisse, Kenntnisse zur Verwertung von Wildpflanzen, Naturerfahrungsansätze sowie Wissen zu Wald und Forstwirtschaft in Bayern von Interesse.

Fortbildungen im Rahmen der Verbandsarbeit sollen nicht allein zur Wissensvermittlung dienen, sondern auch zur Förderung des Gruppengefühls, der internen Vernetzung sowie als Wertschätzung der ehrenamtlich tätigen GruppenleiterInnen (da die Kosten weitgehend vom Verband übernommen werden). Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen, sind eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Veranstaltungen.

Die Fortbildungen sollten ein- bis zweitägig sein, am Wochenende stattfinden und in einem Radius von 1–2 Std. Anfahrtszeit liegen. Die Kostenbeiträge für die JugendgruppenleiterInnen sind mit ca. 15,– €/ Tag gering. Der Hauptanteil der Kosten wird von den jeweiligen Verbänden übernommen.

Zusammenarbeit Forst und Jugendverbände

Aufbauend auf den Ergebnissen der Bedarfsanalyse wurden in einem zweitägigen Workshop Potenziale der Zielgruppe »JugendgruppenleiterInnen« im Rahmen der forstlichen Bildungsarbeit identifiziert.

Chancen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Forst und Jugendverbänden wurden in der Authentizität von Forstleuten bei Waldthemen, den gemeinsamen Themenfeldern z. B. Nachhaltigkeit sowie dem beidseitigen Interesse an einer Zusammenarbeit gesehen. Darüber hinaus bieten Kooperationen mit Jugendverbänden forstlichen Akteuren die Möglichkeit, Akzeptanz für forstliches Handeln zu fördern, gleichzeitig aber auch andere gesellschaftliche Sichtweisen kennenzulernen.

Als Schwachpunkt wurde insbesondere die bislang vergleichsweise geringen Erfahrungen forstlicher Bildungsakteure im Umgang mit Jugendlichen und Verbänden und eine mögliche Zurückhaltung gegenüber der anspruchsvolleren Zielgruppe Jugendliche herausgearbeitet.

In einem zweiten Workshop, an dem Vertreter der Forstverwaltung und verschiedener Jugendverbände teilnahmen, wurden die Bedürfnisse und Interessen beider Seiten konkretisiert. Hierbei zeigte sich, dass forstliche Akteure in dieser Zusammenarbeit »neue Wege« begehen wollen, um den Stellenwert der Umweltbildung zu stärken und durch diese Allianzen stärker wahrgenommen zu werden. Inhaltlich sehen sie deutliches Potenzial in der Verknüpfung forstlicher Themen mit Schlüsselthemen nachhaltiger Entwicklung.

Die Akteure von Verbandsseite bewerten die Kompetenz und Expertise forstlicher Akteure zum Thema Wald positiv und sehen eine Bildungschance in möglichen Widersprüchen und Interessenskonflikten (z. B. zwischen Naturschutz und Forst). Wesentlich ist für sie jedoch, dass das spezifische Verbandsleitbild berücksichtigt bzw. bei einer intensiven Zusammenarbeit sogar »im Vordergrund« steht. Es wurden zwei Arten einer möglichen Zusammenarbeit unterschieden:
  • Forstliche Bildungsarbeit als externe Dienstleistung für Verbände
  • Kooperatives, gemeinsames Angebot von forstlichen Akteuren und Verbänden
Beide Formen der Zusammenarbeit könnten zum Beispiel über die in Bayern geplante Akademie »Wald und Gesellschaft « als »Anlaufstelle für Verbände « angeboten werden. Dabei wurde das externe Angebot als »Standbein« und die Etablierung eines gemeinsamen Angebotes als »Spielbein« bezeichnet.

Das Vorhandensein einer Anlaufstelle wurde von Verbandsseite als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gewertet, da diese »Halt und Konstanz« (Zitat) in den meist ehrenamtlichen und damit schwer greifbaren Verbandsstrukturen geben kann. Darüber hinaus erscheint eine entsprechende Infrastruktur im Wald für den Erfolg von Angeboten wesentlich. Konkret angedacht wurde ein Seminarhaus mit zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten.

Zusammenfassung

Eine längerfristige Zusammenarbeit mit Jugendverbänden bietet Jugendlichen die Möglichkeit, Wald auf unterschiedlichste Art und Weise zu erfahren und am Beispiel Wald Zusammenhänge nachhaltiger Entwicklung sowie die Bedeutung nachhaltiger Forstwirtschaft zu erkennen.

Dieses Vorgehen erscheint besonders erfolgsversprechend, da Jugendarbeit in Verbänden außerhalb des formalen Bildungswesens erfolgt und im Gegensatz zum schulischen Lernen freiwillig und intrinsisch motiviert ist. Mit den JugendgruppenleiterInnen verfügen Verbände über ebenso interessante wie bislang weitgehend unerreichte Multiplikatoren. Gleichzeitig könnten aber unterschiedlichste und oft schwer greifbare Verbandsstrukturen eine Zusammenarbeit mit Jugendverbänden schwierig gestalten.

Die vorliegenden Projektergebnisse stellen eine Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Jugendverbänden dar. Sie bieten die Chance eines erweiterten Dialogs zwischen Forst und Verbänden und die Möglichkeit, Jugendliche als Entscheidungsträger von morgen zu erreichen.

Die aktuellen Medienberichte zu den weltweiten Klimademonstrationen machen deutlich, dass Jugendliche bereit sind, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Jetzt bietet sich den Forstleuten die Chance, das Angebot der Jugendlichen, ihre Ideen und Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen, gezielt aufzugreifen und damit als moderne Dialogpartner in Erscheinung zu treten.

Projekt

Das Projekt »Waldbezogene Bildungsarbeit für Multiplikatoren - Kundenpotenzialanalyse für Bayern (ST 342)«, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wurde vom 1.9.2018 bis 30.11.2019 an der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf durchgeführt. Projektleitung: Prof. Robert Vogl, Projektbearbeitung: Dr. Beate Kohler.

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Literatur

  • StMELF – Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2017): Richtlinie Waldpädagogik in der Bayerischen Forstverwaltung vom 08. November 2017, Az.: F5- 7840-1/327

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