Hans-Joachim Klemmt
Mehr Mischung, mehr Produktivität - LWF aktuell 113
Forschungsergebnisse der Waldwachstumskunde beweisen positive Zusammenhänge zwischen Baumartenvielfalt und Produktivität
In einem viel beachteten Aufsatz im renommierten Wissenschaftsjournal Science ist es einem internationalen Forscherverbund, in den die TU München (Lehrstuhl für Waldwachstumskunde) und die LWF miteingebunden waren, gelungen, die positiven Effekte zwischen Baumartenvielfalt und Produktivität grundlegend nachzuweisen.
Die Studie zeigt global einen positiven Zusammenhang zwischen der Biodiversität und der Produktivität von Wäldern. Baumartenverarmung löst demnach signifikante Produktivitätsverluste aus. Dagegen kann die Umwandlung von Reinbeständen in Mischbestände hohe Produktivitätsgewinne erbringen.
Abb.1: Bergmischwald in der Nähe von Kreuth (Foto: W. Pförtsch, AELF Bayreuth)
Gründe hierfür sind Unterschiede in der Mischung, im Alter sowie in den Wuchsrelationen und Standortansprüchen der beteiligten Baumarten. Daher waren die Vergleiche von Zuwächsen und Vorräten von Rein- und Mischbeständen in der Vergangenheit nicht einheitlich bzw. konnten Unterschiede bisher nur unzureichend quantifiziert werden. Um diese Erkenntnislücke zu schließen, hat sich ein international besetzter Forscherverbund unter Leitung von Professor Liang (West Virginia University, Morgantown, USA) zum Ziel gesetzt, die Zusammenhänge zwischen Produktivität und Baumartenvielfalt grundlegend zu untersuchen.
Maßgeblich miteingebunden waren in diesen Verbund Prof. Dr. Hans Pretzsch (Leiter des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde der TU München) sowie Susanne Brandl (Mitarbeiterin in Abteilung »Boden und Klima« der LWF). Die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten mündeten 2016 in einem vielbeachteten, wissenschaftlichen Aufsatz im Wissenschaftsjournal Science (Liang et al. 2016).
490 Mrd. US-Dollar Verlust - jährlich
Abb.2: Fichten-Reinbestand im Tertiären Hügelland (Foto: W. Pförtsch, AELF Bayreuth)
Die Ergebnisse der Studie zeigen positive Zusammenhänge zwischen der Baumartenvielfalt und der Produktivität von Waldbeständen. Die Autoren folgern daraus, dass ein Rückgang der Baumartenanzahl auf der Fläche mit deutlichen Rückgängen in der Produktivität einhergeht, während in Mischbestände umgewandelte Monokulturen signifikant höhere Holzzuwächse erbringen können.
Aufbauend auf den Ergebnissen zur globalen Naturalentwicklung wurde ein hypothetischer jährlicher Verlust von 490 Milliarden US-Dollar errechnet, wenn sich weltweit betrachtet baumartenreiche Mischbestände immer mehr zu baumartenärmeren Mischbeständen oder zu Reinbeständen entwickeln, wie in den vergangenen Jahren immer mehr zu beobachten war.
Ergebnisse für die Forstpraxis
Zuwachsniveau steigt mit der Zahl der Mischbaumarten
Abb.3: Schematische Darstellung der Veränderung des Bestandeszuwachses mit zunehmender Artenzahl (verändert nach Pretzsch 2016)
Der Vergleichswert für die öffentlichen Wälder Bayerns liegt mit circa drei Baumarten nach der letzten Bundeswaldinventur etwas höher (LWF 2014). Abbildung 3 zeigt den Effekt der Baumartenanzahl in Beständen auf das Zuwachsniveau. Betrachtet man zunächst nur die Mittelwerte, so erkennt man, dass das Zuwachsniveau in Beständen mit mehr als einer Baumart deutlich höher liegt als in ungemischten Beständen mit lediglich einer Baumart.
Es wird allerdings auch ersichtlich, dass sich die Zuwächse durch das zusätzliche Einmischen weiterer Baumarten nicht unendlich steigern lassen. Pretzsch (2016) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es hierzulande praktisch keine gesicherten waldwachstumskundlichen Erkenntnisse zu Mischungen mit mehr als vier Baumarten gibt.
Mischung bringt bis zu 30% mehr Zuwachs
Neuere Forschungsergebnisse weisen allerdings auf multiplikative Effekte hin, weshalb Zuwächse und Bestandesdichten in Mischbeständen deutlich über dem gewichteten Mittel von Reinbeständen (auf gleichen Standorten) liegen können. Pretzsch führt hierzu aus, dass Artenmischungen den Zuwachs im Vergleich zum flächengewichteten Mittel entsprechender Reinbestände um 11 bis 30 % erhöhen können.
In Abbildung 3 symbolisieren die oberen bzw. unteren Rahmen die jeweiligen Grenzen. Ob sich in einem gemischten, gleichaltrigen Bestand das Zuwachsniveau eher an der Obergrenze oder Untergrenze des Rahmens bewegt, hängt von der Nischenkomplementarität der in Beständen gemischten Baumarten ab.
Werden Bäume mit relativ ähnlichen ökologischen Nischen zusammen ausgebracht (z. B. Fichte und Buche), so bewegen sich die Zuwachssteigerungen eher im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens. Werden hingegen Baumarten mit unterschiedlichen ökologischen Nischen gemischt (z. B. Kiefer und Buche), können deutlich höhere Zuwachssteigerungen erreicht werden.
Mischbaumarten mit unterschiedlichen ökologischen Nischen
Abb.4: Schematische Darstellung einer Nadelholz-monokultur (oben) und eines Mischbestandes (unten). (Grafik: LWF)
Komplementarität kann erreicht werden durch die Mischung von Licht- und Schattbaumarten, Nadel- und Laubbaumarten, Flach- und Tiefwurzlern, früh- und spätaustreibenden Baumarten oder durch die Beimischung von stickstoffbindenden Arten.
In Mischbeständen können bei gleicher Bestandeshöhe um etwa 10 % bis 30 % mehr Bäume, höhere Grundflächen und Vorräte stehen. Abbildung 4 verdeutlicht dies noch einmal schematisch für einen Reinbestand (oben) im Vergleich zu einem Mischbestand mit drei komplementären Arten.
Die dargestellten Zahlen für Zuwachserhöhungen bzw. Vorratserhöhungen von gleichaltrigen, gemischten Beständen im Vergleich zu Reinbeständen münden im zitierten Aufsatz in tabellarisch zusammengestellten Korrekturfaktoren für Reinbestandsertragstafeln.
In Verbindung mit Korrekturfaktoren aufgrund verbesserter Wachstumsbedingungen lassen sich so auf Basis von Reinbestandsertragstafeln realistische Größenordnungen für Zuwächse und Vorräte in Rein- und Mischbeständen für aktuell vorherrschende Wuchsbedingungen ableiten.
Ausblick
Eine weitere Präzisierung nach aktuell vorherrschenden bzw. vor dem Hintergrund des Klimawandels als zukünftig wichtig erachteten Baumarten muss vorangetrieben werden. Zudem wird eine weitere Konkretisierung nach Standorten in einer Codierung, die der Praxis zugänglich ist und die potenzielle Änderungen aufgrund klimatischer Änderungen berücksichtigt, von Seiten der Forstpraxis erwünscht.
Dank der Existenz sowie der konsequenten Weiterentwicklung langfristig angelegter, ertragskundlicher Versuchsflächen in Verbindung mit flächenhaft verfügbaren, weniger hochaufgelösten Daten aus Forstinventuren verfügt die Forstwissenschaft über entsprechende Datenquellen, die es ermöglichen, das Waldwachstum im komplexen Ökosystem Wald zu durchdringen und die auch zukünftig wertvolle, zuverlässige Grundlagen für die praktische Waldbewirtschaftung zu liefern.