LWF aktuell 139
Schäden an Fichten: Was Satellitentechnik erfassen kann
von Javier Gonzalez, Christoph Straub und Rudolf Seitz
Abb. 1: Geographische Lage der ausgewählten IpsSAT-Untersuchungsgebiete; im Hintergrund ist eine Baumartengruppenkarte dargestellt, welche die LWF auf der Grundlage von Sentinel-2 Satellitendaten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus abgeleitet hat. (© LWF)
Moderne Satellitensensoren eröffnen neue Möglichkeiten, um Schäden in Wäldern erfassen und dokumentieren zu können. Was ein Sensor tatsächlich sichtbar machen kann, hängt entscheidend von seinem räumlichen und spektralen Auflösungsvermögen ab. Im Forschungsprojekt "IpsSAT" untersucht die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die Einsatzmöglichkeiten verschiedener optischer Satellitensysteme zur Erfassung von Borkenkäferschäden an Fichten.
Seit mehreren Jahren verursachen Fichtenborkenkäfer hohe Schadholzmengen in den Wäldern Bayerns. Um die Ausbreitung von Borkenkäferbefall möglichst frühzeitig erkennen und eindämmen zu können, werden seit längerem verschiedene Forschungsansätze verfolgt (Triebenbacher & Hahn 2022), darunter auch Fernerkundungstechniken zur Schaderfassung. Die dabei angestrebten Überwachungssysteme sollen den Befall möglichst frühzeitig entdecken. Im Idealfall stünde ein weitgehend automatisiertes Auswerteverfahren zur Verfügung, das den Nutzerinnen und Nutzern schnell und zuverlässig Koordinaten mit dem jeweiligen Standort befallener Fichten liefert. Dafür ist zunächst die Leistungsfähigkeit verschiedener Satellitendaten zu analysieren.
Vor diesem Hintergrund startete die LWF im Jahr 2019 das Forschungsprojekt IpsSAT. Das Projekt nutzt innovative Techniken der Satellitenfernerkundung, um zu prüfen, ob damit künftig eine computergestützte, automatisierte Erfassung und Beobachtung geschädigter Fichten auf großer Fläche möglich ist. Die Auswertungen im Projekt IpsSAT werden gemeinsam mit dem Kooperationspartner IABG mbH durchgeführt.
Borkenkäferbefall an Fichte aus Sicht der Fernerkundung
In der Fachliteratur zur Erfassung von Borkenkäferschäden mittels Fernerkundung werden häufig drei Befallsstadien unterschieden (z. B. Immitzer & Atzberger 2014; Dalponte et al. 2022):
- Green-attack-Stadium: Eine Fichte ist befallen, hat aber noch eine grüne Krone.
- Red-attack-Stadium: Die Krone der Fichte verfärbt sich rotbraun.
- Gray-attack-Stadium: Die Fichte hat die meisten Nadeln verloren, die Krone hat nun eine graue Färbung.
Unterschiedliche Intensität der Schäden
Optische Satellitensensoren im Fokus
Die Luftbilder wurden mit speziellen digitalen Messbildkameras mit hoher räumlicher Auflösung aufgenommen. Die folgenden Datensätze wurden zur Schaderfassung getestet:
- Luftbilder (4 Spektralbänder mit 0,2 m Bodenauflösung)
- WorldView-3 (8 Spektralbänder mit 1,2 m Bodenauflösung und ein panchromatisches Band mit 0,3 m Bodenauflösung)
- WorldView-2 (8 Spektralbänder mit 1,2 m Bodenauflösung und ein panchromatisches Band mit 0,5 m Bodenauflösung)
- SkySAT (4 Spektralbänder mit 1,1 m Bodenauflösung und ein panchromatisches Band mit 0,8 m Bodenauflösung)
- PlanetScope (4 Spektralbänder mit 3 m Bodenauflösung)
- Sentinel-2 (4 Spektralbänder mit 10 m und 6 Spektralbänder mit 20 m Bodenauflösung)
Abb. 2: Durch Borkenkäferbefall stark geschädigter Fichtenbestand im Frankenwald (© Eike Reinosch, LWF)
Automatisierte Schaderfassung mit maschinellem Lernen
Abb. 3: Obere Reihe: Ausschnitt des Untersuchungsgebiets Bad Kötzting für mehrere Fernerkundungsdatensätze als Color-Infrarot-Darstellung; untere Reihe: zugehöriges Klassifizierungsergebnis, modelliert mit maschinellem Lernen (hier mit der Methode Random Forest) (© LWF)
Abbildung 3 zeigt einen kleinen Ausschnitt des Untersuchungsgebiets Bad Kötzting mit einer Größe von circa 150 m × 150 m für mehrere in IpsSAT getestete Fernerkundungsdaten. Für die einzelnen Datensätze wird jeweils eine Color-Infrarot-Darstellung zusammen mit dem zugehörigen Ergebnis der automatischen Schadklassifizierung gezeigt. Es fällt auf, wie stark das räumliche Auflösungsvermögen des verwendeten Sensors die Detektion von einzelnen Baumkronen beeinflusst. Ferner wird deutlich, dass sowohl die WorldView-3- als auch die SkySAT-Aufnahme mit einer Schrägsicht des Sensors aufgezeichnet wurde. Durch die Schrägaufnahmen kommt es zu sichtbaren Verkippungen der Baumkronen im Vergleich zur Luftbildaufnahme (Abbildung 4).
Prinzipiell konnten die geschädigten Waldbereiche mit den verfärbten Baumkronen in den Fernerkundungsdaten gut abgegrenzt werden (Abbildung 3). Da in den Bildern der Satellitensysteme PlanetScope und Sentinel-2 einzelne Baumkronen visuell nicht mehr differenzierbar sind, war mit diesem Bildmaterial auch keine Aufteilung in die Stadien red-attack und gray-attack möglich. Mit diesen Daten beschränkte sich die Auswertung auf eine generelle Unterscheidung von geschädigten Fichten und vitalen Baumkronen.
Abb. 4: Verkippung und Lageversatz der Bäume aufgrund von Schrägaufnahmen bei WorldView-3 und SkySAT-Satellitenbildern. In Orange ist die lagerichtige Referenzkrone auf dem Luftbild und in Grün die Projektion auf den Satellitenbildern. (© LWF)
Eine genauere Überprüfung zeigte, dass rotbraun und grau verfärbte Fichten tatsächlich nur in Luftbildern unterschieden werden können. Wie Abbildung 5 verdeutlicht, kommt es bei allen anderen Sensoren zu einer zunehmenden spektralen Vermischung zwischen diesen beiden Schadkategorien. Dargestellt sind Verteilungen von Spektralwerten zur Beurteilung der Trennbarkeit der Klassen red-attack und gray-attack für die jeweils beste erklärende Variable pro Sensor. Umso stärker sich die Spektralwertbereiche für red-attack und gray-attack in den Darstellungen überlappen, umso größer ist die spektrale Vermischung der beiden Klassen. Dadurch werden die Möglichkeiten einer visuellen und auch einer automatisierten Unterscheidung immer schwieriger.
Aktuelle Erkenntnisse, weitere Forschung
Abb. 5: Density plots mit der Verteilung von Spektralwerten zur Beurteilung der Trennbarkeit der Klassen red-attack und gray-attack für Luftbilddaten, WorldView-3, SkySAT und PlanetScope am Beispiel der Untersuchungsfläche Bad-Kötzting. (© LWF)
Nach aktuellen IpsSAT-Erkenntnissen sind Luftbildaufnahmen aus dem Flugzeug am besten für eine manuelle und auch für eine automatisierte Schaderfassung geeignet. Bisher ist nur in den Luftbildern eine Differenzierung der Befallsstadien red-attack und gray-attack möglich. Mit den getesteten Satellitendaten konnte bislang keine zuverlässige Trennung dieser Schadkategorien erzielt werden. Die Bilddaten vom Satelliten können allerdings dazu dienen, einen allgemeinen Überblick über geschädigte Waldbereiche zu erhalten und so das Auffinden von Schwerpunkten der Borkenkäferbekämpfung beschleunigen. Satellitentechnik bietet gegenüber dem Einsatz von Flugzeugen den entscheidenden Vorteil, dass größere Flächen innerhalb kürzerer Zeit aufgenommen werden können. Voraussetzung beim Einsatz von optischen Systemen ist, dass keine störenden Wolken die Sicht auf die Erdoberfläche verhindern. Außerdem ist ein erneuter Überflug bzw. eine höhere Wiederholrate mit den Satelliten im Vergleich zum Flugzeug einfacher realisierbar. Die Sentinel-2-Satelliten können bei wolkenfreien Bedingungen beispielsweise alle fünf Tage aktuelle Aufnahmen liefern. Aufgrund der guten Verfügbarkeit der Sentinel-2-Daten werden diese Daten an der LWF zur Erfassung von großflächigen Veränderungen im Wald eingesetzt (Einzmann et al. 2022). Bei einer regelmäßigen Bereitstellung solcher Analysen könnten Praktikern vor Ort und auch Entscheidungsträgern frühzeitige Hinweise auf kommenden Handlungsbedarf gegeben werden.
Die weitere Forschung im Projekt IpsSAT konzentriert sich auf eine Optimierung der bisherigen Ansätze. Der Projektpartner IABG mbH testet derzeit moderne KI-Verfahren bzw. Methoden des Deep Learning zur automatisierten Schaderfassung. Deep Learning (tiefes Lernen) ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens. Er basiert auf tiefgeschichteten künstlichen neuronalen Netzen, die mit großen Lerndatensätzen trainiert werden. Es wird sich zeigen, ob geschädigte Fichten mit diesen neueren Auswertungsmethoden gegebenenfalls noch besser detektiert werden können.
Zusammenfassung
Hauptziel des Forschungsprojekts IpsSAT ist es, Möglichkeiten zu prüfen, mit denen sich Borkenkäferschäden anhand optischer Satellitendaten und Luftbildaufnahmen aus dem Flugzeug automatisiert erfassen lassen. Dafür kommen verschiedene Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens zum Einsatz. Aktuelle Auswertungen von IpsSAT zeigen, dass sich Luftbildaufnahmen aus dem Flugzeug am besten für eine differenzierte Schaderfassung eignen. Die Satellitendaten ermöglichen dagegen einen allgemeinen Überblick über Schadflächen im Wald – eine Unterscheidung verschiedener Schadkategorien ist bislang nicht realisierbar. Im weiteren Verlauf des Projekts wird eine Verbesserung der Schaderfassung mit modernen KI-Verfahren bzw. mit Methoden des Deep Learning angestrebt.
Projekt
Das Projekt IpsSAT wird durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert (Laufzeit: 01.09.2019 - 30.09.2023) und in Kooperation mit der Firma IABG mbH durchgeführt.