LWF aktuell 145
Kohlenstoffkreislauf in Wäldern schneller als vielfach angenommen
von Dr. Herbert Borchert
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Abb. 1a: Aus vielen kleinen Bäumen bleiben im Bestandesleben nur wenige große Exemplare übrig. (© M. Friedel)
Dass auch eine energetische Verwendung von Rohholz die Atmosphäre durch die Freisetzung von Kohlendioxid nicht zusätzlich belastet, weil die Wälder den Kohlenstoff durch den Holzzuwachs wieder binden, wird häufig mit Verweis auf das langsame Wachstum der Bäume bestritten. Wie schnell ist der Kohlenstoffkreislauf wirklich? Aus den Daten von periodischen Waldinventuren lässt sich die Dauer des Kohlenstoffzyklus leicht berechnen.
Ein Einwand, der immer wieder gegen die Annahme der Klimaneutralität bei der energetischen Holznutzung vorgebracht wird, ist das langsame Wachstum der Bäume. Zum Beispiel verweisen Ter-Mikaelian et al. (2015), Norton et al. (2019) und SRU (2020) auf Zeiträume von Jahrzehnten bis Jahrhunderte, die es benötige, bis die CO2-Freisetzung bei der Holzverbrennung durch das Baumwachstum wieder ausgeglichen würde. Dabei wird von der Zeitspanne für eine „Kohlenstoff-Rückzahlung" („carbon payback time") gesprochen.
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Abb. 1b: Aus vielen kleinen Bäumen bleiben im Bestandesleben nur weniger große Exemplare übrig. (© M. Ammich)
Doch wie schnell ist der Kohlenstoffkreislauf im Wald wirklich? Dies lässt sich sehr einfach anhand der Ergebnisse von Waldinventuren berechnen. Dabei beschränken wir uns auf das Derbholz und lassen den noch viel schnelleren Umsatz durch Blattwachstum und Streufall außen vor. Wir haben den Derbholzvorrat der Wälder und den jährlichen Holzzuwachs nach den Ergebnissen der Bundeswaldinventuren mit den baumartenspezifischen Raumdichten in Trockenmasse und diese wiederum in die Masse von Kohlenstoff umgerechnet. Dabei wurde der Holzvorrat von Beginn und Ende der Beispiels-Periode (2002 und 2012) gemittelt. Wird der Vorrat durch den Zuwachs geteilt, ergibt dies eine rechnerische Umschlagdauer der Holzmasse und damit auch des Kohlenstoffs in Deutschland von 29,7 Jahren, mit einer Spanne von 26 bis 34 Jahren in den Bundesländern.
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Abb. 2: Rechnerische Umschlagdauer des Kohlenstoffs (Vorrat/jährlicher Zuwachs) in Wäldern nach Bundesländern und im Durchschnitt von Deutschland in Abhängigkeit von der Kohlenstoffmenge im Derbholzvorrat. (© LWF)
Abbildung 2 deutet darauf hin, dass die Umschlagdauer umso kürzer ist, je niedriger der Vorrat im Wald ist. Dieser Zusammenhang scheint sich auch zu bestätigen, wenn die Entwicklung der bundesdeutschen Inventurdaten über mehrere Perioden hinweg betrachtet wird. In den alten Bundesländern dauerte der rechnerische Kohlenstoffumschlag zwischen 1987 und 2002 nur 25,6 Jahre. Zwischen 2012 und 2017 waren es für Deutschland 31,6 Jahre (abgeleitet aus der Kohlenstoffinventur).
Dieser Berechnungsweise kann entgegengehalten werden, dass in fast allen Ländern während der betrachteten Inventurperiode die Zuwächse größer waren als der Abgang. Der Abgang umfasst neben den genutzten auch die abgestorbenen Bäume. Wäre der Abgang größer gewesen, wäre möglicherweise der Zuwachs niedriger und damit auch die Umschlagdauer des Kohlenstoffs länger gewesen. Aus diesem Grund wurde der Vorrat versuchsweise auch durch das Mittel aus Zuwachs und Abgang geteilt. Der Umschlag von Kohlenstoff in den Wäldern Deutschlands dauert dann 32,2 Jahre zwischen 2002 und 2012 und die Unterschiede zwischen den Ländern sind geringer (Variationskoeffizient von 5 %). Ein Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoffvorrat und der Umschlagdauer ist dann nicht mehr erkennbar.
Viele scheiden früh aus, wenige speichern viel in hohem Alter
Der Umschlag des gesamten Kohlenstoffs der Wälder binnen nur drei Jahrzehnten dürfte auch viele Forstleute erstaunen. Schließlich denken die Waldbewirtschaftenden in Umtriebszeiten je nach Baumart von 80 bis 200 Jahren. Wie lässt sich also erklären, dass der Kohlenstoffzyklus so viel kürzer ist als das Nutzungsalter vieler Bäume? Zunächst sei klargestellt, dass es sich um eine rechnerische Umschlagdauer handelt. Tatsächlich bleibt natürlich ein Teil des Kohlenstoffs über die gesamte Lebensspanne eines Baumes auf der Waldfläche. Dafür muss aber die Verweildauer eines anderen Teils des Kohlenstoffs sehr viel kürzer sein, um insgesamt auf einen Durchschnitt von drei Jahrzehnten zu kommen.
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Abb. 3: Die Verteilung des Holzvolumens einer 120-jährigen Fichte mit BHD von 50,7 cm auf die Zeiträume, in denen das Holz entstanden ist. (© LWF)
Betrachten wir eine Baumkultur: Für die Pflanzung werden je nach Baumart 2.000 bis 9.000 Stück pro Hektar empfohlen (StMELF 2021). Bei natürlicher Verjüngung sind es mitunter mehrere zehntausend Pflanzen je ha zu Beginn der Bestandsentwicklung. In der Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe scheiden nach und nach die meisten dieser Pflanzen auf natürlichem Wege wieder aus oder werden im Zuge der Jungwuchspflege oder bei Durchforstungen entnommen. Bis zur Endnutzung bleiben nur wenige hundert Bäume übrig. Somit verbleibt der in den Pflanzen enthaltene Kohlenstoff auch nur eine kurze Zeitspanne in der lebenden Biomasse und nicht über den gesamten Wuchszeitraum des Waldbestandes. Betrachten wir dann das Wachstum eines einzelnen Baumes, der bis zur Endnutzung im Bestand verweilt: Mit dem Simulationsprogramm SILVA haben wir die Entwicklung eines Fichtenbestandes auf einem guten Standort modelliert. Wir haben dann die Entwicklung des Baumes genauer untersucht, der im Alter von 120 Jahren mit seinem Durchmesser in Brusthöhe dem Kreisflächenmittelstamm am nächsten war. Aus Abbildung 3 ist zu entnehmen, welche Anteile des Holzvolumens dieses Baumes in welchen Altersspannen entstanden sind. Während der letzten 30 Jahre sind 52 % des Holzvolumens hinzu gekommen. Somit war auch mehr als die Hälfte des im Derbholz enthaltenen Kohlenstoffs nicht länger als 30 Jahre fixiert gewesen. Nur ein Bruchteil des Kohlenstoffs war während der 120 Jahre durchweg im Baum gebunden.
Nun mag man denken, wenn so viel Kohlenstoff erst in höherem Alter der Bäume gebunden wird, könne man doch die Bäume einfach länger stehen lassen und würde damit die Speicherleistung der Wälder deutlich erhöhen. Dies stellt jedoch nur den Blick auf den einzelnen Baum dar, und blendet dessen Interaktion mit seinen Nachbarn aus. Welche Wirkung ein Stehenlassen auf den Abgang von anderen Bäumen und damit auf die Speicherleistung des Bestandes hat, lässt sich daraus nicht ableiten. Die Umschlagdauer des Kohlenstoffs sagt auch nichts darüber aus, welche Menge an Kohlenstoff in dieser Zeit umgesetzt werden kann und wieviel aus diesem Zyklus die Gesellschaft zweckmäßigerweise für einen stofflichen oder energetischen Einsatz oder für einen Vorratsaufbau verwenden soll. Allerdings eignet sich ein Verweis auf das langsame Wachstum von Bäumen nicht dazu, die Klimaneutralität einer nachhaltigen Holznutzung zu negieren.
Zusammenfassung
Ein häufig vorgebrachter Einwand gegen die Klimaneutralität bei der energetischen Nutzung von Holz ist das langsame Wachstum der Bäume. Um das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 wieder zu binden, bräuchten Bäume Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Anhand von Inventurdaten wird gezeigt, dass in Deutschland rechnerisch der gesamte im Derbholz der Wälder gebundene Kohlenstoff innerhalb von nur drei Jahrzehnten einmal ausgetauscht wird. Dass der Kohlenstoffzyklus viel schneller erfolgt als die in Deutschland üblichen Umtriebszeiten von Waldbeständen dauern, wird mit dem Ausscheiden vieler Bäume im Laufe des Bestandslebens und dem großen Anteil an Holzzuwachs in der letzten Lebensphase der Bäume erklärt. Die Umschlagdauer des Kohlenstoffs sagt allerdings nichts darüber aus, welche Menge an Kohlenstoff in dieser Zeit umgesetzt werden kann und wieviel aus diesem Zyklus die Gesellschaft für ihren Nutzungsbedarf abzweigen soll.
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