Cornelia Triebenbacher und Gabriela Lobinger
Kühler Mai 2019 brachte keine Entspannung bei den Fichtenborkenkäfern – LWF aktuell 124
Die hohe Ausgangspopulation aus 2018 sowie Schnee- und Sturmbruch im Winter/Frühjahr 2018/2019 ließen eine weitere Verschärfung der Borkenkäfersituation für das Jahr 2019 erwarten. Der kühl-feuchte Mai 2019 verzögerte zwar die Entwicklung, dennoch kam es auch im Jahr 2019 in den meisten Regionen zur Anlage einer 3. Generation und zu massiven Schäden.
Aufgrund der langanhaltenden warmen Witterung im Jahr 2018 von April bis in den Herbst hinein konnten sich Buchdrucker und Kupferstecher stark vermehren. Bayernweit wurde eine 3. Generation angelegt, teilweise sogar eine 3. Geschwisterbrut. Bei milden Herbst-Temperaturen entwickelten sich die noch im September 2018 angelegten Bruten weitgehend fertig bzw. soweit, dass Frost ihnen nichts mehr anhaben konnte. Dies bedeutete, dass für das Jahr 2019 mit einem riesigen Ausgangspotenzial an Fichtenborkenkäfern zu rechnen war.
Ausgangslage für Borkenkäfer
Die Trockenheit des Jahrhundertsommers 2018 hinterließ zum Teil starke Trockenschäden bei den Fichten. Die Wasserspeicher der Waldböden waren leer. Auch wenn sich die ausgetrockneten Böden aufgrund der Niederschläge im Winter 2018/2019 bis auf Unterfranken sich etwas erholten, dauerte die Abwehrschwäche der Fichte dennoch weiter an. Der schneereiche Januar sorgte für starke Schäden durch Schneebrüche in einem Umfang von etwa 500.000 Festmetern Schadholz. Sturmbruchschäden aus den Stürmen »Bennet« und »Eberhard« (4. bzw. 10. März 2019) erhöhten die Gefahr weiterhin, da viele Gipfel und Bruchhölzer bis zum Schwärmbeginn im April nicht mehr rechtzeitig aufgearbeitet werden konnten. Das Material war fängisch und bot Kupferstechern und Buchdruckern willkommenen Brutraum. Einzel- und Nesterwürfe sind besonders kritisch, da hier die Brutraumkapazität schnell überschritten wird und damit eine Fangschlagfunktion ausgeschlossen ist. Somit musste bei der ersten Schwärmwelle mit Stehendbefall gerechnet werden.
Zeitliche Überlagerung verschiedener Schwärmwellen erhöhten den Befallsdruck
An den warmen Ostertagen um den 20. April 2019 (KW17) begann der erste starke Schwärmflug der Fichtenborkenkäfer, zeitgleich zu 2018 (Abbildung 1). Hierbei handelte es sich vor allem um Alt- und Jungkäfer, die im Brutholz überwinterten. Der Schwärmflug blieb in weiten Teilen Bayerns moderat, mit Ausnahme Niederbayerns und dem Oberbayerischen Tertiär (Abbildung 2 & Tabelle 1). Hier überstiegen die Fangzahlen bereits frühzeitig die Warnschwelle für akuten Stehendbefall von 3.000 Buchdruckern/Falle je Woche. Niederbayerische Ämter meldeten ersten Stehendbefall. Meist wurde die Brut jedoch in noch im Wald liegendem (Sturm-)Holz angelegt.
Tabelle 1: Übersicht zu Borkenkäferaktivität und Befallsschwerpunkte im Jahr 2019
Tabelle 1: Übersicht zu Borkenkäferaktivität und Befallsschwerpunkte im Jahr 2019
Monat | Borkenkäferaktivität | Befallsschwerpunkte |
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1. Schwärmflug der im Brutholz überwinternden Alt- und Jungkäfer
| 1. Schwärmflug der im Brutholz überwinternden Alt- und Jungkäfer
| Befallsschwerpunkte |
Mitte Mai/Anfang Juni | 2. Schwärmflug - der im Boden überwinterten Alt- und Jungkäfer - Käfer aus erster Schwärmwelle zur Anlage Geschwisterbrut
| v.a. kühlere Regionen Oberfrankens, Niederbayerns, Alpenvorlands v.a. Niederbayern, Oberbayerisches Tertiär
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Mitte Juni/Anfang Juli | Ausflug 1. Generation | bayernweit, geringere Anflugzahlen in Alpenvorland und Schwaben |
Ende August/Anfang September | Ausflug 2. Generation | bayernweit, geringere Anflugzahlen in Alpenvorland und Schwaben |
Der Mai 2019 war nach 13 überdurchschnittlich warmen Monaten der erste, der zu kühl und zu feucht ausfiel. Die bis dahin weit entwickelte Vegetation geriet ins Stocken, auch der Schwärmflug der Fichtenborkenkäfer kam fast zum Erliegen. Die Eiablage verzögerte sich stark und die Entwicklung bereits angelegter Bruten verlangsamte sich. Überdurchschnittlich starke Niederschläge gab es im Voralpengebiet und im Stau der Alpen. In den anderen Regionen Bayerns fiel das »Plus« deutlich geringer aus (Abbildung 5).
Mit den ansteigenden Temperaturen nach den Eisheiligen Mitte Mai /Anfang Juni (KW 22, Abbildung 3) kam es zu einer erneuten starken Schwärmwelle. Hierbei handelte es sich, besonders in den bisher kühleren Regionen Oberfrankens, Niederbayerns und des Alpenvorlandes, vor allem um die im Boden oder in kühlen Bestandesteilen überwinterten Borkenkäfer, die zur Anlage der ersten Generation ausgeflogen sind. Anteil an dieser Schwärmwelle hatten auch Käfer, die nach dem Ausflug im April bereits zur Anlage der ersten Geschwisterbrut unterwegs waren. Aufgrund der regional erhöhten Niederschläge konzentrierten sich die überlagernden Ausflüge auf zum Teil wenige Stunden bis Tage und boten damit ein massives Angriffspotenzial. Die Bohrmehlsuche wurde in diesem Zeitraum durch Regen und Wind erheblich erschwert.
Ab Anfang Juni (KW 23) waren immer wieder kleinere Schwärmwellen zu beobachten, die mit der Anlage von Geschwisterbruten einhergingen. Somit begann schon frühzeitig im Jahr eine »Verzettelung« der Brutentwicklung. Unter der Rinde waren verschiedene Entwicklungsstadien zu finden, was eine Vorhersage des Ausfluges erschwerte. Die 1. Generation flog großenteils ab der zweiten Junihälfte bis Anfang Juli aus, also zwei bis drei Wochen später als 2018. Aufgrund der sehr hohen Anflugzahlen und die rasche Nachfolge des Ausflugs der 1. Geschwisterbrut entstand wieder ein massiver Befallsdruck. Die Populationsdichte zu diesem Zeitpunkt war so hoch, dass sie die witterungsbedingte Entwicklungsverzögerung im Mai und Anfang Juni mehr als ausgeglichen hat. An mehr als der Hälfte der Monitoringstandorte lagen die Buchdrucker-Fänge weit über 3.000 Käfern je Falle und Woche (Abbildung 4). Ab diesen Fangwerten ist mit einer raschen Ausbreitung bestehender Befallsherde zu rechnen. Die Fangzahlen waren teilweise höher als im vergangenen Jahr in diesem Zeitraum (Abbildung 1). Die in diesem Zeitraum andauernde Hitzewelle führte zu einer Verlagerung des Befalls überwiegend in das Bestandsinnere. Die Bodenwasserspeicher waren zu diesem Zeitpunkt vor allem im Norden Bayerns bereits wieder erschöpft. Die Käfer trafen auf Fichten, die sich kaum mehr wehren konnten.
Die 2. Generation entwickelte sich aufgrund der günstigen Temperaturen im Juli und August rasch und flog Ende August/Anfang September (KW 35/36) bayernweit aus. Die ab August einsetzende Abhängigkeit des Brutgeschäftes von der Tageslichtlänge wurde dabei durch zum Teil hohe Temperaturen ausgeschaltet. An den Monitoringstandorten bis 800 m war im September rege Schwärmaktivität festzustellen. In den tieferen bis mittleren Lagen gehen wir daher überwiegend von der Anlage einer 3. Generation aus. Die Höhengrenze, bis zu der eine Anlage der 3. Generation erfolgt ist, lässt sich aus den Monitoringergebnissen nicht ersehen. In den höheren Lagen wird sich die ausgeflogene Jungkäfergeneration zumeist zur Überwinterung zurückgezogen haben. Hier wurde ab Anfang September bis auf Ausnahmen keine bzw. nur mehr eine sehr geringe Schwärmaktivität registriert. Die im September angelegten Bruten entwickeln sich bei Temperaturen ab 8,3 °C weiter und werden daher in vielen Regionen als Jungkäfer bzw. in einem fortgeschrittenem und damit frostunempfindlichen Stadium überwintern.
Abb. 2: 1. Schwärmwelle um Ostern (Grafik: LWF)
Abb. 3: 2. Schwärmwelle Ende Mai/Anfang Juni (Grafik: LWF)
Abb. 4: Ausflug der ersten Generation Jungkäfer (Grafik: LWF)
Abb. 5: Niederschläge März bis August (Grafik: LWF)
Abb. 6: Buchdrucker / Kupferstecher Gefährdungskarte (Grafik: LWF)
Handlungsempfehlungen – Nach dem Borkenkäfer ist vor dem Borkenkäfer!
Eine weitere zügige Aufarbeitung der von borkenkäferbefallenen Fichten ist unabdingbar. Wie oben erwähnt, sind unter der Rinde alle Entwicklungsstadien vorhanden und die Bruten entwickeln sich bei Temperaturen ab 8,3 °C weiter. Die Larven fressen unter der Rinde, verpuppen sich und werden zu Jungkäfern. Dabei lockert sich die Rinde und fällt ab. Fertige Jung- und Altkäfer können in dieser Rinde am Boden ohne Verluste überwintern oder ziehen sich zur Überwinterung in den Boden zurück. So sind sie für weitere Bekämpfungsmaßnahmen nicht mehr erreichbar. Jungkäfer ohne Reifungsfraß überleben auch in größeren Rindenstücken! Häufig sprengt Winterfrost spätestens im Januar/Februar lockere Rinde von befallenen Bäumen ab und erschwert so die vollständige Sanierung. Folgende sechs Punkte sind bei der Borkenkäferbekämpfung vor allem jetzt im Herbst und Winter zu beachten: Suchen, Markieren, Dokumentieren, Priorisieren, Sanieren, Erfolgskontrolle!
- Suchen: Im Umgriff älteren Befalls auf Harztropfen, Nadelverfärbung/-abfall und Rindenabfall, auch am Kronenansatz, achten. Spechtabschläge und auffällige »Nadelteppiche« geben wichtige Hinweise auf fortgeschrittenem Käferbefall
- Markieren: Das Anzeichnen der Käferbäume erleichtert ihr Wiederauffinden.
- Dokumentieren: Das Einzeichnen von Käferbäumen in Karten gibt einen Überblick über die Lage und das Ausmaß und erleichtert so die Planung des Einschlags und der weiteren Befallssuche
- Priorisieren: Älterer Befall sollte aufgrund der Brutentwicklung noch vor dem Septemberbefall aufgearbeitet werden.
- Sanieren: Alle als befallen erkennbare Fichten (Rotfärbung) sind unbedingt aufzuarbeiten – auch wenn nur die Spitze oder ein Teil der Krone verfärbt ist, da sie in jedem Fall absterben und riesige Käfermengen in den umstehenden Bestand entlassen. Aufgearbeitetes Holz sollte möglichst 500 m außerhalb des Waldes gelagert werden! Wichtig ist es auch, Resthölzer und Kronenmaterial aufgrund der Kupferstechergefahr unschädlich zu machen (Hacken, Mulchen, ggf. bei kleineren Mengen und geeigneter Witterung verbrennen)! Sie bieten für das Frühjahr willkommenes Brutmaterial bzw. enthalten bereits enorme Käfermengen!
- Erfolgskontrolle: Auch wenn man sich sicher ist, alles aufgearbeitet zu haben, sollten im Laufe des Herbstes und Winters immer wieder die Waldbestände auf Käferbefall kontrolliert werden! Häufig zeichnen im September befallene Fichten erst im kommenden Frühjahr!
Kupferstecher nicht unterschätzen
Besonderes Augenmerk ist auf die Bekämpfung des Kupferstechers zu legen! Er konnte sich wie der Buchdrucker stark vermehren. Wegen der späten Sichtbarkeit von Schäden wird er häufig in der Aufarbeitungspriorität vernachlässigt. Ständig anfallendes (unbegrenztes) Brutmaterial durch Buchdrucker, Schwächung der Fichten durch Trockenheit 2015, 2018 und auch 2019 und wie beim Buchdrucker ein enormes Vermehrungspotenzial (drei Generationen und Geschwisterbruten in den letzten vier Jahren) halfen dem Kupferstecher, lokal hohe Populationsdichten aufbauen (Abbildung 6, re.).
Ausblick ins Frühjahr 2020
Aufgrund des Entwicklungsfortschritts der Bruten ist im Frühjahr 2020 mit Eintreten geeigneter Schwärmbedingungen mit einem starken und zeitlich synchronen Ausflug der überwinternden Käfer zu rechnen. Aufgrund abgefallener Rinde und der dort oder im Boden überwinternden Borkenkäfer ist auch an den Holzlagerplätzen und an »zu spät« gefundenen Stehendbefallsherden aus 2019 unbedingt nach frischem Stehendbefall (Bohrmehl) zu suchen. Auch bei ausreichend Niederschlägen im Herbst und Winter wird die Fichte weiterhin mit einer Vitalitätsschwächung aufgrund der Trockenheit aus den Jahren 2018 und 2019 in die Vegetationsperiode 2020 starten.
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