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Hannes Lemme
Millionen Eschen später - LWF-aktuell 114

Prachtkäfer sind als Sekundärschadinsekten bekannt, die auf geschwächte Wirtsbäume angewiesen sind. Mit der Einschleppung des Asiatischen Eschenprachtkäfers nach Nordamerika trifft nun ein asiatischer Käfer auf Wirtsbäume, die im Laufe der Evolution keine Abwehrmechanismen gegen diesen entwickeln konnten. Die Folgen in Nordamerika sind fatal. 2003 wurde der Käfer auch in Moskau entdeckt und breitet sich weiter in Europa aus.

Am 25. Juni 2001 wurden fünf Entomologen vom US-Pflanzenschutzdienst (APHIS), der Michigan State University und weiteren Behörden gebeten, sich Eschenschäden in Detroit anzusehen. Sehr schnell konnten sie die aus den Eschen gezüchteten Prachtkäfer der Gattung Agrilus zuordnen. Alle weiteren Bestimmungsversuche auf Ebene der Art scheiterten jedoch. Die Beschreibungen der heimischen Arten passten nicht zu den vorliegenden Käfern.

Den Entomologen war schnell klar, dass hier nur ausgewiesene Prachtkäferexperten weiterhelfen können. Die aus den Eschenstücken gezüchteten Exemplare wurden weltweit versandt. Bereits am 9. Juli 2001 kam von einem in der Slowakei arbeitenden Prachtkäferexperten die Nachricht, dass es sich um den Asiatischen Eschenprachtkäfer Agrilus planipennis handelt. Die US-Amerikaner hatten noch keinen englischen Namen. Sie tauften die Art kurzerhand »Emerald Ash Borer« oder EAB (Cappaert et al. 2005).

Vom Schwächeparasit zum Primärschädling

Grün-gold glänzender Käfer auf Blatt.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Asiatischer Eschenprachtkäfer (Foto: David Cappaert, Bugwood.org)

Dass die Eschen durch den Befall des Asiatischen Prachtkäfers im Stadtgebiet von Detroit abstarben, hat die Entomologen noch nicht wirklich überrascht. Bäume im urbanen Umfeld sind oft gestresst. Prachtkäfer befallen gestresste Wirte. Der Befall war somit erklärbar. Außerhalb von Detroit war jedoch zu beobachten, wie ganze Eschenbestände abstarben. Die gängige Erfahrung – Prachtkäfer befallen lediglich geschwächte Wirtsbäume – traf bei dieser asiatischen Käferart in Nordamerika nicht zu.

Die Käfer sind schmal, 7,5 bis 15 mm lang und von smaragdgrün-metallischer Farbe (Abbildung 1) und unserem heimischen Eichenprachtkäfer Agrilus biguttatus sehr ähnlich. Die Larven sind, wie bei vielen Agrilus-Arten, cremeweiß, flach, länglich und besitzen ein Paar braune, zangenförmige Fortsätze am letzten Hinterleibssegment (Abbildung 5). Ausgewachsene Larven sind bis zu 32 mm lang (Schröder 2004). Erste Hinweise für einen Befall geben die 3,5 bis 4,1 mm breiten D-förmigen Ausfluglöcher der Käfer (Abbildung 2).

Der Eschenprachtkäfer legt seine Eier auf der Rinde oder in Rindenritzen ab. Die Eilarven bohren sich durch die Rinde in die Bast-, Kambial- und äußere Xylemschicht. Durch den mäandrierenden Fraß der Larve wird der Saftfluss des Baumes unterbrochen (Abbildung 3).

Esche, eine wichtige Mischbaumart in nordamerikanischen Wäldern

Baumarten der Gattung Fraxinus gehören mit 16 Arten, von denen sechs ökonomisch von Bedeutung sind, zu den wichtigen, jedoch nur meist codominanten Laubbaumarten in einer Vielzahl von Waldökosystemen in Nordamerika. Jedoch zählen einige Eschenarten zu den wichtigsten Laubbaumarten im urbanen Bereich (Herms & McCullough 2014). Zwischen 5 und 25 % aller Straßenbäume in den Städten von Michigan sind (bzw. waren) Fraxinus pennsylvanica und F. americana (MacFarlane & Meyer 2005).

Per Anhalter durch Amerikas Norden

Obgleich der Käfer 2001 entdeckt wurde, weisen dendrochronologische Untersuchungen an abgetöteten Bäumen in den am schwersten betroffenen Regionen in Südosten von Michigan darauf hin, dass der Käfer Anfang bis Mitte der 1990er Jahre eingeschleppt wurde (Herms & McCullough 2014). Heute hat sich dieser Käfer in über 20 Bundesstaaten der USA und mehreren Provinzen in Kanada verbreitet (www.emeraldashborer.info/).

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit liegt bei durchschnittlich 20 km im Jahr. Prachtkäfer sind gute Flieger. Dennoch kann diese schnelle Ausbreitung nur durch eine vom Menschen unterstützte Ausbreitung erklärt werden, beispielsweise Transport befallenen Holzes, befallener Baumschulware oder das Mitfahren von Käfern in Fahrzeugen.

www.emeraldashborer.info/

Eine Befalls "Welle" rollt durch die Bestände

In den Arealen mit der längsten Besiedlung des Eschenprachtkäfers im Südosten von Michigan sind die ökonomisch wichtigen Eschenarten wie Fraxinus americana, Fraxinus pennsylvanica und Fraxinus nigra weitestgehend aus dem Wald, der offenen Landschaft und dem urbanen Raum verschwunden. Die Absterberate dieser Eschenarten liegt nahezu bei 100 % (Klooster et al. 2014, Abbildung 4).

Zwischen der Etablierung des Eschenprachtkäfers und dem Absterben eines Bestandes vergehen etwa zehn Jahre. In den ersten vier bis sechs Jahren nach der Etablierung des Käfers in einem Gebiet ist dieser so selten, dass es schwierig ist, ihn nachzuweisen. Dann aber erfolgt ein massiver Dichteaufbau des Käfers und ein massierter Angriff auf die Eschen. Nach dem Absterben der Eschen fallen die Dichten des Käfers wieder auf ein extrem niedriges Niveau. Entomologen vergleichen die Ausbreitung und das Muster des Befalls mit dem Bild einer »Welle«.

Kaum Chancen für anfällige Eschenarten

In Waldbeständen ist die hohe Absterberate der Eschen unabhängig von der Baumartenzusammensetzung, den Bodenverhältnissen und der Bestandesdichte der Eschen (Herms & McCullough 2014). Damit gibt es keine Möglichkeit, mittels waldbaulicher Maßnahmen das Schadausmaß zu reduzieren. Da bereits Eschen mit einem Stammdurchmesser ab 2,5 cm befallen werden, Eschen aber erst ab einem Stammdurchmesser von 8 bis 10 cm fruktifizieren und Eschensamen im Boden nicht sehr lange liegen, entstehen sehr schnell eschenfreie Zonen (Klooster et al. 2014). Einzige Lichtblicke sind das Überleben einzelner Eschen der hochanfälligen Arten in absterbenden Eschenbeständen und die hohe Überlebensrate der weniger anfälligen nordamerikanischen Eschenarten, wie zum Beispiel Fraxinus quadrangulata mit Überlebensraten von 60 % (Herms & McCullough 2014).

Lehrstück über die Coevolution von Pflanze und Insekt

Schwacher Eschenstamm mit mehreren Bohrlöchern.Zoombild vorhanden

Abb. 2: D-förmige Ausbohrlöcher des Asiatischen
Eschenprachtkäfers (Foto: Pennsylvania Department
of Conservation and Natural Resources - Forestry , Bugwood.org)

In China und im Fernen Osten Russlands lebt der Eschenprachtkäfer an mehreren Eschenarten (Fraxinus chinensis Komplex, syn. F. rhynchophylla, Fraxinus lanuginosa und Fraxinus mandshurica). Befallen werden absterbende oder unter Stress stehenden Bäume. Als Schadinsekt ist der Käfer in Asien nur aus Anpflanzungen im urbanen Bereich bekannt (Baranchikov et al. 2008).

In Nordamerika werden alle heimischen Eschenarten befallen. Zwischen den amerikanischen Eschenarten bestehen Unterschiede in der Anfälligkeit gegenüber dem Prachtkäfer. Gestresste Bäume werden bevorzugt angegriffen. Jedoch werden auch vitale Eschen erfolgreich besiedelt. Bei gestressten Bäumen dauert die Entwicklung in Michigan etwa ein Jahr, bei einer Entwicklung in vitalen Bäumen verlängert sich die Entwicklung auf zwei Jahre. Vitale Bäume sterben nach mehrjähriger Besiedlung.

Um die unterschiedlichen Absterberaten der Eschenarten nach Befall des Prachtkäfers zu verstehen, müssen eine Vielzahl von Details in der Wechselbeziehung Baum-Insekt verstanden werden: Wie wählt das Weibchen die Wirtsbäume aus? Nach welchen chemischen Schlüsseln sucht das Weibchen? Welche Substanzen sind im Bast und Kambium vorhanden und wie wird das Wachstum der Larven dadurch beeinflusst? Wie reagiert der Baum auf Befall, wenn Larven im Bast oder Kambium fressen? Welche Inhaltstoffe werden gebildet? Zwar bestehen zwischen den nordamerikanischen Eschenarten Unterschiede in der Anfälligkeit gegenüber dem Prachtkäfer, gravierender sind jedoch die Unterschiede zwischen den hochanfälligen nordamerikanischen und den asiatischen Eschenarten.

Detaillierte Studien zeigen, dass asiatische Eschen von den Weibchen weniger bei der Eiablage bevorzugt werden als die hochanfälligen nordamerikanischen Eschenarten. Im Bast und Kambium asiatischer Eschen befinden sich Substanzen des sogenannten Sekundärstoffwechsels, die das Wachstum der Larven behindern. Zum anderen reagieren asiatische Eschen bei Befall durch einen Umbau im Stoffhaushalt, der ebenso das Wachstum der Larven behindert. Eine vergleichbare Ausstattung und Reaktion ist bei den hochanfälligen Eschenarten bei Befall nicht gefunden worden. Die asiatischen Eschen haben sich im Laufe der Evolution an die Angriffe der Prachtkäfer angepasst (Villari et al. 2016). Für das Verständnis der Pflanze-Insekt-Beziehung ist dies ein aufschlussreiches Lehrstück.

Handlungsoptionen

Alter Baum mit abgefallener Rinde und sichtbaren Fraßgängen.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Mäandrierende Fraßgänge der Larve im Bast
und Kambium von Eschen (Foto: Steven Katovich,
USDA Forest Service, Bugwood.org)

Kurz nach dem Fund in Detroit sind russischen Entomologen 2003 in Moskau absterbende Eschen im Stadtbild aufgefallen. In Moskau wurde Fraxinus pennsylvanica als Straßen- und Alleebaum gepflanzt. Wie der Prachtkäfer eingeschleppt wurde, ist nicht bekannt. In Moskau erfolgte ein vergleichbarer starker Ausfall von Fraxinus pennsylvanica wie in Nordamerika. Zehntausende von Eschen sind im Verwaltungsbezirk Moskau abgestorben. In Moskau ist der Anteil von Fraxinus excelsior im Straßengrün verschwindend gering. Die Region um Moskau befindet sich im östlichen Randbereich der Verbreitung von Fraxinus excelsior (EUFORGEN 2009).

Beobachtungen im aktuellen Verbreitungsareal des Prachtkäfers in Russland und in Freilandversuchen in den USA lassen darauf schließen, dass Fraxinus excelsior nicht so anfällig ist wie die hochanfälligen nordamerikanischen Eschenarten, jedoch anfälliger als die asiatischen Eschenarten (Anulewicz & Mc- Cullough 2012; Straw et al. 2013; Orlova- Bienkowskaja 2014). Momentan verbreitet sich der Asiatische Eschenprachtkäfer von Moskau ausgehend in alle Richtungen. Dabei erreicht der Käfer in Richtung Westen eine Ausbreitungsgeschwindigkeit in der Größenordnung von 30 km pro Jahr (Straw et al. 2013). Die russisch-weißrussische Grenze müsste der Käfer in den kommenden Jahren "passieren".

Auf Grund der klimatischen Gegebenheiten im ursprünglichen Heimatgebiet des Käfers wird sich die Art in Mitteleuropa und in mediterranen Bereich etablieren können. Bei einer gleichbleibenden Ausbreitungsgeschwindigkeit sollte dieser Käfer in wenigen Jahrzehnten Deutschland erreicht haben.

Gemeine Esche im "Zangengriff"

Abgestorbener Eschenbestand.Zoombild vorhanden

Abb. 4: Abgetöteter
Eschenbestand in den USA (Foto: Christopher Asaro, Virginia Department of Forestry, Bugwood.org)

Das Eschentriebsterben der Gemeinen Esche Fraxinus excelsior in Mitteleuropa, verursacht durch den Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus, wurde erstmals in den frühen 1990er Jahren in Polen beschrieben. Dabei handelt es sich um einen aus Ostasien eingeschleppten pflanzenpathogenen Pilz. Inzwischen ist dieser Pilz in Mitteleuropa und angrenzenden Regionen verbreitet.

In den letzten Jahren erfolgten Nachweise des Eschentriebsterbens im Nordwesten von Russland, dem Baltikum und in der Ukraine (Gross et al. 2014). Der Pilz verursacht ein zunehmendes Absterben von Eschen in Mitteleuropa. Durch diesen eingeschleppten Pilz ist die Zukunft der Gemeinen Esche als forstwirtschaftlich nutzbare Baumart in Mitteleuropa in Frage gestellt. Mit der weiteren Ausbreitung des Asiatische Eschenprachtkäfers in Richtung Westen und des Eschentriebsterben auslösenden Pathogens in Richtung Osten werden sich beide Verbreitungsareale zunehmend überschneiden.

Der Eschenprachtkäfer wird auf geschwächte oder absterbende Eschen stoßen. Auf die Gemeine Eschen wird somit ein zusätzlicher Schadfaktor einwirken. Welche ökologischen und ökonomischen Konsequenzen das Zusammentreffen beider Schadorganismen auf Fraxinus excelsior in Mitteleuropa letztendlich haben wird, ob und wie der Asiatische Eschenprachtkäfer die Wirkung des pathogenen Pilzes verstärkt, kann heute nicht vorhergesagt werden (Baranchikov et al. 2008). Die Zukunft der Esche liegt im Ungewissen.

Ausblick

Larve in Fraßgang im Kambium eines Baumes.Zoombild vorhanden

Abb. 5: Larve des Asiatischen
Eschenprachtkäfers
(Foto: David Cappaert, Bugwood.org)

Inzwischen bewerten die US-Entomologen die Schadwirkung des Asiatischen Eschenprachtkäfers als worst case, vergleichbar mit dem vollständigen Ausfall der Amerikanischen Esskastanie durch den eingeschleppten pathogenen Pilz Cryphonectria parasitica und dem Ulmensterben, verursacht durch den eingeschleppten Ophiostoma novo-ulmi/ Ophiostoma ulmi, syn. Ceratocystis ulmi (Schlarbaum et al. 1998). Forstökologen werten invasive Forstinsekten und Pathogene als eine große Bedrohung von Waldökosystemen in Nordamerika (Liebhold et al. 1995).

In Europa ist im Vergleich zu Nordamerika bisher eine geringere Anzahl von Insektenarten in Waldökosystem eingeschleppt worden. Invasive Schadinsekten und Pathogene, die wie in Nordamerika massiven Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung von Waldökosystemen verursachten, haben wir in Mitteleuropa bisher nicht erlebt oder werden wie bei der Ulme offensichtlich nur als Einzelfall betrachtet.
Solche Ungleichheiten zwischen den Kontinenten in der Aufnahme und Schadwirkung eingeschleppter Arten sind mehrfach beobachtet worden. Die Ursachen sind vielfältig.

Die vermeintliche geringere Anfälligkeit europäischer Waldökosysteme gegen invasive Organismen ist jedoch nur relativ, wie die Beispiele Ulmensterben, Eschentriebsterben und Asiatischer Eschenprachtkäfer zeigen. Im Gegensatz zu den gemäßigten Laubwaldregionen im Osten Nordamerikas mit 18 Nadelbaum- und 106 Laubbaumarten ist der Handlungsspielraum der Forstwirtschaft in Mitteleuropa mit acht Nadelbaum- und 45 Laubbaumarten deutlich eingeschränkt (Niemelä & Mattson 1996). Angesicht der Herausforderung des Klimawandels für die Forstwirtschaft können invasive Arten eine zusätzliche nicht kalkulierbare Bedrohung von Waldökosystemen auch in Mitteleuropa darstellen.

Zusammenfassung

In den 1990er Jahren wurde der Asiatische Eschenprachtkäfer in die USA unbeabsichtigt eingeschleppt und 2001 erstmals in Detroit entdeckt. Der Asiatische Eschenprachtkäfer befällt alle heimischen nordamerikanischen Eschenarten. Der Befall erfolgt unabhängig vom Vitalitätszustand des Baumes. Hochanfällige Eschenarten werden nahezu zu 100 % abgetötet. Seit der Einschleppung breitet sich dieser Käfer in Nordamerika weiter aus. Inzwischen ist die Art in über 20 Bundesstaaten der USA und in Provinzen in Kanada präsent. Forstentomologen und Forstökologen halten den Bestand hochanfälliger Eschenarten Nordamerikas für bedroht.

2003 wurde der Asiatische Eschenprachtkäfer in Moskau entdeckt. Seitdem breitet sich diese Art von Moskau in Richtung Mitteleuropa aus. Auf Grund der klimatischen Gegebenheiten im ursprünglichen Heimatgebiet des Käfers wird sich der Käfer in Mitteleuropa und im mediterranen Bereich etablieren können. Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die Anfälligkeit von Fraxinus excelsior geringer ist als die der hochanfälligen nordamerikanischen Eschen, jedoch werden auch vitale Bäume befallen und abgetötet.

Welche Schadwirkung der Käfer im Zusammenspiel mit dem Eschentriebsterben in Mitteleuropa entfalten wird, ist derzeit unbekannt. Die Zukunft der Esche liegt im Ungewissen.

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