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Schwammspinner an Eiche in Bayern

Ein kahler Eichenzweig mit nur noch wenigen Blättern gegen den blauen Himmel

Eichenwälder zeichnen sich durch eine große Artenvielfalt aus, darunter auch zahlreiche gefährdete Arten und Eichenspezialisten. Doch einige wenige Arten können auch empfindliche Schäden verursachen.

Eine Gruppe von Schmetterlingsarten wird unter dem Begriff „Eichenfraßgesellschaft“ zusammengefasst. Diese Arten sind zum Aufbau von Massenvermehrungen befähigt – ihre Raupen können dann durch flächigen Kahlfraß in Eichen- und Eichen-Mischwäldern erhebliche Schäden verursachen. Hierzu gehören Eichenwickler (Tortrix viridana), Frostspannerarten (Erannis defoliaria, Operophtera brumata und weitere), Frühlingseulen (Orthosia spec.) und der Schwammspinner [/i](Lymantria dispar)[/i].
Die forstlich bedeutendste Art der Eichenfraßgesellschaft ist der Schwammspinner.

Zur Biologie des Schwammspinners

Der Raupe des Schwammspinners ernährt sich nach dem Schlupf im Frühling und Frühsommer von Eichenblättern, aber bei Nahrungsmangel auch von Laub und Nadeln anderer Baumarten. Aus diesem Grund kann sie für die Wälder eine Gefahr darstellen, wenn sie in großen Zahlen auftritt.
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Der Schwammspinner tritt vor allem in wärmegetönten Laubwaldgebieten in ganz Mittel- und Westeuropa auf. Er wurde im 19. Jahrhundert von Europa in die USA gebracht und dort bei privaten Zuchtversuchen versehentlich freigesetzt, wo er sich in der Folge etablieren konnte.

Bei dem tagaktiven Falter zeigen sich starke Geschlechtsunterschiede. Die Männchen sind unauffällig grau gefärbt mit dunklen Zackenlinien. Sie sind sehr mobil. Die sehr hellen Weibchen sind deutlich größer als die Männchen und kaum flugaktiv. Sie legen ihre Eier im Juli/August in Gelegen von bis zu 1.000 Eiern an der Stammrinde oder an Starkästen ihrer Fraßbäume ab und bedecken sie mit gelbbrauner Afterwolle. Dadurch erhalten die Gelege ein schwammartiges Aussehen, was der Art ihren Namen einbrachte.

Die Raupen entwickeln sich noch im Herbst in den Eiern und überwintern in den Gelegen. Sie schlüpfen Ende April und beginnen mit ihrer Fraßtätigkeit bereits an den aufbrechenden Knospen. Die Fraßzeit des Schwammspinners ist deutlich länger, als die der anderen Mitglieder der Eichenfraßgesellschaft. Eine besondere Eigenschaft der Jungraupen ist es, dass sie unmittelbar nach dem Schlüpfen Seidenfäden spinnen, mit deren Hilfe sie sich vom Wind verfrachten lassen. So verteilen sie sich über ganze Waldbestände und auch über weitere Strecken in neue Fraßgebiete.

Die Raupen sind im letzten Stadium bis zu 7,5 cm lang, beinahe fingerdick und können dementsprechend große Mengen an Laub verzehren (Abb. 2). Das Nahrungsspektrum des Schwammspinners ist breit. Er frisst an fast allen Laubholzarten, bevorzugt aber besonders die Eiche. Bei Nahrungsknappheit kann er sich auch an Nadelbaumarten wie Lärche und Kiefer entwickeln.

Baumstamm mit Eigelegehäufchen eines Schmetterlings.

Abb. 1: Schwammspinner-Gelege (Foto: Klaus Schreiber, LWF)

Raupe auf Eichenblatt

Abb. 2: Schwammspinner-Raupe (Foto: G. Wallerer, LWF)

Schmetterlinspuppe und Hülle auf Gespinst an einem Ast.

Abb. 3: Schwammspinner Puppe und leere Raupenhülle (Foto: Klaus-Peter Janitz)

Grau-braun-weiße Schmetterlinge sitzen an einem Baum.

Abb. 4: Weiblicher Falter bei der Eiablage (Foto: Hannes Lemme, LWF)

Kahlfraß durch den Schwammspinner und die Folgen für die Eichen

Wenn der Schwammspinner in Massenvermehrung auftritt, kann es in Eichenwäldern zu Kahlfraß kommen. Vor den 1990er Jahren waren diese Massenvermehrungen sehr selten. Im Zuge der Klimaerwärmung kommt es häufiger dazu und die Bäume werden vermehrt durch den Fraß geschwächt.

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Rundbild eines Eichenwaldes, in dem Schmetterlinge die Blätter kahlgefressen haben.Zoombild vorhanden

Abb. 5: Kahlfraß im Juni (Foto: Hannes Lemme, LWF)

Die erste Pandemie (länderübergreifende Ausbreitung) des Schwammspinners in Europa ereignete sich in den Jahren 1992 bis 1995. In Deutschland, Frankreich und Italien waren 80.000 ha Waldfläche befallen. Die Wälder in Unter- und Mittelfranken waren mit 44.000 ha Befallsfläche am stärksten betroffen. Dabei gab es in vielen Waldgebieten eine so hohe Besatzdichte, dass ein vollkommener Kahlfraß der Eiche zu erwarten war.

Zwischen 1992 und 1994 wurden zur Rettung der Bestände auf insgesamt 23.000 ha Pflanzenschutzmittel ausgebracht (Skatulla, Lobinger, 1995). In nicht behandelten Flächen wurde zunächst die Eiche und dann alle weiteren Laub- sowie auch Nadelbäume vollkommen kahlgefressen. Weil sich die Fraßzeit der Raupen meist weit in den Juni hinein erstreckt, ist vom Fraß nicht nur der Mai-, sondern auch der Johannistrieb betroffen (Abb. 5).

Ohne Gegenmaßnahmen dauern Massenvermehrungen des Schwammspinners i.d.R. drei bis vier Jahre an und brechen dann aufgrund von Nahrungskonkurrenz, Parasitierung oder einer Viruserkrankung der Raupen zusammen. Würden die Massenvermehrungen unvermindert ablaufen, würde dies für die betroffenen Eichenbestände fatale Folgen haben. Kahlfraß hat hohe Ausfallraten zur Folge; bei mehrjährigem Fraß kommt es häufig zur völligen Auflösung der Bestände (Block und Delb, 1995/ Führer, 1998/ Lobinger, 1998/Seemann, 1999 u.v.m). Wie schwer die Schäden am Bestand sind, hängt nicht nur von der Ausgangsvitalität der Eichen ab, sondern auch von den Witterungsbedingungen (Blank 1997) und dem Auftreten weiterer Schadorganismen in Folge des Schwammspinnerfraßes (Mehltau, sekundäre Schadinsekten etc.). Die Gebiete, in denen seit den 1980er Jahren vermehrt ein Eichensterben beobachtet wird, decken sich mit den Massen-vermehrungsgebieten der blattfressenden Eichenschädlinge, insbesondere des Schwammspinners.

Das Absterben von Eichenbeständen kann nicht nur ein ökonomisches Desaster für Waldeigentümer*innen sein. Vielmehr kann das Verschwinden von wertvollen Eichenlebensräumen auch einen Rückgang vieler seltener Vogel- und Insektenarten zur Folge haben.

Prognose und Behandlung

Um die Eichenwälder vor bestandsbedrohendem Kahlfraß zu schützen, ist eine Behandlung bestimmter Waldflächen mit einem Pflanzenschutzmittel aus der Luft denkbar. Die Gefahr für die Einzelbestände muss zuvor durch eine intensive Überwachung und exakte Prognose festgestellt werden. Auch naturschutzfachliche Kriterien fließen in die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung ein.

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Hubschrauber begiftet Laubwald gegen Schwammspinner.Zoombild vorhanden

Abb. 6: Schwammspinner-behandlung (Foto: Stefan Huber)

Der Falterflug des Schwammspinners wird alljährlich im Juli/August mit Hilfe von Pheromonfallen in über das Gefährdungsgebiet verteilten Weiserflächen überwacht. Anflugzahlen über der Warnschwelle (2.000 Falter pro Falle) weisen auf den Aufbau einer Massenvermehrung hin. Dann müssen weitere Prognoseschritte eingeleitet werden. Dies geschieht durch Suchen von frischen Eigelegen an den Bäumen vom Wurzelanlauf bis auf 2 m Stammhöhe im Oktober/November im Rahmen eines Inventurverfahrens. Werden durchschnittlich 1 oder mehr frische Eigelege pro Baum gefunden, so besteht Gefahr durch Kahlfraß im folgenden Frühjahr.

Besteht die Gefahr von bestandsbedrohendem Kahlfraß, kann eine Behandlung von Waldbeständen mit Pflanzenschutzmitteln notwendig werden. Bei der Entscheidungsfindung spielen naturschutzfachliche und wasserrechtliche Kriterien eine große Rolle. So werden regelmäßig zahlreiche Flächen aus der Behandlungskulisse der Schwammspinnerbehandlung herausgenommen, um mögliche Beeinträchtigungen von Schutzgütern wie geschützten oder besonders gefährdeten Arten zu verhindern. Auch Naturschutzgebiete, gesetzlich geschützte Biotope und die Zonen I und II der Wasserschutzgebiete wurden ausgespart – was zum Teil schon durch die Anwendungsbestimmungen der Pflanzenschutzmittel als auch durch die Richtlinie zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen festgelegt ist.

Die Behandlung findet also erst nach umfassenden Prognosen, Prüfungen und Abwägungen statt. Sie erfolgt mit sehr präzisen Verfahren genau in den dafür vorgesehenen Waldbereichen und nur bei Witterungslagen, die eine Abdrift nicht zulassen. Als Mittel wird in jedem Behandlungsjahr stets dasjenige zugelassene Mittel verwendet, das die geringstmöglichen Auswirkungen auf Umwelt und Natur hat.

Um die Auswirkungen einer Behandlung, aber auch einer unterbleibenden Behandlung, auf so genannte Nichtzielorganismen und auf die Waldökosysteme noch besser verstehen zu können, führt die LWF verschiedene Versuche, Begleitstudien und Forschungsprojekte durch. Zudem wird durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ein umfangreiches Forschungsprojekt finanziert, an dem auch zwei bayerische Universitäten beteiligt sind. Darüber hinaus erfolgt ein intensiver, kooperativer Austausch mit den regional zuständigen Behörden der Umweltweltverwaltung und dem Landesamt für Umwelt.

Folgeschäden durch Sekundärschädlinge

Ist ein Waldbestand erst durch den Fraß des Schwammspinners geschwächt, haben Sekundärschädlinge häufig „leichtes Spiel“. Sekundärschädlinge sind Organsimen, die bereits geschwächte Bäume befallen und oftmals zum Absterben bringen.
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Eiche mit weiß belegten BätternZoombild vorhanden

Abb. 7: Eichenmehltau (Foto: G. Lobinger, LWF)

Im Zusammenhang mit dem Kahlfraß wirken verschiedene Faktoren zusammen, die letztlich zum Absterben der Eichen führen. Die Eiche hat ein sehr hohes Potenzial zur Regeneration. Nach Kahlfraß versucht sie, oft sogar durch mehrfache Ersatztriebe, wieder Laubmasse aufzubauen. Dabei verbraucht sie für das folgende Jahr angelegte Reservestoffe.
Das hat zur Folge, dass die Frühholzzone nur unzureichend angelegt wird. Im Jahr nach dem Fraß sind dadurch die Wasser- und Nährstoffzufuhr stark eingeschränkt – der Baum wird in der Folge erheblich geschwächt. Noch dramatischer wird die Lage für solche Eichen, wenn die frischen Blätter der Ersatztriebe zusätzlich durch Eichenmehltau befallen und zerstört werden (Abb. 7). Ebenso verheerend wirkt ein nachfolgender Fraß durch Eichenwickler oder ein erneuter Kahlfraß durch Schwammspinner im Folgejahr.
Gold-grüner länglicher Käfer sitzt an einem Baum.Zoombild vorhanden

Abb. 8: Zweipunktiger Eichenprachtkäfer (Milan Zubrik, Forest Research Institute - Slovakia, Bugwood.org) aus forestryimages.org

Im Zusammenhang mit dem Kahlfraß wirken verschiedene Faktoren zusammen, die letztlich zum Absterben der Eichen führen. Die Eiche hat ein sehr hohes Potenzial zur Regeneration. Nach Kahlfraß versucht sie, oft sogar durch mehrfache Ersatztriebe, wieder Laubmasse aufzubauen. Dabei verbraucht sie für das folgende Jahr angelegte Reservestoffe. Das hat zur Folge, dass die Frühholzzone nur unzureichend angelegt wird. Im Jahr nach dem Fraß sind dadurch die Wasser- und Nährstoffzufuhr stark eingeschränkt – der Baum wird in der Folge erheblich geschwächt. Noch dramatischer wird die Lage für solche Eichen, wenn die frischen Blätter der Ersatztriebe zusätzlich durch Eichenmehltau befallen und zerstört werden (Abb. 7). Ebenso verheerend wirkt ein nachfolgender Fraß durch Eichenwickler oder ein erneuter Kahlfraß durch Schwammspinner im Folgejahr.

Derart geschwächte Eichen sind dann besonders prädisponiert für den Befall durch Eichenprachtkäferarten wie den Zweipunktigen Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) (Abb.8).

Die Käfer werden bei starkem Blattfraß außerdem durch die Auflichtung und Wärme und begünstigt. Sie legen ihre Eier an die Stammrinde oder Grobäste der Eichen ab. Die geschlüpften Larven bohren sich ein und fressen in zickzackförmigen Gängen unter der Rinde im lebenden Gewebe. Bei stammumfassendem Befall stirbt die Eiche ab. Nach 2-jähriger Entwicklung verpuppen sich die Larven. Die Käfer schwärmen im Frühjahr aus und befallen weitere Eichen im Umkreis.

Aktuelle Schwammspinnersituation in Bayern

Seit 2011 waren durchweg sehr niedrige Schwammspinnerdichten zu verzeichnen. Nach dem heißen und trockenen Jahr 2015 stiegen die Populationsdichten allerdings wieder an. Seit 2018 sind die Populationen des Schwammspinners in die Massenvermehrung eingetreten. Auf Grund dessen wurden bestimmte Eichenwälder und eichengeprägte Mischwälder seit Eintritt in die Massenvermehrung mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic© behandelt.

Zwei nebeneinander stehende Karten von Bayern mit farbig markierten Gebieten.

Bild 9 (links): Räumliche Lage von Gefährdungsflächen des Schwammspinners in Bayern 2020
Bild 10 (rechts): Räumliche Lage von behandelten Flächen des Schwammspinners in Bayern 2020

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Erfahrungsgemäß dauern Gradationen des Schwammspinners drei bis vier Jahre. Daher ist das Monitoring des Schwammspinners besonders wichtig. So wird der Auf- und Abschwung einer Massenvermehrung mit Pheromonfallen im Juli/August und mit umfangreichen Gelegesuchen im Oktober/November erfasst. Bei den Gelegesuchen im Jahr 2019 wurden ca. 30.000 Bäume begutachtet. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden Gefährdungsbiete in Abstimmung mit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten definiert .Im Jahr 2020 war auf ca. 7.000 ha von einer Gefahr durch Kahlfraß auszugehen (Abb. 9).

Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in diesen Gefährdungsflächen konnten sich zur Pflanzenschutzmittelbehandlung anmelden. Die Festlegung der Behandlungsflächen erfolgte dann in Abstimmung mit den Höheren Naturschutzbehörden und den Wasserwirtschaftsämtern. Nach dieser umfangreichen Prüfung der potentiellen Behandlungskulisse wurden von Ende April bis Mitte Mai 2.806,5 ha mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic behandelt. Abbildung 10 markiert die Kulisse, innerhalb derer diese behandelten Flächen lagen. Bei der Interpretation der Karte ist zu beachten, dass die Außengrenzen der schrotschussartigen verteilten Flächen dargestellt sind; es war also nur ein Bruchteil der orange eingefärbten Fläche Teil der Pflanzenschutzmaßnahme.

Zum einen gab es für viele Waldflächen in der Kulisse keine Kahlfraßgefährdung. Zum anderen wurden auch bei bestehender Kahlfraßprognose beispielsweise Waldränder, Waldflächen in Wasserschutzgebieten oder eine Vielzahl von Flächen mit Vorkommen besonderer Arten von der Behandlung ausgespart. Von einer Gesamtfläche von ca. 100.000 ha Eichenwäldern der Region wurden also weniger als 3 % mit dem Pflanzenschutzmittel behandelt.

Weiterführende Informationen

Ansprechpartner

Autoren

  • Schwammspinner-Team der LWF