Michael Mößnang
Holzwerkstatt: Der den Zinken zum Klingen bringt – LWF aktuell 121
Er ist Zinkenist – kennt sich also aus mit Zinken. Aber er bringt auch Pommern, Rankette, Cornamusas oder Traversen zum Schwingen. Wenn jemand einem Zinken Tönen entlocken kann, dann ist dieser jemand – ein Musiker: Aber der praktizierende Lehrer Christoph Schuler ist nicht nur Musiker, sondern auch Musikinstrumentenbauer, Kunstgießer, Zimmerer und Waldarbeiter.
Christoph Schuler kommt aus Langenthal, einer Kleinstadt mit etwa 15.000 Einwohnern im schweizerischen Kanton Bern. Der 61-jährige Gymnasiallehrer unterrichtet seit 1987 bildnerisches und technisches Gestalten. Vor gut 40 Jahren lernte er auf einem Folk-Festival »Alte Musik« kennen. »Die seltsamen Formen und ungewohnten Klänge der Instrumente haben mich fasziniert, auch dass trotz ihrer einfachen, ursprünglichen Bauweise so schöne Musik darauf gemacht werden kann.
Das hat mich derart begeistert, dass ich mich seither intensiv mit dieser Musik und mit dem Bau der dafür verwendeten Instrumente beschäftige«. Besonders angetan haben es Christoph Schuler Blasinstrumente des 16. bis 18. Jahrhunderts – eben Zinken, Pommern oder Rankette. Wie so oft im Leben – der Zufall leitet viele Geschicke.
Mehr als nur eine Flöte
Gemeinsam gehen wir in seine Musik-Werkstatt, die in der alten Porzellanfabrik von Langenthal untergebracht ist. In seinem Ausstellungsbereich stehen, liegen und hängen circa 200 Zinken, Schalmeien, Pommern, Schreyerpfeifen, Cornamusas, Rankette, Traversen und Douçaines, alle von ihm selbst in handwerklicher Einzelanfertigung hergestellt. Jedes Instrument eine eigene Persönlichkeit.
Mir fallen sofort die großen, fast zwei Meter langen Basspommern auf. Schuler nennt sie den »King jedes Renaissance- Consorts«. Abenteuerliche Formen, wohin man schaut. Rankette stehen im Regal, die an kleine oder größere hölzerne Fläschchen erinnern und eben die Zinken, ob gerade wie ein Blockflöte oder einfach geschwungen wie ein Säbel oder zweifach geschwungen wie eine erstarrte Schlange, schwarz und mit Leder umhüllt.
Das Maß aller Dinge – Laubholz: hart und lange gelagert
Zoombild vorhanden
Abb. 2: Arbeit an einem Zinken, sowie Arbeitsmaterial (Fotos: atelier.dodle)
Weiter hinten geht der Ausstellungsraum in den »Produktions«bereich über. In seiner Werkstatt stehen eine Drehbank und eine Werkbank, an den Wänden hängen die unterschiedlichsten Dreheisen, Messer und Stemmeisen. In Schränken und Schubfächern liegen Metallbeschläge aus Messing oder Silber, Verstärkungsringe und Büffelhorn. Und in den Regalen schließlich das Wichtigste, das Holz, Hauptwerkstoff für den Instrumentenbauer.
»Den allergrößten Wert lege ich auf das richtige Material. Hier ist das Beste gerade mal gut genug«. Christoph Schuler verwendet, was die Hölzer betrifft, nur langjährig getrocknete harte Holzarten, die vornehmlich aus der Region stammen. Seine Laubholzarten reichen von A bis Z, vornehmlich sind es Ahorn, Apfel, Birne, Buchsbaum, Eibe, Elsbeere, Hainbuche, Kirsche, Walnuss und Zwetschge.
Dabei ist es keineswegs so, dass für ein bestimmtes Instrument nur eine Holzart in Frage kommt. So kann man beispielsweise Traversflöten oder Zinken durchaus aus Ahorn, Hainbuche oder Zwetschge herstellen. Am häufigsten wird Ahorn – natur oder gebeizt – verwendet, vor allem bei Instrumenten in größeren Dimensionen wie Schalmeien, Pommern und Rankette.
Beispiel Zinken
Der Zinken, auch Cornetto genannt, wird auf handwerkliche Weise – mit Stecheisen, Hobel und Ziehklinge – hergestellt. Der Rohling wird aus einem Brettstück herausgesägt und der Länge nach in zwei Hälften auseinandergeschnitten. Dann werden beide Hälften ausgehöhlt und anschließend wieder passgenau zusammengeleimt. Die Mensur, d.h. das Verhältnis der Weite zur Länge des hohlen Rohrstücks, orientiert sich an Vorbildern um 1600. In einem nächsten Arbeitsschritt werden die Grifflöcher gebohrt. Zum Schluss wird der Zinken mit gegerbtem Leder überzogen. Auch die für Zinken typischen Lederprägungen finden ihre Vorbilder auf Instrumenten aus der Barockzeit.
Rettungsanker für Notfälle
Christoph Schuler ist nicht nur Neuschaffender in Sachen Instrumentenbau, seine kleine Werkstatt ist auch Anlaufpunkt und Notaufnahmestation für Musikanten, deren Instrumente kleinere oder größere Reparaturen nötig haben. Für viele einstmals im Handel erhältliche Instrumente sind keine Ersatzteile wie Rohrblätter oder Mundstücke mehr lieferbar. Falls möglich, werden solche Notfälle vorgezogen und ambulant behandelt.
Abb. 3: Ausstellungsraum (Foto: atelier.dodle)
Abb. 4: An der Drehbank (Foto: atelier.dodle)
Abb. 5: Holzrohlinge und fertige Zinken. (Fotos: atelier.dodle)
Abb. 6: Endkontrolle (Fotos: atelier.dodle)
»all’ antica«
Die Worte »all’ antica« bedeuten: »nach alter Art«. In der Renaissance werden damit Werke bezeichnet, die sich auf fundierte und kreative Weise mit den Vorbildern der Antike auseinandersetzen.
Das »Design«
Schulers Instrumente sind keine Kopien bestimmter Vorlagen aus Museen oder Sammlungen. Es sind moderne Nachgestaltungen im Sinn und Geist der Renaissance und des Frühbarocks. Als Vorbilder dienen neben erhaltenen Instrumenten und ihren modernen Nachbauten zeitgenössische Abbildungen auf Gemälden und Drucken, für Details Stilelemente aus Architektur und Kunsthandwerk. Auch heutige Volksmusikinstrumente geben wichtige Anregungen zur Gestaltung des Klanges und der Formen. Wichtige Ziele der Gestaltung sind neben einer einwandfreien akustischen Funktion eine wohlproportionierte, harmonische Form – des einzelnen Instrumentes wie auch der ganzen Familie – und eine gute Ergonomik.
www.allantica.ch
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