LWF aktuell 150
Chancen und Grenzen regionaler Forst-Holz-Ketten
von Markus Briechle, Christina Brand und Christoph Schulz
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Abb. 2: Regionalität hat viele Vorteile, zum Beispiel Verkehrsvermeidung durch kürzere Transportentfernungen. (© T. Hase, StMELF)
Das Projekt „CarboRegio" hat in der Beispielregion Allgäu verschiedene Fragen zur Regionalität untersucht. Das Projekt beschäftigte sich u.a. mit der Umsetzbarkeit regionaler Ketten und untersuchte dazu die Möglichkeiten und Grenzen der Produktion und Vermarktung heimischer Holzprodukte im Allgäu. Die Ergebnisse zeigen: Regionale Produktionslinien zu schaffen, zu erhalten oder auszubauen ist kein Selbstläufer, sondern verlangt viel Engagement, Ressourcen und Fokussierung.
Das Thema Regionalität ist im Lebensmittelbereich allgegenwärtig und wurde schon verschiedentlich wissenschaftlich untersucht (Brunori et al, 2016; Schmitt et al, 2017). Auch im Zusammenhang mit der Forst- und Holzwirtschaft wird Regionalität zunehmend erwähnt (z. B. BMEL 2021), ohne dass jedoch näher untersucht worden wäre, wo und wie sie sinnvoll umgesetzt werden kann. Es gibt viele Vorteile, die mit Regionalität assoziiert werden, wie z. B. Erhöhung der Wertschöpfung in der Region, Arbeitsplatzsicherung, Verkehrsvermeidung durch kürzere Transportentfernungen, Umweltschutz durch angepasste Produktionsmethoden oder Stärkung der kulturellen Identität (Ermann 2005).
Was ist eine Region?
Regionen existieren nicht von sich aus, sondern müssen vom Menschen konstruiert werden (Puetz 2024). Für das Projekt „CarboRegio" ergab sich die Festlegung der Region aus der Tätigkeit des Holzforums Allgäu, welches seit knapp 20 Jahren Vertreter der Wertschöpfungskette Forst und Holz im Allgäu verbindet. Räumlich orientiert sich die untersuchte Region an Verwaltungsgrenzen und setzt sich aus vier Landkreisen und drei kreisfreien Städten zusammen. Für ein „regionales" Holzprodukt wurde eine strenge Definition gewählt: Das Holz sollte aus dem Allgäu stammen und sowohl die Verarbeitung als auch der Absatz des Endprodukts im Allgäu erfolgen.
Was passiert im regionalen Sektor Forst und Holz
Um die Wege des Holzes im Allgäu zu untersuchen, wurde eine Stoffstromanalyse durchgeführt. Dazu wurden die Betriebe im Allgäu mithilfe von Daten der Handwerksinnungen und Erhebungen des Holzforums Allgäu identifiziert und anschließend eine schriftliche Befragung dieser Betriebe durchgeführt. Es wurden Mengen, Herkunfts- und Zielgebiete sowie Lieferanten- und Kundengruppen abgefragt und damit Stoffstromdaten zur Beschaffung und zum Absatz erzeugt. Referenzzeitraum war das Jahr 2020.
Insgesamt wurden 467 Betriebe in den verschiedenen Teilbranchen angeschrieben (Abbildung 1), von denen knapp die Hälfte antwortete. Später erhaltene Daten der Handwerkszählung von 2018 (LfStat 2021) zeigten, dass die Gesamtzahl der Schreiner- und Zimmereibetriebe im Allgäu deutlich höher ist als ursprünglich angenommen, wodurch sich die Gesamtzahl der Betriebe auf 905 erhöhte. Um die gesamten verarbeiteten Holzmengen zu erhalten, wurden die Angaben aus den Fragenbögen auf diese Gesamtzahl der Betriebe in der Region hochgerechnet.
Abb. 1: Befragte Betriebe und Rücklaufquoten
Teilbranche | Anzahl Betriebe | Rücklaufquote |
---|
Forstliche Zusammenschlüsse | 9 | 89% |
Forstverwaltungen/Forstbetriebe | 6 | 100% |
Forstunternehmen | 23 | 87% |
Hackschnitzelproduzenten | 12 | 100% |
Holzbrennstoffhersteller | 4 | 75% |
Sägewerke | 62 | 89% |
Großhändler | 10 | 10% |
Zimmereien | 115 | 38% |
Schreinereien | 222 | 30% |
Die Holzströme im Allgäu sind in Abbildung 3 dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur die auf den Markt gebrachte Holzmenge betrachtet wird (insgesamt knapp 1 Mio. Fm) und nicht der private Eigenverbrauch von Holz (geschätzt weitere 300.000 Fm). Zur Übersichtlichkeit sind nur Mengen über dem Schwellenwert von 10.000 m³ (entspricht etwa 1 % des Holzaufkommens in der Region) dargestellt. Daher sind beispielsweise keine Holzströme von den Großhändlern und den Sägewerken im Allgäu zu den Schreinereien zu erkennen, obwohl sie in geringem Maße existieren. Es gibt auch einen großen unbekannten Zufluss von Holzprodukten von außerhalb der Region direkt zu den Endkunden im Allgäu, z. B. durch Möbelhäuser.

Abb. 3: Darstellung der regionalen Holzströme im Allgäu in 1.000 Fm (Rohholz) bzw. m³; Ströme unter 10.000 Fm sind nicht dargestellt. (© LWF)
Auf den ersten Blick fällt in der Grafik auf, dass die Stoffströme selbst in einer vermeintlich übersichtlichen Region wie dem Allgäu sehr komplex sind. Obwohl eine große Holzmenge aus den Wäldern bereitgestellt wird, gibt es einen hohen Zufluss von Rohholz, Halbprodukten und Restholz in die Region. Besonders ins Auge springt der große Zufluss an Restholz zu den Holzbrennstoffherstellern, der für die Pelletherstellung im Allgäu benötigt wird. Es ist ersichtlich, dass dieser hohe Bedarf nicht durch das anfallende Restholz in der Region gedeckt werden kann.
Die regionalen Sägewerke könnten hingegen ihren gesamten Rohholzbedarf aus den Allgäuer Wäldern decken. Auch die von den Zimmereien und Schreinereien benötigten Schnittholzmengen können von den Sägewerken im Allgäu bereitgestellt werden, da diese mehr Schnittholz produzieren als in der Region verbraucht wird. Die Kette Wald-Sägewerke-Zimmereien-Endkunde ist mengenmäßig am bedeutendsten, während über die Schreinereien nur sehr kleine Holzmengen fließen. Es sind demnach insbesondere im Konstruktionsbereich regionale Potenziale vorhanden.
Dem hohen Zufluss in die Region steht ein noch höherer Abfluss gegenüber, der von Rohholz und Sägeware dominiert wird. Insgesamt führt das zu einem Nettoabfluss von Holz aus dem Allgäu.
Welche Hindernisse und Potenziale gibt es?
Zur Analyse der Einstellungen, Erfahrungen und Erwartungen zu regionalen Holzprodukten wurden im Frühjahr 2021 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit 17 Vertretern aus den verschiedenen Teilbranchen des Forst-Holz-Sektors im Allgäu geführt. Ein besonderer Fokus lag auf der Feststellung der Hindernisse bei der regionalen Bereitstellung und Vermarktung von Holzprodukten sowie auf deren Lösungsansätze. Die Ergebnisse der Interviews wurden im Herbst 2022 zudem nochmals in einem Workshop mit 20 Branchenvertretern diskutiert.
Als größtes brancheninternes Hindernis bemängeln viele der Interviewpartner das „Kirchturm-Denken" der Betriebe bzw. die fehlende Zusammenarbeit. Das Konkurrenzdenken und das Misstrauen der Betriebe untereinander verhindere gemeinsame regionale Projekte und Kooperationen. Ein Interviewpartner erklärte: „Es gab noch nie ein Ketten-Denken. Es gab immer nur ein Einzel-Denken der einzelnen Betriebe." Zudem wird das fehlende Bewusstsein für Regionalität als Problem erwähnt. Vielen Betrieben sei es egal, woher das Holz kommt, das sie für ihre Produktion benötigen.
Des Weiteren werden von nahezu allen Befragten die schwindenden bzw. fehlenden regionalen Strukturen als eines der größten Hindernisse genannt. Zum einen wird der Konzentrationsprozess bei den Sägewerken angesprochen. Ein Interviewpartner äußerte sich so: „Die Industrie hat es geschafft, die alle tot zu machen. Um den Markt zu diktieren. Und das ist hier auch so, wir werden immer mehr Sägewerke verlieren." Zum anderen wird auf die fehlenden Weiterverarbeitungsbetriebe (z. B. Hersteller von Platten) hingewiesen. Mehrfach werden als Probleme außerdem die zu geringen Transportkosten und der Fachkräftemangel im Handwerk genannt.
Als größtes Markthindernis wird die Wirtschaftlichkeit identifiziert. Die regionale Herstellung von Holzprodukten sei mit höheren Kosten verbunden, so dass die Preise bei regionaler Produktion entsprechend höher seien. Vielen Betrieben gehe es jedoch nur um den besten Preis und daher würden sie auf dem internationalen Markt möglichst günstig einkaufen bzw. möglichst teuer verkaufen. Ein Befragter drückte es so aus: „Ich muss ein Jahresergebnis abliefern, und wenn es dann woanders mehr gibt, dann geht es dort hin. Regional hin oder her." Die Wirtschaftlichkeit setzt der Regionalität also klare Grenzen. Zusätzlich werden die Diskrepanzen zwischen vorhandener und geforderter Qualität sowie zwischen produzierten und benötigten Sortimenten als Probleme auf dem regionalen Markt gesehen. Für die genannten Hindernisse gelten bei den Interviewpartnern die folgenden Lösungsansätze als die wichtigsten: Die Betriebe aus den verschiedenen Bereichen der Forst-Holz-Kette müssen ein Verständnis füreinander entwickeln und sich vernetzen, um die jeweiligen Bedürfnisse zu kennen und sich aufeinander abstimmen zu können. Für einen der befragten Zimmerer ist klar: „Da gibt es psychologische Hürden, die man einreißen muss, keine technologischen."
Darüber hinaus ist die Branche gefordert, die regionalen Strukturen so auszubauen, dass die in der Region benötigten Sortimente (z. B. KVH) auch regional produziert werden. Auch sollten über eine Art Rohstoffbörse Angebot und Nachfrage besser zusammengebracht werden. Außerdem ist die Außendarstellung der Betriebe und der gesamten Branche zu verbessern, um Bevölkerung, Planer, Bauherren und politische Entscheidungsträger für regionales Holz zu sensibilisieren und die Nachfrage zu erhöhen.
Passen Angebot und Nachfrage zusammen?
Um die potenzielle Nachfrage nach regionalen Holzprodukten im Allgäu zu erfassen, wurde im Sommer 2021 eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durch ein Meinungsforschungsinstitut durchgeführt. 1.000 Einwohner aus den Landkreisen und kreisfreien Städten im Allgäu wurden zu ihrer Einstellung zu regionalen Holzprodukten, ihrem Kaufverhalten, ihrer Zahlungsbereitschaft, u. a. befragt. Grundsätzlich steht die Bevölkerung im Allgäu regionalen Holzprodukten sehr wohlwollend gegenüber, was jedoch nicht der Einschätzung der Branchenvertreter entspricht. Nachfolgend werden zwei Aspekte aus der Bevölkerungsbefragung beschrieben und den jeweiligen Aussagen aus den Interviews gegenübergestellt.
Was wird als Region gesehen?
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Abb. 4: Brennholz, insbesondere Scheitholz, wird oft regional vermarktet. (© S. Goßner, LfL)
Bei der Bevölkerungsbefragung wurde auf die Frage, woher regionales Holz am ehesten kommt, von den vier vorgegebenen Antwortmöglichkeiten mit 44 % am häufigsten das Allgäu genannt. Bemerkenswert ist, dass knapp ein Drittel der Befragten mit Bayern eine deutlich weiter gefasste Region nannte. 11 % gaben mit Deutschland einen noch größeren Raum an, 15 % mit dem Landkreis einen kleineren. Unter den Vertretern der Branche verstehen ebenfalls die meisten das Allgäu oder ein Gebiet mit einem ungefähren Radius von 50 km als Region. Viele zählen aber auch noch angrenzende Gebiete mit dazu oder ziehen den Umkreis bis zu 100 km groß. Eine solche Region ist kleiner als Bayern, kann aber auch nach Österreich oder Baden-Württemberg reichen. Von einigen der Interviewten wurde betont, dass es grundsätzlich schwierig sei, eine Region zu definieren, da sie je nach Produkt und Verfügbarkeit variabel sei.
Die Ausführungen machen deutlich, dass die Definition der Region eine zentrale Herausforderung ist. Die Spanne der Antworten der Bevölkerung lässt vermuten, dass ihr eine nachvollziehbare Definition der Region vermittelt werden kann. Die Anbieter sollten also klären, wie die Region abzugrenzen ist.
Was sind geeignete Holzprodukte?
Brennholz ist ein naheliegendes regionales Holzprodukt und nach der Bevölkerungsbefragung hat es jeder Fünfte schon einmal gekauft. Holzmöbel wurden am zweithäufigsten genannt, gefolgt von Holzprodukten im Innen- und Außenbereich. Holzhäuser und Bauholz wurden hingegen sehr selten von den Befragten gekauft.
Unter den Vertretern der Forst-Holz-Kette werden grundsätzlich Produkte mit einer geringen Fertigungstiefe, die dezentral hergestellt werden können, als geeignet für eine regionale Vermarktung angesehen. Besonders das klassische Bauholz und allgemein Schnittholz werden oft genannt. Holzbrennstoffe sind nach Aussagen der Branchenvertreter bereits aktuell gut regional zu vermarkten, wobei Scheitholz am regionalsten ist, gefolgt von Hackschnitzeln. Endprodukte aus Massivholz werden seltener erwähnt und hier werden am ehesten Tische als geeignet angesehen.
Diese unterschiedlichen Einstufungen der geeigneten Holzprodukte zeigen, dass die Betriebe die vermarkteten Mengen betrachten, während es bei den Endkunden um die Anzahl der Käufe geht.
Zusammenfassung
Solange es genutzten Wald, Sägewerke, weiterverarbeitende Betriebe und Abnehmer in einer definierten Region gibt, ist die Bereitstellung regionaler Holzprodukte theoretisch immer möglich. Angesichts der Komplexität der Stoffströme, der Probleme bei der Abgrenzung einer Region, der Vielzahl der Betriebe und ihren heterogenen Einstellungen ist nicht zu erwarten, dass alle Betriebe an regionalen Ketten teilnehmen wollen oder können. Wenn mehr als einzelne, individuell organisierte Lösungen in einer Region angestrebt werden, ist eine regionale Organisation nötig, welche versucht, Einfluss auf die Stoffströme zu nehmen. Nach Innen kann das durch Austausch, Abstimmung und Kooperationen interessierter Betriebe erfolgen, wodurch aussichtsreiche regionale Ketten wie z. B. der Konstruktionsbereich aufgebaut, erhalten und vergrößert werden können. Nach Außen geht es darum, bei den Endkunden, Bauherren und Entscheidungsträgern ein Bewusstsein für regionale Holzprodukte und daraus resultierend eine Nachfrage zu schaffen. Eine gute Möglichkeit, regionalen Forst-Holz-Ketten einen Schub zu geben, wurde von mehreren Vertretern der Forst-Holz-Branche in den Interviews erwähnt: Die Kommunen müssen als Vorbild vorangehen und öffentliche Gebäude aus regionalem Holz ausschreiben.
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- Markus Briechle
- Christina Brand
- Christoph Schulz