Alfons Leitenbacher
"Vorbeugen und Heilen" im Schulterschluss – Die Bergwaldoffensive im Berchtesgadener Land – LWF Wissen 82
In Teilen unseres Bergwaldes sind negative Entwicklungstendenzen erkennbar (Abbildung 1). Sehr fichtenreiche Bestände weisen häufig Pflegerückstände auf, sind angesichts der zunehmenden Klimaerwärmung anfälliger gegenüber Sturmschäden und Borkenkäferbefall und verfügen – meist verbissbedingt – über eine unzureichende Verjüngung.
Schleichender Humusschwund und Nährstoffverluste destabilisieren das Ökosystem Bergwald zusätzlich. Oftmals sind die Bergwälder nur unzureichend erschlossen, was es den privaten Waldbesitzern massiv erschwert, zielgerichtete Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durchzuführen. Bevor aus solchen Bergwäldern neue »Sanierungsfälle« werden, gilt es gegenzusteuern.
"Vorbeugen statt Sanieren" – Das Konzept der Bergwaldoffensive
Das Ziel der Bergwaldoffensive (BWO) der Bayerischen Forstverwaltung ist es, gesunde, stabile, zukunftsfähige Bergwälder zu erhalten beziehungsweise zu entwickeln. Dieses Ziel muss nach Möglichkeit erreicht werden, bevor eine negative Walddynamik die Schutzfunktionen infrage stellt und aufwendige und teure Sanierungsmaßnahmen erforderlich macht. Der Grundgedanke ist, die privaten Waldbesitzer so rechtzeitig und effizient bei der Bergwaldbewirtschaftung zu unterstützen, dass es gar nicht erst zu gravierenderen Funktionsverlusten kommt. Das staatliche Angebot der Bergwaldoffensive setzt dabei auf Freiwilligkeit: Jeder kann, keiner muss!
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Abb. 2: Vereinbarungen mit den Waldbesitzern schaffen Klarheit und Verantwortungsgefühl. (Grafik: LWF)
Projektgebiete für die Bergwaldoffensive werden entweder auf Antrag der betroffenen Waldbesitzer eingerichtet oder aus fachlicher Sicht von einem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) angestoßen. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass Maßnahmen zur Anpassung der Bergwälder an den Klimawandel notwendig und sinnvoll sein müssen. Dies sind in der Regel ältere oder überalterte Beständen, die zusehends verlichten beziehungsweise sich aufzulösen beginnen und keine ausreichende Verjüngung aufweisen.
Nach einer ersten forstfachlichen Analyse werden alle Waldbesitzer des vorgesehenen Projektgebiets in einer Aufklärungsveranstaltung über die BWO im Allgemeinen, über die Ergebnisse der Situationsanalyse sowie über die forstfachlich für notwendig erachteten Maßnahmen informiert. Außerdem werden die Fördermöglichkeiten und die sonstigen Bedingungen für die Einleitung eines BWO-Projekts erläutert. Ein entscheidender Punkt dabei ist der Abschluss individueller Vereinbarungen zwischen dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und jedem einzelnen Waldbesitzer beziehungsweise jeder einzelnen Waldbesitzerin (Abbildung 2).
Neben der Einverständniserklärung zur Durchführung geplanter Maßnahmen wie dem gemeinsamen Wegebau und der Erklärung, eventuell entstehende Folgekosten selbst zu tragen und alles zu unterlassen, was den Zielen der BWO entgegensteht, müssen sich jede Waldbesitzerin und jeder Waldbesitzer verpflichten, in einer festgelegten Frist zumindest einen Teil der geplanten waldbaulichen Maßnahmen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Außerdem müssen alle Beteiligten ihren Willen zur Umsetzung eines zielführenden Jagdkonzeptes, das die Ziele und Maßnahmen der BWO unterstützt, schriftlich bekunden. Damit werden nicht nur die Waldbesitzer, sondern auch die jagdlich Verantwortlichen in die Strategie der Bergwaldoffensive eingebunden.
Diese Vereinbarungen haben in zweierlei Hinsicht eine sehr positive Wirkung: Sie machen den Beteiligten klar, dass die staatliche Unterstützung keine »Einbahnstraße « ist, sondern auch von jedem Einzelnen im Sinne von »Fördern und Fordern« ein spürbarer Beitrag erwartet wird, und zweitens stärkt es das Gemeinschaftsgefühl und die Motivation im Projektgebiet.
Unverzichtbar: Projektmanagement
Die Planung und Durchführung eines BWO-Projektes mit 20 – 40 oder mehr Waldbesitzern ist eine komplexe und zeitaufwendige Aufgabe. Daher kann sie in der Regel nicht »nebenher« vom zuständigen Revierförster miterledigt werden. Sehr bewährt hat sich der Einsatz von Projektmanagern, die – je nach Umfang – durchaus mehrere Projektgebiete betreuen können. Entscheidend für den Fortgang und den Erfolg ist, dass die Projektmanager kontinuierlich am Projekt und mit den Beteiligten arbeiten können, angefangen von diversen Planungen über die Erstellung von Waldumbauplänen und Einzelberatungen bis hin zur Abwicklung der finanziellen Förderung und der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit.
Finanzielle Anreize
Die Förderung erfolgt dabei möglichst über die bestehenden Förderprogramme für waldbauliche Maßnahmen und den Forstwegebau. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sinnvolle Einzelmaßnahmen zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel aus Gründen des öffentlichen Wohls auf Basis von »De minimis- Beihilfen«, zu finanzieren. Dabei handelt es sich um Beihilfen, die nicht von Förderprogrammen abgedeckt sind. Damit können auch nicht standardisierte Maßnahmen bedarfsgerecht umgesetzt werden.
Gemeinsam zum Erfolg – Das Bergwaldforum
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Abb. 4: Geeignete Mittel sind leicht verständliche und einprägsame Informationstafeln. (Grafik: BaySF)
Neu an der Bergwaldoffensive ist auch die Beteiligung verschiedener Interessengruppen im sogenannten »Bergwaldforum«. Landrat, Bürgermeister, Behörden und Verbände wie Alpenverein, Bund Naturschutz, Jagdverband oder Forstberechtigtenverband werden in unregelmäßigen Treffen des Bergwaldforums über den Fortgang der Bergwaldoffensive-Projekte – meist an konkreten Beispielen im Wald – informiert und in die weiteren Planungen eingebunden (Abbildung 3).
Mit diesem Instrument wird das Verständnis für die Belange des Bergwaldes und die Unterstützung erforderlicher Maßnahmen deutlich gesteigert. Diese Form der gesellschaftlichen Verankerung des Themas »Bergwald« ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Bergwaldoffensive. In den fünf Projektgebieten in den Berchtesgadener Alpen konnten so in den vergangenen sechs Jahren mit mehr als 200 Einzelmaßnahmen spürbare Erfolge bei der Ertüchtigung des Bergwaldes erzielt werden (Abbildung 4).
Die positive Entwicklung des Konzepts Bergwaldoffensive lässt sich auch daran erkennen, dass die Bayerische Staatsregierung darin inzwischen eine so wichtige und erfolgreiche Aufgabe sieht, dass sie mit zusätzlichem Personal verstetigt werden soll.
Zusammenfassung
Mit dem Konzept der »Bergwaldoffensive« ist ein neuer Ansatz gelungen, der die Brücke zwischen naturnaher Bergwaldbewirtschaftung und Schutzwaldsanierung schlagen soll. Nach dem Grundsatz »Vorbeugen statt Sanieren« soll negativen Entwicklungen im Privatwald frühzeitig entgegengewirkt werden. Erfolgsfaktoren auf dem Weg hin zu zukunftsfähigen Bergwäldern sind dabei die Freiwilligkeit nach dem Prinzip »Fördern und Fordern«, der Einsatz von Projektmanagern, flexible Unterstützungsmöglichkeiten und eine breite gesellschaftliche Beteiligung in den Bergwaldforen.
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