Hans-Joachim Klemmt, Alfred Wörle, Ewald Endres, Katrin Heiter und Jost Albert
Baumvitalität im Schlosspark - LWF aktuell 131
Abb. 1: Etwa 120 Hauptstrukturbäume wurden im Jahr 2020 auf ihren Vitalitätszustand hin untersucht. Seit 2003 hat sich der Kronenzustand der Nymphenburger Alteichen vielfach verbessert – wohl auch eine Folge der Durchforstungsmaßnahmen der letzten Jahre. Foto: R. Mößmer
Seit vielen Jahren untersucht die LWF die Vitalität und den Mistelbefall im Schlosspark Nymphenburg
Im Schlosspark Nymphenburg wird seit fast zwei Jahrzehnten der Gesundheitszustand der Alteichen nach dem gleichen Verfahren wie bei der Waldzustandserhebung im Rahmen einer Kooperation zwischen der LWF und der Bayerischen Schlösserverwaltung dokumentiert. Es hat sich gezeigt, dass sich der Gesundheitszustand der Alteichen nach mehreren Durchforstungen deutlich verbessert hat, dass allerdings die durchschnittlichen Blattverluste jährlich höher liegen als in Waldflächen Bayerns. Weiterhin wurde gemeinschaftlich ein quantitativer Ansatz zum Mistel-Monitoring an Laubbäumen entwickelt.
Alte Eichen prägen das Bild des circa 180 Hektar großen Nymphenburger Schlossparks. Seit mehr als 300 Jahren stehen sie schon hier. Die ältesten Eichen dürften wohl noch aus der Hutenutzung stammen, ehe der französische Nymphenburger Jagdpark mit seinen langen Alleeachsen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt wurde. Einige der heute noch vorhandenen Alteichen wurden vermutlich auf Anweisung des wohl berühmtesten Gartenarchitekten seiner Zeit, Friedrich Ludwig von Sckell (1750–1823) in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Park gepflanzt. Um die Jahrtausendwende hatte sich die Vitalität der ehrwürdigen Eichen teils deutlich verschlechtert. Um dem Problem auf den Grund zu gehen, ordnete das Bayerische Staatsministerium für Finanzen 2002 eine Überprüfung des Gesundheitszustandes der alten Eichen an. Daraus entstand ein Gemeinschaftsprojekt der Gärtenabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung (BSV) und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Die Projektumsetzung begann 2003 und dauert bis heute an. Die Projektpartner haben sich bereits darüber verständigt, dass das erfolgreiche Vorhaben auch in den nächsten Jahren weitergeführt werden soll. Nähere Informationen zu Ursprung sowie Ergebnissen bis 2011 enthält die Broschüre LWF Wissen Nr. 68 (2012), die über die Website der LWF abgerufen werden kann. In der Folge wurde der Gesundheitszustand der Alteichen von 2012 bis 2015 aufgenommen und ausgewertet, anschließend wieder jährlich ab 2018.
Behandlung
Abb. 2: Lage der erfassten Alteichen (grün markiert) im Schlosspark Nymphenburg. Foto: Bayerisches Vermessungsamt
Ergebnisse der Alteichen-WZE im Schlosspark
Abb. 3: Mittelwerte der Blattverluste in bayerischen Wäldern für die Baumartengruppe Eiche und für die Alteichen im Schlosspark Nymphenburg sowie der Entwicklungstrend für die Nymphenburger Alteichen
Neben den Nadelblattverlusten wird bei den Alteichen im Schlosspark auch der Fruktifikationsstatus jährlich angesprochen. Wie in den Wäldern auch, erwiesen sich Einzeljahre als Mastjahre, d. h. als Jahre mit reichlichem Fruchtansatz. Besonders stark ausgeprägte Mastjahre waren die Jahre 2007 und 2008 mit einem Fruktifikationsprozent von 78 % bzw. 67 % sowie die Jahre 2018 und 2020 mit Fruktifikationsprozenten von 95 % bzw. 77 %. Dagegen erwiesen sich die Jahre 2011 sowie 2019 mit jeweils 5 % Fruktifikation als äußerst ungünstige Jahre der Fruchtbildung.
Im Rahmen der Zustandserhebung an den Alteichen im Schlosspark Nymphenburg werden auch weitere biotisch und abiotisch verursachte Schäden aufgenommen. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 dominierten hierbei Fraßschäden, die durch Schmetterlingsarten wie Schwammspinner oder Frostspanner verursacht wurden. 2019 wurde erstmals der Befall einer Alteiche durch den Eichenprozessionsspinner aufgezeichnet. Weiterhin wurde 2019 und 2020 an einer Alteiche der Befall mit dem relativ seltenen Eichenwirrling (Daedalea quercina) festgestellt, einer Pilzart aus der Familie der Baumschwammverwandten (Fomitopsidaceae). Über die benannten Schäden an den Alteichen hinaus fällt im Schlosspark Nymphenburg an anderen Laubbäumen (insbes. Linden und Birken) der ausgeprägte Mistelbefall mit Laubholzmisteln (Viscum album) auf, der auch Gegenstand intensiver Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forst-wirtschaft ist.
Misteluntersuchungen
Abb. 4: Befallssituation der Linden an der Hochallee im Schlosspark Nymphenburg bei der UAV Befliegung im Jahr 2019. Foto: H.-J. Klemmt, LWF
Die bisher gewonnenen Daten ermöglichten die Entwicklung des sogenannten Mistelbefallsindizes (MBI), eines Indexes, der es ermöglicht, den Mistelbefall von Bäumen mit Hilfe einer dimensionslosen Maßzahl quantitativ zu beschreiben. Der Mistelbefallsindex errechnet sich dabei aus den Quotienten aus der Mistelfläche sowie der Kronenprojektionsfläche, jeweils bei zweidimensionaler Betrachtung. Der MBI kann demnach Werte zwischen 0 (=kein Mistelbefall) sowie maximal 1 (=Mistelfläche ist gleich der Kronenprojektionsfläche) annehmen und wird auf Einzelbaumebene berechnet. Bisher wurde er manuell berechnet, die Eingangsdaten wurden mit Hilfe einer GIS-Applikation händisch ermittelt. 2019 bewegte sich der MBI zwischen 0 (bzw. 0 %) und 0,441 (bzw. 44,1%). Im Mittel lag der MBI 2019 für alle betrachteten 319 Linden der Hochallee bei 0,071 oder 7,1 %. 2021 lagen die MBI-Werte zwischen 0 (bzw. 0 %) und 0,451 (bzw. 45,1 %). Der mittlere MBI 2021 lag bei 0,09 bzw. 9,0 %. Verteilt man die MBI-Werte auf fünf Klassen »kein Befall« bis »extremer Befall«, so ergibt sich für die Jahre 2019 und 2021 das in Abbildung 5 dargestellte Bild, welches die Ausbreitung der Misteln entlang der Hochallee im Schlosspark Nymphenburg zahlenmäßig beschreibt. Demnach ist die Mistelentwicklung in zwei Jahren entsprechend vorangeschritten.
Nach den vergleichenden Auswertungen der MBI-Werte der Jahre 2019 nach 2021 muss kritisch angemerkt werden, dass in circa 10 % der Fälle die Mistelflächen der Folgebefliegung deutlich kleiner waren als bei der Befleigung 2019, was nur zum Teil mit den 2019 entnommenen Misteln erklärt werden kann. Vielmehr wird als mögliches Problem die vergleichende, manuelle Abgrenzung der Kronen- und Mistelflächen angesehen.
Wertung der Ergebnisse
Abb. 5: Klassifizierter Mistelbefall im Schlosspark Nymphenburg nach den Ergebnissen der UAVBefliegungen 2019 und 2021
Die Beobachtungen zeigen, dass die Stieleichen mit den veränderten Umweltbedingungen (insb. höheren Temperaturen) bisher gut zurecht gekommen sind. Es muss aber in Betracht gezogen werden, dass der Schlosspark Nymphenburg mit seiner relativ günstigen Lage in einer niederschlagsreichen Region in Bayern nicht in der Lage ist, Extrema abzubilden. Gleichzeitig weisen die Ergebnisse darauf hin, dass eine gezielte Freistellung der Alteichen durch Entnahme von bedrängenden Bäumen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Vitalitätssteigerung der Altbäume führen kann.
Die Entwicklungen rund um den Mistelbefallsindex haben gezeigt, dass es möglich ist, den Mistelbefall quantitativ zu beschreiben. Weitere Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Automatisierung der Auswertung, sollen erfolgen. Aktuell wird die beschriebene Methodik im Rahmen eines Projekts auf Waldbäume übertragen, um eine zahlenmäßige, repräsentative Beschreibung der Mistelbefallssituation in bayerischen Wäldern zu ermöglichen.
Zusammenfassung
Literatur
- Petercord, R.; Schumacher, J. (2009): Insekten und Pilze als Auslöser allergischer Reaktionen. Jahrbuch 2009, S. 98–108
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Informationen
Autoren
- Dr. Hans-Joachim Klemmt
- Alfred Wörle
- Prof. Dr. Ewald Endres
- Katrin Heiter
- Jost Albert