Ottmar Ruppert, Hans-Joachim Klemmt, Manfred Schölch, Andreas Wurm, Birgit Reiter, Nina Oesterle und Gregor Aas
Wenn die Verjüngung ausbleibt - LWF-aktuell 110

»Buchberg bei Dürnberg« mit seinem hohen Anteil an alten Buchenbeständen eine Besonderheit in der Waldlandschaft dar. Da jedoch auf großer Fläche die Buchen-Naturverjüngung ausbleibt, besteht zukünftig die Gefahr, dass sich der Erhaltungszustand des Schutzgebiets verschlechtert. Die Gründe hierfür sind bisher ungeklärt. Die LWF hat daher in den letzten Jahren im Rahmen mehrerer Kooperationsprojekte versucht, die Ursachen wissenschaftlich zu ergründen. Nachfolgend werden die bisherigen Ergebnisse dargestellt und Ausblicke gegeben, wie die Gründe des Ausbleibens der natürlichen Verjüngung weiter erforscht werden könnten.

Das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet »Buchberg bei Dürnberg« zwischen Weißenstadt und Marktleuthen im Fichtelgebirge besteht aus zwei Teilflächen: Beim westlichen Teil handelt es sich um den eigentlichen Buchberggipfel (674 m ü.NN) mit einem alten, naturnahen Buchenwald, bei der östlichen Fläche, die als Neudorfer Fels bekannt ist, hingegen um einen markanten Felsrücken mit überwiegend lichtem Mischwald. Das 23 ha große FFH-Gebiet besteht überwiegend aus Wald, 5 % der Gebietsfläche sind offener Fels. Der Buchberggipfel, auf den sich die nachfolgend dargestellten Forschungsergebnisse beziehen, ist bereits seit 1938 ausgewiesenes Naturdenkmal. Die Grundstücke in diesem FFH-Gebiet befinden sich zu ¾ in der Hand umliegender Kommunen und zu ¼ in privater Hand.

Juwel Buchberg

Alter Buchenwald mit Felsblöcken.Zoombild vorhanden

Abbildung 1: FFH-Gebiet
»Buchberg bei Dürnberg« (Foto: G. Aas, Uni Bayreuth)

Der Buchberg umfasst einige sehr strukturreiche und naturnahe Laubwaldbestände, wie sie sonst im Fichtelgebirge nur noch selten zu finden sind (Abbildung 1). Die Wälder sind reich an Totholz und alten Bäumen, weswegen sie von vielerlei Tierarten – so zum Beispiel von Hohltaube, Sperlings- und Raufußkauz und diversen Fledermausarten – gern besucht und besiedelt werden.

Bedeutung haben ferner die teilweise spektakulär geformten Granitfelsen als Lebensraum für Moose, Farne und Flechten. In diesem FFH-Gebiet kommen die schützenswerten Lebensraumtypen LRT 8220 »Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation« sowie LRT 9110 »Hainsimsen-Buchenwald« vor.

Wenn der Wald sich nicht verjüngt

Seit Jahren beobachten Förster und Waldbesitzer vor Ort, dass sich die Buchen nicht verjüngen. Das Ausbleiben der Naturverjüngung zieht langfristig einen Konflikt mit dem Verschlechterungsverbot in FFH-Gebieten nach sich. Aus diesem Grund haben sich die Waldbesitzer und die Forstpraktiker vor Ort sowie das Natura2000-Team Oberfranken an die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) gewandt, die Ursachen mit wissenschaftlichen Methoden zu ergründen.

Im Rahmen von Kooperationsvorhaben mit dem Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG) der Universität Bayreuth und der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf (HSWT) wurden Abschlussarbeiten initiiert, deren Ergebnisse nachfolgend kurz vorgestellt werden. Allen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie versuchen, die unterschiedlichen Wuchsbedingungen innerhalb des FFH-Gebiets Buchberg im Norden, auf der Hochfläche (Plateau) bzw. im Süden und Südosten durch entsprechende Transektansätze bzw. durch die Ausweisung entsprechender Teilflächen zu berücksichtigen.

Aus 1.000 Bucheckern nur 1 Keimling

Die Situation einer Buchenvollmast im Jahr 2011 nutzend, untersuchte Wurm (2013) die Etablierung der Buchen-Keimlinge in der Vegetationsperiode 2012 qualitativ sowie quantitativ. Insbesondere sollte geklärt werden, inwieweit und eventuell welche ökologischen Parameter wie Klima und Witterung, Hangexposition, Überschirmung, anstehender Fels und Bodentiefe einen Einfluss auf die Dichte der Keimlinge haben.

Hierzu wurde in dem 3,4 ha großen Untersuchungsbestand am Buchberggipfel die Dichte der Buchenkeimlinge an fünf Terminen von Anfang Mai bis Ende August auf insgesamt 43 Probekreisen mit einem Radius von je einem Meter entlang von vier Transekten und in sechs Probezäunen erfasst. Von September bis November 2011 wurde mittels Samenfallen 9,8 Mio. Bucheckern pro Hektar als Buchenaufschlag ermittelt, was circa 1.000 Bucheckern/m² entspricht. Davon waren nach den Untersuchungen zur Keimfähigkeit 7,9 Mio. Bucheckern/ha oder 795/m² keimfähig.

Im darauffolgenden Mai 2012 konnten innerhalb des Zauns noch circa 40.000 Keimlinge pro Hektar, außerhalb des Zauns etwa 30.000 Keimlinge pro Hektar gezählt werden (Abbildung 2). Bis Mai 2014 ging die Zahl der Keimlinge nochmals deutlich zurück und erreichte außer Zaun nur mehr 2.102 Keimlinge/ha und im Zaun 15.648 Keimlinge/ha (Abbildung 3). Das Maximum der Dichte wurde bei der zweiten Aufnahme Ende Mai 2012 mit im Mittel 2,2 Keimlingen pro m² (außer Zaun) erreicht. Ende August waren es noch 1,1 Keimlinge pro m², was bei der Gesamtzahl der Keimlinge einem Verlust von 51 % entsprach.

Zwei Balkendiagramme zu Keimlingen zwischen 2011 und 2014.

Abbildung 2 (links): Obwohl im November 2011 fast 10 Millionen Bucheckern pro Hektar gezählt werden konnten, haben sich bis Mai 2012 lediglich bis zu 40.000 Keimlinge entwickelt.

Abbildung 3 (rechts): Bis 2014 ging die Keimlingsdichte nochmals deutlich zurück. Außerhalb des Zaunes lag die Keimlingsdichte stets deutlich unter der ohnehin geringen Keimlingsdichte im Zaun.

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Unterschiedliche Verlustraten, wie beispielsweise durch Insekten- oder Schneckenfraß bzw. Vertrocknen, führten dazu, dass am Ende des Untersuchungszeitraums am Nordhang die Dichte der Keimlinge weniger stark als am Südhang abgenommen hat, woraus geschlossen wurde, dass sommerliche Trockenheit, hier im speziellen die stärkere Einstrahlungsintensität am Südhang, eine Ursache für erhöhte Keimlingsmortalität war.

Ein signifikanter Einfluss der benannten ökologischen Parameter konnte in dieser Arbeit nicht nachgewiesen werden. Eventuell waren Witterungsextreme in der Zeit zwischen Samenfall im Herbst 2011 und dem Beginn der Vegetationszeit 2012 ursächlich für das festgestellte schwache Auflaufen.

Wildverbiss

Im gleichen Jahr untersuchte Reiter (2012) den Einfluss des Wildes auf die Etablierung der Buchenkeimlinge. Hierzu wurden im März 2012 sechs Wildschutzzäune errichtet. Durch das Untersuchungsgebiet wurden vier Transekte gelegt mit Probekreisen (r=1m) im Abstand von 15 Metern. Im Mai und Juni wurden zu drei Terminen auf jeweils 24 Probekreisen innerhalb und außerhalb der Zäune alle vorhandenen Buchenkeimlinge gezählt. Weiterhin wurden auf der Hälfte der Probekreise Keimlinge markiert, um potenzielle Schadursachen zu ermitteln.

In Anbetracht der zuvor gemessenen hohen Zahl keimfähiger Samen im Herbst 2011 (im Mittel 795 Stk/m²) konnten auf den Probekreisen im Durchschnitt nur 3,0 Keimlinge pro m² innerhalb der Schutzzäune und 1,3 Keimlinge pro m² außerhalb der Zäune festgestellt werden. Im Juni 2012 war die Dichte der Keimlinge auf den Probekreisen im Zaun mit 1,4 Keimlingen pro m² geringfügig höher als auf ungeschützten Flächen, wo nur rund 1 Keimling pro m² vorhanden war. Eine wesentliche Erkenntnis aus dieser Arbeit ist, dass mit Zaunschutz mehr Keimlinge überleben, daneben aber noch andere Faktoren dazu führen, dass sich trotz eines hohen Samenangebotes nur wenige Keimlinge etablieren können. Reiter weist in ihrer Arbeit darauf hin, dass für das Gelingen der natürlichen Verjüngung der Rotbuche an diesem Standort auch Klima- und Witterungseinflüsse sowie insbesondere standörtliche Faktoren (Boden und Humus) von großer Bedeutung wären.

Die Klimasituation in der Selb-Wunsiedler Bucht, deren Bedingungen auch eine klimatische Verbreitungsgrenze für die Buche kennzeichnen (mündl. Aussage Dr. Kölling), stellt eine ungünstige Rahmenbedingung für die Verjüngung der Buche dar. Der Einfluss des Wildverbisses auf den Erfolg der natürlichen Verjüngung von Rotbuche ist unter diesen Bedingungen jedoch vorhanden.

Holzvorrat und Wachstum

Hauptziel einer von Oesterle (2015) angefertigten Arbeit war die ertragskundliche Charakterisierung des FFH-Gebiets Buchberg sowie die Untersuchung von Klimaextremen auf den Radialzuwachs. Hierzu wurden am Ende der Vegetationsperiode 2014 vier Teilflächen (Nord, Plateau, Süd, Südosten) »klassisch« im Feld aufgenommen sowie Bohrspäne und Stammscheiben untersucht. Bohrkerne und Stammscheiben zeigten auf den Teilflächen erhebliche Unterschiede bei den Jahrringbreiten.

Die Naturalausstattung der Teilflächen unterscheidet sich deutlich, wie Abbildung 4 zeigt. Die niedrigsten Vorräte sowie die im Mittel schwächsten Stämme fanden sich auf der südlichen Teilfläche, die höchsten Vorräte hingegen auf der südöstlichen Teilfläche, gefolgt von der nördlichen Teilfläche.

Entstanden ist der heute auf dem Buchberg aufstockende Bestand auf allen Teilflächen auch durch Stockausschlag. Das Plateau hatte hierbei mit rund 35 % den größten Anteil an Stockausschlägen. Im Rahmen einer Recherche in den Stadtarchiven der Eigentümer der Waldflächen zeigte sich, dass diese Anteile früher noch weitaus höher lagen. Flächiger Stockausschlag bei der Baumart Rotbuche ist eine Besonderheit.
TeilflächeStammzahl [N/ha]Grundfläche [m²/ha]Durchmesser Grundflächen- mittelstamm [cm]Vorrat [VfmD/ ha]
Nord19734,146,9460
Plateau55246,332,7469
Süd41132,831,9288
Süd-Ost37547,240,0540
Abbildung 4: Ertragskundliche Kennwerte der unterschiedenen Teilflächen im FFH-Gebiet Buchberg

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Zur Charakterisierung der Altersstruktur der Untersuchungsbestände wurden auf den Teilflächen insgesamt zehn Probebäume gefällt und Stockscheiben sowie Bohrspäne in 130 cm Höhe (BHD) gewonnen. Obwohl gerade die Bohrspäne nicht einfach zu vermessen waren und im Datensatz mit Unschärfen zu rechnen ist, zeigten sich deutlich abweichende Alter zwischen den beiden Messstellen (Abbildung 5).

Das Altersspektrum der Probebäume bewegte sich zwischen 130 und 220 Jahren. Die mittlere Differenz von 54 (!) Jahren zwischen Stockalter und BHD-Alter ist ungewöhnlich und lässt vermuten, dass die Buchen im Höhenwachstum stark behindert waren und deshalb sehr lange Zeit benötigt haben, um eine Höhe von 130 cm zu erreichen.

Aufgrund von Problemen bei der Auswertung der Bohrspandaten konnten Reaktionen im Radialzuwachs auf klimatische Extremjahre im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgewiesen werden.

Ausblick

Die Untersuchungen zum Ausbleiben der Naturverjüngung im FFH-Gebiet Buchberg stellen ein gutes Beispiel für die Klärung von forstpraktischen Fragestellungen mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden dar. Die LWF als Forschungseinrichtung mit starker Praxisausrichtung dient dabei als Mittler und Kommunikator. Im vorliegenden Fall wurden Spezialwissen und Ressourcen von Universitäten und Fachhochschulen genutzt, um mit überschaubarem Aufwand Antworten auf die gestellten Fragen der Praxis zu finden.

Dem gezeigten Beispiel liegt eine Fragestellung zu Grunde, welcher nicht unter hohem Zeitdruck nachgegangen werden muss. Vielmehr erforderte die zu Beginn vorhandene unspezifische Feststellung der ausbleibenden Naturverjüngung ein mehrmaliges Nachjustieren der Forschungsansätze und der konkreten Fragestellungen. Die vorgestellte Vorgehensweise hat für alle Beteiligten Vorteile und soll daher zukünftig weiterhin zur Klärung forstpraktischer Fragestellungen genutzt werden. Die Untersuchungen zeigen auch, dass mit überschaubarem Aufwand praxisbezogene Fragestellungen untersucht werden können, wenn Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten.

Aufbauend auf den Voruntersuchungen soll in näherer Zukunft der Komplex »Standort und Boden« dezidiert untersucht werden. Von Interesse sind hierbei Fragen wie die Durchwurzelbarkeit der verschiedenen Humusformen für die Buchenkeimlinge oder das Vorliegen einer andersartigen oder fehlenden Mykorrhizierung, um mögliche Ursachen für die hohen Ausfälle der Keimlinge zu ergründen.

Zusammenfassung

Beim FFH-Gebiet Buchberg handelt es sich um ein Buchenreliktvorkommen, welches sich - betrachtet man Temperatur- und Niederschlagswerte - eher am Rand des klimatischen Verbreitungsgebietes dieser Baumart befindet. Für den Fortbestand ist die natürliche Verjüngung der aktuell aufstockenden Buchen von großer Bedeutung.

Aufgrund mehrerer studentischer Abschlussarbeiten konnte gezeigt werden, dass die Buchen ausreichend keimfähige Samen bildeten. Allerdings schaffte es nur ein sehr geringer Anteil, das Keimlingsstadium zu erreichen. Die Gründe hierfür sind derzeit noch ungeklärt. Dass der Faktor Wild zusätzlich einen negativen Einfluss auf die Etablierung der Buchenverjüngung hat, konnte gezeigt werden. Allerdings kann in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden, dass andere Faktoren für das schwache Auflaufen der Naturverjüngung maßgeblich sind.

Die Wuchsbedingungen und die Entwicklungsphasen der Bestände sind im FFH-Gebiet Buchberg auf den einzelnen Teilflächen unterschiedlich. Der aktuell aufstockende Bestand hat in der Vergangenheit ungewöhnlich lange Zeit benötigt, um den Status einer gesicherten Verjüngung zu erreichen. Weiterhin könnte von Bedeutung sein, dass viele der aktuell vorhandenen Bäume Stockausschläge sind und deshalb physiologisch sehr alt sind.

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