Michael Mößnang im Gespräch mit Olaf Schmidt
Der Leiter zieht Bilanz – LWF aktuell 126
Forschung, Wissenstransfer und Kollegialität waren für Olaf Schmidt stets wichtige Eckpunkte seiner 20jährigen Leitungstätigkeit
Am 1. März 2000 übernahm Olaf Schmidt von seinem Vorgänger Dr. Günter Braun die Leitung der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Am 31. Juli 2020, nach mehr als 20 Jahren, verabschiedet sich Olaf Schmidt mit 64 in den vorzeitigen Ruhestand.
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Abb. 1: Olaf Schmidt war 20 Jahre lang Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. (Foto: LWF Archiv)
Herr Schmidt, keiner Ihrer Vorgänger hat so viele Jahre als Leiter der LWF verbracht wie Sie. Die Vorgänger – Dr. Hanskarl Goettling, Dr. Robert Holzapfl und Dr. Günter Braun – kommen gemeinsam auf eine 18-jährige Dienstzeit als Leiter dieser Forschungsanstalt, während Sie auf über 20 Jahre zurückblicken. Was hat Sie in dieser Zeit am meisten bewegt?
Menschlich hat mich in der Zeit als Leiter der LWF besonders der Tod bzw. das frühzeitige Ableben von Kolleginnen und Kollegen während ihrer aktiven Dienstzeit oder kurz danach bewegt.
Sehr positiv bewegt war ich über das sehr erfreuliche Ergebnis unserer Mitarbeiterbefragung zum Betriebsklima der LWF. Ebenso positiv bewerte ich die Präsenz der LWF als forstliche Forschungsanstalt in der wichtigsten forstlichen Fachzeitschrift, der AFZ/ Der Wald. Ein Highlight in der internationalen Zusammenarbeit ist sicherlich die Wissensplattform waldwissen.net, die in kollegialer Art und Weise von FVA, BFW, WSL (1) und LWF betrieben wird.
(1) FVA (Forstliche Versuchsund Forschungsanstalt Baden- Württemberg); BFW (Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft, Wien); WSL (Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft)
Sie haben es gerade angedeutet, der Wissenstransfer war und ist eines Ihrer ganz großen Anliegen, das Sie nie aus den Augen verloren haben. Wissen Sie eigentlich, wie viele Beiträge Sie in den beiden Broschüren LWF aktuell und LWF Wissen geschrieben haben bzw. mitgeschrieben haben?
Nein, aber jeden der Beiträge habe ich mit Freude recherchiert und mit Überzeugung geschrieben.
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Abb. 2: Internationale Zusammenarbeit wie hier beim Leitertreffen von waldwissen.net. (Foto: LWF Archiv)
Ich habe diese Hefte mal nach Ihren Beiträgen durchforstet. Es fanden sich darin weit über 100 Artikel. In den LWF-Medien waren es circa 150 und über 300 Veröffentlichungen insgesamt.
Nach wie vor halte ich Wissensvermittlung als eine wichtige Aufgabe einer forstlichen Landesanstalt. Eigene oder auch fremde Forschungsergebnisse sollen zielgruppenorientiert den Praktikern vor Ort in geeigneter Form nahe gebracht werden. Die LWF ist hier nach wie vor, auch im Vergleich zu anderen forstlichen Forschungsanstalten, sehr gut aufgestellt.
Neben der Organisation, den Aufgaben und Schwerpunkten der LWF und unserem forstlichen Nachhaltigkeitsprinzip standen bei mir die Themen Dendrologie, insbesondere alternative Baumarten und Pionierbaumarten, Entomologie und Waldschutz, Artenschutz im Wald, hier vor allem Vögel, Säuger und Amphibien, Neobiota in Wäldern und insbesondere die ökologischen Vernetzungen von Bäumen, Gehölzen, Pflanzen und Tieren im Vordergrund.
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Abb. 3: Vertreter von BaySF, LfU und LWF bei der Vorstellung des Fledermausprojekts in der Oberpfalz mit Rudi Leitl (ganz links) im Jahr 2018. (Foto: M. Kölbel, BaySF)
Im Laufe Ihrer über 20 Jahre als Leiter der LWF haben Sie dieses Schiff sicher auch durch turbulente Gewässer gesteuert. Was waren aus Ihrer Sicht besonders schwierige oder entscheidende Phasen?
Vor und während der Forstreform wurde stark über die Eigenständigkeit der LWF diskutiert. Ein früheres Expertengutachten kam zu dem Entschluss, alle fachlichen Landesanstalten des Ressorts unter einem Dach einer neuen Landesanstalt für Landwirtschaft zu vereinen, also auch die LWG (2) und die LWF. Da die LWG aufgrund von Zusagen unterfränkischer Politiker eigenständig blieb, konnte auch die LWF ihre Eigenständigkeit verteidigen.
Nach der Forstreform wurde vor allem um die Ausrichtung und die Schwerpunkte der LWF diskutiert und gerungen. Unser ursprüngliches Schwerpunktgebiet forstliche Forschung drohte, an den Rand gedrängt zu werden. Daher bestehen jetzt als die Schwerpunktaufgaben der LWF Beratung der Forstverwaltung, Forschung und Entwicklung, Monitoring und Wissenstransfer. Die interne KLR (3) und BSC (4) helfen uns hier, im Laufe der Jahre Ungleichgewichte zu erkennen und auszusteuern.
Nicht vergessen möchte ich hier die Forstgeschichte. Die Forstgeschichte sagt uns, warum der Wald heute so und nicht anders aussieht. Eine durchaus auch wichtige Aufgabe erfüllt dabei der Arbeitskreis Forstgeschichte, den ich nun schon einige Jahre leiten darf.
Persönlich habe ich in den 20 Jahren auch schwierige Phasen durchlebt, bedingt sowohl durch lange unerkannte gesundheitliche Probleme, als auch im Ringen nach der Rolle des Leiters einer großen Institution. Hier danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, die mich in dieser schwierigen Zeit persönlich freundschaftlich unterstützt und beraten haben.
(2) LWG (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) (3) Kosten- und Leistungsrechnung (4) Balanced Scorecard
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Abb. 4: Auf den Deutschen Baumpflegetagen ist die LWF regelmäßig mit Vorträgen, Postern und einem Ausstellerstand vertreten. (Foto: LWF Archiv)
Hat die LWF damals eine wichtige Richtungsänderung vollzogen? Konnten Sie dabei wichtige Impulse für diese Kursänderung geben?
Durch die Forstreform stieg das operative Geschäft der LWF an. Die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von den Forstämtern und Forstdirektionen kamen, waren nicht forstwissenschaftlich ausgerichtet. Es gab eine deutliche Personal- und Aufgabenmehrung an der LWF, auch durch den Wegfall der Forstdirektionen. Unsere Wissenstransfer-Abteilung haben wir nochmals gestärkt und insbesondere auch unsere Praxisorientierung.
Dadurch wurde unsere Stellung in der Forstverwaltung, aber auch bei den Waldbesitzern, anerkannt und deutlich verbessert. Ich hoffe, dass ich vor allem in der verstärkten und kollegialen Zusammenarbeit der Ressortforschungseinrichtungen LfL, LWG, AWG, TFZ (5), im Zentrum Wald-Forst-Holz, zwischen den bayerischen Landesämtern und -anstalten und den deutschsprachigen Forstlichen Forschungsanstalten Impulse setzen konnte.
(5) LfL (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft); AWG (Bayerisches Amt für Waldgenetik); TFZ (Technologie- und Förderzentrum Straubing)
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Abb. 5: Olaf Schmidt gibt sein umfangreiches Wissen in leichter und lockerer Weise gerne weiter. (Foto: C. Hopf, LWF)
Wohin, glauben Sie, muss sich die LWF künftig entwickeln, wohin wird sie sich entwickeln?
Die Aufgaben und die Anforderungen an die Forstverwaltung und damit auch an die LWF sind in einem Maße gewachsen, mit dem der Personalstand nicht mithalten konnte. Zum einen wirken die massiven Veränderungen der Umwelt – zum Beispiel Klimawandel – auf den Wald und ziehen einen hohen Forschungs- und Beratungsbedarf nach sich. Stichworte sind Alternative Baumarten, Waldumbau, Invasive Schädlinge, Artenverluste usw.
Auch die neuen gesetzlichen Regelungen und Pflichten, zum Beispiel von der EU, erfordern eine viel intensivere und bürgernahe Information der Öffentlichkeit. Hier ist die LWF in vorderster Reihe gefordert. Daher wird es notwendig sein, in den Folgejahren die LWF nicht nur mit Personal, sondern eventuell mit neuer Kompetenz bis hin zu baulichen Veränderungen zukunftsfähig aufzustellen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Waldes in Bayern?
Ich bin tief überzeugt, dass der Wald auch weiterhin Zukunft in Bayern hat, aber er wird in Zukunft anders aussehen als bisher. Das müssen wir auch den Waldbesitzern deutlich kommunizieren. In den trocken-warmen Bereichen Bayerns steht die Walderhaltung ausdrücklich im Vordergrund.
Aber Forstleute und Waldbesitzer können für den neuen Wald die Weichen stellen. So gestalten sie auch die Zukunft für unsere Gesellschaft mit und erhoffen sich durch Förderung auch Unterstützung für diese riesige Aufgabe des Waldumbaus.
Daher möchte ich mich hier dem zuversichtlichen Wort Martin Luthers anschließen: »Und wenn morgen die Welt unterginge, will ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen!« In diesem Sinne pflanzen auch wir unsere neuen Bäumchen und gestalten aktiv den Wald der Zukunft für unsere Enkel und Urenkel!
Welche Rolle geben Sie der forstlichen Forschung dabei? Braucht man sie überhaupt noch?
Unbedingt! Allein die Frage nach alternativen Baumarten im klimatoleranten Waldumbau und ihre Integrationsfähigkeit in unsere Waldökosysteme verlangt nach angewandter forstlicher Forschung. Die Umweltveränderungen wie Klimaerwärmung und Eutrophierung durch übermäßigen Stickstoffeintrag erfordern Reaktionen in der Forstwissenschaft.
Altbekannte Schädlinge, die durch den Klimawandel in ihrer Aggressivität steigen, zum Beispiel Borkenkäfer in der Fichte, aber neue mögliche Schaderreger, die sich durch die Erwärmung bei uns etablieren können, wie zum Beispiel Eschenprachtkäfer, Japankäfer, Grüne Reiswanze, erfordern Spezialisten im Waldschutzbereich, die diese Arten erkennen, weiter erforschen und beobachten, wie sie sich im Wald verhalten, auch im Hinblick auf möglicherweise notwendige Bekämpfungsmaßnahmen.
Sie sind ja Oberfranke durch und durch, geborener Tettauer und ein bekennender Frankenwäldler. Was bedeutet für Sie der Frankenwald?
Richtig – der Frankenwald ist für mich Heimat. Sicherlich war es auch meine Liebe zum Frankenwald, dass ich den Beruf des Forstmannes gewählt habe. Ein persönliches »Highlight« als Oberfranke war für mich, als der BDF (6) den Frankenwald zum Waldgebiet des Jahres 2017 ausgerufen hat.
(6) Bund Deutscher Forstleute
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Abb. 7: Der Kontankt zur Belegschaft war ein großes Anliegen. (Foto: LWF Archiv)
Was war Ihnen bei Ihrer Amtsführung immer besonders wichtig, was werden Sie vielleicht vermissen?
Mir war in der Zusammenarbeit an der LWF immer die Pflege eines guten zwischenmenschlichen Kontakts wichtig. Dazu gehört ein freundlicher, höflicher und kollegialer Umgang untereinander, ohne Betonung von Hierarchiegrenzen. Bei Fehlern war mir immer die Analyse »Warum ist der Fehler passiert?« viel, viel wichtiger als die Suche nach einem vermeintlich Schuldigen.
Sicher wird mir im Ruhestand der persönliche Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen und die vielen guten Gespräche, auch der Austausch in Kaffee- und Leitungsrunde, fehlen. Das werde ich sicherlich sehr vermissen.
Zuletzt noch eine persönliche Frage: Wie wird Ihre persönlichen Zukunft aussehen? Was für kleine und große Ziele werden Sie in Ihrem Ruhestand noch verfolgen?
Ich freue mich auf mehr Zeit mit meiner Frau und Familie, insbesondere auch mit unseren beiden Enkelkindern Sophia und Maximilian. Und ich werde auch gebührend meinen Hobbies nachgehen, z.B. Radl’n, Natur- und Vogelbeobachtungen, und natürlich Bücher! Und zwei Länder möchte ich unbedingt noch bereisen: Namibia und Island.
Sie sind ja ein begeisterter Anhänger von Heinz Erhardt und Wilhelm Busch. Ich bedanke mich daher mit zwei Zeilen von Wilhelm Busch bei Ihnen für dieses Interview: »Meistens hat, wenn zwei sich scheiden, einer etwas mehr zu leiden«. Da steckt doch ganz viel Wahres drin. Die gesamte Belegschaft der LWF verabschiedet Sie mit einem weinenden Auge.
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