Ralf Petercord, Alexandra Wauer, Florian Krüger, Günter Wallerer
"Grüne Mitesser" - Die Mistel an Tanne, Kiefer und Laubbaumarten - LWF aktuell 112

Gerade in der Weihnachtszeit ist die Mistel ein Sympathieträger. Sie gilt als Zeichen des Friedens und als immergrüne Pflanze steht sie dem »Tannenbaum« mit seinen »grünen Blättern« in der ansonsten grauen Winterzeit emotional betrachtet nahe.

Botanisch und ökologisch begeistert die Mistel aufgrund ihrer spektakulären Lebensweise als Halbschmarotzer und ihrer Verbreitung durch Vögel. In Folge des Klimawandels breitet sich die ehemals durchaus seltene Mistel zunehmend aus und wird für Waldbesitzer und Baumpfleger damit zum Problem.

Wenn landläufig über die Mistel gesprochen wird, ist die immergrüne, weißbeerige Mistel (Viscum album L.) gemeint, die auf verschiedenen Baumarten zu finden ist. Die sommergrüne, gelbbeerige Eichenmistel oder Eichenriemenblume (Loranthus europaeus JACQ.) kommt in Deutschland aktuell nur im Elbtal südöstlich von Dresden bei Pirna vor (Schmidt 2009) und ist folgerichtig der Mehrheit der Bevölkerung nicht bekannt.

Ihr Hauptverbreitungsgebiet hat die Eichenriemenblume entsprechend ihrem hohen Wärmeanspruch im submediteranen Südosteuropa. Erst mit ansteigenden Temperaturen ist mit einer zunehmenden Einwanderung der Art über die Täler von Donau, Inn und Elbe zu rechnen (Schmidt 2009).

Die Mistel und ihre Unterarten

Großer winterkahler Laubbaum, in dessen Krone viele grüne Misteln hängen. Zoombild vorhanden

Abb.1: Massiver Mistelbefall an der Lindenallee im Nymphenburger Park in München (Foto: R. Petercord)

Im Gegensatz zur Eichenriemenblume ist die einheimische Mistel (Viscum album) in Mitteleuropa weit verbreitet und kommt hier in drei Unterarten vor: Die Tannenmistel (Viscum album ssp. abietis) besiedelt ausschließlich die Weißtanne und ist damit die spezifischste der drei Unterarten. Die Kiefernmistel (Viscum album ssp. austriacum) besiedelt häufig die Waldkiefer, die Schwarzkiefer und die Bergkiefer, sehr selten auch Fichte und Lärche.

Die Laubbaummistel (Viscum album ssp. album) besiedelt häufig Linde, Weide, Pappel, Apfel, Mehlbeere, Weissdorn, Robinie, Ahorn und Birke, selten Roteiche, Erle, Haselnuss, Hainbuche, Gemeine Hopfenbuche, Nussbaum, Zürgelbaum, Birnbaum, Mispel, Felsenbirne, Prunus-Arten und Rosskastanie. Sehr selten können auch Edelkastanie, Eiche, Ulme und Esche (Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997; Hilker et al. 2005) sowie fremdländische Baumarten befallen werden. Rotbuche und Platane gehören zu den mistelfesten Bäumen und werden nicht besiedelt.

Der wissenschaftliche Gattungsname Viscum, der identisch ist mit dem lateinischen Wort für Leim, beruht im Übrigen auf einem Irrtum von Carl von Linné, der als Erstbenenner der Art den Berichten seiner Zeit Glauben schenkte, man hätte in der Vergangenheit aus den Früchten der weißbeerigen Misteln Leim zum Vogelfang hergestellt. Untersuchungen von Schiller (1928) zeigen allerdings, dass dazu nur die gelben Beeren der Eichenriemenblume geeignet sind, da der aus ihnen gewonnene Leim nicht aushärtet.

Bestimmung über die Wirtspflanze

Große dunkelgrüne Weißtanne mit vielen hellgrünen Mistelbüschen in der KroneZoombild vorhanden

Abb.2: Weißtanne mit zahlreichen Mistelbüschen (Foto: R. Petercord)

Morphologisch sind die drei Unterarten der weißbeerigen Mistel kaum zu unterscheiden. Alle zeigen den eigentümlichen, kugeligen Habitus, der sie gegenüber allen anderen Pflanzen auszeichnet. Dazu werden die ursprünglich negativ geotrop orientierten Jahrestriebe durch sogenannte Nutationsbewegungen auf den Mittelpunkt des Mistelbusches ausgerichtet. Das Wachstum um das eigene Zentrum herum ist damit letztlich unabhängig von Geo- und Fototropismus.

Typisch ist auch die streng regelmäßige, gleichwertig gabelige (dichotome) Verzweigung, die der Mistel auch den Namen Kreuzholz (s. Kasten, S. 22) eingebracht hat. Die immergrünen Blätter, von denen jeweils immer nur zwei pro Stängel gebildet werden, sind ebenfalls gegenständig angeordnet, schmal lanzettförmig und weisen wenige, gradlinig verlaufende Leitungsbahnen auf.

Sie haben keine typischen Ober- und Unterseiten und im Querschnitt auch nicht die für viele Laub- und Nadelblätter typische bifaciale Differenzierung in ein Palisaden- und Schwammparenchym. Auch die typischerweise zahlreichen Spaltöffnungen finden sich gleichmäßig auf beiden Blattseiten verteilt. Bemerkenswerterweise sind die Blätter auch im zweiten Lebensjahr noch zu einem Längen- und Dickenwachstum befähigt, da sich das Blattparenchym nicht ausdifferenziert und somit die Blätter, entsprechend den Senkern, ein interkalares Wachstum zeigen (Tubeuf et al. 1923).

Alle drei Unterarten blühen im Winter (witterungsabhängig (Januar/Februar bis Anfang Mai) unscheinbar, ihre gelbgrünen Blüten entwickeln sich an den Sprossspitzen. Die Mistel ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Mistelbüsche. In Ausnahmefällen finden sich aber männliche und weibliche Blüten innerhalb eines Mistelbusches, da auch die Mistel selbst nicht mistelfest ist. Die Bestäubung erfolgt entomogamisch, also über Insekten (Fliegen, Ameisen, Schwebfliege, Wespen, Hummeln, seltener auch Bienen) (Ramm 2006).
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Die Beeren reifen im November/Dezember aus und bleiben bis ins kommende Frühjahr hängen und können so von zahlreichen Vogelarten als Winternahrung genutzt werden. Die annähernd erbsengroßen Beeren – botanisch richtiger Scheinbeeren, da am Aufbau auch die Blütenachse beteiligt ist – sind bei der Tannen- und Laubholzmistel weiß und bei der Kiefernmistel leicht cremefarben. Im Unterschied zur Tannen- und Laubholzmistel hat sie auch die etwas schmaleren Blätter. Eine weitere grobe Unterscheidungsmöglichkeit liefern die Beeren: Zerdrückt man die frischen Mistelbeeren der Nadelholzmisteln, so trennen sich die Kerne von der Beerenfruchtwand, während sie bei der Laubholzmistel mit dieser über lange klebrige Schleimfäden verbunden bleiben (Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997).

Die sicherste makroskopische Unterscheidung erfolgt allerdings entsprechend der spezifischen Wirtspflanzenbindung über die Wirtspflanze, an der sich der Mistelbusch befindet (Schütt et al. 1992; Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997; Ramm 2006). Im gemeinsamen südosteuropäischen Verbreitungsgebiet der weißbeerigen Laubholzmistel und der Eichenriemenblume können auf Eiche oder Edelkastanie Mistelbüsche beider Arten vorkommen. Allerdings kommt die Eichenriemenblume bisher in West- und Nordeuropa nicht vor, so dass misteltragende Eichen in diesen Regionen von der weißbeerigen Laubholzmistel befallen sind (Tubeuf et al. 1923).

Dass es tatsächlich solche Eichen – wenn auch sehr selten – gibt, belegen bereits Erhebungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts. »Als sicher dokumentiert galten in England 21, in Frankreich 4, in Deutschland 2 sowie in der Schweiz und in Österreich- Ungarn jeweils 3 misteltragende Eichen« (Ramm 2006).

Verbreitung durch Vögel

Kiefernkrone mit großem hellgrünen Mistelbusch an der SpitzeZoombild vorhanden

Abb.3: Ein stattliches Exemplar einer Kiefernmistel in der Krone einer Waldkiefer (Foto: G. Wallerer)

Die Mistel wirft ihre Früchte nicht ab. Jede Beere, die auf dem Boden landet ist, für die Fortpflanzung und Verbreitung verloren. Die Mistel ist obligat auf die Verbreitung durch Vögel (Ornithochorie) angewiesen. Zahlreiche Vogelarten nehmen die Früchte als Winternahrung an. Als wichtigste Verbreiter gelten Misteldrossel, Mönchsgrasmücke, Wacholderdrossel und Seidenschwanz (Nierhaus- Wunderwald und Lawrenz 1997; Reichholf 2007). Darüber hinaus werden unter anderem noch Rotdrossel, Singdrossel, Schwarzdrossel, Ringdrossel, Seidenschnäpper, Kernbeißer, Tannenhäher, Mittelspecht und Schwarzspecht genannt (Glutz von Blotzheim 1966ff).

Bereits beim Abzupfen der Beere wird das feste Endokarb (Fruchthülle) verletzt und damit für den Mistelkeimling durchdringbar. Das Fruchtfleisch der Scheinbeeren besteht aus einer äußeren nährstoffreichen und süßen Schicht und einer inneren, den Mistelkern umgebenden Schicht aus »Schleimzuckern und Leimsubstanzen « (Ramm 2006). Während die äußere Schicht für die mistelverbreitenden Vögel eine attraktive Nahrung darstellt, ist die innere Schicht nahezu unverdaulich und bleibt bei der Darmpassage erhalten.

Misteldrossel, Wacholderdrossel und Seidenschwanz schlucken die gesamte Frucht und scheiden dann über den Darm den Mistelkern und die unverdaute Fruchthülle wieder aus (Endochorie). Die Mönchsgrasmücke frisst dagegen nur die Fruchthülle und das daran hängende süße, äußere Fruchtfleisch und lässt den Kern mit seiner klebrigen Hülle (inneres Fruchtfleisch) in der Nähe des Mistelbusches zurück. Die Keimfähigkeit ist also unabhängig vom Transit durch den Verdauungstrakt.
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Die Misteldichte und Verteilung innerhalb eines Bestandes ist also im Wesentlichen abhängig von der Nähe eines bereits etablierten Mistelbusches und der Verteilung der Vögel im Bestand (Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997). Darüber hinaus ist seit den 1970 Jahren bekannt, dass die Mistelempfänglichkeit misteltragender Eichen sowohl vegetativ als auch generativ auf Nachkommen übertragbar ist und damit genetisch fixiert ist (Grazi und Urech 1983 und Grazi 1987, nach Ramm 2006). Aktuell wird im Rahmen eines Teilprojekts des vom Waldklimafonds geförderten Verbundsprojekts WAHYKLAS, an dem auch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft beteiligt ist, die Prädisposition der Waldkiefer für den Befall mit Kiefernmistel untersucht (Peters et al. 2016). Besteht eine solche Prädisposition, könnte zukünftig der Mistelbefall durch Auswahl mistelfester Herkünfte bzw. Genotypen verringert werden.

Neben den Mistel verbreitenden Vögeln gibt es auch Arten, die die nährstoffreichen Mistelkerne als Nahrung nutzen und damit die Verbreitung der Art behindern. Zu diesen Vogelarten gehören Meisen und Kleiber (Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997). Die invasive Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) profitiert von der Mistelbeere ebenfalls in bemerkenswerter Weise, offensichtlich kann sie diese im zeitigen Frühjahr zur Entwicklung ihrer ersten Generation nutzen (Briem et al. 2016).

Etablierung an der Wirtspflanze

Kleiner Mistelsämling ist auf einem dünnen Kiefernast aufgegangenZoombild vorhanden

Abb.4: Junger Mistelsprössling auf einem Kiefernzweig. (Foto: G. Wallerer)

Die Etablierung an der Wirtspflanze erfolgt im ersten Schritt über das klebrige Fruchtfleisch, das den Kern umhüllt und ihn am Ast oder Zweig, seltener auch am Stamm, hält. Zur Keimung bedarf die Mistel Wärme und Licht (obligater Lichtkeimer), so dass ab Ende März/Anfang April die Keimung beobachtet werden kann. Der auswachsende Keimstängel wächst zunächst fototropisch dem Licht entgegen und krümmt sich dann, um negativ fototropisch auf die dunkle Wirtsrinde zuzuwachsen. Erreicht der Keimstängel die Rinde, entwickelt sich seine Spitze zu einer Haftscheibe, die den Keimling endgültig auf der Rinde fixiert.

Im April des darauffolgenden Jahres wächst dann aus der Haftscheibe ein Primärsenker in die Wirtsrinde und es bilden sich die Primärblätter. Der Primärsenker durchdringt die Rinde bis zum Kambium. Dieser Wachstumsschritt kann je nach Vitalität der Wirtspflanze mehrere Jahre andauern und in dieser Zeit kann der »verhockende « Keimling von der Pflanze überwallt und damit abgetötet werden. Hat der Primärsenker das Kambium erreicht, wird er durch das Dickenwachstum des Astes an die Wasserleitbahnen des Wirtsbaumes angeschlossen. Erst dann (frühestens im 4. Jahr) beginnt das eigentliche Wachstum des Mistelbusches durch die erste Verzweigung.

Das Alter eines Mistelbusches ist durch Auszählung der Verzweigung damit leicht ermittelbar. Die Mistelsenker wachsen nicht aktiv in den Holzkörper ein, sondern werden durch das sekundäre Dickenwachstum der Wirtspflanze sukzessive eingewachsen (Thoday 1951; Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997). Die Verlängerung der Mistelsenker erfolgt dabei über Restmeristeme, die in ausdifferenzierten Geweben meristematisch geblieben sind. Dieses interkalare Wachstum findet man beispielsweise auch an der Internodienbasis von Grashalmen (Schütt et al. 1992).

Neben dem Primärsenkern bilden sich dann auch Rindenstränge und an diesen wiederum Sekundärsenker, die analog zum Primärsenker Anschluss an die Wasserleitbahnen erhalten. An den Sekundärsenkern können sich bei Verlust des Primärsprosses (z. B. durch Abschneiden oder sonstigen Schaden) Ersatzsprosse (Adventivsprosse) bilden, so dass eine vegetative Vermehrung in unmittelbarer örtlicher Nähe möglich ist (vergleichbar mit der Wurzelbrut z. B. der Robinie).
Frühestens im 5. Jahr wird die Mistel dann mannbar (Nierhaus-Wunderwald und Lawrenz 1997).

Lebensweise

An der linken Seite eines Stammes hat sich eine eine kleine Mistelkugel entwickeltZoombild vorhanden

Abb.5: Ein seltener Anblick - eine neun Jahre alte Tannenmistel konnte sich im unteren Stammbereich einer alten Weißtanne entwickeln. (Foto: R. Petercord)

Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der seiner Wirtspflanze Wasser und Nährsalze entzieht und ausschließlich an das Xylem angeschlossen ist. Als grüne Pflanze ist sie zur eigenständigen Fotosynthese befähigt und kann organische Substanzen selbstständig aufbauen. Tatsächlich entnimmt die Mistel aber auch organische Substanzen aus der Wirtspflanze, ohne jedoch an die Phloemleitbahnen der Wirtspflanze angeschlossen zu sein. Dabei handelt es sich um Stickstoffverbindungen.

Mit zunehmender Größe und Alter (ein Mistelbusch kann bis zu 70 Jahre alt werden) entzieht der Mistel ihrer Wirtspflanze mehr Wasser und Nährsalze, so dass die Astbereiche oberhalb des Mistelbusches nicht mehr ausreichend versorgt werden können und letztlich absterben. Der zunehmende Vitalitätsverlust durch den Mistelbefall konditioniert die Wirtspflanze für weiteren Mistelbefall, so dass ein sich selbstverstärkender Effekt eintritt.

Gleichzeitig führt die hohe Transpirationsleistung der Mistel zu einer Verstärkung des Trockenstresses in Dürrephasen, da sie ihre Spaltöffnungen später schließt als ihre Wirtspflanze und damit deren Wasserregulation sabotiert. Die Wirtspflanze wird auf diese Weise auch für weitere Schadorganismen disponiert. Aktuelle Schäden durch Tannenborkenkäfer in Mittelfranken (Forstbetrieb Rothenburg) sind auf diesen Effekt zurückzuführen.

Aktuelle Verbreitung in Bayern

Bayerische Landkarten, auf der der Mistelbefall bayernweit eingezeichtet ist. Befallen sind insbesodnere Kiefern in MittelfrankenZoombild vorhanden

Abb.6: Die Inventuren zum Mistelbefall zeigen deutlich einen Verbreitungsschwerpunkt im mittelfärnkischen Bereich (Grafik: LWF)

Im Rahmen der jährlichen Kronenzustandserfassung wird seit 2007 auch der Mistelbefall erfasst. Im Zeitraum 2007 bis 2013 stieg die relative Befallsrate der Kiefernmistel von gut 1,5 % auf 10,9 % an. Diese Werte verdeutlichen eine Zunahme des Mistelbefalls an Kiefer innerhalb dieser sieben Jahre in Bayern. Von 2007 bis 2013 wurde zur Ermittlung der Befallsrate der Mistelanteil in Prozent der bonitierten Krone (Lichtkrone) eingeschätzt, ab 2013 dann auch die Anzahl der Mistelbüsche am gesamten Baum erhoben.

Durch die »neue« Aufnahmemethode wurden zwar keine zusätzlichen Trakte mit Mistelbefall erkannt. Jedoch stiegen die Befallsraten in einzelnen Trakten deutlich an. Vergleicht man die »alte« Methode mit der »neuen« Methode, ist die relative Befallsrate bei Zählung der Mistelbüsche geringfügig um 1,2 % höher.
Die aktuelle Kronenzustandserhebung aus dem Jahr 2016 liefert für die Kiefernmistel eine relative Befallsrate von 12,6 % und damit eine, wenn auch geringe Zunahme. Für die Tanne wird die relative Befallsrate mit 11,1 % eingeschätzt. Auffällig ist der überproportionalhohe Anteil befallener Kiefern in Mittelfranken (relative Befallsrate 28,3 %) und der unterproportionale Anteil befallener Tannen im Alpenraum (relative Befallsrate 2,7 %).

Diese unterschiedliche regionale Verteilung der Befallshäufigkeit steht aber im Einklang mit den Temperaturansprüchen der Mistel und ist somit leicht erklärlich. Ersten Auswertungen bezüglich verschiedener Klimaparameter zufolge lassen sich signifikante positive Einflüsse der Jahresdurchschnittstemperatur und der durchschnittlichen Sommertemperatur sowie ein signifikant negativer Einfluss der Jahresniederschlagsmenge auf den Mistelbefall feststellen.

Bekämpfung der Mistel

Große Tanne, ohne Nadeln, dafür zu fast 100 Prozent mit Misteln befallenZoombild vorhanden

Abb.7: Diese Alttanne weist einen Mistelanteil von nahezu 100% auf. (Foto: R. Petercord)

Eine Bekämpfung der Mistel ist ausgesprochen schwierig und vielleicht noch im Obstbau am ehesten möglich. Zielführendste Methode einer Bekämpfung ist das möglichst frühzeitige Ausbrechen der jungen Mistelpflanzen, möglichst vor der Ausbildung der Rindenstränge und Sekundärsenker.

Diese Maßnahme ist praktisch jedoch kaum durchführbar, da man häufig erst beim Älterwerden der Mistelbüsche auf den Halbschmarotzer aufmerksam wird, so dass nur das gründliche Ausschneiden der befallenen Stellen bleibt. Die Rinde muss dabei bis auf das Holz ausgeschnitten und so weit, wie die Mistelwurzeln reichen, entfernt werden, damit sich keine Adventivknospen bilden können.

Das bloße Abschneiden der Büsche genügt nicht, weil sonst die Gefahr besteht, dass immer wieder neue Ausschläge entstehen, welche die Rinde durchbrechen und sich zu neuen Pflanzen entwickeln. Noch wirksamer ist aus diesem Grund der bei vereinzeltem Auftreten der Mistel mögliche Aushieb des befallenen Baumteils.

Für Obstbäume, in Baumschulen, schützenswerten Samenerntebeständen und kleinen Parkanlagen ist die Bekämpfung unbedingt erforderlich. Nach zwei bis drei Jahren ist ein Wiederholungsschnitt einzukalkulieren, um übersehene Misteln zu entfernen. Schon bei mittlerem Befall (5–10 vom Boden aus sichtbare Misteln pro Baum) sind meist Wiederholungsschnitte notwendig (Krüger 2015).

Sind diese Maßnahmen nicht praktikabel, sollten im Rahmen der Baumpflege, auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit, befallenen Äste abgeschnitten und starkbefallene Bäume entfernt werden. In Wäldern können vor allem die Nadelholzmisteln der Kiefer und Tanne ein forstliches Problem darstellen, das regional bereits bestandsweit, auch in Kombination mit anderen Schadfaktoren, auftritt.

Dies kann eindrucksvoll im Hessischen Ried beobachtet werden. Spektakulärstes Beispiel sind aber sicherlich die Veränderungen der Baumartenzusammensetzung im schweizerischen Wallis, wo die Waldkiefer in Folge des Klimawandels auch unter Beteiligung der Mistel durch die Flaumeiche verdrängt wird (Hilker et al. 2005; Rigling et al. 2006).

Die Laubholzmistel spielt aktuell im Wald eine untergeordnete Rolle. Sie ist die Mistel der Städte und Sonderstandorte (Auwald), da sich mistelempfängliche Laubbaumarten aktuell nur selten in Reinbeständen finden. Im Wald ist die Ausbreitung der Mistel kaum einzudämmen. Dennoch sollte gerade in Beständen mit noch geringen Befallsraten der Mistelbefall als negatives Vitalitätskriterium bei Durchforstungsmaßnahmen berücksichtigt werden und befallene Bäume nicht begünstigt werden.

Die Fällung stark befallener Bäume, die als »Mistelquelle« fungieren, ist in jedem Fall zu empfehlen. Ansonsten kann im Wald nur durch den Anbau mistelharter Baumarten bzw. mistelharter Herkünfte, sofern solche bekannt sind, präventiv gegen die Mistel gewirtschaftet werden. Dabei kommt der Rotbuche und den Eichen eine besondere Bedeutung zu.

Hexenbesen und Tannenhur

Pflanze ohne Wurzeln, und dann noch immergrün; unverzichtbare Zutat für einen Zaubertrank; Türöffner in das Reich der Toten; Heilmittel im Kampf gegen allerlei Krankheiten. Unsere heimische »Weißbeerige Mistel« ist mehr als nur eine von vielen Mistelarten, die weltweit in den tropischen, subtropischen und gemäßigten Zonen verbreitet sind. Interessant ist die Mistel vor allem wegen ihrer mythologischen Bedeutung, die sie in vielen Kulturen hatte und hat.

Die besondere Wuchsform der Mistel (Viscum album L.) als grüne Pflanze »ohne Wurzel« verlieh ihr im Altertum eine herausragende, teils heilige Stellung. Im Volksmund wird sie unter anderem Hexenbesen, Hexenkraut, Tannenhur oder Drudenfuß genannt (Tubeuf et al. 1923). Der deutsche Name Mistel leitet sich wohl vom germanischen Mihst (= Kot oder Ausscheidung) ab.

Die lateinische Bezeichnung »viscum« beschreibt die klebrige Eigenschaft der Samen. In der Welt der Mythologie ranken sich viele Legenden und Sagen um diese in vieler Hinsicht seltsame und bemerkenswerte Pflanze. Eine kleine Auswahl soll hier vorgestellt werden.

Der Druide und die Mistel

Die Germanen glaubten, die Mistelsamen würden von den Göttern in die Bäume gestreut. Die Mistel war somit ein Geschenk des Himmels, dem man spezielle, insbesondere heilende und fruchtbare Eigenschaften zuschrieb. Als heilig galten vor allem die sehr seltenen Mistelbüsche auf Eichen und mit ihnen auch die Eichen, auf denen sie wuchsen, denn diese Bäume waren von den Göttern auserwählt.

Die Mistelbüsche wurden von weißgekleideten Druiden, so beschreibt es Plinius der Ältere (Gaius Plinius Secundus, 23/24 – 79 n. Chr.) in seiner Naturgeschichte (Naturalis historia 16, 249–251), mit einer goldenen Sichel geschnitten und in einem weißen Tuch aufgefangen (Ramm 2006). Diese Form der Mistelernte ist also keine Erfindung von Goscinny und Uderzo für den gallischen, Zaubertrank brauenden Druiden Miraculix in den Asterix und Obelix-Heften unserer Zeit, sondern beruht auf dieser römischen Überlieferung.

Der Schlüssel zut Unterwelt

In der griechischen und römischen Mythologie stand die Mistel für die Unsterblichkeit, daher verwendet der Gott Hermes resp. Merkur Mistelzweige, um den Hades (Unterwelt) zu öffnen, wenn er die Seelen der Verstorben dorthin geleitete. Analog dazu verwendet auch Aeneas einen Mistelzweig, um aus der Unterwelt zu gelangen.

Weiße Beeren aus göttlichen Tränen

Auch in der nordischen »Edda« spielt die Mistel eine besondere Rolle. Ein Pfeil aus ihrem Holz tötet den Lichtgott Baldur. Seine Mutter Freya hatte zwar allen Tieren und Pflanzen schwören lassen, Baldur nicht zu verletzen, hatte aber die Mistel vergessen. Loki, der Feind der Asengötter, hatte dies erfahren und lies in einem übermütigen Götterspiel, in dem Baldur seine Unverletzlichkeit demonstrieren sollte, dessen blinden Zwillingsbruder Hödur mit einem Mistelzweig auf Baldur schießen.

Die Tränen der Freya ob des von ihr verschuldeten Todes ihres Sohnes wurden zu den Früchten der Mistel. Die mögliche Rückkehr Baldurs aus dem Totenreich veranlasste Freya dann, unter dem verhängnisvollen Mistelbusch Freudenküsse zu verteilen. Möglicherweise entwickelte sich aus dieser Legende der skandinavische Brauch, unter einem Mistelbusch ehemalige Feinde Versöhnungsküsse tauschen zu lassen. Was zum altenglischen Weihnachtsbrauch des Küssens unverheirateter Frauen unter einem am Türstock aufgehängten Mistelzweig überleitete.

"Kreuzholz" und Blitzableiter

Im christlichen Volksglauben des Mittelalters hatte die Mistel aufgrund ihrer gleichmäßig gegenständigen Verzweigung, die zu der Bezeichnung »Kreuzholz« geführt hatte, ebenfalls eine besondere Bedeutung. Der Legende nach bestand das Kreuz Jesu aus Mistelholz, was diese veranlasst haben soll, ihre Wuchsform als Baum aufzugeben und nur noch als Busch im Geäst anderer Bäume zu leben, ohne je wieder einen stärkeren Stamm auszubilden.

Das »Heilige Kreuzholz« der Mistel war daher als Schnitzholz für Rosenkränze oder geweihte Amulette begehrt. Noch heute wird am Palmsonntag den Palmbuschen in manchen Regionen ein Mistelzweig beigegeben, um damit für Fruchtbarkeit zu bitten. Ein weiterer Brauch hat etwas mit Pflanzenschutz zu tun: Das Aufhängen von Mistelzweigen an Obstbäumen in der Heiligen Nacht soll diese vor Blitzund Hagelschaden sowie vor Raupenfraß schützen (Kronfeld 1898).

Die Mistel als Heilpflanze

Im Altertum und im Mittelalter wurde die Mistel, da sie in »schwindelerregender Höhe« wächst, als Mittel gegen die Fallsucht (Epilepsie) angesehen. Epileptiker trugen daher Mistelamulette mit sich, um Anfälle zu verhindern. Darüber hinaus nutzte man Mistelextrakte gegen Bluthochdruck und zur Blutstillung. Rudolf Steiner (1861–1925), der Begründer der Anthroposophie, führte in den 1920er Jahren erste Mistelpräparate zur Behandlung von Krebserkrankungen ein.

Er vertrat die Ansicht, die Mistel könne ein Heilmittel gegen Krebs sein, da er Parallelen zwischen dem abnormalem Wachstum der Pflanze und dem der Krebszellen glaubte erkannt zu haben. Entsprechende Präparate werden auch heute noch bei Krebstherapien eingesetzt (Ramm 2006).

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