Wald kompakt - LWF aktuell 135

Dr. Hans-Joachim Klemmt
The past matters

dunkler, ungepflegter FichtenbestandZoombild vorhanden

A-­Grad­-Parzelle mit 10.000 Fichten/ha, seit Begründung un­behandelt (© H.-J. Klemmt, LWF)

Die Vergangenheit zählt. Einfach formuliert, lassen sich so die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten waldwachstumskundlichen Studie zusammenfassen. Ein Forscherteam des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München untersuchte auf dem Fichten-Standraum- und Durchforstungsversuch Fürstenfeldbruck 612 (gleichaltrige Fichtenreinbestände, begründet 1974) die Einflüsse der früheren waldbaulichen Behandlung auf Zuwachsverhalten und Tro­ckenheitsreak­tionen anhand von Bohr­kernana­ly­sen. Die Forscher analysierten den Einfluss der Ausgangsdichte, der Umgebungsstruktur, der Baumdimension sowie der Bestandesdichteregelung auf das jährliche Wachstum mit Fokus auf die zurückliegenden Trockenjahre. Der Untersuchung lag die Hypothese zugrunde, dass die Ausgangsdichte bei Bestandesbegründung sowie die zurück­liegende waldbau­liche Behandlung das Zuwachsverhalten und die Trockenstressresilienz entscheidend beeinflussen.

Die Untersuchung ergab, dass eine ausgeprägte strukturelle Diversität in der Umgebung eines Baumes das Wachstum begünstigt – auch unter Trockenstress. Weiterhin zeigten sich vorherrschende, stärkere Fichten klimasensitiver als beherrschte bzw. dünnere Fichten. Dritte wesentliche Erkenntnis der Studie war, dass vorausgehende starke Variationen in der Durchforstungsintensität zu starken Veränderungen des Radialzuwachses geführt und sich in der Folge negativ auf das Wachstum sowie die Regenerationsfähigkeit nach Trockenereignissen ausgewirkt haben.
lichter Fichtenbestand mit Sonnenstrahlen auf dem BodenZoombild vorhanden

Weitverbandsparzelle mit 400 Fichten/ha, seit Begründung mehrmals durchforstet (© H.-J. Klemmt, LWF)

Was bedeutet dies für die forstliche Praxis? Die Untersuchungen für die Baumart Fichte haben gezeigt, dass es für das Wachstum sowie für die Regenerationsfähigkeit nach Trockenheitsereignissen wichtig ist, eine eingeschlagene Pflege- und Durchforstungsstrategie konsequent beizubehalten.Oder in anderen Worten: Nach einer erfolgreichen Qualifizierung einer ausreichenden Anzahl von Z-Bäumen sollte eine einmal eingeschlagene Dimensionierungsstrategie konsequent bis zum Erreichen der gesetzten Ernteziele beibehalten werden. Als ungünstig erwies sich, Fichten durch Entnahme konkurrierender Nachbarn kurzzeitig (evtl. sogar sehr stark) zu entlasten, diese Entlastung aber nicht dauerhaft sicherzustellen.

www.mdpi.com/1999-4907/13/2/243/htm

Dr. Andreas Hahn
FAQ-Seiten zum Waldschutz

Individuen des Eichenprozessionsspinners an einem HochsitzZoombild vorhanden

Raupen des Eichenpro­zessionsspinners (© G. Lobinger LWF)

Häufig werden der Abteilung Waldschutz der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ähnliche Fragen (FAQs: Frequently Asked Questions) zu verbreiteten Schadorganismen gestellt. Viele von diesen werden nun auf entsprechenden FAQ-Seiten beantwortet. Bislang stehen in diesem Onlineangebot Informationen zu Buchdrucker, Kupferstecher, Eichenprozessionsspinner und zur Ahorn-Rußrindenkrankheit bereit.

In Bezug auf Borkenkäfer finden sich dort Antworten zu Fragen wie: »Welchen Einfluss haben Licht und Temperatur auf das Befallsgeschehen?«, »Welche Einbohrlöcher sind vom Buchdrucker, welche nicht?«, »Ist das Kleinschneiden von befallenem Holz eine wirksame Bekämpfungsmethode?«
Großes Interesse besteht weiterhin am Eichenprozessionsspinner (EPS), weshalb die Waldschutzabteilung für diese Schmetterlingsart ebenfalls FAQs zusammengestellt hat. Der Eichenprozessionsspinner ist als Art des Offenlandes vor allem an Waldrändern und in lichten Eichenwaldgebieten in höheren Dichten anzutreffen. Problematisch ist er daher eher im Hinblick auf den Gesundheitsschutz als auf den Schutz der Wälder. Die Entwicklungsstadien des EPS, beeinflussende Faktoren, Verbreitungsgebiete und Hotspots, Möglichkeiten zur Dichteabschätzung, Verwechslungsmöglichkeiten, Gegenspieler und Behandlungsmöglichkeiten: All diese Aspekte wurden in den FAQs zum Eichenprozessionsspinner aufgenommen.
Ein weiteres FAQ-Angebot der LWF betrifft die Ahorn-Rußrindenkrankheit – eine tödlich verlaufende Erkrankung an Bergahorn. Obwohl sie in Deutschland noch verhältnismäßig neu ist, verbreitete sie sich in den letzten Jahren gerade auf trockeneren Standorten in Unterfranken relativ rasch. Die Rußrindenkrankheit ist inzwischen nahezu bayernweit anzutreffen. Die Frage-Antwort-Kombinationen zu Symptomatik, Verbreitung und Schadverlauf sowie zur Behandlung infizierter Bestände und Nutzung infizierten Holzes bieten einen schnellen Einblick in das Thema.
Die FAQ-Seiten der LWF werden laufend aktualisiert. Damit die Seiten gut aufzufinden sind, folgen die Internetadressen stets dem gleichen Muster: An die Internetadresse der LWF wird jeweils der Schaderreger angefügt, gefolgt von der Endung »-faq«.

Dirk Schmechel, LWF, Leiter der FCN-Subgroup-Forestpedagogy
16. Europäischer Waldpädagogik-Kongress

Dr. Martin Brüllhardt vor einer Infotafel zum Waldlabor ZürichZoombild vorhanden

Dr. Martin Brüllhardt, Koordinator des »Waldlabors Zürich« (© D. Schmechel, LWF)

»How to learn in and with nature in times of climate crisis? European perspectives and solutions« – so lautete das Motto des 16. Europäischen Kongresses für Waldpädagogik, der vom 11. bis 13. Mai 2022 in Zürich stattfand. Es nahmen circa 125 Vertreterinnen und Vertreter der Wald- und Umweltpädagogik, der Forstverwaltungen und Forstbetriebe, der Forstlichen Forschung und des Bildungsbereiches teil.

Die Veranstaltung wurde von der Stiftung »SILVIVA« in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe »Forestpedagogy« des internationalen Netzwerks für Forstliche Öffentlichkeitsarbeit (Forest Communicators Network – FCN) koordiniert. An der Organisation waren zudem das Naturzentrum-Wildnispark Sihlwald, die Waldschule Hönggerberg, das Waldlabor Zürich und die ETH Zürich beteiligt.
Entsprechend vielseitig stellte sich das Programm dar, das vollständig im Wald der beteiligten schweizerischen Bildungseinrichtungen durchgeführt wurde. Nach dem Konzept des »flipped classrooms« konnten sich die Teilnehmer seit Jahresanfang in verschiedenen Blog-Angeboten zu den Themenfeldern der Tagung vorbereiten und dazu selbst Workshops anbieten bzw. drei der insgesamt 18 Workshops für eine Teilnahme auswählen. Folgende Fragestellungen wurden vertieft:
  • Welche Beiträge kann ich selbst zum Klimaschutz leisten und mit welchen Aktivitäten setze ich das in meinen Angeboten um?
  • Wie kann ich unterschiedlichen Zielgruppen die Bedeutung von Wald- und Forstwirtschaft für den Klimaschutz nahebringen?
  • Mit welchen Methoden, Aktivitäten oder Bildungsprojekten kann ich meine Angebote attraktiv und zielführend gestalten?
Zuständig für die Durchführung des Kongresses, der jährlich seit 2006 stattfindet, ist die Arbeitsgruppe »Forestpedagogy« des FCN – dieses Netzwerk ist weltweit unter dem Dach der UN-FAO (Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen) tätig. Ziele der Vernetzung sind unter anderem, den Stellenwert der Waldpädagogik in Gesellschaft und Politik zu fördern, die Qualität der waldpädagogischen Angebote in Europa weiterzuentwickeln sowie den Austausch zwischen den Akteuren zu verbessern.

Eine Dokumentation des Kongresses sowie Arbeitsmaterial zum Thema wird in Kürze auf folgender Internetseite zu sehen sein:

www.forestpedagogics.eu

Olaf Schmidt
Heilpflanze des Jahres 2022 – brennend und vielfältig

Eine stachelige, schwarze Raupe mit weißen Punkten frisst auf einer BrennnesselZoombild vorhanden

Raupen des Tagpfauenauges (© Thomas Reich, WSL)

Die Große Brennnessel (Urtica dioica) besitzt viele positive Eigenschaften. Deshalb wurde sie 2022 zur Heilpflanze des Jahres gewählt. In der Volksmedizin wird sie vielseitig eingesetzt, ihre Inhaltsstoffe gelten unter anderem als entzündungshemmend und schmerzlindernd. Die Brennnessel dient der Entgiftung und Entschlackung, hervorzuheben ist zudem ihr hoher Eisengehalt. Doch nicht nur die Naturheilkunde schätzt diese »Superpflanze«, auch bei Insekten ist sie sehr beliebt. Zum Schutz vor Fressfeinden verfügt die Brennnessel an den Stängeln und Blättern über Brennhaare, die bei Berührung abbrechen und Zellsaft in die Haut injizieren. Darin enthalten sind Ameisensäure, Histamin und Acetylcholin, die bekanntlich sofort zu Schmerz und Juckreiz führen. Trotz dieser Brennhaare kommen in Deutschland rund 200 Insektenarten an der Brennnessel vor.
Diese nutzen die Brennnessel als Fraßpflanze vor allem wegen ihrer stickstoffhaltigen Blätter – allein die Raupen von 49 Schmetterlingsarten ernähren sich davon. Allgemein bekannt sind hier die farbenprächtigen Tagfalter-Arten wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral, Landkärtchen, Distelfalter und C-Falter. Diese haben unterschiedliche Ansprüche an ihre Umwelt, so dass nur eine geringe Konkurrenz unter den »Nesselfaltern« besteht. Häufig sind Ende April Blattrollen an den Brennnesseln zu finden, die von den grünen Raupen des Brennnesselzünslers (Eurrhypara hortulata) gebildet werden. Ähnlich schützt sich die kleine Raupe des Brennnessel-Spreizflügelfalters (Anthophila fabriciana) in einem Gespinstknäuel der obersten Blättchen vor den Brennhaaren.

Nach englischen Untersuchungen sollen 26 Wanzen-Arten an Brennnesseln auftreten. Die circa 6–7 mm große und häufige Brennnessel-Wanze (Heterogaster urticae) saugt vorzugsweise an den Samen der Brennnessel. Von den 15 Käferarten, die häufig auf Brennnesseln vorkommen, sind vor allem zwei Rüsselkäferarten zu nennen: Phyllobius urticae und Cidnorhinus quadrimaculatus. Helle, feine Schlangenlinien im Brennnesselblatt verursacht die nur 2 mm große Minierfliege Agromya anthracina. Vor­wiegend an den Blattunterseiten auftretende, circa 3–8 mm große Anschwellungen gehen auf die Gallmücke Dasyneura urticae zurück. Darüber hinaus kommen nach Untersuchungen in England noch 23 Blattlaus- und Zikadenarten auf der Brennnessel vor.

Die Brennnessel bietet mit ihrer Artenfülle also auch im heimischen naturnahen Garten viele interessante Einblicke für Naturbeobachter.

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