LWF aktuell 141
Zukunftsfähig? 27 seltene und alternative Baumarten unter der Lupe
von Lisa Kaule, Tobias Mette, Marc Kühnbach, Markus Engel, Wolfgang Falk
Abb. 1: Sechs Beispielarten, die im Projekt »Alternative Baumarten« untersucht werden (im Uhrzeigersinn, beginnend o. l.): Baumhasel (Corylus colurna L.), Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia SCOP.), Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens (D.DON) ENDL.), Mehlbeere (Sorbus aria (L.) CRANTZ), Westliche Hemlockstanne (Tsuga heterophylla (RAF.) SARG.), Tulpenbaum (Liriodendron tulipifera L.) (© Klaus Stangl, Tobias Hase, Gregor Aas, Boris Mittermeier)
Zu vielen Baumarten stellt die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) bereits umfangreiche Informationen bereit: Das Bayerische Standortinformationssystem (BaSIS) bietet Anbaurisikokarten für 32 Baumarten, die in zwei LWF-Praxishilfen detailliert erläutert werden. 60 weitere und hierzulande zum Teil wenig bekannte Arten gelten nach den Leitlinien der Forstverwaltung als (potentiell) anbaufähig. Die LWF untersucht die Standortansprüche von 27 daraus ausgewählten Baumarten - die heimische Walnuss dient in diesem Beitrag als Beispiel.
Höhere Temperaturen, veränderte Niederschläge und Wetterextreme wirken sich auf die Standortbedingungen für unsere heimischen Wälder aus. Die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre schwächen unsere Hauptbaumarten, der Schädlingsdruck steigt und mehr Bäume sterben ab (Kühnbach et al. 2022, StMELF 2022).
Für eine Anpassung der Wälder an den Klimawandel steht den bayerischen Försterinnen und Förstern seit 2013 das Standortinformationssystem BaSIS zur Verfügung. Bestandesgenau lassen sich hier Standortsdaten sowie das aktuelle und zukünftige Anbaurisiko einer Reihe von Baumarten abfragen (LWF 2013). Anfangs waren 21 der wichtigsten Baumarten in BaSIS aufgenommen, bald jedoch wurde von Seiten der Praxis der Wunsch laut, weitere seltene heimische und nichtheimische Baumarten einzubeziehen. Entsprechend erweiterte man BaSIS 2018 um elf Arten, darunter neben Elsbeere oder Vogelkirsche auch Arten wie Schwarzkiefer oder Roteiche (Thurm et al. 2018). Zu diesen 32 Arten gab die LWF 2019 bzw. 2020 zwei Praxishilfen heraus, die umfassende Informationen über deren Standortansprüche und Anbaurisiko sowie zu Waldbau, Ökologie und Nutzung enthalten (LWF 2019, 2020).
Datengrundlage und Auswahl der alternativen Baumarten
Anschließend wurden insgesamt 27 Baumarten aus den Leitlinien »Baumarten für den Klimawald« der Bayerischen Forstverwaltung unter Abwägung der Datengrundlage und des Interesses von Seiten der Praxis ausgewählt (Abbildung 2). Darunter befinden sich sechs seltene heimische Laubbäume sowie acht nichtheimische Nadel- und 13 nichtheimische Laubbaumarten. Allein für 15 der 27 Arten existieren mehr als 10.000 GBIF-Einträge – dies zeigt, dass einige hierzulande weniger bekannte Baumarten im globalen Kontext durchaus eine wichtige Rolle spielen. Es reicht somit nicht, nur europäische Vorkommen zu betrachten: Vielmehr müssen neben neuen Datenquellen zu den Artvorkommen auch neue Datenquellen zu Klima, Boden und Landnutzung erschlossen werden.
Als dritte Informationsquelle kommt daher die Literaturrecherche hinzu. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Interpretation der Verbreitungsdaten, besonders in Bezug auf die Bodenansprüche und anthropogene Einflüsse.
Erstellen der Artverbreitungsmodelle
Abb. 3a: Natürliche eurasische Artverbreitung der Walnuss als Waldbaumart. Die Verbreitungskarte in dunkelgrau entstammt Caudullo et al. (2017), die grünen Kreuze zeigen auszugsweise die dokumentierten GBIF-Vorkommen. Aus dem 400 km Puffer um die Verbreitungskarte in hellgrau werden die für das Artverbreitungsmodell benötigen Nichtvorkommen (= Absenzen) gezogen (orange Kreuze). (© LWF)
Das resultierende Artverbreitungsmodell gibt an, wie wahrscheinlich das Vorkommen einer Art bei gegebenem Klima ist. Diese Wahrscheinlichkeit liegt zwischen 0 und 1 (= 100 %). In erster Instanz ist das Modell somit klimasensitiv. Der Einfluss des Bodens stellt sich dagegen aufgrund seiner kleinräumigen Heterogenität und fehlender länder-/kontinentübergreifend harmonisierter Karten als schwierig dar. Hier sind die durchgeführten Literaturstudien und Expertenbefragungen zielführender. Die ermittelten Ansprüche an den Boden können dann als Begleittext die klima-abhängigen Artverbreitungsmodelle oder – wie im Falle von BaSIS – als Patch das Anbaurisiko ergänzen (Thurm et al. 2018).
Das Artverbreitungsmodell lässt sich unabhängig von den Eingangsdaten auf aktuelle oder zukünftige Klimadaten anwenden. Modellbasierte Artverbreitungskarten für das aktuelle Klima sind den realen Verbreitungsdaten sehr ähnlich, aber nicht identisch. Nicht selten werden Gebiete für eine Art als klimatisch günstig ausgewiesen, in denen diese nicht oder nur selten vorkommt. Das kann an der nacheiszeitlichen Verbreitungsgeschichte liegen, an Ausbreitungshindernissen wie Gebirgen und Wasser oder auch an nicht erfassten Klimaparametern wie z. B. lokal bis regional auftretenden Wetterextremen. Daher ist die aktuelle Karte sehr wichtig für das Verständnis und die Güte des verwendeten Modells. Nach Abgleich mit dem aktuellen Klima lässt sich ein Artverbreitungsmodell mithilfe von Klimamodelldaten in die Zukunft rechnen. Solche Karten zeigen die hypothetische Arealverschiebung einer Art im Klimawandel und sind Grundlage für die Beurteilung des jeweiligen Anbaurisikos (z. B. in BaSIS).
Kategorie | Beschreibung | Ausgewählte Baumarten |
---|---|---|
- | selten, heimisch | Mehlbeere, Moorbirke, Walnuss, Wildapfel, Schwarzpappel, Flatterulme |
Kategorie 1 | mit Anbauempfehlung | Schwarznuss* |
Kategorie 2 | mit eingeschränkter Anbauempfehlung | Atlaszeder, Libanonzeder, Baumhasel |
Kategorie 3 | nur mit wissenschaftlicher Begleitung | Rotahorn*, Zuckerahorn*, Rosskastanie, Schuppenrinden-Hickory*, Orient-Buche, Manna-Esche, Tulpenbaum*, Balkankiefer, Gelbkiefer*, Seestrandkiefer, Ungarische Eiche, Küstenmammutbaum*, Riesenlebensbaum*, Silberlinde, Westliche Hemlocktanne* |
Ohne Kategorie | Schweizer Ahorn, Hopfenbuche |
Abb. 3b: modellierte europäische Artverbreitung der Walnuss als Waldbaumart. Vorkommenswahrscheinlichkeit skaliert von 0-1 mit max. Wahrscheinlichkeit bei 1. (© LWF)
Artverbreitungsmodell am Beispiel der Walnuss
Abb. 4: Die Flatterulme (Ulmus laevis), eine der seltenen heimischen Baumarten mit großem Zukunftspotential (© Gregor Aas)
Angesichts der Unterschiede in den Datengrundlagen wurde nur ein Modell für die europäischen Vorkommen hergeleitet. Diese sind klimatisch eingegrenzt von Sommertemperaturen zwischen 10 °C und 25 °C sowie Wintertemperaturen über –5 °C. Das Niederschlagsoptimum liegt jenseits 300 mm im Sommer. Die aus den Klimaparametern resultierende Artverbreitungskarte (Abbildung 3b) gibt die Verteilung der GBIF-Vorkommen und die Ränder der Artverbreitungskarte gut wieder. Das hier dargestellte Vorkommen bezieht sich auf die Walnuss als Waldbaumart, nicht auf Nussplantagen. Letztere sind in Europa schwerpunktmäßig außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets in der Ukraine angelegt (statista 2022).
Da die Walnuss hohe Sommertemperaturen toleriert, sind die Modellvorhersagen für diese Baumart in Mitteleuropa im Hinblick auf den Klimawandel recht positiv (Abbildung 5). Bei einem moderaten Klimawandel (RCP 4.5-Szenario) zieht sich das klimatische Optimum von Südostfrankreich über Süd- und Westdeutschland bis nach Südschweden. Bei einem »harten« Klimawandel (RCP 8.5-Szenario) verschiebt sich das Vorkommenspotential in Frankreich in montane Höhenstufen, bleibt aber in Süd- und Westdeutschland weiterhin positiv. Zudem verlagert sich das potentielle Vorkommensgebiet der Walnuss auch in Richtung Osteuropa, wo die Klimaprojektionen mildere Winter voraussagen. Dahingegen zieht sich die Art aus Süd- und Südosteuropa zurück, wo die Sommertemperaturen stark ansteigen.
Die Literaturrecherche relativiert die positive Bilanz für die Walnuss ein wenig: Die Toleranz hoher Sommertemperaturen setzt tiefgründig gut wasser- und basenversorgte Standorte voraus, die die Verdunstung bei hohen Sommertemperaturen teilweise kompensieren können. Wegen ihrer vergleichsweise schwachen Konkurrenzkraft und Anfälligkeit für Hallimasch empfehlen Ehring und Keller (2008) die Walnuss – im Gegensatz zur Schwarz- oder Hybridnuss – eher zur Aufforstung von Feldflur und am Waldrand. Hier zeigt sich, wie die Artverbreitungsmodelle die klimatischen Rahmenbedingungen umreißen und die Literaturrecherche das Bild der Walnuss hinsichtlich ihres Anbaupotentials vervollständigt.
Abb. 5: Potentielle Artverbreitung der Walnuss in der Klimaperiode 2071-2100; a: bei mildem Klimawandel (RCP 4.5) und b: bei hartem Klimawandel (RCP 8.5) © Klimamodell MPIESM-CLM (Jacob et al. 2013)
Zusammenfassung
Abb. 6: Beeindruckender Walnuss-Stamm in Obfelden, Schweiz (© Leonhard Steinacker)