LWF aktuell 143
WiBuTa – Die Zukunft der Buche aus Sicht der Wissenschaft
von Hans-Joachim Klemmt
Abb. 1: Gemeinsam mit den Initiatorinnen und Initiatoren eröffnete Dr. Peter Pröbstle, Präsident der LWF, die Wissenschaftliche Buchentagung (WiBuTa) in Würzburg. (© LWF)
Die Witterungsextreme der letzten Jahre haben auch der Rotbuche (Fagus sylvatica L.) stark zugesetzt. Wie es um die Zukunft einer unserer wichtigsten Laubbaumarten steht, diskutierten im Mai 2023 rund 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen in Würzburg auf der Wissenschaftlichen Buchentagung (WiBuTa).
Als die Leiter der deutschsprachigen Forstlichen Ressortforschungseinrichtungen im Frühjahr 2022 zu ihrem jährlichen Treffen zusammenkamen, regten sie an, eine gemeinsame wissenschaftliche Tagung zum Thema »Zukunft der Rotbuche im Klimawandel« auszurichten. Ab Oktober 2022 bereitete ein Organisationsteam der initiierenden Einrichtungen die Veranstaltung vor, die schließlich am 10. und 11. Mai 2023 in Würzburg stattfand. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) übernahm die Kosten für den Veranstaltungsort und unterstützte die WiBuTa personell sowie ideell. Im Folgenden werden die Kernaussagen der Tagung vorgestellt.
Vitalität der Buche
Die Auswirkungen der Trockenjahre 2015-2022 auf die Buche in der Schweiz beschrieb Sven Hopf (Institut für Angewandte Pflanzenbiologie). Der Anteil stark geschädigter Buchen habe sich dort seit 2019 als Folge der Trockenjahre 2018-2020 sowie 2022 auf das Siebenfache gegenüber dem Zeitraum 1984-2018 erhöht. Seit 2019 sei eine erhöhte Mortalität zu beobachten, bereits seit 2018 verstärkte Blattverfärbungen. Hopf wies auch auf mögliche Zusammenhänge zwischen hohen Stickstoffeinträgen und der zunehmenden Trockenheitsempfindlichkeit von Buchen (und Fichten) hin.
Professor Thomas Seifert (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) stellte Ergebnisse waldwachstumskundlicher und dendroökologischer Untersuchungen zur Buche in Süddeutschland vor. Diese zeigten, dass die Buche auf trockeneren Standorten stärker auf Dürre reagiere und es keine Hinweise auf eine standörtliche Anpassung gäbe. Zudem reagiere die Buche spezifisch und nicht linear auf klimatische Unterschiede in den Höhenstufen. Resistenz und Resilienz hinsichtlich Trockenstress seien auf durchforsteten Flächen höher, die Zuwachseinbrüche fielen weniger stark aus als auf nicht durchforsteten. Besonders stark breche der Radialzuwachs ein, wenn Trockenheitsereignisse mit verstärkter Fruktifikation zusammenfielen. Weiterhin hätten vergleichende Untersuchungen zwischen Rotbuche und Orientbuche gezeigt, dass letztere Art aufgrund holzanatomischer Unterschiede weniger embolieanfällig sei.
Über die Vitalität und Mortalität der Rotbuche in nordrhein-westfälischen Naturwäldern berichtete Klaus Striepen (Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen). Untersuchungen im Zeitraum von 2018 bis 2022 machten deutlich, dass auch Naturwälder von Dürre betroffen seien. Für den Anstieg der Mortalität sei vor allem ein ungünstiger Gesamtwasserhaushalt verantwortlich. Nach bisherigen Erkenntnissen gewährleiste ein Nutzungsverzicht nicht, dass Buchenwälder im Klimawandel bestehen könnten.
Abiotische und biotische Schadfaktoren
Abb. 2: Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten den Vorträgen der WiBuTa. (© LWF)
Die Epidemiologie der aktuellen Buchenvitalitätsschwäche in Deutschland erläuterte Jan Tropf (Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt). Er stellte heraus, dass eine zunehmende Devitalisierung von Einzelbäumen und ganzen Beständen auffalle. Eigene Forschungen hätten gezeigt, dass latent vorhandene Pilze sensibel auf durch klimatischen Stress verursachte Veränderungen der Wirtsphysiologie reagierten. Zudem fänden sich neuartige pilzliche Schaderreger an Rotbuchen, die in Zukunft eine ernstzunehmende Gefahr darstellen.
Dr. Matthias Arend (Universität Trier) berichtete über die funktionellen Ursachen von Dürreschäden bei Rotbuche. Die Schäden an Buchen seien auf ein »Verdursten«, nicht auf ein »Verhungern« zurückzuführen: Hydraulisches Versagen sei der primäre physiologische Mechanismus des gegenwärtigen Kronensterbens bei der Buche. Er bestätigte, dass der verfrühte Blattabwurf zu einer erhöhten Anfälligkeit für Pathogene führe.
Welchen Einfluss Trockenstress auf Botryosphaeria-Nekrosen an Rotbuche hat, zeigten Vivianne Dubach und Dr. Sophie Stroheker (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Sie erklärten, dass in Hinblick auf Botryosphaeria dothidea der Pilzstamm für die Pathogenität bei trockengestressten Buchen ausschlaggebend sei. Für Buchen ohne Trockenstress konnten keine funktionalen Unterschiede gefunden werden. Darüber hinaus belegten Studien, dass das jeweilige Wasserregime eines Botryosphaeria-Stammes dessen Pathogenität beeinflusse.
Naturwaldforschung in unbewirtschafteten Buchenwäldern
Abb. 3: Die Pausen boten Raum für fachlichen Austausch. (© LWF)
Über den Einfluss von Dürre und Bewirtschaftung auf die Buchenmortalität referierte Dr. Andreas Mölder (Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt). Seine Untersuchungen ergaben keine signifikanten Unterschiede in der Klimasensitivität zwischen bewirtschafteten und (seit 60 Jahren) unbewirtschafteten Buchenwäldern. Mölder berichtete von einem erhöhten Absterberisiko herrschender Bäume in aufgelichteten Vergleichsflächen während der Dürrejahre. Eingriffsstärke, Baumalter, Vorbehandlung und Witterung in den Folgejahren eines Eingriffs seien vermutlich ausschlaggebend für das Mortalitätsgeschehen. Eine hohe Einzelbaumvitalität verringere offenbar auch in Dürrejahren die Sterbewahrscheinlichkeit. Eine konkrete Empfehlung sei, nach Dürrejahren keine starken Einschläge in überwiegend geschlossenen Buchen-Altbeständen durchzuführen.
Professor Alexander Knohl (Georg-August-Universität Göttingen) stellte eine Studie aus dem Nationalpark Hainich vor, die sich mit Stressreaktionen und natürlichen Waldumbauprozessen in Folge des Dürresommers 2018 beschäftigt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Netto-CO2-Aufnahme vor 2018 relativ stabil gewesen sei, dann aber aufgrund der Dürre 2018 abgenommen hätte. Parallel dazu hätten sich Wachstums- und Mortalitätsmuster verschoben. Knohl beschrieb exemplarisch die weitreichenden Auswirkungen von Dürreereignissen auf die natürliche Walddynamik und Baumartenzusammensetzung. Er kam zu dem Schluss, dass in frühen Phasen des klimawandelgetriebenen natürlichen Waldumbaus mit Einbußen bei der Produktivität und der CO2-Senkenfunktion gerechnet werden müsse.
Der abschließende Vortrag des ersten Veranstaltungstages widmete sich dem Thema »Natürliche Regeneration von Buchenwäldern in der Buchenmischwald-Klimaregion Brandenburg«. Dr. Olaf Rüffer (Landeskompetenzzentrum Brandenburg) machte anhand echter Zeitreihendaten für ein Buchen-Naturschutzgebiet im Nordosten Brandenburgs deutlich, dass kleinstandörtliche Abweichungen unterschiedliche Behandlungskonzepte für planare Buchenwälder im Vergleich z. B. zu kollinen oder montanen Buchenwäldern erfordern könnten.
Anpassungspotenzial der Buche
Abb. 4: Die Posterausstellung bot Raum für fachlichen Austausch. (© LWF)
Katharina Liepe (Thünen-Institut) ging in ihrem Vortrag auf intraspezifische Variationen der Rotbuche ein. Die Auswertung eines länderübergreifenden Buchenherkunftsversuchs, der 25 Jahre lang beobachtet wurde, ergab, dass enge Korrelationen zwischen verschiedenen Wuchsmerkmalen bestünden. Außerdem wären Herkunfts-Umwelt-Interaktionen weder für das Wachstum, das Überleben noch für die Qualität nachweisbar. Liepe wies darauf hin, dass für weitere Erkenntnisse weiterhin Praxisanbauversuche notwendig seien – auch außerhalb der »Komfortzone« der Rotbuche.
Dr. Barbara Feldmeyer (Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum) präsentierte Ergebnisse einer Studie zur »phänotypischen Vorhersage von Trockenstress bei Rotbuchen durch Genetik und Fernerkundung«. Die Frage, ob die Rotbuche mit den vorhergesagten Klimabedingungen zurechtkommen werde, bejahte Feldmeyer – vorausgesetzt, das Klimaszenario RCP8.5 (»pessimistisches« Szenario) würde nicht eintreten. Ob eine evolutionäre Anpassung notwendig sei, beantwortete sie ebenfalls mit »ja«; ein gewisses Maß an Anpassung sei notwendig, dieses sei aber in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erreichen. Als geeignete Maßnahme, die evolutionäre Anpassung zu ermöglichen, nannte Feldmeyer Naturverjüngung. Um ein evolutionäres Management zu beschleunigen, sollten gezielt schlecht angepasste Individuen entnommen werden.
Dass bei der Festlegung von Herkunftsgebieten der Rotbuche auch der Boden standortkundlich zu berücksichtigen sei, betonte Professor Axel Göttlein (TU München). Er hält die Möglichkeiten, an wärmere Klimate angepasste Buchenbestände in Süd- und Südosteuropa zu beernten, für sehr beschränkt. Stattdessen sprach sich Göttlein für eine intensivere Untersuchung kleinräumig vorhandener Buchenstandorte auf klimatischen Grenzstandorten in Mitteleuropa aus.
Modelle zur Buchenvitalität im Klimawandel
Klima- und witterungssensitive Regressionsmodelle, die Effekte wichtiger Faktoren auf die Mortalitätsrate quantifizierten, erläuterte Dr. Matthias Schmidt (Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt). Bei Anwendung dieser Modelle fänden sich insbesondere bei Betrachtung der Einflüsse von Witterungsparametern ausgeprägte Kipppunkte, ab denen sich die Mortalitätsraten deutlich verändern.
Dr. Eric Thurm (Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern) präsentierte die wesentlichen Ergebnisse des Projekts »BuVit« aus Nordost-Deutschland. Diese basieren auf Abfragen bei Ämtern, auf Forsteinrichtungs- und Fernerkundungsdaten, Jahrringchronologien, genetischen Untersuchungen sowie auf Dendrometerdaten und Kronenvitalitätsansprachen. Laut Thurm erwiesen sich besonders ältere Buchenbestände über 80 Jahre in Kombination mit niedriger Grundflächenhaltung als besonders schadanfällig. Auswertungen der Fernerkundungsdaten hätten gezeigt, dass die Schäden nicht regional, sondern bestandsweise aufträten. Jahrring- und genetische Analysen wiesen dagegen keine Unterschiede in der Prädisposition zwischen abgestorbenen und vitalen Einzelbäumen nach. Thurm schlussfolgerte, dass die Buche zukünftig nicht mehr pauschal in den Waldumbau eingesteuert werden solle, sondern eine gezielte standörtliche Zuweisung und eine an die erhöhten Temperaturen angepasste waldbauliche Behandlung erfolgen müsse.
Keynote: Herausforderungen für den Waldbau
Abb. 5: Die Waldbauprofessoren Jürgen Bauhus (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Sven Wagner (TU Dresden) und Christian Ammer (Georg-August-Universität Göttingen) (auf dem Hintergrundbild v. l. n. r.) schlossen die WiBuTa mit einer gemeinsamen Keynote. (© LWF)
- Starke Durchforstung junger Bestände
- Erhalt des Kronenschlusses in Altbeständen
- Geringere Endbaumhöhen als bisher
- Entzerrung von Altbestandsbäumen und Jungwuchs durch Variation der Lückengrößen
- Förderung der Bestandsbiodiversität in allen Entwicklungsphasen
- Frühzeitige Vorausverjüngung, neben der Buche auch mit anderen Baumarten
- Gezielte Förderung angepasster Genotypen der Buche
- Vermehrte Berücksichtigung der Standortsverhältnisse bei der Bewirtschaftung
- Wechsel des Hauptbestandtyps unter Beteiligung der Buche
Abb. 6: Das Publikum diskutierte rege mit den Referentinnen und Referenten. Fotos: LWF)