Waldarbeit und Holzernte im Forststudium – LWF aktuell 129

Fundierte Kenntnisse in der Waldarbeit und der Holzerntetechnik sind Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Revierleiter. Entsprechend groß ist der Stundenanteil für diese Themen im Studium Forstingenieurwesen an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Seit Oktober 2019 vertritt Florian Rauschmayr beide Lehrgebiete. Im Interview erklärt er uns, worauf es ihm ankommt und welche Schwerpunkte er dabei setzt.

Mann mit Glatze lächelt in die KameraZoombild vorhanden

Abb. 1: Florian Rauschmayr, HSWT (Foto: C. Josten)

Sehr geehrter Herr Rauschmayr, wie ist Ihre Lehre thematisch aufgebaut?
Ich gestalte die Waldarbeitslehre und die Holzerntetechnik so praxisnah wie möglich. Vier Semester lang haben wir mit ein bis zwei Übungen pro Woche viel Raum für die praxisnahe Ausbildung.

Thematisch beginnt es mit den Grundlagen der Waldarbeitslehre im zweiten Semester. Dazu kommen die forstlichen Betriebsarbeiten wie verschiedene Pflanzverfahren und der einwöchige Motorsägen-Lehrgang. Es folgen dann der Wegebau, die Wegepflege und die Grundlagen der mechanisierten Holzernteverfahren. Den Schwerpunkt bilden verschiedene Harvester-Verfahren mit motormanueller Zufällung, die aktuell sehr stark diskutiert werden. Auch Sonderverfahren wie die Stehendentnahme von Bäumen sind mit dabei. Den Abschluss der Grundlagen-Semester bildet die mündliche Prüfung, bei der das Stockaudit eine wichtige Rolle spielt.

In den höheren Semestern behandeln wir speziellere Themen wie Holzernte-Logistik, Bereitstellungsanzeigen, Digitalisierung von Betriebsabläufen mit verschiedenen Apps und die ELDAT-Möglichkeiten (Elektronischer Datenstandard für Holzdaten). Auf den seit letztem Wintersemester laufenden Online-Hybrid-Kurs in Zusammenarbeit mit dem Forstlichen Bildungszentrum Laubau der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) bin ich besonders stolz. Die Laubau liegt bei Ruhpolding in den Chiemgauer Alpen und verfügt daher über eine enorme Praxiskompetenz für die Holzernte in Steillagen. Hier wird deutlich, dass wir in Bayern durchaus Spezialisten sind.
Sie vertreten mit diesen Themen ein sehr umfassendes Spektrum an Lehrgebieten. Gibt es weitere Kooperationen? Wer unterstützt Sie bei den Lehrveranstaltungen?
Ja, die Kooperationen sind mir besonders wichtig. Insbesondere unterstützen uns die BaySF mit dem Forstbetrieb Freising samt Lehrrevier. Bei der digitalen Lehre und praxisnahen Projekten unterstützt uns federführend das Bildungszentrum Laubau. Aber auch die Forsttechnik der BaySF in Bodenwöhr ist mit im Boot. Die Waldbauernschule am Goldberg in Kelheim spielt eine wichtige Rolle und verschiedene Kollegen der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind bei Projekten wie der Kleinprivatwaldbewirtschaftung dabei. Was neu dazu kommt, ist die Zusammenarbeit mit den Wegebauberatern der Forstverwaltung, die den Wegebau wirklich vorantreiben. Auch zwei große private Forstunternehmen unterstützen uns bei verschiedenen Übungen und Lehrgängen.

Darüber hinaus habe ich zwei Lehrbeauftragte. Zum einen ist das der Forstingenieur Florian Gallenberger als selbstständiger Forstunternehmer. Zum anderen habe ich mit Ralph Kisslinger einen Forstwirtschaftsmeister, der auch bei der Berufsfeuerwehr München in der Leitstelle arbeitet. So haben wir ein großes Spektrum an Fortunternehmern und Dienstleistern, von denen die Studenten sehr profitieren.
Von welchem Erfahrungsschatz aus Ihrer vorherigen Tätigkeit profitieren Sie besonders?
Ich war selbst sieben Jahre lang in der Praxis. Angefangen habe ich bei einem forstlichen Unternehmer. Das war sehr gut, diese Seite kennenzulernen. Danach war ich mehrere Jahre Geschäftsführer einer Forstbetriebsgemeinschaft. Zu dieser Zeit habe ich die gesamte Holzernte-Kette vom Auszeichnen der Bäume über den Harvestereinsatz, der Qualitätskontrolle bis zur Abrechnung und der Holzvermarktung intensiv kennengelernt. Dieses breite Spektrum weitergeben zu können, davon profitiere ich am meisten.
Die Folgen des Klimawandels verändern die Wälder dramatisch. Wie wirkt sich das auf die Waldarbeit und damit auf ihre Lehrveranstaltungen aus?
Der Klimawandel ist für mich ein großes Thema. Das vermehrte Absterben von Waldbäumen erhöht die Gefahr für Unfälle leider erheblich. Einen Schwerpunkt setze ich mit den Fällhilfen und Fällsystemen mit Fernbedienung. Damit können Bäume mit Kronentotholz oder stehendes Totholz möglichst erschütterungsfrei und kontrolliert zu Fall gebracht werden. Aber auch die klassischen Seilwinden-Verfahren sind Teil der Lehre. In anderen Situationen wie beim Sturmwurf kommt der Spruch »Kalamitätsholz ist Maschinenholz« zum Tragen. Hier sind hochmechanisierte Verfahren für die Arbeitssicherheit unverzichtbar. Ein weiteres Feld, an dem wir intensiv arbeiten, sind die situativen Gefährdungsbeurteilungen. Wir setzen dafür auch Drohnen ein, was bei belaubten Buchen sehr hilfreich ist, um abgestorbene Kronenteile zu erkennen.

Wenn es die Corona-Situation zulässt, steht die alljährliche groß angelegte Rettungsübung mit den Studierenden im Wald an. Und zusammen mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bin ich dabei einen speziellen Kurs »Ersthelfer – Forst« zu entwickeln.
Mann mit oranger Warnjacke steckt vor einem Forstschlepper, in dem anderer Mann von einem Baumstamm eingeklemmt sitztZoombild vorhanden

Abb. 2: Rettungsübung 2020 als Lehrveranstaltung: Der Maschinenführer mit Kopfverletzung und Thorax-Prellung wird von den Einsatzkräften aus der Fahrerkabine befreit. (Foto: C. Josten)

Neben der Arbeitssicherheit spielt die Digitalisierung bei Ihnen eine große Rolle. Worauf kommt es Ihnen dabei an?
Bei der Digitalisierung sind seit kurzem Stihl-Logbuch und die Firma Latschbacher tatkräftig mit dabei. Dieses Jahr haben wir angefangen, mit der LogBuch App auszuzeichnen. Das funktioniert so, dass man Daten zum Entnahmebaum aufspricht, zum Beispiel den Brusthöhendurchmesser. Man kann aber auch Details zur Arbeitssicherheit festhalten. Die Harvester-Software wird weiterentwickelt, sodass diese Informationen den Maschinenführern zur Verfügung stehen. Die Digitalisierung – richtig angewendet – erleichtert diesen Informationsfluss enorm.

Schon sehr früh im zweiten Semester arbeiten wir auch fächerübergreifend zusammen. Zum Beispiel wenn es darum geht, ELDAT-Daten oder Shape Files aus GIS-Systemen zu verarbeiten. Wir können so Pflanzflächen, Habitatbäume, Holzpolter, die Feinerschließung oder den Wegezustand digital erfassen und bearbeiten.

Mir geht es darum, dass die Studierenden ein umfassendes Verständnis für die Anwendung digitaler Technik erlangen und sicher anwenden können.
Die Studierenden haben Sie mit Bestnoten bei der Evaluation der Online-Lehre ausgezeichnet. Was ist Ihr Geheimrezept? Wie schaffen Sie es, den umfangreichen Stoff so spannend zu vermitteln?
Wir Förster sind sehr gerne draußen im Wald. Das geht jetzt mit den Studierenden im Corona-Lockdown leider nicht oder nur sehr eingeschränkt. Deswegen hole ich den Wald ins Wohnzimmer. Ich gehe mit Kamera und Drohne raus und zeige die Perspektive des Maschinenführers, spreche mit ihm. Oder ich filme um den Harvester herum. Meine Studierenden frage ich dann: »Wie kann dieses oder jenes Problem gelöst werden? Schauen wir uns das doch in einen Film an.« Einen trockenen Technik-Block lockere ich so mit Sequenzen aus dem laufenden Betrieb auf. Auch Foto-Strecken und interaktive Quizsysteme sorgen für Abwechslung, und das in möglichst kurzen Intervallen.

Letztendlich sind für mich auch die fächerübergreifenden Übungen mit den Professoren der unterschiedlichen Fachbereiche der Schlüssel zum Erfolg.
Harvester und Waldarbeiten fällen gemeinsam einem BaumZoombild vorhanden

Abb. 3: Das weit verbreitete Verfahren, bei dem sich der Zufäller im Gefahrenbereich des Harvesters aufhält, ist aktuell stark in der Diskussion. (Foto: F. Rauschmayr)

Wir möchten noch ein anderes Thema anschneiden: Welchen Stellenwert haben Ihrer Meinung nach die Themen Waldarbeit und Forsttechnik allgemein in Wissenschaft, Forschung und Lehre?
Ich meine schon, dass die Holzerntetechnik und die Waldarbeitslehre in den letzten Jahren zunehmend stiefmütterlich behandelt werden. Lehrgebiete werden abgebaut und es wird vermehrt auf andere Themenbereiche gesetzt. Dabei vergisst man, dass Waldarbeit und Holzerntetechnik einen besonders großen Stellenwert in der Praxis einnehmen. Große Betriebe schlagen 60 bis 70 Prozent ihres Holzes mit Unternehmern ein. Forstbetriebe leben zu 80 bis 90 Prozent von dem Holzverkauf. Im Wissenschaftsbereich haben wir einiges nachzuholen, um diesen Themen wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen. Viel Forschungsbedarf sehe ich auch bei der Digitalisierung. Es gibt viele Entwickler, die gute Apps auf den Markt bringen. Diese bieten jedoch häufig Insellösungen, sodass die Daten nicht ohne weiteres in andere Systeme transferiert werden können. Wir haben da regelrecht eine Schnittstellen-Problematik.

Viele Studierende haben bereits gute Ideen, die sie im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten untersuchen. Weitergehende Forschungsprojekte gibt es zu diesen Themen aber leider wenige.
Verraten Sie uns, worauf sich Ihre Studierenden im Sommersemester besonders freuen können?
Für die Studierenden im zweiten Semester möchte ich erstmalig eine Fahrrad-Übung anbieten. So können wir verschiedene Kardinalpunkte im Lehrrevier ansteuern und Themen wie Wegeinstandhaltung, Holzlagerplätze oder Käferlöcher vor Ort besprechen. Es werden uns auch verschiedene Maschineneinsätze begleiten, unter anderem zum Wegebau mit Baggerarbeiten. Für die Studierenden im Praxissemester stehen zwei einwöchige, begleitende Lehrveranstaltungen zu Holzernte in Steillagen an. Auch die dreitägige Exkursion nach Baden-Württemberg steht im Oktober wieder auf dem Programm.

Auf die KWF-Tagung in Hessen können sich die Studierenden auf jeden Fall freuen. Die HSWT ist mit der Vorführung eines entrindenden Harvester-Fällkopfs vertreten und für die Studierenden wird es die zweitägige Exkursion zur KWF-Tagung geben.
Lieber Herr Rauschmayr, herzlichen Dank für das Interview.
Gerne!


Das Interview führte Christoph Josten, ZWFH

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