Sebastian Gößwein und Gabriela Lobinger
Fichtenborkenkäfer und Trockensommer - LWF-aktuell 110
Das Jahr 2003 mit seiner außergewöhnlichen Trockenheit und Hitze war der Ausgangspunkt einer Massenvermehrung der Fichtenborkenkäfer, die sich über drei Jahre hingezogen hatte. Die Erfahrungen aus dieser Zeit geben wertvolle Hinweise darauf, wie sich die Situation in Bayern weiterentwickeln kann. Einzig die konsequente Umsetzung der »sauberen Waldwirtschaft« hilft den Waldbesitzern in dieser Situation.
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Abbildung 1: Fichtenkronen, die vom Kupferstecher befallen sind (Foto: H. Lemme)
Die Bekämpfung der Fichtenborkenkäfer wird 2016 die forstliche Schwerpunktaufgabe sein. Mit einer vollständigen Revitalisierung unserer Fichten nach dem Trockenjahr 2015 ist im Jahr 2016 noch nicht zu rechnen. Die Schwächung der Fichten durch Wassermangel macht sie weiterhin für den Befall durch Buchdrucker und Kupferstecher anfällig, da die Fichten den Käferangriffen nur geringe Abwehr durch Harzfluss entgegensetzen können.
Die Populationen des Kupferstechers und des Buchdruckers sind im vergangenen Jahr sehr stark gestiegen. Selbst wenn in diesem Jahr durch ungünstige Witterungsbedingungen das Vermehrungspotenzial der Fichtenborkenkäfer nicht erhöht ist, können sie aufgrund ihrer hohen Ausgangsdichten und der Abwehrschwäche der Fichte auch 2016 hohe Schäden verursachen. Waldbesitzer und Förster können den Befall nur durch eine konsequente saubere Waldwirtschaft eindämmen.
Folgende Maßnahmen müssen daher im Käferjahr 2016 im Vordergrund stehen:
1. Fichtenbestände regelmäßig auf Befall kontrollieren,
2. befallene Fichten vor Ausflug der Borkenkäfer aufarbeiten und rasch aus dem Wald abfahren,
3. sämtliches Kronenmaterial unschädlich machen und
4. Reisigmatte auf den Gassen kontrollieren und bei Befall mulchen.
Das Trockenjahr 2003 und die Borkenkäfersituation
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Abbildung 2: Der Buchdrucker gehört zu den gefürchtetsten Fichtenschädlingen.
(Foto: R. Petercord)
Im Jahr 2003 war eine starke Trockenheit in ganz Bayern zu verzeichnen, die zu erheblichem Wassermangel in den Waldbeständen führte. Dieser setzte in Nordbayern bereits im Juli und in Südbayern im August ein. Der Wassermangel verringerte die Abwehrkräfte der Fichtenbestände. Somit war es den Fichtenborkenkäfern möglich, schwere Schäden in den Fichtenbeständen zu verursachen.
Die Ausgangspopulationen von Buchdrucker und Kupferstecher waren zu Beginn des Jahres 2003 auf Latenzniveau. Während nahezu der gesamten Aktivitätszeiten der Borkenkäfer von April bis September herrschten optimale Befalls- und Entwicklungsbedingungen für die Borkenkäfer. Infolgedessen konnten beide Arten drei Generationen sowie mehrere Geschwisterbruten anlegen, was zu einem sprunghaften Dichteanstieg führte. In dieser Situation waren die Fichtenborkenkäfer in der Lage, sich durch Stehendbefall weiter unbegrenzten Brutraum zu verschaffen (Lobinger 2004a).
Keine Revitalisierung trotz günstiger Witterung
Im Folgejahr 2004 hatten die Fichtenborkenkäfer und deren Bruten den Winter unter der Rinde gut überstanden, so dass die Borkenkäferdichten weiterhin sehr hoch waren. Zum Schwärmbeginn im April war die Witterung feucht-kühl (Abbildung 3) und für die Borkenkäfer ungünstig, so dass sich der Flug deutlich verzögerte. Diese Witterung setzte sich bis in den Mai fort (Lobinger 2004b). Die Niederschlagsmengen entsprachen 2004 in ganz Bayern dem langjährigen Mittel, allerdings zeigte sich auf tonreichen Standorten der »Blumentopfeffekt«. Das bedeutet, dass aufgrund der starken Trockenheit Risse im Boden entstehen, wodurch das erste Wasser, das auf den Boden trifft, sehr schnell durch den Boden hindurchgeleitet und kaum aufgenommen wird (Raspe et al. 2004). Insgesamt mussten Waldbesitzer und Förster feststellen, dass sich die Fichtenbestände nicht genug revitalisiert hatten, um die Borkenkäfer abwehren zu können. Die Schadholzmengen waren 2004 höher als im Vorjahr und das Jahr schloss mit einer weiterhin hohen Dichte der beiden Fichtenborkenkäferarten (Abbildung 4).
Abbildung 3: Vergleich 2003-2004 Waldklimastation Freising
Abbildung 4: Schadholzmengen 2002 - 2005
Abbildung 5: Vergleich 2003-2015 Waldklimastation Freising
Unterschiedliche Entwicklungen bei Buchdrucker und Kupferstecher
Im Jahr 2005, dem zweiten Jahr nach dem Trockenjahr, entwickelte sich das Befallsgeschehen von Buchdrucker und Kupferstecher unterschiedlich. Der Buchdrucker verursachte weiterhin bayernweit erhebliche Schäden, wogegen beim Kupferstecher ein Rückgang zu verzeichnen war. Dieser Rückgang war auf zwei Faktoren zurückzuführen. Nachdem zwei Jahre nacheinander »normale« Niederschlagsmengen in Bayern gefallen waren, trat 2005 endlich eine deutliche Revitalisierung der Fichtenbestände ein, weshalb sie dem Kupferstecher, der nur geschwächte Altfichten erfolgreich befallen kann, weniger Angriffsmöglichkeiten boten (Lobinger 2005). Weiterhin zeigte die gezielte Bekämpfung durch Beseitigung des Kronenrestholzes ab dem Jahr 2004 Wirkung. Die intensiven Maßnahmen der Waldbesitzer senkten die Dichten des Kupferstechers erheblich.
Parallelen im Jahr 2015 und Folgerungen für 2016
Sowohl im Jahr 2003 als auch 2015 schwächte die starke Trockenheit die Fichten. Die Entwicklung des verfügbaren Bodenwasservorrats an der Waldklimastation Freising der Jahre 2003 und 2015 zeigt, dass ab August die Wasserversorgung des Fichtenbestandes bis in den November hinein eingeschränkt bzw. über mehrere Wochen sogar mangelhaft war (Abbildung 5). Zu der trockenheitsbedingten Schwächung der Fichten 2015 kam in Südbayern noch ein regional erhöhter Anfall von Brutmaterial durch den Frühjahrssturm Niklas hinzu. Die hohen Temperaturen begünstigten Befall und Entwicklung der Fichtenborkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher. Drei Generationen und mehrere Geschwisterbruten führten zu einer starken Erhöhung der Populationsdichten beider Arten. Für das Jahr 2015 zeigte sich wie schon 2003 zunächst ein erheblicher Befall der geschwächten Altfichten durch den Kupferstecher, erst in der Folge trat der Buchdruckerbefall stark in Erscheinung.
Aus der Entwicklung des Befalls durch den Kupferstecher in den Jahren 2003 bis 2005 lässt sich die Erholung der Fichten im zweiten Jahr nach der Trockenjahr sehr gut erkennen und ermöglicht eine Prognose des Verlaufs unter vergleichbaren Bedingungen. Mit einer vollständigen Revitalisierung der Fichten ist daher auch bei diesjähriger guter Wasserversorgung erst im Jahr 2017 zu rechnen. Damit wird auch – eine konsequente Bekämpfung vorausgesetzt – die Befallsgefahr auf ein normales Maß zurückgehen. Die Fichtenborkenkäfer müssen aber in den kommenden Jahren intensiv und konsequent bekämpft werden, ansonsten ist mit erheblichem Schadholzanfall zu rechnen. Im Umfeld einer befallenen, nicht rechtzeitig aufgearbeiteten Fichte kann bis zum Ende der Schwärmperiode Neubefall an über 400 Fichten entstehen.
Kontrolle des Kupferstechers
Der Befall durch Kupferstecher erfordert besonders hohe Aufmerksamkeit, da er erst durch Rotfärbung der Kronenspitze verhältnismäßig spät zu erkennen ist. Das in nur sehr geringen Mengen anfallende feine Bohrmehl ist ebenso nicht erkennbar. Waldbesitzer müssen ihre Fichtenbestände von April bis Oktober mindestens alle vier Wochen auf Borkenkäferbefall kontrollieren und befallene Bäume sehr zügig und komplett aufarbeiten. Gerade bei erhöhtem Kupferstecherbefall ist aber eine hohe Kontrollfrequenz wichtig, um eine Ausbreitung des Befalls zu verhindern. Bei unsicherer Diagnose sind unbedingt Probebaumfällungen erforderlich. Die Kontrolle der Stammrinde und der Krone gibt Klarheit über die Befallssituation.
Ausblick und Folgerungen
Im Zuge des Klimawandels ist mit zunehmenden Wetterextremen zu rechnen (Biermayer et al. 2012). Demzufolge werden auch Trockenjahre vermehrt auftreten. Die Fichtenborkenkäfer werden somit in Zukunft der begrenzende Faktor für Fichtenbestände sein, was vor allem für die Buchen-Standorte gilt. In der Folge von Trockenjahren bleiben die Populationsdichten von Buchdrucker und Kupferstecher über einige Jahre, mindestens jedoch für zwei Folgejahre, auf hohem Niveau. Treten nun die Trockenjahre in kürzeren Intervallen auf, steht zu befürchten, dass die Käferdichte gar nicht mehr auf Latenzniveau zurückgeht und somit immerzu ein hohes Befallsrisiko herrscht.
Die beiden Fichtenborkenkäfer sind auf wenige Nadelbaumarten spezialisiert, daher kann nur der Waldumbau hin zu strukturreichen Mischbeständen das Risiko einer Massenvermehrung vermindern. Dieser Umbau erfordert allerdings längere Zeiträume. Kurzfristig können die Fichtenbestände nur mit einer konsequenten Waldschutzvorsorge vor großen Schäden bewahrt werden.
Zusammenfassung
Es wird ein Rückblick auf die Entwicklung der Borkenkäfersituation 2003 und die Folgejahre gegeben und mit dem Trockenjahr 2015 verglichen. Die Erfahrungen aus dem Trockenjahr 2003 und den folgenden Jahren geben wertvolle Hinweise darauf, wie sich das Befallsgeschehen in Bayern weiter entwickeln könnte. Damit die Borkenkäferentwicklung nicht außer Kontrolle gerät, ist eine konsequente »saubere Waldwirtschaft« die einzig wirkungsvolle Maßnahme, die Waldbesitzern und Forstleuten zur Verfügung steht.
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