Olaf Schmidt und Heinz Bußler
Die Winterlinde als Lebensraum für Tierarten - LWF-Wissen 78
Blätter und Laub
Halbkugelige, 2 bis 3 mm große Anschwellungen in den Nervenwinkeln auf der Oberseite von Lindenblättern werden von der Gallmilbe Eriophyes exilis verursacht. Nach oben aufgerollte Blattränder von circa ein Zentimeter Länge und rote Flecken auf den Blättern gehen auf die Gallmücke Dasyneura tiliae zurück (Bellmann 2012).
Auffällig sind auch die Fraßschäden der Larven der Kleinen Lindenblattwespe (Caliroa annulipes). Diese Art tritt in Mittel- und Nordeuropa mit zwei bis drei Generationen auf. Die Überwinterung erfolgt als Puppe im Boden, der Schlupf der erwachsenen Tiere geschieht dann im Frühjahr. Die Weibchen legen ihre Eier auf der Blattunterseite der Lindenblätter in kleine Eitaschen ab. Die schleimigen Larven, die durchaus Nacktschnecken ähneln, werden bis 10 mm lang und führen einen typischen Schabefraß an den Blättern durch. Das Blattgewebe wird fensterartig durchbrochen.
Lindenschwärmer
Abbildung 1: Die Raupe des Lindenschwärmers (Foto: W. Schön)
Eine sehr bekannte und auffällige Art ist der Lindenschwärmer (Mimas tiliae). Ein recht häufiger Schmetterling, der gerade auch im städtischen Grün regelmäßig vorkommt. Meist werden wir erst im Spätsommer oder Frühherbst auf den Lindenschwärmer aufmerksam, wenn die abbaumenden Raupen am Stamm oder am Boden unter Linden zu finden sind. Sie sind bis sechs Zentimeter lang, häufig grün gefärbt und besitzen ein auffälliges blaues Analhorn am Körperende (Abbildung 1).
Die Raupen verpuppen sich in der Streuschicht. Im Mai des nächsten Jahres schlüpfen die Schmetterlinge aus den Puppen. Die Falter selbst haben eine Flügelspannweite von 60 bis 80 mm, ihre Grundfärbung ist sehr variabel. So kann man grüne, braune, rosa oder sogar silberfarbige Falter beobachten (Schmidt 2014).
Nagelfleck
Abbildung 2: Nagelfleck-Raupe (Foto: LWF Archiv)
Seine Raupen sind im ersten Stadium mit skurrilen weiß-roten Hautauswüchsen sehr auffällig gestaltet (Fath und Schwab 2015).
Buchenrotschwanz
Abbildung 3: Raupe des Buchenrotschwanzes (Foto: H. Bußler)
Den Namen Rotschwanz verdankt dieser als Imago unauffällige, weißgraue Schmetterling, dem Aussehen seiner Raupe. Die stark behaarte, gelbgrüne Raupe trägt neben vier gelben Haarbürsten auf dem Rücken noch ein rotes, pinselartiges Haarbüschel am Hinterende (Abbildung 3), das letztlich für den Namen verantwortlich ist.
Wollafter
Abbildung 4: Raupe des Wollafters (Foto: M. Piepenburg)
Gerade in Südbayern konnte der Wollafter in den letzten Jahren häufiger beobachtet werden (Schmidt 2008). Sein massenhaftes Auftreten führte im Landkreis Aichach-Friedberg sogar zu einem Verdacht auf Fraß des Eichenprozessionsspinners (Schmidt und Mayer 2015).
Linden-Gelbeule
Abbildung 5: Frühlingswollafter (Foto: S. Mayer)
Die Art überwintert als Ei und die im Frühjahr schlüpfende graugrüne Raupe frisst von Ende April bis Juni meist an Winterlinden, aber auch an anderen Lindenarten. Im Mitteleuropa ist diese Art weit verbreitet, doch nirgends häufig.
Blüten
Zurückgehend auf einen Artikel von Madel (1977) wurden Anpflanzungen der Silberlinde in Parks in Städten sehr kritisch beurteilt, weil man davon ausging, Silberlinden würden giftigen Nektar produzieren. Nähere Untersuchungen von sterbenden Hummeln unter Linden in den 90er Jahren brachten jedoch das Ergebnis, dass tote und sterbende Hummeln unter spätblühenden Linden eine Folge des Nektarmangels zu dieser Zeit sind und keine Folge giftigen Nektars (Surholt 1997). Diese Ergebnisse rehabilitierten die Silberlinde in der öffentlichen Meinung. Dies führte sogar dazu, dass eine verstärkte Anpflanzung der Silberlinden in unseren blütenarmen Städten geplant wurde, um den Nektarmangel für Insekten auszugleichen (Schmidt 2006).
Ein Schmetterling, der Linden-Blütenspanner (Eupithecia egenaria), ernährt sich im Raupenstadium fast ausschließlich von den Blüten der Linde. Diese Raupen haben in der relativ kurzen Blütezeit der Linden ihre relativ rasche Entwicklungszeit von nur zwei bis drei Wochen. In der Literatur wird als Hauptfutterpflanze die Sommerlinde genannt, das könnte aber auch daran liegen, dass es hierzu keine näheren Untersuchungen an blühenden Winterlinden gegeben hat. Die Tatsache, dass dieser Schmetterling nicht sehr häufig beobachtet wird, ist wohl dem Lebensraum in der Lindenkrone zuzuschreiben, die er ungern verlässt und sich daher den Blicken des forschenden Menschen entzieht.
Früchte
Abbildung 6: Feuerwanzen (Foto: E. Wachmann)
Häufig kann man insbesondere im Frühjahr unter Linden Ansammlungen von äußerst auffällig schwarz-rot gefärbten Insekten finden. Hierbei handelt es sich um die Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus). Die 9 bis 11 mm großen Tiere sind meist flügellos und sitzen häufig in großen Ansammlungen beieinander (Abbildung 6). Die Feuerwanze kommt von Europa bis Indien vor und saugt bevorzugt an Lindenfrüchten und toten Insekten. Sie schädigen die Lindenbäume dadurch jedoch nicht.
Die Feuerwanzen paaren sich im April/Mai, wobei Männchen und Weibchen Hinterleib an Hinterleib mit abgewandten Köpfen die Paarung vollziehen. Etwa 50 Eier werden vom Weibchen in die Bodenstreu abgelegt. Die schlüpfenden Larven, die im Gegensatz zu den erwachsenen Tieren überwiegend rot gefärbt sind, häuten sich bis zu fünfmal. Die adulten Wanzen überwintern in der Streu nahe ihrer Wirtsbäume. Obwohl es sich bei dem Auftreten der harmlosen Feuerwanzen nur um ein interessantes Naturphänomen handelt, kann es in Einzelfällen, beispielsweise in Wirtsgärten, Biergärten oder Kindergärten durch das massenhafte Auftreten, aus hygienischer Sicht, zu Belästigungen kommen (Schmidt 2005).
Äste, Stämme und Wurzelholz
Große Höhlenbildungen in alten Linden werden entsprechend von großen Vogelarten genutzt. So ist der Waldkauz im Schlosspark Nymphenburg in solchen Baumhöhlen zuhause. In den Linden des Hofgartens in Ansbach nistet auch eine der seltenen baumbrütenden Dohlenkolonien. Die Höhlenbildung wurde hier seit der Barockzeit durch Kopfbaumschnitte gefördert.
Die glatte Rinde jüngerer Linden nutzen unsere Spechte, insbesondere der Buntspecht, im Frühjahr zur Anlage von Ringelungen. Dabei schlägt der Specht horizontal einige Male die Rinde an und leckt den austretenden Baumsaft auf.
Abbildung 7: Der Eisenfarbige Lindenbock (Stenostola ferrea); Foto: H. Bußler
Nur zwei auf Linden spezialisierte Borkenkäfer sind bei uns vertreten, die harmlosen Astholzbesiedler Ernoporicus caucasicus und Ernoporus tiliae. Ausschließlich abgestorbene Baumteile werden von den Bockkäferarten, Stenostola dubia, Stenostola ferrea (Abbildung 7), Exocentrus lusitanus, Oplosia fennica, Chlorophorus herbstii und Saperda octopunctata besiedelt.
Abbildung 8: Lindenprachtkäfer (Foto: H. Bußler)
Da nur geschwächte Bäume belegt werden, sind im städtischen Raum gestresste oder verletzte Straßenbäume bevorzugte Eiablagestätten. In Österreich gilt die Art deshalb als »Schädling«.
Neozoen
Seit dem Jahr 2004 wird aus Süddeutschland auch das Auftreten der Linden- oder Malvenwanze (Oxycarenus lavaterae) gemeldet. Zu ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet zählen Nordwestafrika, Portugal, Südspanien, Südfrankreich, Italien, Slowenien und Kroatien. 2001 konnte die wärmeliebende Art erstmals in Österreich und 2004 in der Schweiz nördlich des Alpenhauptkamms beobachtet werden. Erwachsene Lindenwanzen sind schwarz-rot gefärbt und mit 4 – 6 mm deutlich kleiner als die ebenfalls an der Linde vorkommenden Feuerwanzen. Beide Arten treten häufig zusammen auf. Neben unseren Lindenarten werden auch andere Malvengewächse als Wirtspflanzen angegeben.
Die Lindenwanze scheint tatsächlich eine eindeutige Vorliebe für die Winterlinde zu besitzen. Die erwachsenen Wanzen und ihre Larven leben in der Baumkrone und saugen an Blättern und unverholzten Teilen. Wie die Feuerwanzen auch sind die Lindenwanzen eher als »Lästlinge«, denn als Schädlinge an ihren Wirtspflanzen einzustufen (Hoffmann 2005).
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Die Lindenminiermotte erreichte Deutschland im Jahr 2001 in Südostbrandenburg und in Sachsen. Im Frühsommer 2004 entdeckte man sie erstmals in Bayern. Sie tritt sowohl an Winterund Sommerlinde als auch an anderen Lindenarten auf. Typisch ist eine Mine im Lindenblatt mit einer kleinen Mottenlarve. Die Minen können in der Zeit von Mai bis Oktober beobachtet werden. Die Linden-Miniermotte wird genauso stark parasitiert wie andere einheimische Arten derselben Gattung. Sie wird daher durch die natürlichen Gegenspieler gut reguliert. Mit einer weiteren Verbreitung dieses Insekt ist jedoch zu rechnen (Lehmann 2009; Perny 2007; Segerer 2008).
Bereits vor 100 Jahren wurde der Bockkäfer Paranda brunnea aus Nordamerika nach Dresden verschleppt und konnte sich bis heute im Stadtgebiet etablieren ohne schädlich zu werden, denn seine Larve entwickelt sich an anbrüchigen Bäumen, meist Linden, bevorzugt in den unteren Stammteilen und Wurzelpartien.
Ausblick
Zusammenfassung
Der Lindenbaum
Wilhelm Müller (1794 –1827)
Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum:
Ich träumt’ in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort;
Es zog in Freud’ und Leide
Zu ihm mich immer fort.
Ich musst’ auch heute wandern
Vorbei in tiefer Nacht,
Da hab’ ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
Als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
Hier findst du deine Ruh’!
Die kalten Winde bliesen
Mir grad’ ins Angesicht,
Der Hut flog mir vom Kopfe,
Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
Entfernt von jenem Ort,
Und immer hör’ ich’s rauschen:
Du fändest Ruhe dort!
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Autoren
- Olaf Schmidt
- Dr. Heinz Bußler