Joachim Hamberger
Der Holländerholzhandel - LWF aktuell 131
Abb. 1: »Holländerstämme« waren ein Exportschlager aus den süddeutschen Mittelgebirgen. Diese Weißtanne haben Clemens Benz (links) und Jürgen Dürr für die Landesgartenschau 2017 in Bad Herrenalb, LKr. Calw, gefällt. Sie war 45 m hoch und hatte ein Volumen von knapp 20 m³. Foto: Landratsamt Calw
Heute längst vergessen, war der Holzhandel mit den Niederlanden einst wichtiger Teil der deutschen Forstwirtschaft.
Als »Holländer« wurde eine stattliche Tanne oder Fichte bezeichnet, die wegen ihrer außerordentlichen Dimension – bis zu 30 m lang und am dünneren Ende immer noch 40 cm dick – als Exportgut über Neckar, Main, Mosel und Rhein in die Niederlande ging. Das aufstrebende Holland war mit seiner Schiffs- und Städtebaukunst und seinen weltweiten Handelsverbindungen im 17. und 18. Jahrhundert die größte Produktionsregion Europas und übte einen ungeheuerlichen, heute kaum vorstellbaren Rohstoffsog aus. Die Nachfrage war lange Zeit so prägend, dass der Begriff »Holländer« für starkes Holz noch verwendet wurde, als gar kein Holz mehr in die Niederlande geflößt wurde.
Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert war der Begriff »Holländerholz« ein fester Bestandteil der Forstsprache in Deutschland (Abb. 1). Gemeint war damit Holz, das in den Export über den Rhein in die Niederlande ging. Holland und England brauchten damals immens große Holzmengen zum Ausbau ihrer Handels- und Kriegsflotten, aber auch für Wasser- und Städtebau. Der Bedarf wurde unter anderem aus der Schweiz, dem Schwarzwald und auf bayerischer Seite aus fränkischen Mittelgebirgen, aus dem Einzugsgebiet des Mains und seiner Nebenflüsse gedeckt: allen voran Frankenwald, Bamberger Hauptsmoorwald und Spessart (s. Kasten unten).
Holland – Europas Wirtschaftsmotor
Allerdings ist die Verkehrslage Hollands am Meer und am Rhein sehr günstig. Mit dem zunehmenden Schiffsverkehr ab dem 16. Jahrhundert wurden zum einen die Märkte weltweit erschlossen und über den Rhein war der wichtige Rohstoff- und Absatzmarkt Mitteleuropa gut zu erreichen. Da an der Küste zuverlässige Winde wehen, konnte die fehlende Wasserkraft mit der in Holland fortentwickelten Technologie der Windmühlen kompensiert werden.
Rohstoffe rein, Wertgüter raus
Abb. 2: Auf der Binde, am Sammelplatz des Holzes, werden die Baumstämme zu Gsteren und die Gstere dann zu Flößen zusammengebunden. Zeichnung: W. Hasemann, Mein Heimatland 13 (1926) S. 109–119
Die Boomregion am Niederrhein handelte mit Wein aus dem Mittelmeerraum, mit Fellen aus Russland und Holz aus Skandinavien und dem Baltikum. Weil viel Geld im Umlauf war, blühte auch die Kunst in dieser reichsten Region Europas. Das zeigen die produktiven und großen Malerwerkstätten von Rembrandt und Rubens.
Als wegen des Falls von Konstantinopel (1453) und den ständigen Auseinandersetzungen mit den Osmanen keine Waren mehr über die Seidenstraße in den Westen kamen, verloren die italienischen Stadtstaaten ihr Handelsmonopol mit asiatischen Waren, die sie bis dahin aus der Levante importiert hatten. Erst als die Portugiesen Afrika umschifft und den Weg nach Indien (Vasco da Gama, 1498) gefunden und die Spanier (Christoph Kolumbus, 1492) Amerika entdeckt hatten, war für Europa ein weltweites Rohstofflager und ein ebenso großer Absatzmarkt erschlossen. Die Seehandelswege werden im 16. Jahrhundert daher immer bedeutender. Die Staaten am Rande Europas mit direktem Zugang zum Atlantik haben jetzt einen Vorteil. Sie gründen Handelsgesellschaften für den Ostindienhandel. Die Niederländische Ostindien-Kompanie – gegründet 1602 – hat Niederlassungen auf allen Kontinenten und handelt mit Waren und Rohstoffen aus aller Welt: Neu-Amsterdam (heute: New York), Surinam, Java, Südafrika.
Schiffsbau und Hafenbau
Abb. 3: Die teils über 300 m langen Holland-Flöße glichen schwimmende Holzinseln mit bis zu 500 Menschen an Bord. Modellbau: Jakob Sieger, 1985, © Siebengebirgsmuseum
Aber nicht nur für den Schiffsbau und für Werftanlagen werden große Mengen Holz gebraucht. Auch im Wasserbau, in Häfen und an den Kanälen werden Rammpfähle benötigt. Für die Fundamente von Gebäuden auf morastigem Untergrund werden ebenfalls Pfähle eingesetzt, die mindestens 11 m lang sein müssen. Ganze Stadtteile von Amsterdam und anderen niederländischen Städten sind auf vielen Millionen herbeigeflößten Holzpfählen errichtet. Und auch in den Hausbau, in die Feuerung und in die unterschiedlichen Gewerbe fließt viel Holz. Für die Windmühlen mit ihren bis zu 9 m langen Flügeln werden lange Balken benötigt. Kiefern aus dem Hauptsmoorwald sind astarm, verziehen sich kaum und sind als Flügel für holländische Windmühlen besonders gut geeignet.
Windmühlen
Abb. 4: Holzfloß auf dem Rhein bei Bonn. Kolorierter Kupferstich von J. E. Grave nach einer Vorlage von J. Bulthuis, 1796 © Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge e. V.
Weil die Bevölkerung wächst, wird Land gebraucht, das aber nur durch Entwässerung gewonnen werden kann. Dazu sind Pumpen notwendig. Die Energie kommt von den Windmühlen, die Pumpen antreiben und das Land hinter den Deichen trocken legen und trocken halten. Ab 1600 etwa werden Windmühlen auch zum Sägen von Schiffsholz verwendet. Deshalb können die Holländer Schiffe in vier Monaten bauen, während die Engländer dazu ein Jahr brauchen. Die Folge ist, dass in Holland zuhauf Aufträge für Schiffsbau für Drittländer eintreffen. Auch der russische Zar Peter der Große machte sich ein Bild vom High-Tech-Standort Holland. Albert Lortzing hat das in der Oper »Zar und Zimmermann« verewigt.
Organisation des Einkaufs
Als das Wasser noch (Holz)Balken hatte
Auf dem Floß viel los
Abb. 5: Holzschiffswerft um 1840 Foto: Deutsches Muse-um, München, Archiv, BN33542
Eiche krumm – besonders geschätzt
Abb. 6: Windmühlen waren in Holland der Energielieferant Nr. 1 und auch dafür verantwortlich, dass man deutlich schneller ein Schiff bauen konnte als anderswo. Aber Holz war auch Baumaterial für Windmühlen. Besonders begehrt waren Kiefernstämme aus dem Bamberger Hauptsmoorwald für die langen Flügel der Windmühlen. Foto: PantherMedia / swisshippo (YAYMicro)
Anders als die für Holland bestimmten Tannen und Fichten, die in Schlägen großflächig geerntet wurden, wurden die Eichen einzeln ausgesucht und vermarktet. Länge und Zopfstärke von »Holländereichen« war genau definiert: sie sollten 10–13 m lang sein und einen Mitteldurchmesser von 70–110 cm aufweisen. Eiche war als Schiffbauholz besonders hoch begehrt und ging als Auflast auf den Flößen mit. Das war der Grund, warum Eiche und Ahorn seit dem Dreißigjährigen Krieg im Schwarzwald sehr abgenommen haben. Die Holzhändler achteten auf bestimmte Eichenqualitäten und suchten in den Eichenkronen besondere Formen (Spezialsortimente). Dabei ging es ihnen, anders als heute, nicht um möglichst lange und gerade Schäfte, es waren auch Zwiesel, Astanläufe, Steiläste gesucht, die für bestimmte Teile der Schiffe verwendet wurden, die möglichst aus einem Stück sein sollten. Der riesige Außenhandel mit Eiche trat aber auch in Konkurrenz mit inländischer Eichennutzung (Bauholz, Fassholz, Eckerich etc.).
Letztlich geht auch die Heilbronner Sortierung des Stammholzes darauf zurück, bei der – ebenso wie beim Holländerholz – nach Mindestlänge und Mindestzopf sortiert wird. Sie war in Bayern bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in Gebrauch.
Zusammenfassung
Für Fürst und Volk
Im 18. und frühen 19. Jahrhundert kauften gut ein halbes Dutzend Firmen Eichenholz für den Handel mit Holland im Spessart ein. Der Export brachte viele Gulden in die Kassen der damaligen fürstlichen Waldbesitzer im Spessart. Aber der Handel kam auch Holzhauern und Fuhrleuten in den bitterarmen Spessartsiedlungen zugute. Im Revier Krausenbach im Kgl. Bayerischen Forstamt Bischbrunn ist für 1830/31 vermerkt, dass in der Waldabteilung Waldameisensohl zahlreiche Holländerstämme geschlagen und vor Ort bearbeitet wurden, so dass der ganze Waldboden mit vielen »Spänen« der bearbeiteten Eichen bedeckt war. Diese Späne mussten für 7 Gulden und 24 Kreuzer herausgeschafft werden, weil sie schädlich für die jungen Buchen und Eichen waren
Literatur
- Endres, M. (1922): Handbuch der Forstpolitik mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung und Statistik. Springer, Berlin
- Hamberger, J.; Bauer, O. (2019): Wald Mensch Heimat – Eine Forstgeschichte Bayerns. Laubsängerverlag, Freising
- Hasel, K.; Schwartz, E. (2006): Forstgeschichte. Ein Grund riss für Studium und Praxis. 3. verbesserte Auflage, Kessel, Remagen
- Hilf, R. (1938): Der Wald. Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Potsdam
- Keweloh, H.-W. (Hrsg.) (1985): Flößerei in Deutschland. Im Auftrag des deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart
- Kremser, W. (1998): Epochen der Forstgeschichte Estlands. Tallinn
- Mantel, K. (1990): Wald und Forst in der Geschichte – Ein Lehr-und Handbuch. Verlag M & H.. Schaper, Hannover
- Mayer, K.H. (2005): .Die Forst-und Jagdgeschichte des ehemals bambergischen Frankenwaldes und seines Lichtenfelser Vorlandes. Eigenverlag, Bamberg
- Paulinyi, A.; Troitzsch, U. (1997): Mechanisierung und Maschinisierung 1600–1840. In: Propyläen Technikgeschichte, herausgegeben von Wolfgang König, 3. Band, unveränderte Neuausgabe der 1990-1992 im Propyläen Verlag erschienenen Originalausgabe, Ullstein, Berlin
- Scheifele, M. (1995): Die Murgschifferschaft – Geschichte des Floßhandels, des Waldes und der Holzindustrie im Murgtal. Kasimir Katz Verlag, Gernsbach
- Operat des Reviers Krausenbach am Kgl. Bayer. Forstamt Bischbrunn 1830/31 (von Walter Graf)