Beate Kohler und Robert Vogl
Forstverwaltung »meets« Jugendverbände – LWF aktuell 126
Bayerns Forstverwaltung strebt mehr Waldpädagogik für Jugendliche an
Jugendliche stehen mit ihren Forderungen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit derzeit im Fokus der Medien. Die weltweite Bewegung »Fridays for Future« und mehrere hunderttausend Jugendliche, die bis zur Coronapandemie auf den Straßen für mehr Klimaschutz demonstrierten, zeigen, wie sehr der Wunsch nach einer gerechten und lebenswerten Zukunft Jugendliche bewegt. Jugendliche interessieren sich für Nachhaltigkeitsthemen. Als Entscheidungsträger von morgen sind sie eine wichtige Zielgruppe, der sich die Bayerische Forstverwaltung in Zukunft stärker widmen möchte.
Abb. 1: Um Jugendliche zu erreichen ist die Zusammenarbeit zu verbessern (Foto: R. Nützel)
Die Aus- und Fortbildung von Multiplikatoren erscheint aufgrund seiner Effizienz und der zu erwartenden großen Reichweite als ein besonders vielversprechender Ansatz. Hierzu erfolgte im Rahmen eines Projekts der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf (HSWT) eine umfassende Kundenpotenzialanalyse.
Ziel dieser Untersuchung war es, das bereits bestehende Angebot sowie die Bedürfnisse und Wünsche potenzieller Zielgruppen zu erfassen. Im Fokus der Untersuchung standen Multiplikatoren in den vier Bereichen »Jugendarbeit in Verbänden«, »weiterführende Schulen«, »Kita« und »Gesundheitswesen«.
Untersuchungsaufbau
Abb. 2: Untersuchungsablauf (Grafik: LWF)
Auf Basis dieser Ergebnisse wurden in einem Expertendialog mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) die o.g. vier Multiplikatorengruppen für die Bedarfsanalyse (2) identifiziert. Die Analyse erfolgte im Rahmen von 68 Telefoninterviews. Durch die Zusammenführung der Ergebnisse von Ist- und Bedarfsanalyse konnten erste Gelingensbedingungen für erfolgreiche, zielgruppenorientierte Weiter- bildungsangebote im Feld der waldbezogenen Bildungsarbeit identifiziert werden.
Hierauf aufbauend erfolgte eine Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT-Analyse) (3) der gegenwärtigen forstlichen Bildungsarbeit in Bayern, mit dem Ziel, die Potenziale der o.g. Zielgruppen zu analysieren und eine Priorisierung der Zielgruppen für das weitere Vorgehen im Projekt vorzunehmen. Ergebnis dieses Prozesses war ein eindeutiger Fokus auf Multiplikatoren, die mit Jugendlichen arbeiten, konkret »Jugendarbeit in Verbänden« sowie »LehrerInnen weiterführender Schulen«.
Für beide Zielgruppen wurden Vorschläge für erfolgsversprechende Fortbildungen (4) erarbeitet. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die wesentlichen Ergebnisse zur Zielgruppe »Jugendarbeit in Verbänden«. Ergebnisse zur Zielgruppe »LehrerInnen weiterführender Schulen« werden in der AFZ/DerWald 2020 publiziert.
Aktuelles Angebot
Wald und Nachhaltigkeit in der Jugendarbeit von Verbänden
Abb. 3: Stellenwert von »Wald« in der Jugendarbeit der Verbände (Grafik: LWF)
Die Ergebnisse zeigen, dass Naturerfahrung und Naturbildung in der verbandlichen Jugendarbeit nicht im Vordergrund stehen. Zwei Drittel der Befragten betonen, dass die Jugendlichen eher an umweltpolitischen Themen wie Biodiversität, Klimawandel, Ernährung und Landwirtschaft interessiert seien und diese Inhalte zum Beispiel über Kampagnen und Aktionen in die Bevölkerung trügen.
Speziell nach dem Stellenwert von »Wald« gefragt, zeigt sich jedoch, dass »Wald« bei einem Großteil der befragten Verbände ein mittlerer bis hoher Stellenwert in der Jugendarbeit zukommt (Abbildung 3).
Abb. 4: Stellenwert von Nachhaltigkeitsthemen in der Jugendarbeit der Verbände. Die Schriftgröße korreliert mit der Häufigkeit der Nennung. (Grafik: LWF)
Nur wenige Befragte geben an, dass Wald überhaupt keine Rolle in ihrer Jugendarbeit spielt. Den geringen Stellenwert begründen sie mit einer überwiegend städtischen Umgebung sowie dem geringen Alltagsbezug des Themas.
Abbildung 4 zeigt, dass Themen der »Nachhaltigkeit« ein deutlich höherer Stellenwert zugesprochen wird als dem »Wald«. Dominierend ist dabei »Nachhaltiger Konsum« am Beispiel von Ernährung, Plastikmüll oder Textilverbrauch. Weitere Themen sind Biodiversität, Klimaschutz, Upcycling oder die Wertschätzung von Lebensräumen.
Interesse an Fortbildungen
Abb. 5: Bedarfsgerechte Fortbildungsinhalte und Rahmenbedingungen für JugendgruppenleiterInnen in Verbänden. Die Schriftgröße korreliert mit der Häufigkeit der Nennung. (Grafik: LWF)
Fortbildungen im Rahmen der Verbandsarbeit sollen nicht allein zur Wissensvermittlung dienen, sondern auch zur Förderung des Gruppengefühls, der internen Vernetzung sowie als Wertschätzung der ehrenamtlich tätigen GruppenleiterInnen (da die Kosten weitgehend vom Verband übernommen werden). Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen, sind eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Veranstaltungen.
Die Fortbildungen sollten ein- bis zweitägig sein, am Wochenende stattfinden und in einem Radius von 1–2 Std. Anfahrtszeit liegen. Die Kostenbeiträge für die JugendgruppenleiterInnen sind mit ca. 15,– €/ Tag gering. Der Hauptanteil der Kosten wird von den jeweiligen Verbänden übernommen.
Zusammenarbeit Forst und Jugendverbände
Chancen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Forst und Jugendverbänden wurden in der Authentizität von Forstleuten bei Waldthemen, den gemeinsamen Themenfeldern z. B. Nachhaltigkeit sowie dem beidseitigen Interesse an einer Zusammenarbeit gesehen. Darüber hinaus bieten Kooperationen mit Jugendverbänden forstlichen Akteuren die Möglichkeit, Akzeptanz für forstliches Handeln zu fördern, gleichzeitig aber auch andere gesellschaftliche Sichtweisen kennenzulernen.
Als Schwachpunkt wurde insbesondere die bislang vergleichsweise geringen Erfahrungen forstlicher Bildungsakteure im Umgang mit Jugendlichen und Verbänden und eine mögliche Zurückhaltung gegenüber der anspruchsvolleren Zielgruppe Jugendliche herausgearbeitet.
In einem zweiten Workshop, an dem Vertreter der Forstverwaltung und verschiedener Jugendverbände teilnahmen, wurden die Bedürfnisse und Interessen beider Seiten konkretisiert. Hierbei zeigte sich, dass forstliche Akteure in dieser Zusammenarbeit »neue Wege« begehen wollen, um den Stellenwert der Umweltbildung zu stärken und durch diese Allianzen stärker wahrgenommen zu werden. Inhaltlich sehen sie deutliches Potenzial in der Verknüpfung forstlicher Themen mit Schlüsselthemen nachhaltiger Entwicklung.
Die Akteure von Verbandsseite bewerten die Kompetenz und Expertise forstlicher Akteure zum Thema Wald positiv und sehen eine Bildungschance in möglichen Widersprüchen und Interessenskonflikten (z. B. zwischen Naturschutz und Forst). Wesentlich ist für sie jedoch, dass das spezifische Verbandsleitbild berücksichtigt bzw. bei einer intensiven Zusammenarbeit sogar »im Vordergrund« steht. Es wurden zwei Arten einer möglichen Zusammenarbeit unterschieden:
- Forstliche Bildungsarbeit als externe Dienstleistung für Verbände
- Kooperatives, gemeinsames Angebot von forstlichen Akteuren und Verbänden
Das Vorhandensein einer Anlaufstelle wurde von Verbandsseite als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gewertet, da diese »Halt und Konstanz« (Zitat) in den meist ehrenamtlichen und damit schwer greifbaren Verbandsstrukturen geben kann. Darüber hinaus erscheint eine entsprechende Infrastruktur im Wald für den Erfolg von Angeboten wesentlich. Konkret angedacht wurde ein Seminarhaus mit zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten.
Zusammenfassung
Dieses Vorgehen erscheint besonders erfolgsversprechend, da Jugendarbeit in Verbänden außerhalb des formalen Bildungswesens erfolgt und im Gegensatz zum schulischen Lernen freiwillig und intrinsisch motiviert ist. Mit den JugendgruppenleiterInnen verfügen Verbände über ebenso interessante wie bislang weitgehend unerreichte Multiplikatoren. Gleichzeitig könnten aber unterschiedlichste und oft schwer greifbare Verbandsstrukturen eine Zusammenarbeit mit Jugendverbänden schwierig gestalten.
Die vorliegenden Projektergebnisse stellen eine Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Jugendverbänden dar. Sie bieten die Chance eines erweiterten Dialogs zwischen Forst und Verbänden und die Möglichkeit, Jugendliche als Entscheidungsträger von morgen zu erreichen.
Die aktuellen Medienberichte zu den weltweiten Klimademonstrationen machen deutlich, dass Jugendliche bereit sind, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Jetzt bietet sich den Forstleuten die Chance, das Angebot der Jugendlichen, ihre Ideen und Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen, gezielt aufzugreifen und damit als moderne Dialogpartner in Erscheinung zu treten.
Projekt
Literatur
- StMELF – Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2017): Richtlinie Waldpädagogik in der Bayerischen Forstverwaltung vom 08. November 2017, Az.: F5- 7840-1/327