Christoph Straub, Adelheid Wallner, Kathrin Einzmann und Rudolf Seitz
Fernerkundung unterstützt Suche nach Borkenkäferschäden - LWF aktuell 131
Mittels Luftbilddaten und automatisierter Bildauswertung werden geschädigte Fichten detektiert
Die angespannte Borkenkäfersituation der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass eine kontinuierliche Beobachtung des Waldzustandes von entscheidender Bedeutung ist.
Um einen Überblick über das Ausmaß und die Verteilung von Schadflächen zu bekommen und somit die Lokalisation geschädigter und abgestorbener Fichten zu erleichtern, erproben Fernerkundungsspezialisten der LWF den Einsatz von hochaufgelösten Luftbilddaten und automatisierten Auswertungsmethoden.
Abb. 1: Für den nordwestlichen Teil des AELF Münchberg (orange Umrandung) wurde ein digitaler Bildflug beauftragt. Entlang von 33 parallel verlaufenden Flugstreifen wurden insgesamt 3.082 Luftbilder aufgenommen. (Karte: BayernAtlas und LWF)
Auch die Fichtenwälder im Bereich des Amts für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Münchberg waren im Jahr 2020 von sehr starkem Befall und erheblichen Schäden betroffen. Um einen Überblick über das Ausmaß der Schadflächen zu bekommen, wurde die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im September 2020 mit der Beschaffung und Auswertung von Luftbilddaten für den nordwestlichen Teil des AELF Münchberg beauftragt.
Die Auswertung konzentrierte sich auf die Erfassung von bereits rotbraun oder grau verfärbten Fichtenkronen. Die Ergebnisse dieser Kartierung wurden dann den Fachkräften vor Ort über das Bayerische Waldinformationssystem (BayWIS) zur Verfügung gestellt, um die Suche und Lokalisation der geschädigten Fichten zu erleichtern.
Beauftragung eines Bildflugs
Vom Stereo-Luftbild zum Orthophoto
Abb. 2: Ein Borkenkäfernest mit verfärbten Fichtenkronen im hochaufgelösten Luftbild. Derselbe Ausschnitt ist als Echtfarben (li.) und als Color-Infrarot-Darstellung (re.) gezeigt. (Fotos: LWF)
Da die eingesetzte Luftbildkamera vier Spektralbänder (blau, grün, rot und nahes Infra-rot) aufzeichnet, können die Bilder (wie in Abbildung 2 für einen kleinen Ausschnitt exemplarisch dargestellt) sowohl als Echtfarben (RGB)- oder als Color-Infrarot (CIR)-Darstellung visualisiert werden. In Abbildung 2 ist beispielhaft ein Borkenkäfernest mit 50 verfärbten Fichten gezeigt.
In der für das menschliche Auge vertrauten Echtfarben-Darstellung sind die geschädigten und abgestorbenen Bäume anhand von rotbraun und grau verfärbten Kronen erkennbar, wohin-gegen abgestorbene Vegetation im Color-Infrarot-Bild an grün-bläulichen bis weißlich-grauen Farbtönen identifiziert werden kann (Ahrens et al. 2004).
Für die visuelle Identifikation von Borkenkäferschäden ist es häufig hilfreich, sowohl die Echtfarben- als auch die Color-Infra-rot-Darstellung zu betrachten.
Berechnung von Vegetationshöhen
Abb. 3: Digitales Oberflächenmodell (Grafik: LWF)
In Abbildung 3 ist zusätzlich ein digitales Geländemodell (DGM) des Bodens unterhalb der Baumkronen in brauner Farbe hinzugefügt. Hierbei handelt es sich um ein amtliches Geländemodell der Bayerischen Vermessungsverwaltung, welches für ganz Bayern aus flugzeuggetragener Laserscannermessung generiert wurde (LDBV 2019).
Aus der Differenz beider Höhenmodelle, d. h. Oberflächenmodell minus Geländemodell, wurde für das gesamte Projektgebiet ein normalisiertes digitales Oberflächenmodell (nDOM) bzw. ein Vegetationshöhenmodell abgeleitet. Im nDOM werden die tatsächlichen Höhen von allen Objekten über der Geländeoberfläche wie beispielsweise von Vegetation wiedergegeben. Umfangreiche Darstellungen zur Verwendung von Oberflächenmodellen für forstliche Anwendungen finden sich in AFL (2020).
Teilautomatische Bildauswertung
- Vitale Laubbäume
- Vitale Nadelbäume
- Rotbraun verfärbte Nadelbäume
- Grau verfärbte Nadelbäume
- Schattenbereiche
Trainingsdaten für die Modellierung
Abb. 4: Ergebnis der überwachten Bildklassifizierung mit einem Random Forest Modell für den Bildausschnitt von Abbildung 2 (Grafik: LWF)
Zur besseren Beurteilung wurden die Baumkronen nicht nur im Orthophoto, sondern zusätzlich auch in den originären Luftbilddaten stereoskopisch betrachtet. Für jede der fünf Klassen konnten insgesamt 120 Trainingspunkte und zusätzlich jeweils 60 Validierungspunkte erstellt werden. Nur die Trainingspunkte wurden zur Kalibrierung des Random Forest-Modells verwendet. Danach erfolgte die Anwendung des Modells, d. h. für jedes Pixel bzw. Bildelement des Orthophotos wurde die Zugehörigkeit zu einer der fünf Zielklassen vorhergesagt. Das Ergebnis dieser Modellierung kann in Form einer thematischen Karte mit den ausgewiesenen Klassen dargestellt werden (Abbildung 4).
Im Anschluss wurden die erstellten Validierungspunkte genutzt, um das Ergebnis der Modellierung zu überprüfen. Anhand der Validierungspunkte konnte für die fünf Zielklassen eine Gesamtgenauigkeit von 85% und ein Kappa-Koeffizient nach Cohen von 0,81 erzielt werden. Hierbei wurden die meisten Verwechslungen zwischen den Klassen »rot-braun verfärbte Nadelbäume« und »grau verfärbte Nadelbäume« festgestellt. Dies erscheint plausibel, da diese beiden Klassen sich auch visuell nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen lassen und einzelne Baumkronen oftmals beide Färbungen in verschiedenen Ausprägungen beinhalten.
Abschließend erfolgte eine Nachbearbeitung der teilautomatischen Klassifizierung. Mithilfe des oben beschriebenen Vegetationshöhenmodells (Abbildung 3) wurden Bodenflächen und Bereiche mit niedriger Vegetation < 5 m so weit wie möglich ausmaskiert (siehe weiße Flächen in Abbildung 4). Eine visuelle Qualitätsprüfung zeigte jedoch, dass dadurch nicht alle Bodenbereiche entfernt werden konnten, da das verwendete Oberflächenmodell aus den Stereo-Luftbildern stellenweise geglättet ist und dadurch beispielsweise in lückigen Bestandesbereichen nicht immer alle Bodenflächen zuverlässig abgebildet werden.
Auch die bereits einsetzende Herbstfärbung der Laubbäume zum Zeitpunkt des Bildflugs führte vereinzelt zu Fehlklassifizierungen bzw. zu Verwechslungen mit rotbraun gefärbten Nadelbäumen. Deshalb mussten fehlklassifizierte Bodenbereiche und verfärbte Laubbäume manuell entfernt werden.
Rückmeldung aus der Praxis
Gemäß Rückmeldung vom AELF Münchberg konnte bei einem Großteil der ausgewiesenen Flächen tatsächlicher Borkenkäferbefall vorgefunden werden. Teilweise waren hier die befallenen Bäume in der Zwischenzeit allerdings bereits aus dem Wald entfernt worden. Aber es wurden durch die Luftbildauswertung auch zahlreiche zusätzliche Borkenkäfernester identifiziert, die noch unentdeckt geblieben waren.
Ferner wurde festgestellt, dass vereinzelt auch Kiefern oder Birken fälschlicherweise als Borkenkäferbefall erkannt wurden. Die hierdurch entstandene Fehlerquote wurde aber als gering und tolerabel angesehen. Gemäß dem AELF Münchberg konnte die Suche nach Borkenkäferbefall mit den bereitgestellten Daten noch genauer gestaltet werden. Insbesondere für die Suche im Winter kann die Luftbildauswertung unterstützend eingesetzt werden.
Um die Borkenkäferbekämpfung noch effektiver gestalten zu können, muss bei zukünftigen Auswertungen die Zeitspanne vom Befliegungszeitpunkt bis zur Bereitstellung der Ergebnisse der Bildauswertung verkürzt werden. Im vorliegenden Fall erfolgte der Bildflug im September 2020. Nachdem die Orthophotos berechnet waren, konnte im Oktober 2020 mit der manuellen Erstellung der Trainingsdaten für die teilautomatische Bildauswertung begonnen werden. Im Januar 2021 wurden die Ergebnisse der Auswertung dann über BayWIS zur Verfügung gestellt.
Ausblick
Alternativ zu Luftbildbefliegungen liefern optische Erdbeobachtungssatelliten immer präziser werdende Aufnahmen der Landoberfläche. Deshalb wird aktuell im Forschungsprojekt IpsSAT der LWF eine Analyse und ein Vergleich unterschiedlicher Satellitensysteme zur Identifizierung von geschädigten Fichten durchgeführt (Straub & Seitz 2020). Auch hier werden die Möglichkeiten einer automatisierten Bildauswertung untersucht. Zum Einsatz kommen dabei sowohl klassische Verfahren des maschinellen Lernens als auch Methoden des Deep-Learning.
Zusammenfassung
Die Auswertung erfolgte teilautomatisch mit einem Bildklassifikationsverfahren aus dem Bereich des »maschinellen Lernens«. Nach einer manuellen Überarbeitung der Klassifikationsergebnisse wurden die erfassten Flächen dem AELF Münchberg über das Bayerische WaldInformationssystem (BayWIS) zur Verfügung gestellt. Gemäß dem AELF Münchberg konnte mit diesen Daten die Suche nach geschädigten Bäumen verbessert werden.
Literatur
- AFL (2020): Oberflächenmodelle aus Luftbildern für forstliche Anwendungen. Leitfaden AFL 2020. WSL Berichte, 87. 60 S.
- Ahrens, W.; Brockamp, U.; Pisoke, T. (2004): Zur Erfassung von Waldstrukturen im Luftbild. Waldschutzgebiete Baden-Württemberg, Band 5, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, 56 S.
- Breiman, L. (2001): Random forests. Machine Learning, S. 5-32.
- Hirschmüller, H. (2017): Dichte Bildzuordnung. In: Heipke C. (Hrsg.) Photogrammetrie und Fernerkundung. Springer Reference
Naturwissenschaften. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. - LDBV (2019): Die amtlichen Geobasisdaten der Bayerischen Vermessungsverwaltung, Informationen zu den Produkten der Bayerischen Vermessungsverwaltung, Online: https://www.ldbv.bayern.de/service/download/produktinfo.html (Stand: 22.06.2021).
- Straub, C. & Seitz, R. (2020): Satelliten erfassen Waldschäden. LWF aktuell 2/2020, S.30–32.