LWF aktuell 138
Borkenkäferjahr 2022
von Cornelia Triebenbacher, Hannes Lemme und Andreas Hahn
Abb. 1: Im Frankenwald prägen Kahlflächen, die durch intensiven Buchdruckerbefall entstanden sind, inzwischen das Landschaftsbild. (© A. Hahn, LWF)
Weiterhin Hochspannung im Norden – Befallsausdehnung nach Süden. Trockenheit und Hitze setzten den Waldbäumen, insbesondere der Fichte zu und befeuerten die Entwicklung der Fichtenborkenkäfer. In tieferen und mittleren Lagen wurde eine 3. Generation angelegt. Das bedeutet eine hohe Ausgangspopulation für 2023.
Für die Ausgangslage des Borkenkäferjahrs 2022 waren zwei Dinge wesentlich: Zum einen konnten die Fichtenborkenkäfer aufgrund der etwas kühleren und feuchteren Witterung im Sommer 2021 keine 3. Generation anlegen. Die Fichten waren – zumindest im Süden Bayerns – durch ergiebige Regenfälle vielerorts besser mit Wasser versorgt als in den Vorjahren und damit widerstandsfähiger. Wie bereits im Jahr 2020 wies der Borkenkäferbefall daher auch 2021 ein Nord-Süd-Gefälle auf, mit Schwerpunkten im Norden und Osten Bayerns. Im Süden des Landes war der Befall mit Fichtenborkenkäfern vergleichsweise überschaubar. Zum anderen verursachten Winterstürme im Februar 2022 leichte bis mittlere Schäden in allen Teilen Bayerns. Es wurden zahlreiche Bäume vor allem einzeln und mitunter nesterweise geworfen oder gebrochen. Schadensschwerpunkte lagen im Norden Bayerns in den Landkreisen Kronach, Hof, Wunsiedel und Tirschenreuth sowie in der Rhön. Diese Sturmschäden bedeuteten eine zusätzliche Gefährdung, da nicht aufgearbeitete Einzelwürfe in der Fichte später zu massiven Borkenkäferschäden führen können.
Verzögerter Start im Mai
Initialzündung im Juni
Abb. 2: 2022 ist der konzentrierte Ausflug der 1. Generation ab Mitte Juni anhand der Fallenfänge noch deutlich erkennbar. Durch die akute Befallsausbreitung und den Rückzug der Käfer ins Bestandesinnere nahmen die Fangzahlen später deutlich ab und bildeten nicht mehr das aktuelle Befallsgeschehen ab. (© LWF)
In den unteren bis mittleren Höhenlagen (bis 800 m ü. NN) schwärmten die Jungkäfer der 1. Generation bereits in der zweiten Junihälfte – also nach nur etwa 8 Wochen – intensiv zur Anlage der 2. Generation aus. Damit erfolgte der Hauptschwärmflug der 1. Generation etwa zwei bis drei Wochen früher als 2021 und ähnlich wie 2019 und 2020.
Regional zeichneten sich mehrere Befallsschwerpunkte in Bayern ab, wobei die mit Abstand höchsten Fangzahlen im Frankenwald dokumentiert wurden. Hohe Buchdruckerdichten verzeichneten auch die Regionen um Aschaffenburg, Bayreuth, das westliche Mittelfranken sowie Niederbayern entlang von Inn und Donau. Hier trafen die ausfliegenden Käfer auf bereits stark trockengestresste Fichten, da in weiten Teilen Nordbayerns, wenn überhaupt, nur ein Viertel des üblichen Juni-Niederschlags fiel. In Südbayern erschwerten die teils unwetterartigen Juni-Gewitter die Befallssuche erheblich. In manchen Regionen kam es zu Einzelwürfen, teils auch zu kleinflächigen Windwürfen in Fichtenbeständen. Für den Waldbesitzer waren sie Risiko und Chance zugleich. Die frisch gebrochenen oder geworfenen Fichten stellten für die schwärmenden Buchdrucker ideales Brutmaterial dar. Wurden die Windwürfe schnell gefunden und aufgearbeitet, konnten die frisch eingebohrten Käfer mit dem Schadholz aus dem Wald gebracht werden. Übersehene Schadhölzer führten zu weiteren, noch größeren Käferlöchern.
Hitzesommer als Treiber ab Juli – rote Kronen ab August
Durch die warme Witterung Mitte August bis Anfang September erfolgten noch bis Ende August/Anfang September Eiablagen des Buchdruckers. Die warme Witterung im Oktober bewirkte, dass sich die Buchdrucker bis 800 m ü. NN zu fertigen Jungkäfern entwickeln konnten.
Entwicklung in den höheren Lagen über 800 m ü. NN
Abb. 3: Die »Gefährdungseinschätzungen Buchdrucker« durch die ÄELF in den Jahren 2020 bis 2022 (jeweils mit Stand Ende September). Über die Jahre ist die Zunahme der Gefährdung im Süden deutlich erkennbar. Bis Anfang Juli 2022 war der Befall nur in den nordbayerischen Revieren kritisch. Hitze und Trockenheit im Hochsommer forcierten den Befall erheblich. (© LWF)
Befallsschwerpunkte
Handlungsempfehlungen und Ausblick
Kontrolle der Bestände:
- Nadelverfärbung und –verluste sowie Rindenabfall bei grüner und roter Krone sind nach wie vor kennzeichnend für die Fichten aus dem Sommerbefall. Befallsherde aus 2022 sind zuerst zu kontrollieren, zudem sollte auch 200–300 m im Bestandesinneren nach Befall gesucht werden.
- Nur ein Blick in die Rinde hilft im Winter bei der Entscheidung, ob die Fichte noch waldschutzwirksam aufgearbeitet werden muss. Dazu bricht man die Rinde zur Kontrolle auseinander und schaut auch in tiefere Rindenschichten. Sind dort noch Borkenkäfer versteckt, ist eine rasche Aufarbeitung notwendig (Abbildung 4).
- Erst wenn die Fichtenkrone kahl und die Rinde stark ausgetrocknet ist, haben die Borkenkäfer die Fichte sicher verlassen. Dann ist aber die Chance verspielt, das Ausgangsniveau der Borkenkäferpopulation für das kommende Jahr abzusenken. Arbeit im Herbst und Winter verringert daher den Aufwand für die Käfersuche und Aufarbeitung im kommenden Frühjahr um ein Vielfaches.
Zügige Aufarbeitung:
- Wurden Fichten mit Borkenkäferbefall im Herbst nicht aufgearbeitet, fällt die Rinde mit zunehmenden Frösten ab. Dies ist problematisch, da die Borkenkäfer bei kühlen Temperaturen in den abgefallenen Rindenstücken verbleiben – zum Teil in mehreren Stockwerken – oder sich in den Boden zurückziehen. Dort sind sie für eine waldschutzwirksame Aufarbeitung unerreichbar.
- Für die Ausgangslage 2023 ist es daher entscheidend, befallene Fichten schnellstmöglich aufzuarbeiten, um einen Rindenabfall zu verhindern.
Abbildungen 4a, 4b, 4c: Diese Aufnahmen wurden Mitte Oktober 2022 in Schwaben gemacht. Die Fichten zeichnen mit roter Krone und Rindenabfall. In den Rindenstücken, die um die befallenen Fichten am Boden liegen, sitzen zu diesem Zeitpunkt noch Jung- und Altkäfer zur Überwinterung. Beim Rindenabfall aus der Rinde fallende Käfer ziehen sich in den Boden zurück. (© C. Triebenbacher, LWF)
Auffälligkeiten bei anderen rindenbrütenden Käferarten
Abb. 5a: Auch andere Borkenkäferarten hinterlassen Schäden an bereits geschwächten Bäumen, z.B. der Kleine Tannenborkenkäfer (© Milan Zubrik, Forest Research Institute, Slovakia, Bugwood.org)
Alle hier aufgeführten Käferarten neigen nicht zu großflächigem Befall wie es bei Buchdrucker und Kupferstecher der Fall ist – sie können aber bestandsweise Schäden verursachen. Daher sollte bei Befall Folgendes beachtet werden:
- Haben sich lokal erhöhte Populationen – insbesondere der Borkenkäfer – aufgebaut, sind befallene Bäume im Zuge von Durchforstungsmaßnahmen zu entnehmen und waldschutzwirksam aufzuarbeiten.
- Empfehlenswert ist eine gründliche Suche und Aufarbeitung im ausgehenden Winter – spätestens dann, wenn der zurückliegende Sommerbefall nach stärkeren Frösten im neuen Jahr sichtbar wird. Bis auf die Bockkäfer überwintern die genannten Arten wie Lärchen- und Tannenborkenkäfer, Tannenrüssler sowie Prachtkäfer in der Rinde. Ein Abfallen der Rinde mit den überwinterndenden Jungkäfern gilt es daher zu vermeiden. Befallenes Brenn- und Stammholz sollte nicht im Wald gelagert werden.
- Besonders bei den Tannenborkenkäfern, die mit 1–3 mm sehr klein sind und auch die Äste stark befallen, müssen Kronenteile und Äste aus dem Wald entfernt werden. Achtung bei der Hackung: Aufgrund der geringen Größe der Tannenborkenkäfer überleben diese den Hackvorgang in nennenswertem Umfang. Das Hackgut muss daher auf größere Haufen aufgeworfen werden, damit die sich entwickelnde Hitze die Käfer zum Absterben bringt. Ein Verblasen in den Bestand ist nicht ausreichend.
Abb. 5b: Auch andere Borkenkäferarten hinterlassen Schäden an bereits geschwächten Bäumen, z.B. der Lärchenborkenkäfer (© G. Lobinger, LWF)