Ottmar Ruppert und Wolfram Rothkegel
Marteloskope im Waldbautraining – LWF aktuell 123

Bayerische Forstverwaltung nutzt seit einem Jahr erfolgreich eine neue Methode in der Waldbau-Fortbildung

»Die richtige Entscheidung wird einem erst nach der falschen klar« Diese These kann man für waldbauliche Entscheidungen mit Hilfe von »Marteloskopen« überprüfen. Mit diesem Instrument eines definierten Waldbestandes, über den alle waldbaulich wichtigen Aspekte mit Zahlen hinterlegt sind, lässt sich ein Waldbautraining auf solider Faktenbasis durchführen und methodisch interessant gestalten.

Kein Datenfriedhof, sondern eine Quelle für lebendige und lebhafte Diskussionen auf der Grundlage von Analyse und Zielsetzung mit unmittelbarer Auszeichnung als simulierte Maßnahme. Als »Sahnehäubchen« gibt es noch die Evaluierung der Auszeichnungsübung dazu.

Drei Männer stehen in einem Buchenwald und vermessen BäumeZoombild vorhanden

Abb. 1: Bei der Auszeichnung wechseln sich die Teilnehmer ab. (Foto: W. Rothkegel)

Im Zuge der Vorstellung des Integrate- Projekts (s. Kasten) des Europäischen Forstinstitutes (EFI) am Lehrstuhl für Waldbau an der TU München und einer sich später anschließenden Exkursion zum Marteloskop »Steinkreuz« (BaySF, FB Ebrach) mit Kennenlernen der neugeschaffenen Software Integrate+ entstand die Idee, dieses Instrument auch für das Waldbautraining der Bayerischen Forstverwaltung nutzbar zu machen.

Das vorgestellte Hilfsmittel beinhaltet alles, was unser bisheriges Vorgehen in Waldbautrainings kennzeichnet. Der Mehrwert, der sich durch die Anwendung der Software ergibt, ist die sofortige Sichtbarkeit der waldbaulichen Eingriffe und die Unmittelbarkeit der Darstellung der Ergebnisse über die Simulation der »durchgeführten« Maßnahme. Mithilfe der eingesetzten EDV-Technik ist es möglich, den waldbaulichen Eingriff als zusammengefasste Ergebnisse mit grafischer Aufbereitung darzustellen.
Integrate+

Integrate+

Integrate+ ist ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördertes Projekt zur Etablierung eines europäischen Netzwerks von Demonstrations- und Schulungsflächen zur stärkeren Integration von Naturschutzaspekten in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Das Integrate+ Projekt lief von Dezember 2013 bis Dezember 2016. Im Vordergrund steht die Förderung anwendungsorientierter Ansätze integrativer Waldbewirtschaftung in Kooperation mit Netzwerkpartnern aus Wissenschaft und Praxis.

Die Weiterentwicklung von Inhalten und Software von INTEGRATE+ erfolgt nun über die Infomar- Plattform.

https://informar.eu/ Externer Link

Einrichtung eines Marteloskops

Mit Hilfe interessierter und engagierter Kollegen am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth suchten wir einen geeigneten Waldbestand, der alle Voraussetzungen auch für einen anspruchsvollen waldbaulichen Beratungsfall aus dem Alltag der Kolleginnen und Kollegen widerspiegelt. Dies ist die Voraussetzung, dass die Waldfläche später genutzt werden kann und somit eine Identifikation mit den Verhältnissen erzeugt. Mit der Fläche von circa 0,5 ha eines Kiefern-Buchen-Mischbestandes mit beigemischten Lärchen und Fichten war das Objekt gefunden. Es erfolgte nach dem Markieren der Marteloskopgrenzen im Gelände die Aufnahme der wichtigsten Parameter:
  • Standortsbedingungen (Standortskarte/ BaSIS-Daten)
  • Stammfuß-Koordinaten und Baumart mit BHD und Höhe
  • Holzsortierung des stehenden Stammes mit Strukturen und Mikrohabitaten nach Integrate-Katalog
  • Kronenansatz (nur für ein Teilkollektiv)
Die erhobenen Daten wurden anschließend in eine Datenbank von Integrate eingespeist, aus der dann die Nutzungssoftware die Daten für die Darstellung und Auswertung der Auszeichenübungen bezieht und aufbereitet. Auf Grundlage der erhobenen Daten wurden eine Reihe standardisierter Auswertungen mit der EFI-Software durchgeführt und diese für das spätere Waldbautraining in Form von Postern und einem Handout aufbereitet.

Vorbereitung der Nutzung im Waldbautraining

Zwei bedruckte Blatt Papier, das Eine eine Tabelle, das andere wohl ein MerkblattZoombild vorhanden

Abb. 2: Checkliste und Merkblatt. (Grafik: LWF)

Über einen Workshop und einen »Waldbautrainings- Testlauf« mit Kolleginnen und Kollegen wurde im Weiteren ein Konzept für die Nutzung erarbeitet. Die Fragestellung in der Vorbereitung lautete: Wie können wir mit welchen Methoden den größten Lerneffekt erreichen?

Dazu halfen uns die Försterinnen und Förster aus der Praxis, indem sie sich auf eine erste Übung im Marteloskop einließen und uns zeigten, wie sie sich verhalten, wie welche Arbeitsaufträge funktionierten und welche Rückmeldung sie uns zu unserem Trainingsprogramm gaben. Aus dieser sehr fruchtbaren Vorgehensweise konnten wir, bestärkt durch die Rückmeldung externer Beobachter der Steuerungsgruppe »Waldbautraining«, ein eintägiges Programm erstellen, mit dem wir nun unsere Waldbautrainings auf der Fläche durchführen.

Das Tagesprogramm und seine Aufgaben

Die Zielsetzungen für das Waldbautraining sind, das waldbauliche Auge zu schärfen, Situationen besser zu erkennen und nachvollziehbare Beratungsziele und Maßnahmenpläne zu formulieren. Unser Vorgehen orientiert sich deshalb an den vier Hauptpunkten:
  • Analyse der Ausgangssituation
  • Ableiten der möglichen waldbaulichen Ziele (unter Berücksichtigung von Waldbesitzerzielen)
  • Formulierung und Umsetzung der Maßnahmen über die Auszeichnung der gesamten Fläche
  • Evaluierung von IST (Auszeichnungsergebnis) zu SOLL (Zielsetzung der Teilnehmer)
Alternativ dazu können auch Zielvorgaben eingespeist oder vorgegeben werden, um einen Waldbesitzerwunsch zu konkretisieren und somit Übungen nah am Beratungsalltag zu gestalten.

Dem Ansatz von Integrate, die Naturschutz- und Biodiversitätsaspekte in den waldbaulichen Ablauf zu integrieren, wird über die Aufgabenstellung und die Auswertungsmodule Rechnung getragen. Das Auge auch für weitere Aspekte zu öffnen bzw. zu sensibilisieren, kann hier konkret und detailliert geübt werden.

Dabei geht es darum, anhand der im Programm hinterlegten »Habitatwert«-Punkte und deren Veränderung durch die Auszeichnungsmaßnahme die Aspekte des Waldnaturschutzes bei waldbaulichen Maßnahmen zu beachten und zu integrieren. Zum einen gilt es, Mikrohabitate und Habitatstrukturen zu erkennen, zum anderen deren Wertigkeit und Funktionalität in der vorhandenen Waldstruktur und deren Entwicklungsfähigkeit einzuschätzen.

Erfahrungen mit dem Marteloskop

Ein Tablet mit Schutzhülle, auf dem Display sind viele gelbe, blaue und rote Punkte angezeigtZoombild vorhanden

Abb. 3: Integrate+- Software (Foto: W. Rothkegel)

Nach den bisherigen Veranstaltungen, die von den Teilnehmern sehr gut evaluiert wurden, sind unsere Erfahrungen als Waldbautrainer ebenfalls sehr gut. Sie stimmen uns optimistisch, das Instrument Marteloskop im größeren Rahmen in weiteren Waldbeständen in verschiedenen Regionen Bayerns einzusetzen.

Dazu benötigt man nicht unbedingt nur Waldbautrainer, es könnten hier motivierte und engagierte Kollegen vor Ort als Tutoren diese Übungen, in der Struktur im Sinne des Tagesprogramms, abhalten. Dadurch wird gewährleistet, dass eine Diskussion aus Erfahrung, mit Fakten hinterlegt, auf Augenhöhe geführt werden kann.

Weitere Nutzungsmöglichkeiten

Bunte Bändern sind um Baumstämme gewickeltZoombild vorhanden

Abb. 4: Jede Kleingruppe zeichnet mit zwei unterschiedlichen Farben aus. (Foto: W. Rothkegel)

Das Instrument Marteloskop hat seine Einsatzmöglichkeiten über das interne Waldbautraining der Forstverwaltung schon gefunden. Geschäftsführer forstlicher Zusammenschlüsse, Beschäftigte in den Kommunalwäldern, forstliche Sachverständige, interessierte Waldbesitzer, aber auch junge Kolleginnen und Kollegen im Studium oder in der Ausbildung können diese Flächen nutzen.

Ein weiterer »Nutzerkreis« können interessierte Dritte wie Naturschützer, Politiker und Schüler sein, die über verschiedene Frage- und Aufgabenstellungen dieses Instrument nutzen und Hintergrundwissen zu forstwirtschaftlichen Fragestellungen generieren. Für die unterschiedlichen Nutzergruppen ist je nach Vorwissen und Zielstellung ein angepasster Ablauf zu gestalten.

Nach dem Kennenlernen eines Marteloskops mit seinen Nutzungsmöglichkeiten besteht auch die Möglichkeit, noch einmal für sich alleine eine Übung nach eigenen Vorstellungen durchzuführen. Dazu kann man die entsprechende Software auf sein Smartphone laden oder in einfacherer Form mit Excel-Anwendung auf einem Tablet oder Toughbook üben.

Fazit

Eine Gruppe Männer steht um einen Anhänger, der mit Hilfe eines Beamers in eine mobile Leinwand verwandelt wurdeZoombild vorhanden

Abb. 5: Abgleich von Planung und Umsetzung. (Foto: W. Rothkegel)

Trotz der anfangs hohen Investition an Arbeitszeit, Finanzmitteln und Engagement hat sich der Weg zur Einrichtung von Marteloskopen bezahlt gemacht und wird sich unseres Erachtens auch zukünftig rechnen, da sich eine Vielzahl von Interessierten weiterbilden, Erfahrene neu eichen oder bisher Unsichere intensiver mit der Materie Waldbewirtschaftung – im Speziellen mit der Auszeichnung von Waldbeständen – und damit deren Nutzung auseinander setzen können.

Die Datengrundlage ist dabei ein objektiver Maßstab für kontroverse Diskussionen. Wir können das Instrument mit der eingesetzten Soft- und Hardware im Rahmen des Waldbautrainings aus heutiger Sicht nur weiterempfehlen.

Zugleich können Marteloskope auch in anderen Ausgestaltungsformen für andere Nutzerkreise oder Themenstellungen ein wirksames Instrument sein.

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