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Stefan Müller-Kroehling
Die Flatterulme in Bayern – ein Überblick über ihr Vorkommen und Erfahrungen zu Eignung und Verwendung – LWF Wissen 83

Die natürliche Verbreitung der Flatterulme in Bayern

Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) ist eine in Bayern heimische Baumart und wird meist zu den »seltenen heimischen Baumarten« gerechnet. Ursprünglich war sie vor allem in verschiedenen Feuchtwald-Typen verbreitet, sowie auch in Hangmischwäldern. Historisch wurde sie regional in der Holzverwendung für spezielle Anwendungen durchaus geschätzt, erfuhr aber praktisch nie oder nur sehr regional einen forstlichen Anbau. Vielmehr unterlag sie lange Zeit weit überwiegend einer sehr ungünstigen Einschätzung ihrer forstlichen Eigenschaften. Gleichzeitig erfuhren ihre natürlichen Standorte vielerorts durch den Gewässerausbau, Grundwasserabsenkung und Entwässerung vielerorts an Fläche. Unser Bild ihrer Verbreitung hat sich in den letzten 30 Jahren substanziell geschärft, auch wenn weiterhin einige Lücken bestehen.

In diesem Beitrag soll der Versuch unternommen werden, die Verbreitung der Flatterulme in Bayern zu beschreiben und sowohl in Bezug auf das natürliche Vorkommen als auch die ökologischen Ansprüche der Art zu deuten und auf Erhebungs- und Forschungsbedarf hinzuweisen. Ebenfalls dargestellt werden in Form eines ersten Überblicks die Bemühungen ihrer verstärkten Berücksichtigung in den letzten 20 Jahren in Form erfolgter Pflanzungen.

Datenquellen und Datenlage

belaubte Ulme im BestandZoombild vorhanden

Abb. 1: Wüchsige, einzeln beigemischte Flatterulme auf Kolluvium am Hangfuß der Isarleiten in Landshut. (Foto: S. Müller-Kroehling)

Will man die Verbreitung der Flatterulme in Bayern betrachten, so stehen hierfür vor allem floristisch bzw. vegetationskundlich orientierte Quellen Bayerns und Deutschlands zur Verfügung (siehe unten).

Die Forstliche Stichprobeninventur der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für den Staatswald und auch die Bundeswaldinventur (BWI) unterscheiden die Ulmen-Arten bisher bedauerlicher Weise nicht, so dass aus diesen Quellen keine Informationen speziell zur Flatterulme zu ziehen sind. Für Ulmen allgemein erbrachten die BWI folgende Kennzahl für den Stand 2012 auf der Basis der Hochrechnung der Traktecken. Demnach verfügt Deutschland rechnerisch über 15.217 Hektar Ulmenbestände (also die reine Standfläche der Ulmen), von denen die allermeisten als Mischbestände realisiert sein dürften, so dass die Zahl der Bestände mit Beteiligung von Ulmen natürlich bei einem Vielfachen liegt. Weitere, wertvolle forstliche Angaben zur Verbreitung konkret der Flatterulme ergeben sich jedoch aus der Stichprobeninventur der FFH-Gebiete durch die FFH-Inventurteams der Forstverwaltung und die Vegetationsaufnahmen aus Naturwaldreservaten (NWRen) (s.u.).
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Bild der Verbreitung im Wandel

Ulmen im Winter, Schnee im HintergrundZoombild vorhanden

Abb. 2: Flatterulmen im Fichtelgebirge zeigen, dass die Flatterulme nicht so wärmebedürftig ist, wie zum Teil dargestellt. (Foto: V. Clauss)

Unser Bild von der tatsächlichen Verbreitung der Flatterulme und der Natürlichkeit dieser Vorkommen hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Dies hat zwei Hauptgründe.

Zum einen waren Vorkommen in der Vergangenheit oft übersehen worden oder wurden falsch bestimmt. Obwohl sie eigentlich anhand verschiedener Merkmale sehr gut ansprechbar ist (so auch bereits Hempel und Wilhelm 1889), und auch ältere Florenwerke oft bereits den Weg wiesen (Sendtner 1854), wurde sie doch sehr oft verkannt, worauf auch Schönfelder und Bresinsky (1990) in ihrem Verbreitungsatlas hinweisen. Selbst in Form von Exemplaren in Waldlehrpfaden (wie in Zusmarshausen, eig. Beobachtung 1998, vgl. Müller-Kroehling 2005) oder in botanischen Inventuren (wie im Isarmündungsgebiet, Linhard 1964) wurde die Art regelmäßig mit der Feld- oder der Bergulme verwechselte bzw. gemeinsame Vorkommen mit diesen Arten ausschließlich diesen zugeordnet. So wurden oft selbst aus Gebieten, in denen man heute weiß, dass die Art individuenreiche Vorkommen hat, diese unerwähnt gelassen und nur andere Ulmenarten erwähnt, so dass man vermuten muss, dass sie entweder übersehen wurde oder zumindest teilweise verwechselt wurde.

Ein weiterer Aspekt war ihre häufig angezweifelte Ursprünglichkeit. Obwohl jahrzehntelang über Baumschulen praktisch gar nicht zu beziehen, finden sich doch in Städten und Dörfern immer wieder Flatterulmen als Stadt- und Landschaftsbäume, so in Landshut, Ingolstadt, Landsberg oder Augsburg, und solche Vorkommen in einem anthropogenen Kontext wurden dann wohl oft zum Anlass genommen, diese Vorkommen für anthropogenen Ursprungs zu halten. Verstärkt wurde dieser Denkansatz noch durch die Theorie, dass die Flatterulme als mutmaßlich nur mäßig kalktolerante Baumart (Kreutzer 1987, vgl. Beitrag von Thurm et al. in diesem Heft) in den kalkreichen Flusstälern von Lech und Isar ja gar nicht autochthon sein könne, weil sie ja kalkunverträglich sei und hier folglich chlorotisch werde.

Janssen und Hewicker (2006) haben für Schleswig-Holstein exemplarisch aufgezeigt, dass die Flatterulme hier in der freien Landschaft ein Relikt der natürlichen Feuchtwälder ist, obwohl es dort auch in Dörfern und Städten Flatterulmen als Dorf- und Stadtbäume gibt.
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Standortsansprüche und Lebensraumklassifikation

Auf die Standortsansprüche wird im Beitrag von Thurm et al. (in diesem Band) ausführlicher eingegangen, die wichtigsten Kernaussagen zum Verständnis ihrer Verbreitung sollen aber auch hier zusammengefasst werden. Eine detaillierte Auswertung der Standortseigenschaften der besiedelten Standorte ist derzeit nicht möglich, weil manche der Fundmeldungen hierfür nicht genau genug verortet sind, und auch flächendeckende digitale Daten zu den forstlichen Standorten nicht verfügbar sind. Eine Auswertung im Rahmen einer Zulassungarbeit an der TUM läuft derzeit an.

Die Flatterulme wächst in Bayern, wie überhaupt gern auf Gleystandorten, aber eine regelrechte »Gleyzeigerin « ist sie insofern nicht, als sie an diesen Standortsfaktor nicht streng gebunden ist. Gleye sind »Grundwasserböden «, die durch starken Wasserüberschuss im Wurzelhorizont gekennzeichnet sind. Die Tatsache, dass sie auf diesen schwierig zu durchwurzelnden Standorten sehr gut wachsen kann, passt gut mit ihrer Eigenschaft zusammen, in vielen Fällen stark ausgeprägte Brettwurzeln zu entwicklen, denn diese verleihen ihr auf diesen forstlich auch so genannten »Weichböden « zusätzliche Standsicherheit. Die Gleyhorizonte und auch sehr zähe, tonige und stark wechselfeuchte Böden vermag sie erfolgreich zu durchwurzeln und eine hinreichende Tiefenerschließung mit Senkerwurzeln zu leisten, wie Wurzelgrabungen ergeben haben (Köstler et al. 1968, eigene Grabungen im Isartal). Durch ihr selbst auf schwierigen Standorten wie zähen Tonböden und Pseudgleyen gutes, und auch auf tiefgründigen Böden sehr tief reichendes Wurzelsystem, mit dem sie sich auch tief liegende Grundwasserkörper zu erschließen vermag, ist sie offenbar recht wenig anfällig für den Stress von Trockenjahren (Walter 1931, Köstler et al. 1968). Überschwemmungen erträgt sie gut (Späth 1986), sogar bereits im Sämlingsalter (Li et al. 2015).
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Anbau der Flatterulme in Bayerns Wäldern

Graphische Entwicklung von Ulmenpflanzungen: von 1997 bis 2007 nicht nennenswert, danach rasanter Anstieg auf knapp unter 250 pro JahrZoombild vorhanden

Abb. 6: Kumulative Entwicklung der Flatterulmen- Pflanzungen der letzten ca. 20 Jahre (Grafik: LWF)

Die Flatterulme hat keine lange Tradition des forstlichen Anbaus. Rebel (1924) fällte über sie das vernichtende, lapidare Urteil, sie sei »nicht anbauwürdig« und erwähnt sie sonst mit keinem Wort. Regional wurde gleichwohl frühzeitig (z. B. Köstler et a. 1968, Oberforstdirektion Ansbach 1994 und 1995, Oberforstdirektion Würzburg 1994) ihre Befähigung zur Besiedlung sehr schwieriger Standorte wie stark wechselfeuchter Pseudogleye und Gleystandorte erkannt und ihr dortiger Anbau im Staatswald empfohlen.

Pflanzgut war über Forstbaumschulen bis vor ca. 10 bis 20 Jahren kaum erhältlich, so dass die Nachzucht seinerzeit noch in lokalen Pflanzgärten erfolgte, sowie auch durch die Forstpflanzgärten der Bayerischen Staatsforstverwaltung in Laufen und Bindlach. Spätestens seit der wegweisenden Zusammenstellung von StMELF (1986) erfolgte eine gezielte Förderung seltener Baumarten im Staatswald und bestanden zum Teil auch Fördermöglichkeiten über forstliche Förderprogramm für die Einbringung seltener Baumarten im Privat- und Körperschaftswald.

Müller-Kroehling (2003) hat darauf hingewiesen, dass die Flatterulme wenig anfällig für das Ulmensterben und ein forstlich unterschätzter Baum ist. Müller-Kroehling (2011) wies ergänzend darauf hin, dass diese Baumart auf vielen Standorten eine geeignete Ergänzung oder Ersatz für die zwischenzeitlich durch das eingeschleppte Eschentriebsterben geschwächten und dezimierten Eschen sein kann. Müller-Kroehling und Schmidt (2019a, b) haben dabei die mögliche und wichtige Rolle der Flatterulme für den schonenden Umbau geschädigter Feuchtbestände aufgezeigt.

Abbildung 6 zeigt, dass spätestens mit dem Auftreten des Eschentriebsterbens Flatterulmen-Pflanzungen stark zugenommen haben. Aktuelle Erhebungen der LWF aus dem Frühjahr 2019 zu in den letzten 20 Jahren getätigten Pflanzungen in Bayerns Wäldern ergaben, dass in diesem Zeitraum in ganz Bayern Pflanzungen mit Flatterulmen getätigt worden sind, von der Rhön und dem Spessart bis in den Frankenwald, ins Allgäu und zum Inn (Abbildung 7). Bemerkenswert ist, dass die Pflanzungen durchwegs als vital, wüchsig und gelungen gemeldet wurden.
Karte von Bayern, blau hinterlegt, mit Punkten in orange und grün darauf; Verteilung an Flüßen orientiertZoombild vorhanden

Abb. 7: Flatterulmenpflanzungen in Bayern, Ergebnisse einer Umfrage der LWF 2019 (Grafik: LWF)

Insgesamt sind 250 im Zeitraum zwischen 1997 und 2019 angelegte Flächen durch die Umfrage erfasst worden, hiervon 199 im Privat- und Körperschaftswald (79,6 %) und 51 im Staatswald der BaySF (21,4 %).

Die Pflanzungen finden sich in allen Wuchsgebieten außer dem WG 15 (Bayerische Alpen). Verteilt auf die Wuchsgebiete ergibt sich ein Schwerpunkt im Wuchsgebiet 12 (Tertiärhügelland mit Flußauen) und 5 (Keuper), aber auch in den Wuchsgebieten 13 und 14 der Moränen des Voralpenlandes und im Jura (WG 6).

Die Waldbesitzarten sind praktisch alle vertreten, wobei Staats- und Körperschaftswald mit je ca. 50 Flächenmeldungen in etwa gleichauf liegen. Spitzenreiter ist jedoch erfreulicher Weise der Kleinprivatwald, und auch aus dem Großprivatwald und dem »Sonstigen Staatswald« wurden Flächen gemeldet. Lediglich der Bundeswald ist in der Umfrage (bisher) nicht vertreten. Aus 16 BaySF-Betrieben liegen Meldungen vor, angeführt von Weißenhorn, Zusmarshausen und Allersberg. Aus 37 AELF erfolgten bis dato Meldungen, Spitzenreiter sind hier Pfaffenhofen, Krumbach und Roth.

Ausblick

Junge Ulmen auf grüner WieseZoombild vorhanden

Abb. 8: Junge Aufforstungen als Nesterpflanzung in den Isarauen bei Ergolding (Foto: S. Müller-Kroehling)

Bayerns Wälder unterliegen bereits und werden zukünftig erheblich den Auswirkungen des anthropogen verursachten Klimawandels unterworfen sein, und verändern dadurch zunehmend ihr heute bekanntes Antlitz (Fischer et al. 2014). In den für eine Erwärmung um mehr als 1K prognostizierten Waldtypen gehen die Auwaldtypen, die wir heute in Bayern kennen, stark (z. B. bei + 2K) oder vollständig (bei +4K) verloren (Fischer et al. 2014).

Es steht zu vermuten, dass Auwaldtypen entstehen, wie wir sie heute bereits in Südosteuropa kennen und denen in erheblichem Umfang auch die Flatterulme angehört (z. B. Dister und Drescher 1987, Pripic et al. 2005). Insgesamt ist die Prognose für die Flatterulme im Klimawandel günstig, und die für ihr Wachstum geeignete Fläche nimmt tendenziell zu, v. a. auch in den höheren Lagen der Mittelgebirge (vgl. Thurm et al., in diesem Band).

Weitere Kartierarbeiten sowie begleitende genetische Erhebungen werden zweifellos noch zahlreiche weitere Teilaspekte der Verbreitung der Flatterulme ans Licht bringen. Es steht zu hoffen, dass eine zukünftige Unterscheidung in den wichtigen Forstinventuren erfolgen wird, denn die Unterscheidung ist im Gelände anhand weniger Merkmale zu allen Jahreszeiten leistbar (ungeteilte Blattnerven im Sommer; zweifarbig »geringelte« Knospen im Winter). Dies würde auch der wachsenden Bedeutung dieser seltenen Baumart Rechnung tragen.

Danksagung

Dank gilt den Meldern der Flatterulmenpflanzungen im Rahmen der Umfrage und Tobias Weinfurtner, der im Rahmen seines Praktikums an der LWF die Auswertung der Umfrage unterstützte.

Zusammenfassung

Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) ist eine in Bayern heimische Baumart und wird meist zu den »seltenen heimischen Baumarten« gerechnet. Ursprünglich war sie vor allem in verschiedenen Feuchtwald-Typen verbreitet Sie erfuhr praktisch nie oder nur sehr regional eine forstliche Wertschätzung und einen forstlichen Anbau. Gleichzeitig verloren ihre natürlichen Standorte vielerorts durch den Gewässerausbau, Grundwasserabsenkung und Entwässerung an Fläche.

Unser Bild ihrer Verbreitung hat sich in den letzten 30 Jahren substanziell geschärft, auch wenn weiterhin einige Kenntnislücken bestehen. Sie ist in allen Teilen Bayerns natürlicherweise zu erwarten, steigt aber in Mittelgebirgen und Alpen nicht höher als ca. 600 bis 800 Metern, obwohl sie weder als extrem frostempfindlich noch als sehr wärmebedürftig zu charakterisieren ist. Durch die Auswirkungen des Eschentriebsterbens und ihre günstigen Eigenschaften in Bezug auf »schwierige Standorte« sowie eine günstige Prognose im Klimawandel wird ihre Bedeutung als Waldbaum weiter zunehmen. Davon zeugen auch die in den letzten 20 Jahren getätigten Pflanzungen in ganz Bayern.
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