Fichtenaltholz mit Buchenvoranbau

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Joachim Stiegler
Die Zeit heilt manche Wunden - LWF-aktuell 109

»Gut Ding will Weile haben«, lautet es im Volksmund. Allem voran Waldbewirtschafter im Hochgebirge wissen um die Bedeutung dieses Sprichwortes. Denn gerade dort dauert es oft sehr lange bis man die »Früchte seiner Arbeit ernten kann«. Im Jahr 1990 wurde diese »Ausdauer« schlagartig auf die Probe gestellt und damit neue Herausforderungen geschaffen. Die Stürme »Vivian« und »Wiebke« richteten in nur wenigen Tagen enorme Schäden in den Wäldern an. Mehr als zwei Jahrzehnte nach den Stürmen zeigen sich erste Erkenntnisse zu den Wiederbewaldungsprozessen im Bayerischen Hochgebirge.

Sturmwurffläche am HangZoombild vorhanden

Abbildung 1: Die Fläche HI-2 bei Bad Hindelang im Jahr 1991. Foto: A. Wörle

Die beiden Winterstürme »Vivian« und »Wiebke« hinterließen im Februar/März 1990 in den Wäldern der bayerischen Alpen eine Vielzahl von Sturmwurfflächen. Daraufhin richteten die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) und die Technische Universität München auf Sturmwurfflächen im Hochgebirge elf Dauerbeobachtungsflächen ein, um Erkenntnisse über die Wiederbewaldungsprozesse zu gewinnen.

Die Untersuchung zielte darauf ab, praxisrelevante Informationen über die Waldentwicklung und Verjüngungsdynamik auf Windwurfflächen im Gebirge zu sammeln. Im Vordergrund standen dabei die Zeitdauer und der Ablauf der Wiederbewaldung unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Ausgangssituation.

Versuchsdesign und Ausgangssituation

Hangfläche mit VerjüngungZoombild vorhanden

Abbildung 2: Die Fläche HI-2 bei Bad Hindelang im Jahr 2010,
aufgenommen vom selben Standort wie 1991. Foto: A. Wörle

Die Untersuchung erstreckte sich über die Wuchsbezirke »Mittlere Bayerische Kalkalpen« (15.5) und »Allgäuer Hochalpen« (15.7). Die elf Beobachtungsflächen befanden sich in der Nähe der Ortschaften Graswang, Bad Hindelang und Hohenschwangau (Tabelle 1). Sie lagen im Zentrum von insgesamt ein bis fünf Hektar großen Sturmwurfflächen und unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich Höhenlage, Exposition, Hangneigung und Bodentyp. Insgesamt herrschten –mit Ausnahme der beiden südexponierten Flächen HO-3 und HO-4 – auf den Untersuchungsflächen relativ günstige Standortsverhältnisse vor.

Eine Holzaufarbeitung und -räumung fand auf drei Flächen statt, auf acht Flächen wurde das Holz liegen gelassen. Auf den meisten Flächen fehlte unmittelbar nach dem Sturm eine Vorausverjüngung. Lediglich auf einigen wenigen Flächen (vgl. Tabelle 1) war zum Zeitpunkt des Sturms bzw. unmittelbar danach schon eine nennenswerte Zahl an Pflanzen mit einer Sprosslänge von unter 30cm vorzufinden. Auf drei Flächen wurden verschiedene Baumarten ausgesät, um neben der natürlichen Wiederbewaldung auch die Entwicklung von Saaten beurteilen zu können (Tabelle 1).

Die Aufnahme der Verjüngungspflanzen erfolgte getrennt nach Baumarten. Alle Pflanzen größer als 30cm wurden einzeln gemessen und beurteilt (Baumhöhe, Terminaltrieblänge, Wurzelhals- und Brusthöhendurchmesser, Wuchsformen und Schäden), bei kleineren Pflanzen (inkl. Keimlingen) wurde die Stückzahl erhoben. Insgesamt fanden vier Aufnahmen über einen Zeitraum von 20 Jahren statt (1991, 1995, 2000 und 2010).
Tabellarische Beschreibung der Versuchsflächen

20 Jahre später…

Pflanzenzahlen und Baumartenzusammensetzung

Baumbestand am Hang mit einem FluchtstabZoombild vorhanden

Abbildung 3: Die Graswanger Fläche GR-1 im Jahr 2010. Foto: A. Wörle

Über alle Untersuchungsflächen hinweg ergab sich eine durchschnittliche Pflanzenzahl pro Hektar in Höhe von etwa 7.500. Dieser Wert beruht allerdings auf unterschiedlichen Stichprobengrößen, d.h. die Flächengrößen der Untersuchungsflächen schwankten stark. Die Verjüngungssituation stellte sich auf den elf Versuchsflächen sehr unterschiedlich dar (Abbildung 4).

Auf den Flächen GR-1, GR-2 und GR-3 bei Graswang schwankte die Pflanzenzahl pro Hektar im Jahr 2010 zwischen 7.000 und 12.500. Der größte Teil der Verjüngungspflanzen wies dabei eine Höhe von unter 30cm auf. Diese Baumhöhenklasse setzte sich vor allem aus den Baumarten Bergahorn und Fichte zusammen. Das Kollektiv der Pflanzen, die die 30cm-Schwelle überwunden hatten, bestand 20 Jahre nach dem Windwurfereignis fast ausschließlich aus Fichten, die gewünschten Mischbaumarten fehlten.

Auf den Bad Hindelanger Flächen HI-1 und HI-2 fand sich wenige Jahre nach dem Sturmereignis eine laubholzreiche Verjüngung unter Beteiligung der Fichte ein. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Bergahorn, aber auch Weiden (überwiegend Salweiden) nahmen einen Anteil von circa 15 bzw. 22% bis zum Jahr 2010 ein.
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Wachstum

Aus Tabelle 2 wird ersichtlich, dass die mittleren Sprosslängen (nur Pflanzen > 30cm) bei gleicher Baumart zwischen den Flächen stark variierten. Die höchsten Sprosslängen erreichten die Baumarten Birke, Weide und Bergahorn.

Auf den Flächen Nähe Graswang kamen neben Fichte und Bergahorn kaum andere Baumarten vor. Die mittleren Sprosslängen der Fichte schwankten zwischen 70 und 87cm. Die höchsten Fichten überschritten die 300cm-Marke. Auf der Fläche GR-3 blieb das Wachstum im Vergleich zu GR-1 und GR-2 zurück. Die Fichten erreichten dort im Jahr 2010 lediglich eine mittlere Sprosslänge von 70cm.

Die Laubhölzer auf den Beobachtungsflächen HI-1 und HI-2 überschritten im Jahr 2010 eine durchschnittliche Sprosslänge von 150cm. Sie waren damit im Durchschnitt ausnahmslos größer als die Fichte. Einige Bergahorne und Weiden erreichten bis zum Jahr 2010 eine Sprosslänge von über 650cm. Die Weiden mit ihren ausladenden Kronen nahmen auf der Beobachtungsfläche zudem eine dominante Rolle ein.

Auf der Fläche HI-3 erreichte der Bergahorn im Jahr 2010 eine durchschnittliche Sprosslänge von nahezu 300 cm, alle ­anderen Baumarten – mit Ausnahme der Buche – blieben unterhalb von 200cm. Auf der Fläche HI-4 wiesen die Verjüngungspflanzen die höchsten Sprosslängen aller Versuchsflächen auf, allen voran die Baumarten Fichte, Bergahorn, Birke und Weide. Einige Birken erreichten im Jahr 2010 Längen von mehr als zehn Metern. Einzelne, interspezifisch ­kon­kur­rierende Individuen von Fichte (10m), Bergahorn (10m) und Weide (9m), eiferten dem Wachstum der Birken nach.
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Vorausverjüngung beschleunigt Wiederbewaldung

Dichte Verjüngung verschiedener BaumartenZoombild vorhanden

Abbildung 5: Im Schutz des Zaunes konnten sich nicht nur deutlich mehr Pflanzen verjüngen, sie waren auch höher als auf der Vergleichsfläche außerhalb des Zaunes. Foto: A. Wörle

Die kontinuierliche Zunahme der Pflanzenzahlen auf den untersuchten Flächen, die Schönenberger et al. (2003) auch für Windwurfflächen in der Schweiz beschrieben, macht deutlich, dass der Ansamungsprozess viele Jahre anhalten kann. Zugleich fanden sich die in den Altbeständen vertretenen Baumarten nur noch sehr eingeschränkt in der Verjüngung.

Dies ­unterstreicht die hohe Bedeutung von rechtzeitiger Vorausverjüngung im Altbestand, die die Wiederbewaldung der Windwurfflächen entscheidend begünstigen kann. Auch Schwitter et al. (2015) wiesen darauf hin, dass in reich strukturierten Beständen mit gut verteilter Verjüngung die Aussichten für einen günstigen Verlauf der Wiederbewaldung nach Sturmereignissen eindeutig besser sind.

Lässt man den Einfluss des Schalenwildes außer Acht, wird der Prozess der Wiederbewaldung neben der Ausgangssituation im Vorbestand vor allem von der Exposition bestimmt. Während sich auf nord- und nordwest-exponierten Flächen eine zahlenmäßig günstige und zum Teil sehr vielfältige Naturverjüngung eingefunden hatte, sind auf einer südexponierten Fläche zusätzliche Anstrengungen (z.B. Pflanzungen) nötig gewesen, um einen funktionsfähigen Bergmischwald zu etablieren.
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Zusammenfassung

Die Winterstürme »Vivian« und »Wiebke« hinterließen im Februar/März 1990 in den Wäldern der bayerischen Alpen eine Vielzahl von Sturmwurfflächen. Daraufhin richteten LWF und TU München elf Dauerbeobachtungsflächen ein, um Erkenntnisse über die wichtigsten Prozesse bei der Wiederbewaldung zu gewinnen.

Gut 20 Jahre nach den Stürmen kristallisierte sich heraus, dass auf nahezu allen Flächen zwar eine hohe Anzahl an Verjüngungspflanzen vorhanden war, die Baumartenzusammensetzung und die Höhenentwicklung jedoch eingeschränkt sind. Eine Schutzwirkung gegen die Entstehung von Lawinen ist nach wie vor nicht gegeben.

Wesentliche Einflussfaktoren auf die Wiederbewaldung sind die Verjüngungssituation im Vorbestand und die Exposition. Dies unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Vorausverjüngung der Bestände gerade im Alpenraum. Insbesondere auf kritischen Standorten, z.B. bei der Gefahr von Humusschwund, sind nach Windwurf Pflanzmaßnahmen zur Unterstützung der Wiederbewaldung sinnvoll.

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