Christian Kölling
Die Fichte – Baumart oder Weltanschauung? - LWF-aktuell 98
Über kaum eine andere Baumart sind innerhalb und außerhalb der Forstwirtschaft die Meinungen so geteilt wie über die Fichte. Für die einen ist sie ein Symbol der Herrschaft des Menschen über die Natur, für die anderen das Wappen einer selbstbestimmten und leistungsfähigen Forstwirtschaft. Nüchtern betrachtet ist die Fichte jenseits aller Dogmen eine Baumart wie andere auch: Fraglos hat ihr Anbau große wirtschaftliche Möglichkeiten, aber auch seine natürlichen Grenzen.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt bei uns der Siegeszug der Fichte. Er wurde begünstigt durch das kalte Klima der »Kleinen Eiszeit« und forciert durch eine sich entwickelnde Forstwirtschaft, die (gern) auf eine wuchsfreudige und unproblematische Nadelbaumart zurückgriff, um ausgeplünderte Wälder und verödete Flächen schnell wieder in Waldkultur zu bringen. Aus der deutschen Forstwirtschaft der letzten 200 Jahre ist die Fichte seitdem nicht mehr wegzudenken. Sie ist auch für die Blüte dieses Wirtschaftszweiges und seinen ökonomischen Erfolg hauptverantwortlich. Mit 28% ist die Fichte auch heute immer noch die häufigste Baumart in Deutschland, in Bayern steht sie mit 44% unangefochten an der Spitze.
In der forstlichen Fachwelt wird daher die Fichte als Brotbaum bezeichnet, der mit seinen Erträgen dazu beiträgt, die Verluste aus dem Anbau minder ertragreicher Baumarten zu decken. Für andere Fachleute ist diese Baumart eine Quelle des Risikos, ständig in Gefahr, von Borkenkäfern gefressen oder vom Sturm umgeblasen zu werden. »Willst du den Wald bestimmt vernichten, so pflanze nichts als reine Fichten«: So steht es in Stein gemeißelt auf einem von Förstern anlässlich einer schadensreich überstandenen Sturmkatastrophe im Jahr 1921 errichteten Mahnmal im Roggenburger Forst bei Ulm.
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