06.10.2023
Borkenkäferjahr 2023 – erste Zusammenfassung - Blickpunkt Waldschutz Nr. 14/2023
von Cornelia Triebenbacher, Karin Bork, Hannes Lemme

Später Start - wenig Bohrmehl

Zum 30. September wurden die letzten Fallenfänge im Borkenkäfermonitoring der LWF erfasst. Bis in Lagen von rund 800 m üNN konnte der Buchdrucker auch heuer wieder meist eine 3. Generation anlegen. Dabei sah es zum Saisonstart im Frühjahr zeitweise nicht danach aus. Denn erst in der ersten Maiwoche setzte in den Lagen bis 800 m ü. NN der Hauptschwärmflug der Fichtenborkenkäfer ein. Auch in Lagen darüber gab es an mehreren Fallenstandorten deutliche Käferanflüge. Bayernweit registrierten wir ein sehr konzentriertes Schwärmen mit hohen Anflugzahlen oftmals über der Warnschwelle für Stehendbefall von 3.000 Käfern/Falle/Woche, insbesondere in den Regionen Bayerischer Wald, Frankenwald und Teilen des Fichtelgebirges. Aber auch die tieferen Lagen in Niederbayern entlang von Inn und Donau, die südliche Oberpfalz, das nördliche Schwaben und Teile Mittelfrankens verzeichneten wiederholt hohe Fallenfänge.
Ausfliegende Käfer befielen zunächst v.a. liegendes, frisches Holz, aber auch geschwächte, stehende Fichten.
Da die Wasserversorgung der flachwurzelnden Fichten im Oberboden im April und Mai besser als in den Vorjahren war, trafen die schwärmenden Käfer zwar auf vitalere Fichten. Andererseits erschwerten die Niederschläge während der Schwärmzeit die Bohrmehlsuche. Ein Großteil der befallenen Fichten wurde daher trotz intensiver Suche nicht gefunden.
Anfang bis Mitte Juni schwärmten die Altkäfer erneut, um eine Geschwisterbrut anzulegen. Die Larvenentwicklung der 1. Generation schritt bei warm-trockener Witterung sehr schnell voran.
Auffällig waren dieses Jahr die dauerhaft sehr hohen Anflüge von Altkäfern aus dem Vorjahr an den Monitoringstandorten in den Monaten Mai und vor allem Juni (siehe Abb. 1). Bei mehr als zwei Drittel der Fallenstandorte lagen die Fangzahlen über der Warnschwelle von 3.000 Buchdruckern pro Falle und Woche. Spitzenwerte lagen im Bayerischen Wald bei 28.000 Käfern/Falle/Woche, dicht gefolgt von den Monitoringstandorten im Frankenwald und angrenzenden Regionen.

Starker Ausflug der 1. Generation trifft auf Trockenheit und Sturmwürfe

Ab Anfang Juli stieg der Jungkäferanteil in den Fängen mit 2-wöchiger Verzögerung im Vergleich zum Vorjahr deutlich an. Insbesondere in den Lagen bis etwa 600 m üNN flog in dieser Zeit die erste Jungkäfergeneration aus. Die ausschwärmenden Jungkäfer trafen auf zunehmend trockengestresste Fichten, insbesondere nördlich der Donau. Auch in Teilen Schwabens und westlichen Oberbayerns war die Trockenheit bis Mitte Juli bedenklich.
Ab Mitte Juli kam es lokal zu teils unwetterartigen Gewittern, die zu Einzel-, teils auch kleinflächigen Windwürfen führten. Die frisch gebrochenen oder geworfenen Fichten stellten für die schwärmenden Buchdrucker ideales Brutmaterial dar. Wurden die Windwürfe schnell gefunden, konnten eingebohrte Käfer im Zuge der Aufarbeitung unschädlich gemacht werden. Zu spät abgefahrene oder übersehene Schadhölzer hingegen induzierten neue Käferlöcher.
Der Ausflug der ersten Geschwisterbrut gegen Ende Juli ging in der akuten Befallssituation fast unter. Die Fangzahlen an den Monitoringstandorten sanken deutlich. Das lag sowohl an der eher kühlen und regnerischen Witterung als auch an dem zu der Zeit weit verbreiteten natürlich befallenen Brutmaterial, das weitaus attraktiver ist als der synthetische Lockstoff in den Fallen.

Turbosommer ermöglicht drei Käfergenerationen

Ende August bis Ende September waren bayernweit aufgrund der überdurchschnittlich warmen Witterung wieder deutliche Anflugzahlen an den Monitoringstandorten zu verzeichnen. Auch die Ämter hoben in dieser Zeit die Gefährdungseinschätzung deutlich an: Hitze und Trockenstress führten bayernweit zu einer deutlichen Zunahme des Stehendbefalls (siehe Abb. 2). An den ausgelegten Bruthölzern konnten bis zum Ende der Überwachung Eiablagen bis etwa 600 m ü.NN, vereinzelt darüber hinaus beobachtet werden. Wir gehen inzwischen davon aus, dass die Anlage der 3. Generation bis in Höhen von 800 m üNN möglich war. Bis 600 m üNN kann es auch teilweise noch zum Ausflug der 2. Geschwisterbrut gekommen sein.

Boxplot-Grafik zeigt den Schwärmverlauf des Buchdruckers 2023

Abb. 1: Schwärmverlauf des Buchdruckers 2023 in der Box Plot Darstellung; die rote Linie zeigt die Gefährdungsschwelle (3.000 Buchdrucker/ Woche und Falle), ab der mit Stehendbefall und Befallsausbreitung zu rechnen ist. Die dargestellten Boxen enthalten jeweils die mittleren 50% aller Werte; die obere Linie stellt die oberen 25 % aller Werte dar, die untere Linie die unteren 25% aller Werte. Der Querstrich in der Box ist der Zentralwert: 50% der Werte liegen unter bzw. über diesem Zentralwert. (© LWF)

Balkendiagramm zeigt die gemeldeten Anteile der Jungkäfer in den Fallenfängen aller Monitoringstandorte. Es ist ein Anstieg der Jungkäferanteile deutlich erkennbar.

Abb. 2: Gemeldete Anteile der Jungkäfer in den Fallenfängen aller Monitoringstandorte. Hier ist der Ausflug der 2. Generation ab Ende August durch einen Anstieg der Jungkäferanteile deutlich erkennbar. (© LWF)

Abb. 3: Gefährdungseinschätzung von Buchdrucker (links) und Kupferstecher (rechts) der ÄELF zum 30.09.23.(© LWF)
Der Kupferstecher war v.a. im Norden Bayerns zunehmend wieder am Befall beteiligt. Auch häuften sich Meldungen von Borkenkäferschäden an Douglasien- und Tannenverjüngungen. Dabei handelt es sich meist um den Furchenflügeligen Fichtenborkenkäfer (v.a. an Douglasie) und um Tannenborkenkäfer. Auch die Schäden an Tannenalthölzern durch die Tannenborkenkäfer nahmen stark zu. Der Lärchenborkenkäfer trat ebenfalls deutlich in Erscheinung.

Handlungsempfehlung: Zügige Aufarbeitung von Überwinterungsbäumen noch in diesem Jahr

  • Die Fichten aus dem Sommerbefall zeichnen in den letzten Wochen mit Nadelverfärbung und –verlusten sowie mit Rindenabfall bei grüner und roter Krone.
  • Nur ein Blick in die Rinde hilft im Herbst und Winter, um zu sehen, ob die Fichten noch Borkenkäfer befallen sind. Brechen Sie die Rinde auseinander und schauen Sie auch in tieferen Rindenschichten. Sind dort noch Borkenkäfer versteckt, ist eine rasche Aufarbeitung notwendig!
  • Erst wenn die Fichtenkrone kahl und die Rinde stark ausgetrocknet ist, haben die Käfer die Fichte sicher verlassen. Dann ist aber auch die Chance verspielt, das Ausgangsniveau der Borkenkäferpopulation für das kommende Jahr abzusenken.
  • Werden Fichten mit Borkenkäferbefall im Herbst nicht zügig aufgearbeitet, fällt die Rinde mit zunehmenden Frösten ab. Dies ist problematisch, da bei Rindenabfall die in der Rinde sitzenden Käfer „gezwungen“ werden, die Rinde zu verlassen. Bei warmen Temperaturen fliegen sie ggf. noch im Oktober und suchen sich einen neuen Überwinterungsstamm. Bei kühlen Temperaturen verbleiben sie in den abgefallenen Rindenstücken – zum Teil in mehreren Stockwerken - oder ziehen sich in den Boden zurück. Dort sind sie für eine waldschutzwirksame Aufarbeitung unerreichbar!
  • Für die Ausgangslage 2024 ist es daher entscheidend, befallene Fichten schnellstmöglich aufzuarbeiten, um einen Rindenabfall zu verhindern! Suchen Sie intensiv im Herbst und Frühwinter nach Überwinterungsbäumen. Die investierte Zeit und Energie machen sich im kommenden Frühjahr bezahlt!
  • Kontrollieren Sie auch von Tannen- und Lärchenborkenkäfer betroffene Bestände. Die Aufarbeitung ist die gleiche wie bei den Fichtenborkenkäfern! Allerdings ist die Entrindung nur im Larvenstadium sinnvoll, da sich die größeren Tannenborkenkäfer und der Tannenrüssler im Splint verpuppen und sich im entrindeten Stamm fertig entwickeln können.