LWF aktuell 139
Waldumbau und Regenwurmfauna
von Roswitha Walter, Vincent Buness, Bastian Schauer und Thomas Kudernatsch
© PantherMedia, kolesnikovserg
Wie wirkt sich ein Umbau von reinen Fichtenbeständen hin zu Fichten-Buchen-Mischwäldern auf die Bodenlebewelt aus? Welchen Einfluss hat eine Beimischung von Buche auf die Artenvielfalt, Anzahl und Biomasse der im Waldboden lebenden Regenwürmer? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchte die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) gemeinsam mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Regenwurmfauna im Ebersberger Forst.
Regenwürmer können in temperierten Wäldern eine wichtige Rolle als Zersetzer übernehmen und die physikalischen, chemischen und biologischen Bodeneigenschaften beeinflussen (Kooch & Jalilvand 2008, Schäfer et al. 2009, Ehrmann 2015). Sie zerkleinern organisches Material (z. B. verrottendes Laub), mischen es in den Boden ein und beschleunigen dessen Abbau.
Das Vorkommen von Regenwürmern wird sowohl von den Standortsbedingungen (z. B. Bodentextur, Bodenfeuchte, Boden-pH) als auch von der Nutzungsform geprägt (Ehrmann 2015, Hlava & Kopecký 2013, Jänsch et al. 2013). In Wäldern beeinflussen zudem Baumartenzusammensetzung und Streuqualität die Artenvielfalt und Populationsgröße der Regenwürmer (Cesarz et al. 2007, Schelfhout et al. 2017, Schwarz et al. 2015). Häufig besteht eine enge Abhängigkeit zwischen dem Abbau der Streu sowie der daraus resultierenden Humusform und dem Vorkommen von Regenwürmern (Ehrmann 2015). Ein Einfluss des Waldumbaus auf die Lebensgemeinschaft der Regenwürmer ist daher wahrscheinlich.
Untersuchungsgebiet Ebersberger Forst
Aufgrund der tiefergehend entbasten Ausgangssubstrate und der lang andauernden Nadelwaldwirtschaft überwiegen in den Waldbeständen saure Verhältnisse im Oberboden und eher »ungünstige« Humusformen (vor allem Moder, vereinzelt rohhumusartiger Moder, Abbildung 1). In diesen Böden befindet sich die meiste organische Substanz in der Humusauflage. Die »günstigeren« Humusformen »mullartiger Moder« und »F-Mull« treten kleinflächig auf und sind auf Bestandsbereiche mit höheren Buchenanteilen begrenzt.
Um das gesamte Artenspektrum der Regenwürmer im Projektgebiet abzubilden, wurden auch in den Waldkomplex eingebettete Waldwiesen in die Untersuchungen einbezogen. Unter der Grasschicht steht in den Waldwiesen direkt der Mineralboden an, der sehr humos und krümelig ist (Humusform »L-Mull«); die pH-Werte sind hier deutlich höher als in den Waldbeständen. Heterogene Bodenverhältnisse zwischen den Nadelwaldbeständen, Mischbeständen und Waldwiesen sind vor allem auf unterschiedliche Bewirtschaftung zurückzuführen, da die standörtlichen Verhältnisse im untersuchten Teil des Ebersberger Forstes insgesamt sehr homogen sind.
Bodeneigenschaften | Wald | Waldwiese |
---|---|---|
Auflagehumus | Überwiegend Moder, org. Substanz sammelt sich im Laufe der Zeit an | Keiner/ kaum vorhanden |
Ah-Horizont | Geringmächtig, nicht krümelig, niedrige Aktivität | Mächtig, krümelig, hohe Aktivität |
C/N-Verhältnis der Streu | Weit (ca. 40–50) Stark sauer | Eng (ca. 10–15) Leicht sauer |
pH-Werte der Humusauflage in Calciumchlorid (CaCl2) | pH-Werte Fichte: JD: 3,1–3,6; AD: 3,0–3,5 pH-Werte Buche: JD: 3,2–4,1; AD: 3,1–5,3 | pH-Werte: 4,8–5,8 |
Wasserhaushalt in der Vegetationsperiode | Oberboden kann stark austrocknen | Trocknet weniger stark aus |
Abb: 1: Bodeneigenschaften im Ebersberger Forst unter Wald im Vergleich zu den Waldwiesen (© LWF)
Erfassung der Regenwürmer und Umweltdaten
Zur Erfassung der Regenwürmer im Boden kam eine »Austreibung« mit anschließender Handauslese zum Einsatz. Vor der Austreibung wurde die locker aufliegende Streuauflage von der ¼ m² großen Stichprobe entfernt und von Hand nach Regenwürmern durchsucht. Für die Austreibung verwendete man eine stark verdünnte Formaldehydlösung, die verteilt auf zwei Gaben aufgegossen wurde. Nach jeder Gabe wurden über 15 Minuten die an der Bodenoberfläche erscheinenden Regenwürmer eingesammelt. Anschließend stach man einen Teil der Probestelle (1/16 m²) circa 30 cm tief aus und durchsuchte ihn nach Regenwürmern. Alle gefundenen Regenwürmer wurden in Ethanol konserviert und im Labor gezählt, gewogen und bestimmt.
Um Einflussfaktoren auf die Regenwurmbesiedlung zu identifizieren, dokumentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Parameter: Bedeckungsgrad jeder Stichprobenfläche mit Laubstreu, Nadelstreu und mit Moos, Fichten- und Buchenanteil im unmittelbaren Umfeld der Probeflächen und pH-Wert des Auflagehumus. Weitere Parameter mit potenziellem Bezug zum Regenwurmbestand stammen aus Vegetations-, Waldstruktur- und Humuskartierungen, die auf den ein Hektar großen Probeflächen durchgeführt wurden, sowie aus darauf aufbauenden Analysen (z. B. Berechnung der Zeigerwerte nach Ellenberg et al. 2001).
Artenvielfalt, Anzahl und Biomasse der Regenwürmer
Abb. 2a: Regenwurmprobe-stellen (Fläche des Rings: ¼ m²) im Ebersberger Forst Nadel-waldbestand (© Roswitha Walter, LfL)
Daraus lässt sich kein deutlicher Einfluss des Waldumbaus auf die Regenwurmbestandsdichte ableiten. Auffällig war eine hohe Streuung der Regenwurmwerte in allen Waldvarianten. Dies deutet auf eine hohe räumliche Heterogenität der Lebensraumbedingungen hin, z. B. aufgrund einer kleinräumig voneinander abweichenden Struktur- und Nischenvielfalt oder Unterschieden in den Bodenfeuchtebedingungen.
Abb. 2b: Regenwurmprobe-stellen (Fläche des Rings: ¼ m²) im Ebersberger Forst Fichten-Buchen-Mischbestand (© Roswitha Walter, LfL)
Abb. 2c: Regenwurmprobe-stellen (Fläche des Rings: ¼ m²) im Ebersberger Forst Waldwiese (© Roswitha Walter, LfL)
Die im Mittel höchsten Regenwurmbestandswerte wurden unter den Waldwiesen des Ebersberger Forsts festgestellt. Ihre Abundanz und Artenvielfalt liegen hier in der Größenordnung der für bayerisches Grünland ermittelten Durchschnittswerte (Boden-Dauerbeobachtungsflächen, Walter & Burmeister 2022).
Welche Faktoren wirken auf den Regenwurmbestand?
Ein tendenziell negativer Zusammenhang mit der Artenzahl ergab sich für das Totholzvolumen sowie für den Bedeckungsgrad durch Fichtennadeln. Letzteres deutet auf einen ungünstigen Einfluss der Fichte auf Regenwürmer hin. Sowohl die Nadelstreu der Fichten als auch die Laubstreu der Buchen bieten aufgrund ihrer geringen Qualität (hoher Säuregehalt, breites C/N-Verhältnis) keine optimalen Lebensbedingungen für Regenwürmer (Cesarz et al. 2007, Kuznetsova et al. 2021, Schwarz et al. 2015) – insgesamt ist die Fichte in diesem Zusammenhang jedoch ungünstiger zu bewerten (Schelfhout et al. 2017).
Abb: 3: Mittlere Artenzahl, Abundanz und Biomasse der Regenwürmer in den Waldvarianten und im Boden unter den Waldwiesen (Mittelwerte von je vier Wiederholungen mit Standardabweichung) (© LWF)
Was den pH-Wert betrifft: In den Mischbeständen mit einem hohen Buchenanteil wurden vor allem in den Altdurchforstungen etwas höhere, d. h. weniger saure pH-Werte als unter Fichtenreinbeständen gemessen. Dennoch liegen nach wie vor sehr saure Bodenbedingungen vor, was die fehlende Korrelation der Regenwurmartenzahl, -abundanz und -biomasse mit dem pH-Wert erklären könnte. Eine signifikant höhere Biomasse der Regenwürmer fanden Hlava & Kopecký (2013) erst ab einem pH-Wert über 3,9. Der positive Effekt der Bucheneinbringung auf die Bodenreaktion (insbesondere in der Humusauflage) ist wahrscheinlich noch nicht stark genug, um deutlich höhere Regenwurmbestandswerte zu erzielen.
Streubewohnende Regenwurmarten dominieren in den Waldbeständen
Die im Ebersberger Forst dominierenden streubewohnenden Arten reagieren empfindlich auf die Bodenfeuchte und das Kohlenstoff/Phosphor-Verhältnis der Streu (Schelfhout et al. 2017). Eine Korrelation zwischen dem Vorkommen der beiden streubewohnenden Arten D. attemsi und D. octaedra mit der Bodenfeuchtigkeit bestätigen auch Geraskina & Shevchenko (2021). So führen trockene Sommer insbesondere bei streubewohnenden Arten zu Populationsrückgängen, wobei D. octaedra empfindlicher reagiert als der in Südeuropa verbreitete D. attemsi (Eggleton et al. 2009).
Arten im Ebersberger Forst | JD_Z | JD_H | AD_Z | AD_H | Waldwiese | Bestandssituation |
---|---|---|---|---|---|---|
Streubewohnende Arten | ||||||
Dendrobaena attemsi | x | x | x | x | x | selten |
Dendrobaena octaedra | x | x | x | x | häufig | |
Dendrobaena rubidus | x | häufig | ||||
Lumbricus castaneus | x | x | häufig | |||
Lumbricus rubellus | x | x | x | sehr häufig | ||
Mineralschichtbewohnende Arten | ||||||
Aporrectodea rosea | x | x | sehr häufig | |||
Aporrectodea caliginosa | x | sehr häufig | ||||
Octolasion tyrtaeum | x | häufig | ||||
Proctodrilus antipae | x | selten | ||||
Proctodrilus opisthoductus | x | extrem selten | ||||
Tiefgrabende Arten | ||||||
Lumbricus terrestris | x | sehr häufig | ||||
Summe | 3 | 3* | 3 | 4 | 10 |
Abb. 4: Nachgewiesene adulte Regenwurmarten in den untersuchten Varianten im Ebersberger Forst mit Angabe ihrer deutschlandweiten Bestandssituation nach Lehmitz et al. (2016); alle Arten kommen sowohl im Wald als auch im Offenland vor – mit Ausnahme von D. attemsi (an den Wald gebunden) (Graefe et al. 2019).
* Da in der Variante JD_H auch juvenile Tiere der Gattung Lumbricus gefunden wurden, die nicht eindeutig einer Art zuzuordnen waren, beträgt die Mindestartenzahl 3. (JD_Z: Jungdurchforstung ohne Buche; JD_H: Jungdurchforstung mit hohem Buchenanteil von 40–50 %; AD_Z: Altdurchforstung ohne Buche; AD_H: Altdurchforstung mit hohem Buchenanteil von 40–50 %) (© LWF)
Dendrobaena attemsi: Charakterart im Ebersberger Forst
Abb. 5a, b, c: Lebensformen der bodenbewohnenden Regenwürmer (© Roswitha Walter, LfL)
Ihre höchste Besiedlungsdichte zeigte die Art in der AD_H Variante. Zudem kam sie in mehr Alt- als in Jungdurchforstungsflächen vor. Nicht selten besiedelt die Art auch Totholz (Geraskina & Shevchenko 2021, Ashwood et al. 2019). Da die Erhebungsmethode im Ebersberger Forst auf den Boden beschränkt war, sind hier keine Aussagen zu Vorkommen von D. attemsi im Totholz möglich. In einem weiteren LWF-Projekt zur Bodenfauna in bayerischen Wäldern (Projekt »BYSoilFauna«) wies man D. attemsi auf 40 % der 25 untersuchten Standorte nach – die Einstufung als »selten« ist deshalb zumindest in Bayern fraglich.
Großes Artenspektrum und seltene Arten in den Waldwiesen
Auf den Waldwiesen wurden zwei in Deutschland seltene endogäische Regenwurmarten erfasst: Proctodrilus antipae ist die einzige im Ebersberger Forst nachgewiesene Art, die sich in der Vorwarnstufe der Roten Liste befindet (Lehmitz et al. 2016); von Proctodrilus opisthoductus (2016 Erstnachweis in Deutschland) sind bislang nur sehr wenige Vorkommen in Deutschland bekannt, die alle in Südbayern liegen.
Zusammenfassung
Projekt
Das Projekt »Auswirkungen von Waldumbaumaßnahmen auf Waldstruktur und Biodiversität (L59)« (Laufzeit: 01.12.2018 - 31.03.2022) wurde durch die Bayerische Forstverwaltung gefördert.