Waldpädagogik: 25 Jahre Bildungsauftrag in der akademischen Ausbildung
von Robert Vogl
Erlebnisreich und interaktiv – so ist die Zielsetzung des erstmals 1996 erschienenen waldpädagogischen Leitfadens »Forstliche Bildungsarbeit«. Die neue Art, das Ökosystem Wald kennenzulernen, kam gut an. Nur zwei Jahre später erhielt die Forstverwaltung in Bayern einen Bildungsauftrag per Waldgesetz. Nun galt es, an den forstlichen Hochschulen das Studium zu erweitern. Mittlerweile ist (wald-)pädagogische Qualifikation Einstellungsvoraussetzung für Försterinnen und Förster in den Staatsdienst Bayerns. Wie das neue Aufgabenfeld in Lehre und Forschung Einzug gehalten hat, wird am Beispiel der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf gezeigt.
Als die Forstverwaltung 1998 einen gesetzlichen Bildungsauftrag als zusätzliche Aufgabe (Art 28 BayWaldG) erhält, ist die junge Disziplin der Waldpädagogik in der akademischen Försterausbildung nur mit einem Wahlfach an der seinerzeitigen »Fachhochschule Weihenstephan« vertreten. Dies ändert sich jedoch schnell. Noch im gleichen Jahr wird ein einwöchiger Wahlpflichtkurs eingeführt, in dem die Studierenden die Waldpädagogik in Theorie und Praxis im Nationalpark Bayerischer Wald kennenlernen. Von Beginn an sind mehrere von den Studierenden selbst vorbereitete, durchgeführte und reflektierte Waldführungen fester Bestandteil der Ausbildung.
Als erste Hochschule in Deutschland schreibt Weihenstephan 2002 eine Professur »Kommunikation und Bildungsarbeit« aus und führt waldpädagogische Inhalte als Pflichtfach des forstlichen Studiums ein. Von nun an erwerben alle Absolventinnen und Absolventen eine theoretische und praktische Ausbildung auf akademischem Niveau. Ihre Kenntnisse müssen sie in einer schriftlichen Klausur und einer Waldführung mit »echten« Schülern nachweisen.
(Wald-)pädagogische Expertise für Försterinnen und Förster
Abb. 1: Umfassende Kooperation von Experten aus Wissenschaft und Praxis (© Armin Lude, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg)
Seminar Waldpädagogik: Die Vielfalt der waldpädagogischen Möglichkeiten spiegelt sich in den Themen dieses Semiarangebotes: Die Studierenden entwickeln als Seminararbeit Angebote für unterschiedliche Zielgruppen, beispielsweise im Rollenspiel (z. B. »Stellen Sie als Mitarbeiter des »Planungsbüros Creativ« dem – von den übrigen Teilnehmern und Dozenten gespielten – »Gemeinderat« ihren Waldlehrpfad vor«) oder live mit der gewählten Zielgruppe. Inputs zu Themen wie »Bäume in Küche und Heilkunde« runden das Angebot ab.
Waldpädagogik für Fortgeschrittene: Ein in jedem Semester angebotenes Blockseminar mit dem Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen. Die sechstägige Veranstaltung beinhaltet drei Führungen, die von den Studierenden vorbereitet und durchgeführt werden. Im Sommersemester findet sie im Nationalpark Bayerischer Wald statt, im Wintersemester am Bergwalderlebniszentrum Ruhpolding. Kooperationspartner ist neben den dortigen Gymnasien und Realschulen das Dom-Gymnasium Freising. Im Sommersemester sind das Gymnasium Neubiberg mit seinen 9. Klassen sowie die örtlichen »Nationalpark-Schulen« (Gymnasien und Realschulen) langjährige Kooperationspartner.
Abb. 2: Austausch der Kernkompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Försterinnen und Förster im »Beibring-Basar« (© Armin Lude, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Lude)
Ein sechstägiges Blockseminar im Nationalpark Bayerischer Wald in Kooperation mit Professor Armin Lude (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg). Das interdisziplinäre Konzept BNE beinhaltet eine weitreichende Kooperation: Studierende und Professoren aus verschiedenen fachlichen Disziplinen arbeiten mit unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern vor Ort wie Waldführern, Experten des Nationalparks und Schulklassen als Teilnehmende zusammen (Abbildung 1). Zwei Berufsgruppen kooperieren in diesem Lehr-Lern-Modell bereits in der Ausbildungsphase. Zentral ist der hochschuldidaktische Ansatz des kooperativen Lehrens und Lernens. Die Studierenden verbindet ein gemeinsames Praxisfeld, für das sie aus ihrem Studium unterschiedliche Kernkompetenzen mitbringen: pädagogisches bzw. waldbezogenes Fach- und Handlungswissen – ein Lernen durch den Unterschied (Abbildung 2). Die Studierenden gestalten in »Lehrer-Förster-Tandems« Waldführungen zum Thema »Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung«. Sie verknüpfen Wald und seine vielfältigen Ökosystemleistungen an konkreten Beispielen mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Mit kreativen (oft von den Studierenden selbst entwickelten) Simulationen, Rollenspielen oder anderen Aktionen erleben und reflektieren sie das eigene Verhalten. Die Schülerinnen und Schüler sind eingeladen, selbstständig Lösungsansätze zu entwickeln und kritisch zu hinterfragen. Die dreistündigen Führungen werden von Expertinnen und Experten aus Didaktik und Praxis (Waldführerinnen und Waldführer) begleitet und beobachtet. Anschließend führen die Praxisexperten und Professoren eine Reflexion mit individuellem Feedback für alle Tandems durch.
Bachelorausbildung ab Wintersemester 2007/2008
Kommunikation (3. Semester) mit Schwerpunkt »Theoretische Grundlagen«: Das Modul besteht aus je zwei Semesterwochenstunden (SWS) seminaristischem Unterricht (Vorlesung) und Praktikum. Kerninhalt sind die Vermittlung didaktischer und pädagogischer Grundlagen, die die Studierenden in die Lage versetzt, Maßnahmen der Forstlichen Bildungsarbeit (Waldpädagogik) fundiert zu planen. Dies schließt die Kenntnis der Ansprüche verschiedener Zielgruppen, die Auswahl geeigneter Methoden und die Formulierung von Lernzielen mit ein. Im Praktikum haben die Studierenden die Gelegenheit, die Inhalte selbst anzuwenden und in zahlreichen »Selbstversuchen« die eigenen Fähigkeiten kennenzulernen – unter anderem im Rahmen einer Hospitation in einer Grundschulklasse, bei der die Studierenden an professionell gehaltenen Unterrichtsstunden im Fach Heimat und Sachunterricht (HSU) teilnehmen sowie eigene Unterrichtsbeiträge vor der Klasse halten. Eine ausführliche Reflexion mit den Lehrkräften rundet diese Praxiseinheit ab. Im Rahmen der Kooperation, die von Seiten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus als »Leuchtturmprojekt« ausgezeichnet wurde, vermitteln die Rektorinnen Sabine Jackermeier (Grundschule Freising am SteinPark) und Kerstin Brückner (Paul-Gerhardt-Grundschule Freising) auch die Fähigkeit, Lehrveranstaltungen professionell vorzubereiten. Dazu gehört, Lernziele, Inhalte und Methoden einer Waldführung in einem verbalisierten Konzept (»Drehbuch«) zu formulieren.
Bildungsarbeit (6. Semester) mit Schwerpunkt »Umsetzung in der Praxis«: Die Studierenden lernen anhand konkreter Beispiele, waldpädagogische Expertise umzusetzen, sei es bei einer mündlichen Waldführung oder der Anlage eines Waldlehr- und - erlebnispfades. Im Rahmen der oben genannten Kooperationen haben die Studierenden nochmals Gelegenheit, an einer Grundschule zu hospitieren und ihre praktischen Fähigkeiten in eigenen Unterrichtsbeiträgen zu testen. Ergänzend ist dank der Unterstützung von Silke Veitl, Lehrerin für Biologie sowie Natur und Technik, auch eine Hospitation im Fach Biologie in 8. Klassen des Dom-Gymnasiums Freising möglich. Eine Waldführung mit einer Schulklasse schließt als benotete Lehrprobe die waldpädagogische Ausbildung im Forststudium ab.
Waldpädagogik-Zertifikat
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Abb. 3: Anteil der Schüler, die Alltagsgegenstände aus Holz mit dem Wald verknüpfen vor, unmittelbar nach und drei Monate nach der BNE-Maßnahme. (© LWF)
Im Rahmen von wissenschaftlichen Studien an der Hochschule Weihenstephan wurde untersucht, ob die Anforderungen der Bildung für nachhaltige Entwicklung in waldpädagogischen Angeboten wirksam umgesetzt werden können. In einem ersten Schritt entwickelte man Ziele und Leitbilder waldbezogener BNE (Kohler, B. & Vogl, R., 2006). In einem zweiten, interdisziplinär angelegten Projekt folgten konkrete Umsetzungsmöglichkeiten und Empfehlungen, die die Anforderungen einer BNE erfüllen (Dobler, G. & Vogl, R. 2008). Beide Forschungsprojekte konnten mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten realisiert werden.
»Leuchtende Kinderaugen«, eine große Nachfrage fast ohne Werbung und positive Rückmeldungen zu waldpädagogischen Angeboten legen den »Verdacht« nahe, dass in diesem Bereich gute Bildungsarbeit geleistet wird. Allerdings fehlte lange ein wissenschaftlicher Nachweis, ob diese Aktionen tatsächlich dazu beitragen, die angestrebten Bildungsziele einer BNE zu erreichen. Dies gelang erstmals in einem gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführten Projekt, dessen Ergebnisse in der LWF aktuell 107/2015 vorgestellt und ausführlich in Vogl et al. (2015) publiziert wurden.
Dabei konnte gezeigt werden, dass
- sich die Schüler statistisch signifikant sowohl kurzfristig als auch mittelfristig nach der Lerneinheit wohler im Wald fühlen
- die Schüler mehr ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zum Wald zu nennen wissen
- die Schüler ihre Selbstwirksamkeit, etwas zum Schutz des Waldes beitragen zu können, sowohl direkt nach der Teilnahme als auch drei Monate später statistisch signifikant höher einschätzen
- sich die Freude, in der Gruppe zusammenzuarbeiten, nicht verändert
- sowohl kurzfristig, aber noch deutlicher mittelfristig statistisch signifikant mehr Schüler Alltagsgegenstände mit dem Wald verknüpfen (Abbildung 3)