LWF aktuell 137
Wald kompakt
Christine Franz, LWF
Höhlentier des Jahres 2022
Im Winterschlaf hüllt sich die Kleine Hufeisennase in ihre Flughäute ein. (© PantherMedia/adrianciurea69@yahoo.com)
Zusammen mit ihrer großen Schwester, der Großen Hufeisennase, gehört sie zur Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae). Besonderes Kennzeichen der beiden Arten und namensgebend ist der hufeisenförmige Nasenaufsatz. Dieser ist für die Bündelung der Orientierungslaute, die durch die Nasenöffnung ausgesendet werden, wichtig. Die Kleine Hufeisennase ist eine sehr seltene Fledermausart. Sie wird in der Roten Liste Deutschland als »vom Aussterben bedroht« geführt, in Bayern als »stark gefährdet«. Zudem ist sie eine nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) streng geschützte Art.
In Bayern kommt die Kleine Hufeisennase schwerpunktmäßig im südlichen Alpenvorland und den Alpen vor. Hier sind zehn Wochenstuben, also Kolonien, in denen die Weibchen ihre Jungen gemeinsam aufziehen, bekannt. In Nordbayern befinden sich winzige Restvorkommen mit wenigen reproduzierenden Tieren in den Landkreisen Bayreuth, Kulmbach, Forchheim und Kronach. Die Wochenstubenquartiere befinden sich zumeist in warmen Dachböden von Kirchen, Schlössern und anderen größeren Gebäuden, aber auch in engen Kammern und Heizungskellern. Als Winterquartier werden Stollen, Keller, vor allem jedoch natürliche Höhlen genutzt. Hier finden sie konstante klimatische Bedingungen mit Temperaturen über 5 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit. Dies ist für die Tiere wichtig, um den Winter unbeschadet zu überstehen.
Als Jagdhabitat nutzt die Kleine Hufeisennase bevorzugt Laub- und Mischwälder, aber auch abwechslungsreiche Landschaften mit Viehweiden, Hecken und Streuobstbeständen. Hauptbeute sind kleinere Fluginsekten wie Zuck- und Stechmücken, darüber hinaus Nachtfalter und Netzflügler. Ihr Aktionsradius ist klein: meist werden nicht mehr als vier Kilometer zwischen Wochenstubenquartier und Jagdhabitat zurückgelegt. Auf dem Weg zu ihren Jagdgebieten nutzen die Tiere lineare Strukturen wie Hecken und Baumreihen als Deckung und zur Orientierung. Offene Flächen überfliegen sie dagegen nur ungern. Gehölzstreifen, Hecken, Baumreihen und Galeriewälder sind zudem wichtige Vernetzungselemente für viele andere Tier- und Pflanzenarten – sie sollten daher unbedingt erhalten und gepflegt werden.
Dr. Hans-Joachim Klemmt
Trockenheitsreaktionen auf der Spur
Regelmäßig und langfristig gewonnene Daten bayerischer Beobachtungsflächen ermöglichen gesicherte Erkenntnisse zum Wachstum unter sich wandelnden Umweltbedingungen. (© J. Stiegler, LWF)
Für die Forstliche Praxis bedeutet dies: längere extreme Trockenheit kann das Wachstum von unter- und zwischenständigen Bäumen im Vergleich zu herrschenden oder dominierenden Individuen begünstigen. Klimawandelbedingt immer häufiger auftretende Trockenereignisse können deshalb zur Umverteilung des Zuwachses von dominanten auf subdominante oder unterständige Bäume führen und so die Bestandesstruktur langfristig verändern. Im Hinblick auf die Produktivität der Waldbestände dürften sich Niederdurchforstungen wie sie noch häufig vor allem im Kleinprivatwald durchgeführt werden (Brennholzgewinnung), besonders ungünstig auswirken: kleinere Bäume werden dabei aktiv entfernt, wodurch der stabilisierende Zwischen- und Unterstand empfindlich reduziert wird.
Die Studie belegt den hohen Wert von Langzeitbeobachtungen, die unerlässlich sind, um gesicherte Erkenntnisse zu Wachstumsprozessen im langlebigen Ökosystem Wald zu gewinnen.
Dr. Stephan Raspe, LWF
2022: Herbstbeginn bereits im Sommer
Hitze und Trockenheit verursachten vielerorts sommerlichen Laubfall grüner Blätter. (© P. Pröbstle, LWF)
Im Gegensatz dazu entsteht bei der Herbstfärbung die gelbliche bis rötliche Farbe des Laubs durch den Abbau des grünen Chlorophylls und anderer Pflanzenmoleküle. Dadurch werden Nährstoffe und Mineralien mobilisiert und in andere Teile des Baumes wie z. B. in die Wurzeln oder im Stamm eingelagert. Im diesjährigen sehr heißen und trockenen Sommer warfen die Bäume ihre Blätter jedoch frühzeitig ab, um die starke Verdunstung zu stoppen und nicht zu vertrocknen – für eine Verlagerung von Nähr- und Mineralstoffen im Baum blieb oft keine Zeit mehr.
Dies hat Folgen für die Vitalität unserer Laubbäume. Können Nährstoff- und Mineralienrückzug nicht oder nicht vollständig ablaufen, fehlen dem Baum diese Stoffe im Folgejahr. Dies gilt besonders für Stickstoff und Magnesium, aber auch für Phosphor und Kalium. Zwar zersetzen Bodenorganismen die Laubstreu im Laufe der Zeit und die dabei freiwerdenden Nährstoffe können wieder über die Baumwurzeln aufgenommen werden. Dies erfordert jedoch weiteren Energieaufwand und das bei gleichzeitig geringeren Energiereserven: verfrühter Laubfall bedeutet weniger Blätter, weniger Blätter bedeuten weniger Photosynthese – und weniger Photosynthese bedeutet weniger Energieproduktion und Wachstum.
Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft haben gezeigt, dass die vergangenen Hitzejahre in Trockengebieten bereits deutliche Zuwachsrückgänge zur Folge hatten. Somit schützen vorzeitige Blattverfärbung und verfrühter Laubabwurf die Bäume einerseits vor dem »Verdursten«, andererseits führen sie zu einem »Hungern«. Es ist davon auszugehen, dass sich die Folgen dieses vorgezogenen Blattfalls beim Austrieb im nächsten Jahr und möglicherweise sogar in den Folgejahren bemerkbar machen werden – mit Ausnahme der Eiche: diese ist auch in Trockengebieten weit weniger von dieser Problematik betroffen, sie kommt mit den Auswirkungen des Klimawandels offensichtlich besser zurecht als Ahorn, Birke, Linde und Buche.
Dr. Hans-Joachim Klemmt
Lückenrandbäume wachsen mit Memory-Effekt
Lücken im Kronendach eines Mischbestandes nahe Freising (© H.-J. Klemmt, LWF)
Doch lässt sich das Ausmaß dieser Wachstumssteigerung mit den derzeit gebräuchlichen Mitteln hinreichend vorhersagen? Und welche Bedeutung haben die längerfristigen Zuwachseffekte der Randstellung, die auch noch nach Lückenschluss wirken können? Beide Fragen besitzen Relevanz für die gezielte Bewirtschaftung derzeit vorherrschender Waldbestände.
Vor diesem Hintergrund analysierten Dr. Peter Biber und Prof. Hans Pretzsch vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München langfristige Zeitreihendaten waldwachstumskundlicher Bergmischwaldflächen bei Kreuth. Sie entwickelten einen Ansatz, um Bestandslücken auch retrospektiv nach Lage und Größe charakterisieren und automatisiert Lückenrandbäume erkennen zu können. Zunächst wenig überraschend, zeigten die Daten eine Zuwachssteigerung der Lückenrandbäume – erstaunlicherweise lag diese Steigerung jedoch je nach Baumart 15 bis 30 % Prozent über dem Ausmaß, das mit derzeit gebräuchlichen Modellansätzen beschrieben werden kann. Als unerwartet deutlich erwies sich auch der langfristige Nachhall, der sog. »Memory-Effekt«, solcher Zuwachsreaktionen.
Die Erkenntnisse sind in verschiedener Hinsicht von Bedeutung: Sie weisen auf Effekte in wirtschaftlich relevanter Größenordnung hin, die sowohl in waldbaulichen Verfahren als auch in Waldwachstumsmodellen konzeptionell berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus entwickelten die Autoren Hypothesen zu den Ursachen der Befunde, um somit zu einem besseren Verständnis für die Dynamik strukturreicher Wälder beizutragen.