Eine Gruppe von Kindern steht in einem Laubwald.

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Elisabeth Frank
Auf der Suche nach dem Wald – LWF aktuell 116

Historische Abbildungen erzählen Geschichten. Interessiert man sich für den Wald in diesen Geschichten, lohnt sich ein Blick in die Peripherie der Abbildungen.

Wie im Falle des Klosters Ettal: Die Darstellung der Landschaft bildet das zentrale Interesse einer forstwissenschaftlichen Bachelorarbeit, die auf der Suche nach dem Klosterwald mit unzähligen Bildern beginnt und schließlich mit einem Mythos endet.
Gemälde eines Klosters mit allen Häusern drumherumZoombild vorhanden

Abb. 1: Besitztümer des Kloster Ettal; Franz Zwinck, nach 1775; (Foto: Archiv der Benediktinerabtei Ettal)

Lassen Sie uns zu Beginn ein Bild (Abbildung 1) betrachten, in dem wir nicht finden, was wir eigentlich suchen. Das Gemälde soll die grund- und gerichtsherrliche Stellung der Abtei Ettal zum Ausdruck bringen. Um dies zu erreichen ist es wie eine Landkarte der wichtigsten kirchlichen und administrativen Bauten des Klosterterritoriums lesbar. Das Bild demonstriert dabei auf wundervolle Weise, welche Macht das Kloster hatte und wie es versuchte, diese in Darstellungen zum Ausdruck zu bringen.

Im konkreten Fall gelang dies - indem der Künstler alle zugehörigen Bauten in einem fiktiven Raum rund um das Kloster zusammenstellte. Was in dieser Anordnung fehlt und dennoch zum Besitz des Klosters gehört sowie für dessen Wirtschaftsführung eine wichtige Rolle spielte, sind dessen Wälder und die damit in Verbindung stehenden Bauwerke. Begeben wir uns deshalb nun auf die Suche nach dem Wald in historischen Abbildungen des Klosters Ettal.

Historische Abbildungen, Kunst- und Klostergeschichte als Ausgangspunkt

Blick vom Berg ins TalZoombild vorhanden

Abb. 2: Vergleichsreihe Südost; Winkler, 1829; (Foto: Archiv der Benediktinerabtei Ettal)

Wissenswert zu Beginn dieses Beitrags erscheint, dass Ettal im 18. Jahrhundert unter den Klöstern Bayerns mit etwa 40.500 Tagwerk Wald (ca. 14.000 ha) der drittgrößte Waldbesitzer war. Darüber hinaus erwirtschaftete das Kloster rund 75 Prozent seiner Einnahmen durch seine Forste (vgl. Weinberger 2003, S. 371; Heigl 2000, S. 125).

Ziel der Bachelorarbeit war es nun, anhand historischer Abbildungen nachzuvollziehen, welche Rolle das Kloster als Gestalter des Naturraumes seit seiner Gründung eingenommen hat und welchen Blick verschiedene Künstler darauf hatten. Relevant war dabei die Diskrepanz zwischen historischer Darstellung (das, was das Bild uns zeigt) und dem, was wir als Wirklichkeit für den gestalteten Raum annehmen dürfen. Der Landschaft und insbesondere dem Wald fiel dabei eine zentrale Bedeutung in der Beantwortung der Forschungsfrage zu, trotz ihrer Darstellung als Peripherie in den Bildern.

Zu diesem Zweck wurden Landschaftsgemälde, Kupferstiche und Holzdrucke aus 380 Jahren Klostergeschichte untersucht. 20 Bilder wurden nach räumlichen (abgebildete Landschaft als Wahlkriterium) und zeitlichen (vorhandene Datierung bis zum 19. Jh.) Aspekten ausgewählt. Fehlende Literatur und eine kritische Auseinandersetzung mit der Inhomogenität des Bildmaterials stellten eine große Herausforderung dar, der mithilfe einer eigens entwickelten Schematik zur Auswertung begegnet wurde.

Räumliche Chronologie

Luftbild der Klosteranlage Ettal. Eingezeichnet sind die zeitlichen Vergleichsreihen nach Süden, Südosent und WestenZoombild vorhanden

Abb. 3: Vergleichsreihen des Bildmaterials (Luftbild: Bayerische Vermessungsverwaltung)

Um das Material übersichtlich aufzubereiten und Vergleichbarkeit herzustellen, wurden die Bildquellen zunächst chronologisch innerhalb dreier ausgewählter, räumlicher Sichtrichtungen sortiert (Abbildung 3). Anschließend erfolgte eine qualitative, strukturierte Inhaltsanalyse des Bildmaterials.

Die Kommunikation der Bilder lag verschlüsselt in ihrer ganz eigenen Bildsprache vor, durch die Handschriften der Künstler und zeitlich unterschiedlicher Vorstellungen von Schönheit. Diese Sprache galt es zunächst aus den Bildern zu transkribieren, sozusagen jedes einzelne Bild zum Sprechen zu bringen.

Visuelles Lauschen

Zeichnung von KLoster Ettal vor BergkulisseZoombild vorhanden

Abb. 4: Vergleichsreihe Süd, Carl von Stengelius, 1638, (Foto: Archiv der Benediktinerabtei Ettal)

Aus dem visuell Wahrnehmbaren wurde über eine vereinheitlichte Beschreibung durch ein Quadrantenmodell und bildprägende Elemente ein Text für jedes Bild erstellt. So entstand das »Visuelle Lauschen«.

Dazu wurden die Bilder optisch in vier Segmente geteilt, um die Lage des Klosters im Bildraum besser verorten zu können und in Relation zur umliegenden Landschaft zu setzen. Unter Zuhilfenahme landschaftsplanerischer Begriffe für prägende Elemente in der Landschaft, zum Beispiel Leitstrukturen und die großräumliche Unterteilung in Natur- und Kulturlandschaft, erfolgte die Bildbeschreibung und Analyse der Quellen.

Eines dieser prägenden Elemente waren die Wege in den Bildern, die als Leitstrukturen nicht nur die Blicke des Betrachters lenkten, sondern auch das Bild räumlich erschlossen. In dieser sprachlichen Zusammenfassung dienten diese Wiedererkennungsmerkmale in der jeweiligen Vergleichsreihe als Orientierungspunkte, um die Forschungsfrage vergleichend beantworten zu können.

Auf der Suche nach dem Wald

Zeichnung von Kloster Ettal vor BergkulisseZoombild vorhanden

Abb. 5: Vergleichsreihe West; Mathhäus Merian, der Ältere: Ettal; 1654; (Foto: L. Koch, 1980)

In den Beschreibungen der Bilder entstanden verschiedene Eindrücke des veränderten Landschaftsbildes rund um das Kloster Ettal. In der vergleichenden Arbeit während der Auswertung ließ sich dazu ein neu gewonnenes Gesamtbild erstellen. Dieses enttäuschte zunächst die forstwissenschaftlichen Erwartungen, da der Wald scheinbar keine Rolle spielte. Vielmehr standen das Kloster und seine stete Veränderung in den Abbildungen im Mittelpunkt der Betrachtungen.
Die Art und Weise der Darstellungen des Waldes am Rande des Geschehens wies ihm dabei verschiedene Rollen zu: als vereinfachtes Symbol an den Berghängen (wie in Abbildung 4) oder auch als Stilelement, das wichtigeren Bildelementen Raum machte zur besseren Sichtbarkeit (wie in Abbildung 5 oberhalb der Kirchturmspitzen zu sehen).

Auffällige Veränderungen in den Darstellungen kamen mit der Säkularisation und Romantik. Ab dieser Zeitperiode zeigte sich ein neuer Blickwinkel auf das Kloster und damit auf den Wald. Die Proportionen verschoben sich in natürlichere Maße und damit erschien der Wald als Hintergrund eher als realistisch wahrnehmbar als in den frühen Darstellungen. Dies ergab die Aufschlüsselung in drei Sichtrichtungen, wo plötzlich sichtbar wurde, dass der Blick aus Südosten auf die Benediktinerabtei erst nach 1803 in Abbildungen festgehalten wurde. Damit ließ sich auch eine veränderte Einbettung des Klosters in dessen Umgebung feststellen.

Am Schluss bleibt der Mythos

Schraffur von Kloster Ettal vor BergkulisseZoombild vorhanden

Abb. 6: Vergleichsreihe Süd; Wilhelm Dietz, 1890 (Foto: Bögle und Hörhammer, 2000)

Im Transfer am Ende der Arbeit rückte dann schließlich der Wald in den Fokus der Betrachtungen. Das, was vorher eine eher untergeordnete Rolle gespielt hatte, kam dort zum Tragen. Denn die Peripherie der Bilder zeigte jenen unerschlossenen Bereich, in einer Bildbeschreibung als »Masse aus Kugeln« bezeichnet. Der Wald blieb ein Bereich, der schlichtweg Hintergrund und Entfernung bedeutet hatte: zu steil, zu dunkel, zu unerreichbar, eine kugelige Masse oder dunkle, wilde Schraffur.
Interessant dabei ist die Tatsache, dass der immense Besitz des Klosters Ettal bis zur Schätzung während der Säkularisation aus den umliegenden Wäldern kam. Denken Sie nur an die großen erwirtschafteten Summen dank der Forste. Diese zentrale Rolle des Waldes für das Kloster und seine Untertanen bleibt damit wie ein Fragezeichen an den Hängen der Ettaler Berge rund um die Abtei bestehen. Ein Mythos – in seiner immensen historischen Bedeutung für das Ordenshaus und gleichzeitig nur ein »Hintergrundrauschen « im Visuellen Lauschen der Bilder.

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Autorin

  • Elisabeth Frank