LWF aktuell 137
Schadflächen im Frankenwald – Herausforderung in neuer Dimension
von Anne Meinhold und Axel Göttlein
Abb. 1: Fläche mit starker Vergrasung im Frankenwald (© A. Meinhold, TUM)
Borkenkäferkalamitäten verursachten im Frankenwald seit 2020 mehrere tausend Hektar Schadflächen. Im Rahmen des Projekts »Notfallmischung Frankenwald« wurden diese Schadflächen mittels eines geografischen Informationssystems hinsichtlich ihrer Größe, Exposition und verschiedener Bodenparameter eingeordnet. Diese Klassifizierung soll dabei helfen, die betroffenen Flächen näher zu charakterisieren, um ein standörtlich angepasstes Vorgehen bei der Bearbeitung der Schadflächen zu ermöglichen.
Die Wiederbewaldung der teils sehr großen Schadflächen, die insbesondere in Fichtenbeständen des Privatwalds entstanden sind, stellt eine große Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass sich der Großteil dieser Flächen in Hanglagen befindet.
Auf Grundlage der Schadflächen-Klassifizierung testen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) derzeit eine »Notfallmischung« aus krautigen Pflanzen sowie Sträuchern und Bäumen mit Pioniercharakter, deren Aussaat per Lastendrohne einer Erosion und Vergrasung der Flächen entgegenwirken soll.
Situation im Frankenwald
Abb. 2: Karte der im Jahr 2021 entstandenen Schadflächen, erstellt aus der Luftbildaus-wertung der Befliegung im September 2021 (© LWF)
Auf Kalamitätsflächen führen Mineralisierung des Humus sowie Erosion, ausgelöst durch Veränderung des bodennahen Klimas und fehlende Bodenvegetation, schnell zu hohen Nährstoffverlusten (Katzensteiner et al. 2016). Dies wirkt sich negativ auf die Standortseigenschaften aus.
Beispielsweise verschlechtern sich die Wasserspeicherfähigkeit der Böden und damit auch die Hochwasserschutzeigenschaften der Wälder, die gerade in den flachgründigen und steilen Einzugsgebieten des Frankenwaldes von besonderer Bedeutung sind. Auf größeren Schadflächen entwickeln sich rasch extreme Standortsverhältnisse, die das Aufkommen von Naturverjüngung hemmen und stattdessen innerhalb von ein bis zwei Jahren eine starke Vergrasung der Flächen befördern (Abbildung 1). Darüber hinaus führt das Fehlen der Waldvegetation zur Auswaschung wichtiger Nährstoffe im Boden. Im Frankenwald besonders problematisch sind die ohnehin nährstoffarmen Braunerden sowie die Flachgründigkeit der Böden.
Projekt »Notfallmischung Frankenwald«
Im Projekt »Notfallmischung Frankenwald« testen Forschende der TUM die Ansamung von krautigen Pflanzen und Gehölzpflanzen mit Pioniercharakter, um betroffene Standorte wieder zu bewalden. Pioniervegetation kann einen Austrag von Nährstoffen durch Sickerwasser über mehrere Jahre hinweg verhindern und sichert so die Nährstoffversorgung für den aus Pflanzung oder Naturverjüngung hervorgehenden Nachfolgebestand (Kohlpaintner et al. 2014). Außerdem trägt sie zur schnellen Stabilisierung des freigelegten Bodens und damit zum Erosionsschutz bei.
Im Frühjahr 2022 säte man auf Kleinparzellen verschiedene krautige Pflanzen (z. B. Waldweidenröschen, Schafgarbe) und nicht verdämmende Gräser (z. B. Horst-Rotschwingel, Knäuelgras), um ihre Standortstauglichkeit und ihre Verwendungsmöglichkeiten für die Notfallmischung zu überprüfen. Im Herbst 2022 wird die für den Frankenwald optimierte Saatgutmischung auf verschiedenen Versuchsflächen ausgebracht. Sie besteht aus den genannten krautigen Pflanzen sowie aus Sträuchern (Hirschholunder) und Bäumen (Vogelbeere, Birke) mit Pioniercharakter. Um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Fläche auch an Steilhängen besäen zu können, kommt eine spezielle Lastendrohne der Firma SkySeed mit angekoppeltem Abwurfmechanismus zum Einsatz. Einige der verwendeten Samen sind sehr klein (Waldweidenröschen) oder haben Flügelchen (Birke), weshalb sie für die direkte Ausbringung mit einer Drohne nicht geeignet sind. Eine spezielle Pelletierung verbessert hier die Handhabung dieser Samen.
Bei den Aussaatversuchen wird auch erprobt, ob mehrere, kleinräumig besäte und gefräste Streifen ausreichen, damit sich gewünschte Pionierpflanzen dort etablieren und als »Trittsteine« für deren weitere Ausbreitung dienen können. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die gesäten Pflanzen die jeweiligen Standorte »belegen« und dadurch die Ausbreitung des verdämmend wirkenden Grases vermindern oder gar verhindern. Außerdem sollen die Pioniersträucher und -bäume möglichst schnell ein waldähnliches Klima schaffen, das die künstliche oder natürliche Verjüngung mit Schlusswaldbaumarten begünstigt.
Charakterisierung der Schadflächen
Abb. 3: Schadflächen nach Größenklassen nach Burschel und Huss (1987)
Verteilung der Besitzstrukturen
Abb. 4: Im Privatwald ist der Schadflächenanteil am größten (© LWF)
Einteilung nach Lage und Exposition
Einteilung in Bodenparameter nach BaSIS
Die Böden im Wuchsgebiet 8.1 liegen vorwiegend in den Klassen »basenarm« bis »sehr basenarm«, dies gilt auch für den größten Teil der Schadflächen. Einen Schadensschwerpunkt bilden hierbei die tiefgründig basenarmen Standorte, die häufigste Hauptbodenart ist Lehm. Der größte Anteil an Schadflächen (49 %) befindet sich jedoch in der Klasse der tonigen Lehmböden.
Der Wasserhaushalt lässt sich auf dem Großteil der Flächen in den Bereich von »ziemlich frisch« bis »sehr frisch« einordnen. Trotz der vermeintlich guten Wasserversorgung halten die eher flachgründigen Böden nur eine begrenzte Menge an pflanzenverfügbarem Wasser, weshalb bei extremer Trockenheit Trockenstress auftreten kann. Bäume auf gut wasserversorgten Standorten sind nicht an Trockenheit angepasst, weshalb dort die Schadanteile größer sind als auf trockeneren Standorten, auf denen schon länger eine Anpassung erfolgt ist.
Der Einfluss von Stauwasser ist nur auf einem geringen Teil der Waldfläche vorhanden – dort ist jedoch in kleinflächiger Ausprägung ein überdurchschnittlicher Schadflächenanteil zu verzeichnen. Dies ist auf Wurzelzerreißungen bei tonhaltigen Böden zurückzuführen. Bei stark wechselfeuchten Böden tritt dieses Phänomen kaum auf, da hier die Staulage nicht durchwurzelt wird.
Parameter | Parameter | Waldfläche [ha] | Schadflächen [ha] | Schadflächenanteil [%] |
---|---|---|---|---|
Basenausstattung | sehr basenreich | 129,3 | 3,0 | 2,3 |
basenreich | 4.917,7 | 191,3 | 3,9 | |
mittelbasisch | 1.897,8 | 76,5 | 4,0 | |
basenarm | 13.681,2 | 828,3 | 6,1 | |
sehr basenarm | 26.787,8 | 2.210,5 | 8,3 | |
Hauptbodenart | Ton | 78,7 | 6,6 | 8,3 |
toniger Lehm | 73,0 | 35,4 | 48,6 | |
Schluff | 2.496,4 | 84,5 | 3,4 | |
Lehm | 36.642,5 | 2.833,7 | 7,7 | |
sandiger Lehm | 3.230,1 | 112,9 | 3,5 | |
lehmiger Sand | 4.796,1 | 235,9 | 4,9 | |
Sand | 8,6 | 0,5 | 6,1 | |
Wasserhaushalt | sehr frisch | 27.789,0 | 1918,1 | 6,9 |
frisch | 13.657,6 | 975,8 | 7,1 | |
ziemlich frisch | 4.498,5 | 370,4 | 8,2 | |
mäßig frisch | 668,7 | 25,8 | 3,9 | |
mäßig trocken | 497,8 | 11,4 | 2,3 | |
trocken | 208,5 | 3,7 | 1,8 | |
sehr trocken | 40,4 | 0,6 | 1,6 | |
Stauwasser | ohne Stauwassereinfluss | 44.438,6 | 2973,4 | 6,7 |
kleinflächig möglich | 3906,0 | 313,1 | 8,0 | |
mäßiger Einfluss (Teilfläche) | 116,0 | 10,4 | 9,0 | |
mäßiger Einfluss (flächig) | 145,4 | 5,5 | 3,8 | |
starker Einfluss (flächig) | 161,9 | 8,0 | 4,9 |
Fazit
Zusammenfassung
Projekt
Das Projekt »Notfallmischung Frankenwald (klifW019)« (Laufzeit: 01.01.22 - 31.12.22) wird vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten finanziert. Dank geht an die LWF für die Bereitstellung der Luftbilder sowie an die Mitarbeiter des AELF Coburg-Kulmbach und des TUM-Fachgebiets für Waldernährung und Wasserhaushalt, die die über 2.900 Schadflächen-Polygone händisch digitalisiert und aufgenommen haben.