Nachrichten aus dem AWG – LWF aktuell 129

Das Bayerische Amt für Waldgenetik (AWG) verfolgt das Ziel die Vielfalt der Genressourcen in Bayerns Wäldern zu erhalten. Zu den zentralen Aufgaben des Amtes gehören demzufolge die Herkunftssicherung, die Umweltvorsorge und die Erhaltung der genetischen Vielfalt.

Die neuesten Erkenntnisse und Informationen aus der Landesstelle, den Bereichen Herkunftsforschung, Forschung und allgemeine Nachrichten des AWG finden sie auf dieser Seite. Die Nachrichten aus dem AWG erscheinen auch stets in der jeweiligen Ausgabe von LWF-aktuell.

Bayerische Forstsaatgut- und Forstpflanzenbetriebe im Wandel

Balkendiagramm mit längeren hellgrünen als dunkelgrünen BalkenZoombild vorhanden

Abb. 1: In fast allen Betriebsarten hat sich zwischen 2005 und 2021 die Anzahl der FoVG-registrierten Betriebe zum Teil deutlich erhöht. (Grafik: LWF)

Jeder, der sich gewerblich mit Saatgut oder Pflanzen von Baumarten, die dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) unterliegen, beschäftigt, ist verpflichtet, sich als Betrieb anzumelden und registrieren zu lassen. Dies erfolgt förmlich über die jeweilige Landesstelle FoVG bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. In Bayern haben sich hinsichtlich der Anzahl wie auch der Art der Betriebe seit der Verlagerung der Landesstelle an das Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht, jetzt Amt für Waldgenetik, im Jahr 2005 erstaunliche Veränderungen ergeben. 133 Betriebe waren es damals, die die Kontrollbeamten der Landesstelle zu kontrollieren und zu beraten hatten. Heute ist die Anzahl auf 342 angewachsen.

Woran das liegt, ergibt sich aus der Datenanalyse des Erntezulassungsregisters (EZR), in dem alle Betriebe nach Art des Umgangs mit Samen oder Pflanzen aufgelistet sind. Dabei wird ersichtlich, dass sich die Zahl in allen Sparten erhöht hat (Abbildung 1). Eine Ausnahme bilden nur die Klengen, zuständig für die Saatgutaufbereitung, die in ihrer Anzahl unverändert blieben.

Die Zunahme der klassischen Baumschulen, also Unternehmen mit Anzuchtquartieren und Pflanzenverkauf, fällt noch vergleichsweise moderat aus. Anders verhält es sich bei reinen Pflanzenhändlern und Saatguterntefirmen, die sich zahlenmäßig vervielfacht haben. Immer mehr Waldbesitzer vertrauen ihren Wald Fachleuten an, die sich um Waldpflege, Holzeinschlag und Wiederaufforstung kümmern. Daraus ergibt sich die größte Steigerung bei den Forstdienstunternehmen, die im Rahmen ihrer Dienstleistungen auch Forstpflanzen verkaufen.

Insgesamt haben die skizzierten Ergebnisse keine Aussagekraft über die Menge der Pflanzen, die jährlich angezogen und gehandelt werden. Sicher ist aber, dass sich in zunehmender Anzahl Fachleute am Weg des Vermehrungsguts von Samenernte, Aussaat, Anzucht bis hin zur Auspflanzung in unseren Wäldern beteiligen. Der Überwachung der Verbraucherschutzvorgaben des FoVG durch die Landesstelle kommt dabei eine besondere Rolle zu. Darüber hinaus ist auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Forstsaatgut- und Forstpflanzenbetriebe mit den Forstbehörden und den Waldbesitzern ein wichtiger Baustein im Streben nach Herkunftssicherheit.

Michael Luckas, AWG

Genetische Marker belegen historischen Saatguttransfer

BuchenwaldZoombild vorhanden

Abb. 2: Buchenwald in Norkaiciai (Litauen) nahe der Grenze zum ehemaligen Königsberg. (Foto: Rūta Kembrytė, VDU)

Der großflächige Transfer forstlichen Vermehrungsgutes ist ein weit verbreitetes Phänomen in der Forstwirtschaft und beschränkt sich nicht nur auf die jüngste Geschichte. Die historischen Auswirkungen des Menschen auf den Transfer von Samen und Pflanzen von Bäumen ist ein für viele Länder relevantes Thema. Es gibt eine Reihe von Studien zum historischen Transfer forstlichen Vermehrungsgutes in Europa, den Richtungen, ihren Treibern und den Konsequenzen für die Anpassung der wichtigsten Waldbaumarten.
Studien belegen, dass ab dem 19. Jahrhundert ein großer Transfer (Import und Export) von nicht heimischem forstlichem Vermehrungsgut erfolgte. Teilweise hatte das mit großflächigen Entwaldungen zu tun, die in direktem Zusammenhang mit großen Änderungen im Landbesitz, der Holzkohleproduktion für den Bergbau oder dem Salzabbau usw. standen. Darauf folgten massive Saatgutimporte und großflächige Wiederaufforstungsprogramme.

Später, ab dem frühen 20. Jahrhundert, tauchte allmählich das Wissen über Herkunftsvariationen bei adaptiven Merkmalen auf und führte zu gezielteren Importen von forstlichem Vermehrungsgut mit verbesserter Klimaanpassung, Wachstums- und Qualitätsmerkmalen. Importiertes forstliches Vermehrungsgut hat jedoch lokale Genpools beeinflusst, insbesondere bei den wirtschaftlich bedeutenden Baumarten wie Fichte, Waldkiefer und Rotbuche.

Kürzlich haben Wissenschaftler aus Litauen (Universität Vytautas Magnus) zusammen mit dem Bayerischen Amt für Waldgenetik die Entstehung der Buchenwälder in Westlitauen untersucht. Ein möglicher Transfer von Vermehrungsgut aus europäischen Buchenwäldern sollte mithilfe genetischer Marker geklärt werden. Insgesamt 18 Buchenpopulationen aus Deutschland, Schweden und Polen wurden anhand von zehn Kern-Mikrosatellitenorten genotypisiert und mit zehn in Litauen eingeführten Populationen verglichen. Basierend auf DNA-Daten wurden mehrere Clustering-Ansätze verwendet, um die genetischen Assoziationen zu untersuchen.

Zum Beispiel ergab eine Bayessche Methode eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die litauischen Buchenbestände aus drei verschiedenen Quellen stammen: (a) den Bayerischen Alpen, (b) Nordostpolen und (c) Südostpolen und den Karpaten. So bestätigte ein Teil der genetischen Ergebnisse historische Nachweise dafür, dass die Rotbuche im 18. Jahrhundert von deutschen Förstern nach Litauen eingeführt wurde.

Trotz der hohen allelischen Vielfalt besaßen die litauischen Buchenpopulationen eine deutlich geringere beobachtete Heterozygotie als die Populationen in Mitteleuropa. Eine weitere natürliche Expansion der Rotbuche kann daher problematisch sein, wenn die genetische Vielfalt niedrig und die Herkunft der sich ausbreitenden Population unpassend sind. Eine geringe genetische Vielfalt führt zu (a) reduzierten Allelvariationen, auf die die natürliche Selektion einwirken kann, was die Anpassungsfähigkeit der expandierenden Art beeinträchtigt, und (b) zu einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Expression der rezessiven schädlichen Allele, was zu einer verringerten Vitalität in den Nachkommen führt. Ein DNA-basiertes Tracking-System könnte daher historische Verbringung von forstlichem Vermehrungsgut in Europa effizient aufdecken und dazu beitragen, die Anpassungsfähigkeit künftiger Wälder zu verbessern.

Dr. Darius Kavaliauskas und Dr. Barbara Fussi, AWG

Weitere Ergebnisse finden Sie in der Studie von Kembrytė, R., Danusevičius, D., Buchovska, J., Baliuckas, V., Kavaliauskas, D., Fussi, B., & Kempf, M. (2021): DNA-based tracking of historical introductions of forest trees: the case of European beech (Fagus sylvatica L.) in Lithuania. Europ. J. of Forest Research, 1–15. .

https://doi.org/10.1007/s10342-020-01341-0 Externer Link

Genetische Kontrollen und FoVG

Genetische Analysen im Rahmen der behördlichen Herkunftskontrolle für die beiden Eichenarten Stiel- und Traubeneiche haben in Bayern und Baden-Württemberg zugenommen. Zahlreiche Pflanzenpartien wurden mit dem Ziel des Identitätsnachweises und Einhaltung des Forstvermehrungsgutgesetzes (FoVG) untersucht. Hierbei lag der Fokus auf der Artunterscheidung von Stiel- und Traubeneiche. Dabei konnte vermehrt fälschlich ausgewiesene Artzugehörigkeit festgestellt werden.

Des Weiteren wurde über Chloroplasten-Haplotypen die Zuordnung von Pflanzenpartien und Erntebeständen zu nacheiszeitlichen Rückwanderungslinien durchgeführt. Natürlich rückgewanderte Bestände und deren Vermehrungsgut enthalten üblicherweise nur einzelne bis wenige Haplotypen. Das Vorhandensein mehrerer Haplotypen, vor allem von Rückwanderungslinien aus mehreren Refugien, lässt auf eine Vermischung von Vermehrungsgut aus mehreren Beständen schließen. Es wurden vermehrt Pflanzenpartien mit zahlreichen Haplotypen gefunden, die nicht mit dem Ausgangsbestand übereinstimmten.

Die Weiterentwicklung der labortechnischen und statistischen Auswerteverfahren ermöglicht zunehmend die Präzisierung der Aussagen. So kann durch die vollständige Genotypisierung des Bestandes oder der Samenplantage über eine Elternschaftsanalyse die Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung der Pflanzen- oder Saatgutpartien mit dem Erntebestand festgestellt werden. Gerade bei der Einbringung von neuen Herkünften aus dem In- und Ausland kann dieses Verfahren eine sichere Zuordnung gewährleisten.

Bei Samenplantagen ist eine vollständige genetischen Charakterisierung der vorhandenen Genotypen eine sichere Vorgehensweise. Langfristiges Ziel ist es, die bayerischen Samenplantagen vollständig genetisch zu charakterisieren, um bei diesem hochwertigen Vermehrungsgut eine hohe Herkunftssicherheit zu haben. Neben der behördlichen Kontrolle gibt es auch privatrechtliche Angebote, die Verfahren zur Herkunftssicherung auf freiwilliger, privatrechtlicher Basis entwickelt haben und durchführen (z. B. ZüF, FFV). Hierbei geht es meist um einen Vergleich von produzierten und gelieferten Forstpflanzen mit dem bei der Ernte gezogenem Referenzmaterial (v. a. Saatgut).

Eine große Herausforderung bei Herkunftskontrollen wird zukünftig der Anbau mediterraner Eichenarten wie Flaumeiche, Zerreiche und Ungarische Eiche darstellen. Diese können mit den heimischen Eichenarten hybridisieren. In Bayern sind bereits erste Anbauten mit diesen Eichenarten vorhanden. Flaumeiche und Zerreiche unterliegen dem FoVG und dürfen nur entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des FoVG geerntet und in den Verkehr gebracht werden. Für beide Eichenarten wurden wegen der geringen Bedeutung für die Forstwirtschaft im Inland bisher keine Herkunftsgebiete ausgewiesen. Langfristig sollten die Anbauten genetisch und morphologisch charakterisiert werden, um eine sichere Zuordnung vornehmen zu können.

Dr. Barbara Fussi und Dr. Muhidin Šeho, AWG

Dr. Darius Kavaliauskas

Mann mit Anzug lächelt in die KameraZoombild vorhanden

Abb. 3: Darius Kavaliauskas (Foto: privat)

Seit 1. Januar 2021 ich arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sachgebiet 3 »Erhalten und Nutzen forstlicher Genressourcen«. Ich habe Ökologie und Umweltwissenschaften studiert mit einer Spezialisierung im Bereich Forstwirtschaft und Waldökologie. Im Jahr 2015 habe ich meine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Waldpopulationsgenetik zum Thema: »Genetische Struktur und genetische Vielfalt der Populationen von Waldkiefer (Pinus sylvestris L.) in Litauen« verteidigt. In dieser Arbeit habe ich mich mit der genetischen Struktur und der geografischen Variation der genetischen Vielfalt unter natürlichen Waldkiefernpopulationen befasst. Dabei habe ich mich auf den neutralen Teil des Genoms konzentriert, bei dem die genetische Struktur stark von der postglazialen Migration, Demographie, Mutation, genetischen Drift und Genfluss beeinflusst wird.

Zwischen 2015 und 2020 habe ich als Wissenschaftler im internationales Projekt LIFEGENMON am Bayerischen Amt für Waldgenetik gearbeitet. Das Projekt zielte darauf ab, ein Waldgenetik-Überwachungskonzept zu entwickeln und optimale Indikatoren und Verifikatoren für die Überwachung der zeitlichen Veränderung der genetischen Vielfalt für zwei ausgewählte Zielwaldbaumarten, Weißtanne und Rotbuche, zu definieren.

Hannes Seidel

Mann mit Brille lächelt in die KameraZoombild vorhanden

Abb. 4: Hannes Seidel (Foto: privat)

Seit Anfang des Jahres bin ich am AWG im Sachgebiet 1 »Angewandte forstgenetische Forschung« als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Hier arbeite ich innerhalb des FraxGen-Projekts, ein Unterverbund des bundesweiten Demonstrationsvorhabens FraxForFuture. Gesamtziel dieses Vorhabens ist ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen gegenüber dem Eschentriebsterben unter Einbeziehung aller relevanter Fachdisziplinen.

Während des Studiums beschäftigte ich mich intensiv mit Pflanzen-Insekten-Interaktionen, Pflanzenphysiologie und Genetik. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Ökoklimatologie der TU München untersuchte ich mit experimentellen Ansätzen den Einfluss von Trockenheit und erhöhter Temperatur auf Wachstum, Wasserhaushalt und Mortalität von Jungpflanzen verschiedenster Herkünfte der Waldkiefer aus ihrem südöstlichen Verbreitungsgebiet sowie der Stieleiche und Edelkastanie.

Im Anschluss entwickelte ich an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau LED-Belichtungsstrategien zur Wachstums-, Entwicklungs- und Qualitätskontrolle bei diversen gartenbaulichen Kulturen. Meine Aufgabe am AWG ist die Auswahl, Charakterisierung und der Erhalt vitaler Eschen-Plusbäume und deren Nachkommenschaften sowie die Anwendung genetischer Resistenzmarker.

Yves-Daniel Hoffmann

Mann lächelt in die KameraZoombild vorhanden

Abb. 5: Yves-Daniel Hoffmann (Foto: privat)

Seit Oktober 2020 arbeite ich am AWG als Projekt-Mitarbeiter im Projekt »sensFORclim«. Als Dipl. Ing (FH) / M.Sc. bin ich an vielfältigen Arbeiten beteiligt. Zuvor habe ich unter anderem verschiedene Inventuren in Baden-Württemberg durchgeführt. Mein letzter Arbeitgeber war ThüringenForst AöR. Am Forstliche Forschungs- und Kompetenzzentrum (FFK) in Gotha durfte ich mehrere Jahre ein neues Waldinventurverfahren (Stichproben-Inventur/Waldbiotopkartierung) mitentwickeln und umsetzen. Somit bin ich auf der konzeptionellen Ebene, Datenbanken, R-Programmierung, GIS-Arbeiten, Projekt-Koordination, aber auch auf forstlichen Geländearbeiten spezialisiert. Letztendlich war ich am FFK für ein Jahr Inventur-Koordinator bei der Erstinventur im Thüringer Wald.

Das Ziel von »sensFORclim« ist es, Bestände für die Produktion von klimatolerantem, heimischem Vermehrungsgut der Baumarten Fichte, Buche und Tanne zu identifizieren. Dabei wird an Baumpopulationen und daraus gewonnen Forstpflanzen geforscht, die ein hohes Anpassungspotenzial im Klimawandel aufweisen. Im Rahmen eines interdisziplinären Ansatzes werden Standortsinformationen in ökologische Nischenmodelle integriert und der in die Zukunft projizierte Einfluss des Klimawandels auf die Saatguterntebestände ermittelt.

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