LWF aktuell 144
Borkenkäferjahr 2023
von Cornelia Triebenbacher, Hannes Lemme und Karin Bork
Hitze und Trockenheit setzten auch 2023 vor allem der Fichte zu. Der Befall durch die Fichtenborkenkäfer dehnt sich weiter in den Süden Bayerns aus. Obwohl die Borkenkäfersaison spät startete, wurde bis in höhere Lagen eine 3. Generation angelegt. Eine Anlage der 3. Geschwisterbrut ist bis in mittlere Lagen möglich. Das bedeutet eine sehr hohe Ausgangspopulation für 2024.
Ausgangslage für die Käfersaison 2023
In den tieferen bis mittleren Lagen (bis 800 m ü. NN) schwärmte Mitte August 2022 die 2. Generation zur Anlage einer 3. Generation aus. Besonders im Norden Bayerns traf der Ausflug der 2. Generation auf Fichten mit geringer Widerstandskraft. Die Meldungen zu Stehendbefall schnellten drastisch in die Höhe.
Aufgrund der warmen Witterung im Herbst und Winter 2022/2023 entwickelten sich die Bruten bis zum Frühjahr fertig und bildeten für den Ausflug im Frühjahr 2023 hohe Ausgangsdichten.
Später Start – wenig Bohrmehl
Anfang bis Mitte Juni schwärmten die Altkäfer erneut, um eine Geschwisterbrut anzulegen. Die Larvenentwicklung der 1. Generation schritt bei warm-trockener Witterung sehr schnell voran.
Auffällig waren dieses Jahr die dauerhaft sehr hohen Anflüge von Altkäfern aus dem Vorjahr an den Monitoringstandorten in den Monaten Mai und Juni ( Abbildung 1). Die Fangzahlen übertrafen an vielen Fallenstandorten die der letzten Jahre deutlich. Bei mehr als zwei Drittel der Monitoringstandorte lagen die Fangzahlen in dieser Zeit über der Gefährdungsschwelle von 3.000 Buchdruckern pro Falle und Woche. Spitzenwerte lagen im Bayerischen Wald bei 28.000 Käfern/Falle/Woche, dicht gefolgt von den Monitoringstandorten im Frankenwald und angrenzenden Regionen.
Abb. 1: Die Schwärmverläufe des Buchdruckers in den Jahren 2021 bis 2023 mit einem sehr konzentrierten, nicht »verzettelten« Ausflug in der ersten Maihälfte 2023. Das ungewöhnlich dauerhafte starke Schwärmen, insbesondere im Juni 2023 mit hohen Fangzahlen ist gut abgebildet, wie auch der späte Ausflug im September. (© LWF)
Starker Ausflug: 1. Generation trifft auf Trockenheit und Sturmwürfe
Mitte Juli kam es lokal zu teils unwetterartigen Gewittern, die zu Einzel-/ teils auch kleinflächigen Windwürfen insbesondere in Fichtenbeständen führten. Die frisch gebrochenen oder geworfenen Fichten stellten für die schwärmenden Buchdrucker ideales Brutmaterial dar. Wurden die Windwürfe schnell gefunden, konnten eingebohrte Käfer im Zuge der Aufarbeitung unschädlich gemacht werden. Zu spät abgefahrene oder übersehene Schadhölzer hingegen induzierten neue Käferlöcher.
Der Ausflug der Geschwisterbrut gegen Ende Juli ging in der akuten Befallssituation fast unter. Die Fangzahlen an den Monitoringstandorten sanken deutlich. Das lag sowohl an der eher kühlen und regnerischen Witterung als auch an dem zu der Zeit weit verbreiteten natürlichen Brutmaterial, das weitaus attraktiver ist als der synthetische Lockstoff in den Fallen.
Anlage 3. Generation
Abb. 2: Die Gefährdungseinschätzungen Buchdrucker und Kupferstecher durch die ÄELF 2023 zum Ende des Monitorings am 30.09.2023. Der akute Befall durch Buchdrucker zieht sich 2023 bis in den Süden. (© LWF)
Entwicklung in den höheren Lagen
Kupferstecher
Abb. 3: Für den jahresweisen Vergleich der Anflugintensität werden die wöchentlichen Leerungen gezählt, bei denen mehr als 3.000 Buchdrucker gefangen wurden. Je stärker die Einfärbung der Punkte, desto häufiger wurde die Warnschwelle überschritten. Im Vergleich mit 2022 (links) zeigt sich insbesondere im Süden Bayerns eine Ausweitung des Befallsgeschehens 2023 (rechts). (© LWF)
Befallsschwerpunkte
Handlungsempfehlungen und Ausblick
Kontrolle der Bestände:
- Im Winter hilft nur ein Blick in die Rinde bei der Entscheidung, ob die Fichte noch waldschutzwirksam aufgearbeitet werden muss. Dazu bricht man die Rinde zur Kontrolle auseinander und schaut auch in tiefere Rindenschichten. Sind dort noch Borkenkäfer versteckt, ist eine Aufarbeitung bis Ende März notwendig. Bis dann muss das Holz mit Rinde aus dem Wald sein (Abbildung 4)!
- [/i]Dürrständer[i] können aus Waldschutzsicht stehen bleiben: Sie helfen den Gegenspielern der Borkenkäfer. Und sie sind auch für die Waldverjüngung wichtig. Naturverjüngung geht oft von solchen Kleinstrukturen aus.
Zügige Aufarbeitung:
- Wurden Fichten mit Borkenkäferbefall im Herbst nicht aufgearbeitet, fällt die Rinde mit zunehmenden Frösten ab. Dies ist problematisch, da die Borkenkäfer bei kühlen Temperaturen in den abgefallenen Rindenstücken verbleiben oder sich in den Boden zurückziehen. Dort sind sie für eine waldschutzwirksame Aufarbeitung unerreichbar.
- Für die Ausgangslage 2024 ist es entscheidend, befallene Fichten dennoch zügig aufzuarbeiten, um einen Rindenabfall zu verhindern.
- Arbeit im Herbst und Winter verringert daher den Aufwand für die Käfersuche und Aufarbeitung im kommenden Frühjahr um ein Vielfaches.
- Die Schneebruchschäden, die durch die starken Schneefälle Anfang Dezember 2023 entstanden sind, sollten bis zum Ausflug der Borkenkäfer im Frühjahr aufgearbeitet sein. In der ersten Schwärmwelle werden gern liegende Hölzer angenommen, die bei »Vollbelegung« neue Käfernester initiieren können.
Abb. 4: Jungkäfer überwintern nicht nur auf der Rindeninnenseite, sondern ziehen sich auch in innere Rindenschichten zurück. Ein Aufbrechen der Rinde hilft, um überwinternde Käfer in der Rinde zu entdecken. (© F. Maier, AELF WM)
Auffälligkeiten bei anderen rindenbrütenden Käferarten
Alle hier aufgeführten Käferarten neigen nicht – anders als Buchdrucker und Kupferstecher – zu großflächigem Befall, können aber bestandsweise Schäden herbeiführen. Daher sollte bei Befall Folgendes beachtet werden:
- Haben sich lokal erhöhte Populationen aufgebaut, sind befallene Bäume im Zuge von Durchforstungsmaßnahen zu entnehmen und waldschutzwirksam aufzuarbeiten.
- Empfehlenswert ist eine gründliche Suche und Aufarbeitung im ausgehenden Winter – spätestens dann, wenn der zurückliegende Sommerbefall nach stärkeren Frösten im neuen Jahr sichtbar wird. Die genannten Arten wie Lärchen- und Tannenborkenkäfer, Tannenrüssler sowie Prachtkäfer überwintern in der Rinde. Ein Abfallen der Rinde mit den überwinternden Jungkäfern sollte daher vermieden werden. Befallenes Brenn- und Stammholz sollte nicht im Wald gelagert werden.
- Besonders bei den Tannenborkenkäfern, die mit 1–3 mm sehr klein sind und auch die Äste stark befallen, müssen Kronenteile und Äste aus dem Wald entfernt werden. Achtung bei der Hackung: Aufgrund der geringen Größe der Tannenborkenkäfer überleben diese den Hackvorgang in nennenswertem Umfang – gleiches gilt auch für den Kupferstecher. Das Hackgut muss daher auf größere Haufen aufgeworfen werden, damit die sich entwickelnde Hitze die Käfer zum Absterben bringt. Ein Verblasen in den Bestand ist nicht ausreichend.