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Wald kompakt

Christine Franz, LWF
Höhlentier des Jahres 2022

Ein Fledermaus hängt kopfüber in einer HöhleZoombild vorhanden

Im Winterschlaf hüllt sich die Kleine Hufeisennase in ihre Flughäute ein. (© PantherMedia/adrianciurea69@yahoo.com)

Mit nur 4–7 Gramm Körpergewicht ist die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) eine der kleinsten Fledermausarten in Bayern. Stellvertretend für alle Tierarten, die für die Überwinterung auf geschützte und frostfreie Rückzugsorte angewiesen sind, wählte sie der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. 2022 zum Höhlentier des Jahres.

Zusammen mit ihrer großen Schwester, der Großen Hufeisennase, gehört sie zur Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae). Besonderes Kennzeichen der beiden Arten und namensgebend ist der hufeisenförmige Nasenaufsatz. Dieser ist für die Bündelung der Orientierungslaute, die durch die Nasenöffnung ausgesendet werden, wichtig. Die Kleine Hufeisennase ist eine sehr seltene Fledermausart. Sie wird in der Roten Liste Deutschland als »vom Aussterben bedroht« geführt, in Bayern als »stark gefährdet«. Zudem ist sie eine nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) streng geschützte Art.

In Bayern kommt die Kleine Hufeisennase schwerpunktmäßig im südlichen Alpenvorland und den Alpen vor. Hier sind zehn Wochenstuben, also Kolonien, in denen die Weibchen ihre Jungen gemeinsam aufziehen, bekannt. In Nordbayern befinden sich winzige Restvorkommen mit wenigen reproduzierenden Tieren in den Landkreisen Bayreuth, Kulmbach, Forchheim und Kronach. Die Wochenstubenquartiere befinden sich zumeist in warmen Dachböden von Kirchen, Schlössern und anderen größeren Gebäuden, aber auch in engen Kammern und Heizungskellern. Als Winterquartier werden Stollen, Keller, vor allem jedoch natürliche Höhlen genutzt. Hier finden sie konstante klimatische Bedingungen mit Temperaturen über 5 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit. Dies ist für die Tiere wichtig, um den Winter unbeschadet zu überstehen.

Als Jagdhabitat nutzt die Kleine Hufeisennase bevorzugt Laub- und Mischwälder, aber auch abwechslungsreiche Landschaften mit Viehweiden, Hecken und Streuobstbeständen. Hauptbeute sind kleinere Fluginsekten wie Zuck- und Stechmücken, darüber hinaus Nachtfalter und Netzflügler. Ihr Aktions­radius ist klein: meist werden nicht mehr als vier Kilometer zwischen Wochenstubenquartier und Jagdhabitat zurückgelegt. Auf dem Weg zu ihren Jagdgebieten nutzen die Tiere lineare Strukturen wie Hecken und Baumreihen als Deckung und zur Orientierung. Offene Flächen überfliegen sie da­gegen nur ungern. Gehölzstreifen, Hecken, Baumreihen und Galeriewälder sind zudem wichtige Vernetzungselemente für viele andere Tier- und Pflanzenarten – sie sollten daher unbedingt erhalten und gepflegt werden.

Höhlentier des Jahres Externer Link

Dr. Hans-Joachim Klemmt
Trockenheitsreaktionen auf der Spur

Ein Zuwachsmaßband ist an einem Baumstamm angebracht.Zoombild vorhanden

Regelmäßig und langfristig gewonnene Daten bayerischer Beobachtungsflächen ermöglichen gesicherte Erkenntnisse zum Wachstum unter sich wandelnden Umweltbedingungen. (© J. Stiegler, LWF)

Wie sich Trockenheit auf das Wachstum von Bäumen und Wäldern auswirkt, ist eine Frage, die im Klimawandel an Bedeutung gewinnt. Bisher wurden vor allem die Wachstumsreaktionen auf Einzelbaumebene untersucht. Ein Vergleich der Erkenntnisse auf Einzelbaumebene mit den Ergebnissen bei Bestandesbetrachtung zeigte allerdings häufig erhebliche Abweichungen, da die Interaktionen oder Rückkopplungen zwischen Bestandesindividuen nicht berücksichtigt wurden. Um diese Wissenslücken zu schließen, wertete eine Forschergruppe um Professor Hans Pretzsch (Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München) zusammen mit Kollegen aus Spanien jährlich gemessene Zuwachsdaten aus Langzeitbeobachtungen aus. Die Ergebnisse aus insgesamt 24 Studien und 22 eigenen Versuchsflächen zeigten, dass kleine Bäume im Bestand zumeist weniger unter Trockenheit leiden als große. Werden ausschließlich die Zuwachsreaktionen dominanter Bäume auf Trockenereignisse betrachtet, führt dies zu einer Überschätzung der Zuwachsverluste auf Bestandesebene um bis zu 25 %. Insbesondere die Auswertung der jährlichen Zuwachsdaten bayerischer Waldklimastationen machte deutlich, dass Trockenheitsereignisse den Bestandeszuwachs zugunsten kleinerer Bäume verschieben können.

Für die Forstliche Praxis bedeutet dies: längere extreme Trockenheit kann das Wachstum von unter- und zwischenständigen Bäumen im Vergleich zu herrschenden oder dominierenden Individuen begünstigen. Klimawandelbedingt immer häufiger auftretende Trockenereignisse können deshalb zur Umverteilung des Zuwachses von dominanten auf subdominante oder unterständige Bäume führen und so die Bestandesstruktur langfristig verändern. Im Hinblick auf die Produktivität der Waldbestände dürften sich Niederdurchforstungen wie sie noch häufig vor allem im Kleinprivatwald durchgeführt werden (Brennholzgewinnung), besonders ungünstig auswirken: kleinere Bäume werden dabei aktiv entfernt, wodurch der stabilisierende Zwischen- und Unterstand empfindlich reduziert wird.

Die Studie belegt den hohen Wert von Langzeitbeobachtungen, die unerlässlich sind, um gesicherte Erkenntnisse zu Wachstumsprozessen im langlebigen Ökosystem Wald zu gewinnen.

Originalartikel: Tracing drought effects from the tree to the stand growth in temperate and Mediterranean forests: insights and consequences for forest ecology and management Externer Link

Dr. Stephan Raspe, LWF
2022: Herbstbeginn bereits im Sommer

Verwelkte, grüne Ahorn-Blätter liegen am BodenZoombild vorhanden

Hitze und Trockenheit verursachten vielerorts sommerlichen Laubfall grüner Blätter. (© P. Pröbstle, LWF)

Wie in den Trockenjahren 2003, 2015 und 2018 bis 2020 verfärbten sich auch 2022 viele Laubbäume bereits Mitte Juli und es kam zu vorzeitigem Laubfall. Zum Teil verdorrten die Blätter mattgrün an den Bäumen – dieses Phänomen war besonders im trocken-heißen Unterfranken ausgeprägt. Vielerorts warfen die Bäume auch grüne Blätter ab.

Im Gegensatz dazu entsteht bei der Herbstfärbung die gelbliche bis rötliche Farbe des Laubs durch den Abbau des grünen Chlorophylls und anderer Pflanzenmoleküle. Dadurch werden Nährstoffe und Mineralien mobilisiert und in andere Teile des Baumes wie z. B. in die Wurzeln oder im Stamm eingelagert. Im diesjährigen sehr heißen und trockenen Sommer warfen die Bäume ihre Blätter jedoch frühzeitig ab, um die starke Verdunstung zu stoppen und nicht zu vertrocknen – für eine Verlagerung von Nähr- und Mineralstoffen im Baum blieb oft keine Zeit mehr.

Dies hat Folgen für die Vitalität unserer Laubbäume. Können Nährstoff- und Mineralienrückzug nicht oder nicht vollständig ablaufen, fehlen dem Baum diese Stoffe im Folgejahr. Dies gilt besonders für Stickstoff und Magnesium, aber auch für Phosphor und Kalium. Zwar zersetzen Bodenorganismen die Laubstreu im Laufe der Zeit und die dabei freiwerdenden Nährstoffe können wieder über die Baumwurzeln aufgenommen werden. Dies erfordert jedoch weiteren Energieaufwand und das bei gleichzeitig geringeren Energiereserven: verfrühter Laubfall bedeutet weniger Blätter, weniger Blätter bedeuten weniger Photosynthese – und weniger Photosynthese bedeutet weniger Energieproduktion und Wachstum.

Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft haben gezeigt, dass die vergangenen Hitzejahre in Trockengebieten bereits deutliche Zuwachsrückgänge zur Folge hatten. Somit schützen vorzeitige Blattverfärbung und verfrühter Laubabwurf die Bäume einerseits vor dem »Verdursten«, andererseits führen sie zu einem »Hungern«. Es ist davon auszugehen, dass sich die Folgen dieses vorgezogenen Blattfalls beim Austrieb im nächsten Jahr und möglicherweise sogar in den Folgejahren bemerkbar machen werden – mit Ausnahme der Eiche: diese ist auch in Trockengebieten weit weniger von dieser Problematik betroffen, sie kommt mit den Auswirkungen des Klimawandels offensichtlich besser zurecht als Ahorn, Birke, Linde und Buche.

Dr. Hans-Joachim Klemmt
Lückenrandbäume wachsen mit Memory-Effekt

Blick zum Himmel durch eine Lücke im BlätterdachZoombild vorhanden

Lücken im Kronendach eines Mischbestandes nahe Freising (© H.-J. Klemmt, LWF)

Mehr und mehr prägen Lücken das Kronendach unserer Wälder. Sie sind sowohl das Ergebnis von gezielten, strukturschaffenden waldbaulichen Eingriffen als auch zunehmend von Störungen. Somit wachsen Bäume vermehrt an temporären Randlinien und weniger unter homogenen Bestandsverhältnissen. Die reduzierte Konkurrenz führt bekanntermaßen zu gesteigertem Wachstum solcher Bäume.

Doch lässt sich das Ausmaß dieser Wachstumssteigerung mit den derzeit gebräuchlichen Mitteln hinreichend vorhersagen? Und welche Bedeutung haben die längerfristigen Zuwachseffekte der Randstellung, die auch noch nach Lückenschluss wirken können? Beide Fragen besitzen Relevanz für die gezielte Bewirtschaftung derzeit vorherrschender Waldbestände.

Vor diesem Hintergrund analysierten Dr. Peter Biber und Prof. Hans Pretzsch vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München langfristige Zeitreihendaten waldwachstumskundlicher Bergmischwaldflächen bei Kreuth. Sie entwickelten einen Ansatz, um Bestandslücken auch retrospektiv nach Lage und Größe charakterisieren und automatisiert Lückenrandbäume erkennen zu können. Zunächst wenig überraschend, zeigten die Daten eine Zuwachssteigerung der Lückenrandbäume – erstaunlicherweise lag diese Steigerung jedoch je nach Baumart 15 bis 30 % Prozent über dem Ausmaß, das mit derzeit gebräuchlichen Modellansätzen beschrieben werden kann. Als unerwartet deutlich erwies sich auch der langfristige Nachhall, der sog. »Memory-Effekt«, solcher Zuwachsreaktionen.

Die Erkenntnisse sind in verschiedener Hinsicht von Bedeutung: Sie weisen auf Effekte in wirtschaftlich relevanter Größenordnung hin, die sowohl in waldbaulichen Verfahren als auch in Waldwachstumsmodellen konzeptionell berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus entwickelten die Autoren Hypothesen zu den Ursachen der Befunde, um somit zu einem besseren Verständnis für die Dynamik strukturreicher Wälder beizutragen.

Originalartikel: Tree growth at gap edges. Insights from long term research plots in mixed mountain forests Externer Link

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