Ottmar Ruppert, Wolfram Rothkegel und Stefan Tretter
Waldpflege im Klimawandel – LWF aktuell 128

Klimaangepasster Waldbau auf den Punkt gebracht

Welche ist die richtige Baumart für die Zukunft? Wie bringe ich meine Kahlflächen in Bestockung? Das sind wichtige Fragen, mit denen sich viele Waldbesitzer in der für sie katastrophengebeutelten Zeit auseinander setzen müssen. Häufig geraten dabei die bestehenden Bestände in den Hintergrund. Dies hat zur Folge, dass Anpassungschancen durch Pflege nicht genutzt werden. Um diese Bestände effektiv und klimagerecht zu pflegen und trotzdem nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt sich ein punktuelles Vorgehen über die gesamte Pflegekette.

Junge Eiche mit tollem Schaft und toller KroneZoombild vorhanden

Abb. 1: Ergebnis einer frühen und beharrlichen Pflege: 30-jährige Eiche mit vitaler und leistungsfähiger Krone (Foto: W. Rothkegel)

Viele Waldbesitzer- und Förstergenerationen waren es gewohnt, mit bewährten Baumarten und Bewirtschaftungsstrategien zu arbeiten. Doch viele altbewährte Rezepte greifen in Zeiten des Klimawandels nicht mehr. Die Auswirkungen von Schadereignissen und Dürreperioden sind inzwischen unübersehbar. Extremjahre kommen immer häufiger vor. Die Reaktion kann jedoch nicht Resignation oder hektische Betriebsamkeit sein, sondern das Erkennen, wie der Waldbesitzer Einfluss auf die Risikosteuerung nehmen kann.

Wichtig ist hier, dass auch im Waldbau Ertrag und Risiko eng miteinander verknüpft sind. Die Abwägung zwischen Ertrag und Risiko beginnt bei der Baumartenwahl. Reinbestände aus Nadelhölzern wurden häufig mit dem Ziel hoher Erträge begründet, bergen aber ein hohes Risiko. Diese Erkenntnis ist nicht neu, gewinnt aber durch den Klimawandel und die Häufung der Trockenjahre aktuell eine nie dagewesene Dramatik. Waldbauliche Maßnahmen können helfen, Risiken zu senken.

»Wer streut, rutscht nicht«. Dieser Satz gilt auch für die Waldbewirtschaftung: Mischbestände aus klimaangepassten Baumarten bieten eine weit geringere Gefahr für Schädigungen und Ausfälle als Reinbestände. Dies gilt nahezu für alle Baumarten und Standorte. Mit Mischbeständen beginnt daher die Risikovorsorge im Waldbau.

Man muss sich aber auch bewusst sein, dass sich mit dem verändernden Klima auch die Ertragsaussichten ändern. Die gewohnte Ertragsleistung der Baumarten wird bei ungünstigeren Wachstumsbedingungen durch weniger Wasser und höhere Temperaturen in der Vegetationszeit bei weitem nicht mehr erreichbar sein. Hinzu kommt, dass Zwangsnutzungen infolge von Kalamitäten häufiger werden und deutliche Auswirkungen auf Absatzmöglichkeiten und erzielbare Preise haben.

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Laubholzastung - Unsere Waldbautrainer erklären das Wichtigste

Waldpflege ist Risikovorsorge

Häufig wird zu wenig beachtet, dass die Waldpflege mindestens genauso entscheidend für die Risikovorsorge ist, wie die Baumartenwahl. Denn durch gezielte Pflege lassen sich viele Faktoren positiv beeinflussen, die entscheidend für die Klimastabilität von Wäldern sind. Dies beginnt bei der Steuerung der Baumartenzusammensetzung, die vor allem in jüngeren Beständen noch deutlich beeinflusst werden kann.

Es setzt sich fort über die Erhöhung der Einzelbaumstabilität und Vitalität sowie den Zuwachs des Einzelbaums, die durch Pflegemaßnahmen deutlich verbessert werden können. Die Wirkung der Waldpflege hat aber auch Einfluss auf die Stufigkeit der Bestände und die Möglichkeiten der Waldverjüngung. Die Waldpflege hat also viele positive Facetten, die auch schon lange bekannt und wissenschaftlich belegt sind. Durch den Klimawandel erhält sie jedoch eine neue Dringlichkeit.

Was ist denn nun anders als am bisherigen Waldbau? Vieles in der Pflege läuft ähnlich wie bisher, nur – das Ziel der Risikominimierung vor Augen – zielgerichteter, konsequenter und zeitlich schneller in der Abfolge der einzelnen Maßnahmen. Dabei sollte der Wirtschafter folgende Leitlinien vor Augen haben:
  • Natürliche Prozesse integrieren und zulassen
  • Gemischte und strukturierte Bestände anstreben
  • Bestände vitalisieren und vital halten
  • Nadelholz frühzeitig und dauerhaft stabilisieren
  • Zielbäume frühzeitig und zügig dimensionieren
  • In der gesamten Pflegekette punktuell vorgehen
  • Stetigen Fokus auf das Gewünschte richten – an den Zielbäumen orientieren
  • Frühzeitig vorsorgen durch natürliche Verjüngung oder Voranbau

Voraussetzung für die Waldpflege in allen Bestandesphasen ist es, für jeden Bestand eine Zielvorstellung zu entwickeln. Nur so können die zu fördernden Bestandsglieder identifiziert werden. Und nur durch den Abgleich von Soll und Ist kann eine effiziente Pflege erfolgen.

Steuerungsparameter

Diagramm das Dimensionen von Waldbäumen mit entsprechenden Pflegemaßnahmen zeigtZoombild vorhanden

Abb. 2: Einteilung der Altersklassen, Nutzungsarten und Maßnahmen in Abhängigkeit vom BHD und der astfreien Schaftlänge (Grafik: LWF)

Waldpflege beginnt bereits bei der Etablierung aus Naturverjüngung, Pflanzung oder Saat, setzt sich fort über die Qualifizierungs- bzw. Stabilisierungsphase sowie die Dimensionierungsphase und begleitet die Zielbäume noch bis in die Reifephase. In jeder Phase können durch zielgerechte Pflege die Eigenschaften des Bestandes und des Einzelbaums positiv beeinflusst werden. Und in jeder Phase ist Gelegenheit, den Bestand über seine Einzelbäume zu prägen, zu formen und zu gestalten. Dabei sind fünf Faktoren wichtig:

Mischung: Vor allem im frühen Bestandsalter wird über die beteiligten Baumarten entschieden. Bei der Bestandbegründung sollte möglichst die ganze Palette vorhandener Baumarten des Altbestands durch Naturverjüngung ermöglicht werden. Weitere gewünschte Baumarten können künstlich eingebracht werden. In allen daran anschließenden Phasen der Waldpflege muss auf die Sicherung möglichst aller Mischbaumarten abgezielt werden.

Auch in höherem Bestandesalter kann es sinnvoll sein, Mischbaumarten zu fördern: Selbst wenn diese keine hohe Wertleistung mehr liefern, können sie doch einen wertvollen Beitrag zur späteren Naturverjüngung leisten.

Vitalität: Vitale Bäume sind gegen Einflüsse von außen im Regelfall besser gewappnet und können sich entsprechend gut und zügig entwickeln. Deswegen sollten die Zielbäume nur aus dem Kollektiv der vitalsten Bäume ausgewählt werden.

Stabilität: Meist sind vitale Bäume auch stabile Bäume. Vor allem bei den Nadelbäumen steht die Stabilität im Vordergrund. Ein tiefer Schwerpunkt eines Baums mit über 50 % grüner Krone und einem Höhen-/Durchmesserwert (H/D-Wert) unter 80 bietet die besten Voraussetzungen für Windstabilität und optimalen Zuwachs.

Qualität: Sie steht hier nur an vierter Stelle der Steuerungsparameter. Hierauf wird bislang meist als erstes geschaut und dadurch oft zu lange gewartet bis weitere wichtige Pflegeeingriffe erfolgen. Astfreie Schaftlängen von 6 bis 8 m (= etwa ¼ der Baumhöhe im Endalter) reichen für die Erzeugung von Qualitäts- und Wertholz aus und ermöglichen dadurch aber einen frühen Einstieg in zügige Dimensionierung mit positiven Auswirkungen auf Vitalität und Stabilität.

Dimension: Eine zügige Dimensionierung kann Umtriebszeiten verkürzen und damit beispielsweise Klimarisiken minimieren. Der beste Einstieg in konsequente Dimensionierung ist die Phase mit der höchsten Höhenwuchsleistung der Bäume. Als Anhaltswert dient hier für alle Baumarten der Brusthöhendurchmesser (BHD) von 14 cm.

Punktuelles Vorgehen – in allen Bestandsphasen

Die Auslese, also der Blick auf das Positive, ist ab der Dimensionierungsphase wohl jedem bekannt, der Wälder bewirtschaftet. Sie ist verbunden mit einer Festlegung und Förderung der Ziel- oder Zukunftsbäume. Wir halten es für sinnvoll, wichtig und auch praktikabel, mit diesem positiven Blick auf die Bestandsglieder auch schon in jüngeren und ganz jungen Beständen zu arbeiten. So kann es nicht passieren, dass gewünschte Einzelbäume oder Mischbaumarten in der Vitalität oder Stabilität geschwächt werden oder untergehen.

So, wie man bei der Etablierung plant, wo welche Baumart am besten passt, geht es in der Pflege weiter. Unmittelbar nach erfolgreicher Naturverjüngung, Saat oder Pflanzung sollte die Pflege beginnen, zielgerichtet mit dem Blick auf das Erwünschte. Dies erfordert aber eine regelmäßigen Beurteilung des Bestands sowie eventuell notwendiger Eingriffe in kurzen Abständen (drei bis fünf Jahre v.a. in den Pflegephasen Qualifizierung und der beginnenden Dimensionierung) und setzt sich über das ganze Bestandsleben fort. Wir wollen das im Folgenden für die vier Phasen des Bestandslebens – Etablierung, Qualifizierung, Dimensionierung und Reifung/Verjüngung – (Abbildung 2) erläutern.

Etablierungsphase

Grafik, die räumliche Abstände von Pflegemaßnahmen zeigtZoombild vorhanden

Abb. 3: Das Schema der Jungbestandspflege kann für die gesamte Qualifizierungs- und Stabilisierungsphase angewendet werden. (Grafik: LWF)

Die Möglichkeiten der Bestandsbegründung über Naturverjüngung, Saat und Pflanzung sind bekannt. Neben flächiger, gruppen- und horstweiser Mischung besteht auch die Möglichkeit, Bäume und Baumarten in kleineren Einheiten zu beteiligen. Einzelmischung wurde lange Zeit kritisch gesehen, weil sie im Regelfall sehr pflegeintensiv ist. Allerdings gibt es Bestandssituationen (z.B. durch Hähersaat einzeln beigemischte Eichen) über die ein nennenswerter Eichenanteil mittels Pflege erreicht werden kann.

Naturgegebene Einzelmischung sollte daher übernommen und auch gefördert werden, wenn sie zielkonform ist. Gezielt in Einzelmischung zu pflanzen, ist dagegen riskant und sollte auch weiterhin vermieden werden. Mit mehr Sicherheit ist dagegen eine gezielte Beimischung in Trupps, Klumpen oder Nelderrädern möglich (LWF-Merkblatt Nr. 46 »Anreicherungskulturen«). In bestimmten Situationen kann auch eine Reihenmischung passend sein. Trotzdem erfordern diese Einbringungsformen eine intensive Beobachtung und gegebenenfalls steuernde Eingriffe. Damit können Lücken in Naturverjüngungen gefüllt werden oder es kann gezielt mit solchen kleinen Einheiten flächig vorgegangen werden, wenn noch Naturverjüngung oder Sukzession als Füllung auf der Restfläche erwartet werden kann. Sind diese Anreicherungen entsprechend markiert, können sie in den folgenden Pflegedurchgängen gezielt angesteuert und gesichert werden.

Auf der gesamten Fläche ist bereits in den ersten Pflegebeurteilungen der Blick auf das Positive sinnvoll. Sind die gewünschten Baumarten vorhanden und bis zur nächsten Beurteilung gesichert? Dazu ist es hilfreich, die Fläche in kleinen Beurteilungseinheiten zu begutachten. Dazu wird die Fläche gedanklich in kleine Teilflächen unterteilt und jeweils das Vorhandensein gewünschter Baumarten beurteilt. So reicht es, etwa im Abstand von acht bis zehn Metern, die gewünschten Baumarten als Option zu suchen und zu beurteilen, ob sie die nächsten Jahre gesichert ist. Die Sicherung kann in den frühen Jahren durch eine Schutzmaßnahme vor Wildverbiss oder Verfegen oder die Zurücknahme von benachbarter Konkurrenz zum Beispiel durch Knicken erfolgen. Es geht in dieser frühen Phase noch nicht um eine endgültige Festlegung auf bestimmte Bäume, sondern um das Vorhandensein und die Sicherung gewünschter Bestandsglieder. Wir sprechen daher von Optionen.

Eine Markierung mit bunten Zellstoffbändern erleichtert die Orientierung erheblich. Die ersten Eingriffe fallen besonders leicht, wenn man sie in Hüft- bis Brusthöhe durchführt. Hier sind Begehbarkeit und Übersicht noch am besten. Nebenbei können mit einer scharfen Bypass-Schere noch Form- oder Zwieselschnitte an gewünschten Bäumen durchgeführt werden. Ist die Begehbarkeit durch Brombeeren erschwert, ist ein solcher Eingriff noch wichtiger. In dieser Phase werden junge Bäume sehr häufig durch rankende Brombeeren umgedrückt, gegenenenfalls verstärkt durch Schnee. Wenn man eine bequeme Wiederbegehbarkeit abwartet, stellt man häufig fest, dass viele Jungbäume schief oder mit stark gebogenem Wurzelanlauf unwiederbringlich instabil sind.

In gleicher Bestandshöhe sind auch eventuell notwendige maschinelle Eingriffe zur Standraumerweiterung in undifferenzierten Fichtenbürstenwüchsen durchzuführen. Mit dem Freischneider stellt man streifenweise die Fichte auf etwa 2 mal 2 bis 2,5 m Abstand und belässt oder fördert dabei alle vorkommenden Mischbaumarten.

Qualifizierungsphase

Die Grenze zwischen den pflegenden Eingriffen in Anwuchs-, Jungwuchs- und Dickungspflege lässt sich nicht scharf ziehen. Das ist auch nicht notwendig, da das Vorgehen gleich bleibt. Es geht um die punktuelle Beurteilung und Sicherung von Optionen (oder zielgerechten Kandidaten) als Stellvertreter für das Umfeld von etwa 100 m² (LWF-Merkblatt Nr. 29 »Jungbestandspflege«). Ziele sind der Erhalt und die Sicherung der Mischbaumartenanteile sowie die Förderung der Vitalität und Stabilität ausgewählter Einzelbäume. Um das Ziel Qualität zu erreichen, ist der Dickungsschluss wichtig.

Die Eingriffsstärke orientiert sich in erster Linie an der Wuchsrelation zwischen der Option und den umstehenden konkurrierenden Bäumen und deren Entwicklung im Zeitraum bis zur nächsten Beurteilung. Je nach gewünschter Wirkung können ein oder mehr Bedränger entfernt, geköpft, geknickt oder geringelt werden. In den Zwischenbereichen zwischen den Optionen findet kein Eingriff statt, außer unerwünschte überstarke Vorwüchse (sog. »Superprotze«) lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt nur schwer oder manchmal gar nicht mehr entfernen.

Warum lassen sich die genannten Ziele kaum oder nur selten durch eine Negativauslese erreichen? Wenn man nur das Schlechte (Zwiesel, Protzen etc.) im Auge hat und entnimmt, besteht das Risiko, dass die Entwicklung der gewünschten Bestandsglieder übersehen wird und diese nach und nach verschwinden oder so unterdrückt werden, dass sie instabil werden. Häufig werden bei der Protzenentnahme, vor allem in schlechten Ausgangssituationen und wenn der Eingriff zu stark ist, die umstehenden Bäume ebenfalls wieder zu Protzen – das Kollektiv verschlechtert sich dadurch. Schwierig ist auch eine genaue Formulierung eines Pflegeauftrags, der hinsichtlich Negativauslese, Quantität und Qualität schwer zu beschreiben ist. Klarer kann ein Pflegeauftrag mit dem punktuellen Fokus auf das Positive, das Gewünschte formuliert werden.

Die Beurteilung nach dem beschriebenen punktuellen Optionenmodell setzt sich über die gesamte Jungwuchspflege- und Dickungsphase fort. Im Nadelholz bzw. bei beteiligten Nadelhölzern ist das besondere Augenmerk auf die Stabilität der Optionen gerichtet. Bei den Optionen beteiligter Laubhölzer sind Erhalt und Verbesserung der Vitalität im Vordergrund bei gleichzeitigem Erhalt des Seitendrucks zur Qualifizierung und Erreichung der gewünschten astfreien Schaftlänge.

Dimensionierungsphase

Grafik die Höhenzuwachs im Verhältnis zu Alter angibt: Birke zu Beginn stark, Lärche, fichte, Buche und Eiche mittelmäßigZoombild vorhanden

Abb. 4: Potenzielle Höhenzuwächse bei mittleren Standortverhältnissen für eine Beispielsregion »Östliches Tertiärhügelland«. (Grafik: LWF)

Der Übergang in die Dimensionierungsphase beginnt für den Einzelbaum mit Erreichen des BHD von 14 cm. Ein einfacher Einstieg, der unmittelbar an jedem Baum ablesbar ist. Für den Bestand ist der Übergang in der Regel fließend, da die Einzelbäume unterschiedlich entwickelt sein können. Etwa zu diesem Zeitpunkt befinden sich die meisten Baumarten im Lebensstadium des stärksten Höhenzuwachses. Diesen nutzt man aus, um eine frühe und zügige Förderung der Z-Bäume zu erzielen.

Pionierbaumarten (z.B. Birke, Schwarzerle, Vogelbeere, Aspe) erreichen als erstes dieses Stadium und stehen als erste, wenn sie am Zielbaumkollektiv beteiligt werden sollen, zur Dimensionierung heran, gefolgt von Ahorn, Nadelhölzern, Roteiche, Buche und Stieleiche. Beim zu dimensionierenden Laubholz ist neben dem BHD von 14 cm auch noch das Erreichen der gewünschten grünastfreien Schaftlänge ausschlaggebend.

Etwa ein Viertel der erreichbaren Baumhöhe, das sind etwa sechs bis acht Meter, sind für die Qualitätsholzerzeugung ausreichend. Ein zu langes Warten verlangsamt die Dimensionierung, kann Vitalität und Stabilität einschränken und erhöht damit das Risiko. Folglich reichen auch mal nur vier bis sechs Meter astfreie Stammlänge. Zusätzlich oder alternativ können Bäume auch durch Astung nachqualifiziert werden (LWF-Merkblatt Nr. 43 »Laubholzastung«). Für beteiligte Nadelbäume wäre dies ebenfalls der richtige Zeitpunkt für eine Wertastung, falls diese gewünscht ist. Für die Auswahl der Zielbäume sind vor allem Vitalität und Stabilität entscheidend. Es sollten also mindestens herrschende, besser vorherrschende Bäume ausgewählt werden, denn die beste Qualität nützt nichts, wenn der Baum im Zuwachs gehemmt ist.

Als Ziel der Dimensionierung sind beim Laubholz circa 75 % und beim Nadelholz circa 50 % Kronenanteil an der Gesamthöhe der Zielbäume anzustreben. Bei den Nadelbäumen soll der H/D-Wert dauerhaft unter 80 liegen. Nur so können vitale, stabile Einzelbäume entstehen, die schnell die gewünschten Zieldurchmesser erreichen. Der Abstand der Zielbäume ergibt sich aus dem erzielbaren Kronendurchmesser der beteiligten Baumarten im Endalter.

Der liegt meist zwischen 8 und 15 m, somit ergeben sich Zielbaumzahlen zwischen 50 und 150 Stück/ha. Eine Orientierung bieten die waldbaulichen Hinweise in der »Praxishilfe Klima–Boden–Baumartenwahl« der LWF. Die genannten Ziele können nur erreicht werden, wenn ab dem Einstieg in die Dimensionierung die Krone umlichtet wird und bleibt. Das heißt, dass keine Berührungen mit Nachbarbäumen bestehen und keine grünen Äste der Krone mehr absterben sollen. Die Zahl der Bedränger, die je Eingriff entnommen werden müssen, richtet sich nach der Häufigkeit und Folge der Eingriffe.

Die hohe Wuchsdynamik zu Beginn der Dimensionierung erfordert häufige Eingriffe, spätestens alle fünf Jahre. Die Eingriffe orientieren sich ausschließlich an den Zielbäumen, die Zwischenfelder bleiben unbearbeitet. Dieses punktuelle Vorgehen senkt damit auch den Aufwand. Die Zwischenfelder dienen zum einen als eventuelle Reserve bei Ausfall eines Zielbaums, zum anderen der Struktur und Vielfalt des gesamten Bestandes. Unter- und Zwischenstand um die Zielbäume ist zur Schaftpflege, d. h. Verhinderung von Wasserreisern, wichtig. Er muss erhalten werden, in die Krone einwachsende Unterständer sind gegebenenfalls auf den Stock zu setzen. Das Risiko von Wasserreiserbildung besteht auch bei Zielbäumen, ist jedoch weitaus geringer als die Angstreiserbildung bei eingeklemmten Kronen, bei denen zu lange auf eine Astreinigung gewartet wird.

Reife- und Verjüngungsphase

Auch in der Reifephase bleibt der Fokus stets auf die Zielbäume gerichtet. Die Kronen bleiben frei, die dazu notwendigen Eingriffszeiträume werden aber gegebenenfalls länger. Die Zwischenbereiche sowie der Unter- und Zwischenstand bleiben weiter unbehandelt, damit nicht unkontrolliert Licht auf den Boden kommt.

Die Zielbäume unterschiedlicher Baumarten werden auch zu unterschiedlichen Zeiten ihren gewünschten Zieldurchmesser erreichen. Durch Entnahme zielstarker Bäume lässt sich auch gezielt das Licht für die Anregung von Naturverjüngung oder den Voranbau steuern. Für hohen Lichtbedarf, zum Beispiel für die Verjüngung oder Saat von Lichtbaumarten, müssen entweder mehr zielstarke Bäume oder verstärkt Bäume aus den Zwischenfeldern entnommen werden.

Weitere Maßnahmen zur Risikominimierung

Junge Bergahorn im Bestand, die großzügig freigestellt sindZoombild vorhanden

Abb. 5: Die punktuelle frühzeitige Pflege und die konsequente Freistellung während der Phase der Dimensionierung ist bei allen Baumarten möglich, ob Birke, Aspe, Lärche oder wie hier bei Bergahorn. (Foto: W. Rothkegel)

Zum beschriebenen punktuellen Vorgehen sind noch weitere wichtige Grundsätze zu beachten. Dazu zählen: Beharrlichkeit, Feinerschließung, Waldnaturschutz und die Wildproblematik.

Beharrliche Wiederholung: Die konstante regelmäßige Beurteilung der Bestände mit daraus folgenden notwendigen Eingriffen ist zu keinem Zeitpunkt verzichtbar. Im frühen Alter können Mischbaumarten erhalten werden, später Vitalität, Stabilität und Zuwachspotenzial. Als Eingriffsrhythmus sollte aufgrund der Wuchsdynamik ein Fünf-Jahreszeitraum nicht überschritten werden. In jungen Bestandsphasen sollten die Intervalle eher noch kürzer sein.

Feinerschließung, räumliche Ordnung: Zu jedem Zeitpunkt wird die Bewirtschaftung durch ein sinnvolles Rückegassen- und Wegesystem ermöglicht und erleichtert. In größeren Beständen empfiehlt sich auch das frühzeitige Einlegen von Struktur- und Gliederungslinien. So geschaffene Waldinnensäume mit dem Wind zugewandtem tieferem Trauf der Randbäume schaffen Betriebssicherheit und Entscheidungsspielräume bei der späteren Verjüngungsplanung.

Waldnaturschutz: Zur Nutzung natürlicher Prozesse im Waldbau gehören auch der Schutz und die Förderung des Lebensraums und seiner Bewohner. Das beginnt bei der Entstehung von Waldstrukturen durch Mischanteile und Belassen unbearbeiteter Zwischenfelder, geht über Entwicklung und Schutz von Biotopbäumen sowie ausreichend stehendem und liegendem Totholz bis zur Vermeidung aller negativen Einflüsse auf Lebewesen und Boden. Es betrifft auch die Verwendung biologisch abbaubarer Betriebsstoffe sowie Abbau und fachgerechte Entsorgung von Fremdstoffen wie Zaunmaterial und Einzelschutz.

Wald vor Wild: Noch nie war die waldgesetzliche Forderung so wichtig wie in Zeiten des Klimawandels. All unser Bemühen um natürliche Prozesse kann durch überhöhte Wildbestände und seine Folgen zunichte gemacht oder in der Wirkung geschmälert werden. Das volle Potenzial an Naturverjüngung und Sukzession können wir nur bei waldverträglichen Verbisssituationen nutzen.

Ein Konzept für alle Bestände – geht denn das?

Das beschriebene Vorgehen kann im Prinzip auf alle Bestandessituationen angewendet werden. Entscheidend ist, vor dem waldbaulichen Eingriff eine Analyse des Bestandes vorzunehmen und eine Zielvorstellung für den Bestand zu entwickeln. Das Wissen zu den beteiligten Baumarten kann man unmittelbar in den einzelnen Pflegephasen an ihrem Wuchsverhalten, also am Höhenzuwachs oder ihrer Dimension (BHD) ablesen. Weitere Informationen bieten die Praxishilfen I und II »Klima–Boden–Baumartenwahl« sowie das Merkblatt Nr. 29 »Jungbestandspflege« der LWF.

Wurden Bestände bisher nur schwach oder gar nicht gepflegt, ist auch eine Pflege mit dem punktuellen Blick auf die vitalen, stabilen und zielgerichteten Bestandsglieder möglich. Hier ist jedoch die vorhergehende Bestandesanalyse besonders wichtig. Es müssen vor allem die Stabilität des Bestandes und der Einzelbäume sowie ihre Fähigkeit, auf Durchforstungen zu reagieren, berücksichtigt werden. Zur Risikovermeidung ist in solchen Beständen ein behutsameres Vorgehen bei erhöhten Abständen zwischen den Zielbäumen ratsam.

Die Eingriffsstärke muss so sein, dass Vitalität und Stabilität der Zielbäume verbessert werden, aber so vorsichtig, dass die Bestandsstabilität nicht gefährdet wird. Wichtig sind danach die Beurteilung der Reaktion und regelmäßige Wiederholungen maßvoller Eingriffe. Insgesamt werden die Umtriebszeiten in ungepflegten Beständen höher sein bis angestrebte Zieldimensionen erreicht werden können. Alternativ können die angestrebten Zieldimensionen auch niedriger gewählt und früher in die Verjüngung eingestiegen werden. Es ist aber nie zu spät für die Waldpflege!

Zusammenfassung

Für eine zukunftsfähige Waldbewirtschaftung im Klimawandel werden keine komplizierten Konzepte benötigt. Mit dem Ziel der Risikominimierung vor Augen, kann man den Blick ausschließlich auf das Positive in einem Bestand richten. Mischung, Vitalität, Stabilität und Qualität sind die Faktoren, mit denen von der Etablierung bis zum Beginn der Dimensionierung gewünschte Bestandsglieder im Abstand von 8 bis 10 m gesichert und gegebenenfalls gefördert werden.

Ab dem BHD von 14 cm und dem Erreichen der gewünschten astfreien Schaftlänge werden etwa 50 bis 150 Zielbäume fest ausgewählt und durch kontinuierliche Freistellung der Krone zügig dimensioniert. Der frühe Einstieg und die Beharrlichkeit der Eingriffe sichern ein zügiges Erreichen gewünschter Zieldimensionen. Das Belassen unbearbeiteter Zwischenfelder spart Kosten und fördert Struktur, Biodiversität und Vielfalt und unterstützt die Betriebssicherheit. Das Vorgehen ist für alle Bestands- und Mischungsformen geeignet. Auch vorhandene, bisher nicht oder anders gepflegte Bestände können im bemessenen Umfang durch Vitalisierung von Einzelbäumen gestärkt werden.

Literatur

  • LWF-Merkblatt Nr. 29 »Jungbestandspflege«: 2016 Wolfram Rothkegel, Ottmar Ruppert, Jakob Peter
  • LWF-Merkblatt Nr. 43 »Laubholzastung« 2020 Autoren: Wolfram Rothkegel, Ottmar Ruppert
  • LWF-Merkblatt Nr. 46 »Anreicherungskulturen« 2020 Autoren: Wolfram Rothkegel, Ottmar Ruppert
  • Praxishilfe I Klima–Boden–Baumartenwahl 2019: Hrsg. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
  • Praxishilfe II Klima–Boden–Baumartenwahl 2020: Hrsg. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

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