Joachim Hamberger
Von der Sylvicultura zur Waldkultur - LWF-Wissen 72
In diesem Jahr feiert die deutsche Forstwirtschaft 300 Jahre Nachhaltigkeit. Im Jahr 1713 veröffentlichte Hans Carl von Carlowitz die Sylvicultura oeconomica, die als Urbuch der Nachhaltigkeit gilt. Zum Jubiläumsjahr erscheinen Bücher mit Titeln wie »Die Entdeckung der Nachhaltigkeit« oder »Die Erfindung der Nachhaltigkeit «. Dabei ist die Nachhaltigkeit zum einen viel älter als 300 Jahre, andererseits wird sie im Wald erst seit rund 200 Jahren konsequent umgesetzt.
Und ein punktuelles Ereignis, was »Entdeckung« und »Erfindung « suggerieren, ist die Sache mit der Nachhaltigkeit auch nicht. Vielmehr hat sie sich als ein Vorsorgeprinzip in einem jahrhundertelangen Prozess von Versuch und Irrtum, von Wissensformulierung und Wissensweitergabe langsam entwickelt. Mit entstanden ist dabei auch ein Berufsstand, der sich besonders der Ressourcenbewirtschaftung und Zukunftsvorsorge widmet: die Forstleute. Sie haben spezielles Wissen hervorgebracht und pflegen es. Die hohe Identifikation mit dem bewirtschafteten Objekt Wald und den Zielen in ferner Zukunft haben ein eigenes Berufsethos reifen lassen.
Nachhaltigkeit als vorausschauende Ressourcenbewirtschaftung beginnt mit der Niederwaldwirtschaft, weil erstmals Nutzung zeitlich und räumlich geordnet wird. Sie ist die primitivste Form systematischer Forstwirtschaft, die jährlich gleiche Flächen und damit annähernd auch gleiche Holzerträge liefert.
Damit das Holz eine Umtriebszeit ausreifen kann, sind die Beständigkeit von Normen und die Tradition von Information in der Markgenossenschaft wesentliche Voraussetzungen. Erste Hinweise auf Niederwald aus dem deutschen Mittelalter gibt es aus dem 8. Jahrhundert in den bayerischen Volksrechten (silvae minutae). Später wird sie zur komplexeren Mittelwaldwirtschaft ausgebaut, die in Forst- und Waldordnungen geregelt wird und die auch die Bauholzversorgung sicherstellt (Hasel und Schwartz 2006, S.191).
Neben diesem ländlich-markgenossenschaftlichen Urprung der Nachhaltigkeit gibt es auch eine städtischgewerbliche Linie. In Städten des Mittelalters wurden höchste Ansprüche an den Wald als Energie- und Rohstofflieferant gestellt. Sie waren in ihrem Wirtschaftswachstum stark abhängig von der Holzversorgung aus dem nahen Umland. In Nürnberg war der Wald wegen der vielfältigen vorindustriellen Gewerbe der boomenden Stadt besonders belastet, viele Flächen waren kahlgeschlagen und lagen unbestockt. Der Ratsherr und Montanunternehmer Peter Stromer brachte im Jahre 1368 einen innovativen Ansatz: Erstmals säte ein Mensch auf unbestockten Kahlflächen bewusst Kiefernsamen aus, um Holz nachzuziehen.
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