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Günter Biermayer Borkenkäfer an der Fichte - Borkenkäfervorsorge ist mehr als Käfer suchen - LWF aktuell 112
Beim Thema »Borkenkäfer an der Fichte « lässt sich ein altbekanntes – nicht nur forstliches – Phänomen exemplarisch betrachten, die Verdrängung: Wenn Sturm und Schneeschäden oder ein Dürrejahr erwarten lassen, dass die gefräßigen kleinen schwarzen Käfer zuschlagen werden, ist die Aufmerksamkeit groß. Klingt die Kalamität ab, werden die Risiken und der Handlungsbedarf bezüglich möglicher Gegenmaßnahmen schnell vergessen. Dieses Muster ist sehr nachteilig, weil es verhindert, das Grundrisiko der Forstwirtschaft bei der wichtigsten biotischen Schadensursache unserer Hauptbaumart Fichte zu verringern.
Die mächtige Fichte und der kleine Borkenkäfer bilden seit jeher eine untrennbare Lebensgemeinschaft. Das ist in Fichten-Naturwäldern genauso wie im Fichtenwirtschaftswald. Wer Fichte sagt, der bekennt sich gleichzeitig auch zu den Fichtenborkenkäfern. Dennoch gibt es Steuerungsmöglichkeiten, das Risiko, dass Borkenkäfer mit verheerenden Folgen über Fichtenbestände herfallen, möglichst gering zu halten. Die Aufmerksamkeit gegenüber den Borkenkäfern sollte in Naturwäldern wie auch im Wirtschaftswald zu keiner Zeit nachlassen.
In Fichten-Naturwäldern gehören Borkenkäfer zusammen mit Stürmen zu den wesentlichen »Treibern« der Waldentwicklung. Auch (großflächige) Massenvermehrungen sind deshalb in Schutzgebieten kein wirtschaftlicher Schaden, sondern ein Element der Dynamik des Naturwalds. Eine andere Frage ist allerdings, wie unerwünschte Folgen auf die Leistungen benachbarter bewirtschafteter Wälder oder im Fall von Schutzwald auf die Wirkungen des Waldes auf Schutzgüter an Ort und Stelle sowie außerhalb der Schutzflächen im nachgelagerten Einflussbereich vermieden werden können.
Die einzige konsequente Vorsorge gegen die unter Umständen großflächigen drohenden Bestandsverluste mit massiven Auswirkungen auf die Schutzerfüllung ist das Unterlassen der Ausweisung als Totalschutzgebiete von solchen Fichten- Naturwäldern, auf deren kontinuierliche Schutzfunktion nicht verzichtet werden kann. Naturwaldentwicklung in Fichtenwäldern findet in der Regel großflächig und episodisch statt.
Dies passt nicht zur Erwartung möglichst gleichmäßiger und andauernder Schutzwirkungen gegen Bodenabtrag, Steinschlag und Lawinen in steilen Gebirgslagen mit besiedelten Tälern. Die dort geforderte Kontinuität können nur kontinuierlich bewirtschaftete Wälder leisten, in denen die Waldstruktur, die Altersverteilung in den Beständen und die Verjüngung unter dem Schirm der Altbestände in Plenter- und Femelstrukturen aktiv durch Pflege, Durchforstung und Verjüngung nach Bedarf gesteuert wird.
Die hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der bayerischen Forstwirtschaft beruht in vielen Landesteilen auf den Anbau von Fichtenbeständen und Mischbeständen mit führender Fichte auf Buchenstandorten, auf denen die Fichte ursprünglich kaum oder nur als untergeordnete Mischbaumart vorgekommen ist. Erfolgreiche Forstwirtschaft mit der Fichte setzte seit 200 Jahren die konsequente Umsetzung des Grundsatzes der »sauberen Wirtschaft« voraus. Der Abwehrkampf gegen Borkenkäfer beschäftigte Forstleute und Waldbesitzer seit Generationen.
Der Klimawandel verschärft die Anfälligkeit von Fichtenbeständen gegen Buchdrucker und Kupferstecher in dramatischem Ausmaß. Nur ein schlüssiges Gesamtkonzept hält die akute Bedrohung in einigermaßen erträglichen Grenzen. Es ist aber nicht so, dass Waldbewirtschafter dem Borkenkäferrisiko völlig hilflos ausgeliefert wären. Borkenkäferbefall schlägt nicht rein schicksalhaft und zufällig zu. Buchdrucker und Kupferstecher sind zwar als Teil jedes Fichtenwaldökosystems flächendeckend und immer vorhanden.
Ob überhaupt, wann und wie stark sie zum Schädling werden, dieses Risiko ist aber landschaftlich und standörtlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Welches Risikoniveau tatsächlich verwirklicht wird, kann durch forstliches Handeln gestaltet werden. Die Art der Bewirtschaftung beeinflusst den Schadenseintritt und das Schadensausmaß in weiten Grenzen. Waldbewirtschafter sollten ihre Möglichkeiten im ureigenen Interesse nutzen und die Waldzusammensetzung und -entwicklung im Verjüngungsprozess steuern, statt diesen passiv zu erleiden und nur die Schäden zu reparieren.
Abb.3: Mit Borkenkäferfallen lassen sich die Aktivitäten der Borkenkäfer sehr gut beobachten. (Foto: F.Stahl)
Wärme, Wasserversorgung, Vitalität und Stabilität von Einzelbäumen und Beständen sind die bestimmenden Faktoren für das Risiko von Fichtenbeständen für Borkenkäferbefall. Tabelle 1 zeigt die Steuergrößen für das Käferrisiko. Sie trennt innerhalb dieser Einflussgrößen zwischen solchen, die für die Landschaft, den Standort und Lage charakteristisch sind. Diese können nur durch eine situationsgerechte Baumartenwahl beeinflusst werden.
Die übrigen sind in Fichtenbeständen durch »gute Forstwirtschaft«, d. h. geeignete Pflege-, Durchforstungs- und Verjüngungsmaßnahmen, steuerbar. Für diese Steuerung gilt in ganz besonderem Maß, dass forstliches Handeln, wenn es gut sein soll, nicht schematischen Rezepten folgen darf, sondern auf die jeweilig aufgefundene Situation des Bestandes an- gepasst werden muss.
Tabelle 1: Borkenkäferrisiko in Fichtenbeständen
wenig gefährdet
stark gefährdet
Lokalklima
kühl-feucht, gleichmäßige Niederschlagsverteilung über das Jahr
warm-trocken, häufige Dürreperioden
Standort
Lehme und Feinlehme: frisch und speicherfrisch, tief durchwurzelbar
a) durchlässige und flachgründige Sande und Kiese: schlecht wasserspeichernd b) schlecht durchwurzelbare Tone und Schlufflehme: wechseltrocken bis feucht c) Moore: nass
Lage
Unterhänge Nord- und Nordostexposition Waldinnenraum
Abb.4: Mischbestände mit angepassten Fichtenanteil weisen ein deutlich geringeres Borkenkäferrisiko auf. (Foto: J. Böhm)
Borkenkäfer lieben gleichförmige Reinbestände. Sie finden die Schwachstelle in diesen Beständen, mit für die Fichte tödlicher Sicherheit. Waldaußenränder sind unabhängig vom Standort immer dem wärmeren und trockeneren Freilandklima ausgesetzt. Sonne und Wind sind im Flachland »Gift« für die Fichte, als Baumart des kühl-feuchten Gebirgsklimas. An Waldaußenrändern auf die Fichte ganz zu verzichten ist deshalb kein Verlust an Produktionsfläche.
Jeder erfahrene Waldbauer hat es selbst schon oft beobachten können, wie Käfernester an warmen Außenrändern des Waldes den so nötigen Traufschutz der Fichtenbestände aufbrechen. Vielfältige Waldmäntel aus der ganzen breiten Palette heimischer Sträucher und Bäume sind stabiler. Ihre blütenreichen Säume sind attraktive Lebensräume und verbessern die Lebensbedingungen vieler Gegenspieler der Schädlinge.
Auf exponierten Kuppen und Süd- und Westhängen sind Fichtenbestände häufiger Trockenstress ausgesetzt. Laubmischbestände sind meist die bessere Wahl. Eine Nadelholzbeteiligung ist auch mit Lärche, Kiefer und Douglasie möglich. Durchlässige Sand- und Kiesstandorte mit geringer Speicherkapazität wurden in der Vergangenheit bei hohen durchschnittlichen Jahresniederschlägen (über 900–1.000 mm) noch als durchaus fichtenfähig angesehen.
Für eine erfolgreiche Fichtenwirtschaft auf solchen Standorten ist aber nicht der Durchschnitt, sondern die Wiederholungsrate von trockenen Jahren relevant. Schon ein Trockenjahr löst einen massiven Zuwachseinbruch und die Massenvermehrung von Buchdrucker und Kupferstecher aus. Die Erholungszeit beträgt beim Zuwachs mehrere Jahre. Zwei Trockenjahre hintereinander würden die planmäßige Fichtenwirtschaft beenden. Auf wechseltrockenen und wechselfeuchten Lehm- und Tonstandorten finden sich in nicht wenigen bayerischen Landschaften sehr fichtenreiche Bestände mit traditionell sehr großem Holzanfall durch Sturm und nachfolgende Borkenkäferschäden.
Ohne aktives Handeln folgt wegen der Verjüngungsfreudigkeit der Fichte gerade auf solchen Standorten über ein Stadium mit kurzlebigen Laubholzpionierbaumarten meist der nächste fichtenreiche Bestand aus Naturverjüngung. Die hohe Wuchsleistung der Fichte ließ die Bewirtschafter das andauernde Schadensrisiko oft verschmerzen. Der fortschreitende Klimawandel dürfte schon bald das gewohnte »Geschäftsmodell« beenden. Die Käferkalamität in Westmittelfranken Mitte der 2000er Jahre kann als warnendes Beispiel dienen.
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, ist aktives Handeln nötig. Warme, wechseltrockene Standorte sind für Eichenmischbestände, eher kühlere, wechselfeuchte für Tannenmischbestände mit Laubbäumen prädestiniert. Ob Fichtennaturverjüngung akzeptiert und mit standortgerechten Baumarten durchgittert, ergänzt oder als nicht mehr zukunftsträchtig zurückgenommen oder ganz entnommen werden muss, ist nur örtlich nach realistischer Zukunftserwartung zu entscheiden.
Pflege und Durchforstung
Borkenkäfer lieben gleichförmige Fichten- Reinbestände. Im Dichtstand erwachsene Bestände mit zahlreichen, vom Jugendalter an wenig vitalen Einzelbäumen sind mehr gefährdet als gut bekronte Fichten in Mischbeständen. Eingriffe zur Erhaltung der Mischbaumarten und zur Differenzierung oder Auflockerung überdichter Naturverjüngung dienen langfristig auch der Borkenkäfervorsorge. Häufigere, dafür nicht zu starke Durchforstungen führen zu vitaleren Einzelbäumen und Beständen.
Das systematische Durchmustern der Bestände im Rahmen der Durchforstung nach Bäumen mit Rotfäule- und Hallimasch-Kennzeichen (Form des Stammfußes, Harzfluss, Vergilbung) führt zur Entnahme künftiger »Infektionsträger« genauso wie die sorgfältige Entschärfung von Streuschäden durch Wind- und Schneebruch.
Waldentwicklung steuern, statt erleiden
Jeder Baum, der rechtzeitig geerntet und bei guter Nachfrage zu angemessenem Preis vermarktet wird, kann nicht mehr vom Käfer befallen werden und muss nicht als Zwangsanfall »verramscht« werden. Viele Fichtenbestände sind als überaltert, angerissen oder stark aufgelichtet geradezu im Optimalzustand für Käferbefall. Nicht jeder uralte Bestand oder jede leichte Beschädigung (Auflichtung durch Sturm oder Schnee) ist allerdings die Rechtfertigung für eine baldige »finale Lösung«. Es ist aber kein forstlicher Kunstfehler, die aktive Ernte von offensichtlich erkennbar hochriskanten Bestandsstellungen zu planen, sondern im Gegenteil, es ist einer, sie unter allen Umständen zu unterlassen.
Der Verzicht auf aktives Handeln aus einer übertrieben defensiven Grundhaltung heraus ist die einzige Erklärung für die immer wieder festgestellten sehr hohen Käferholzmengen auch auf eigentlich stabilen Standorten. Die Fichtenbestände im bayerischen Flachland sind einem hohen Grundrisiko für Borkenkäferbefall ausgesetzt. Zur Risikosteuerung trägt auch der Einsatz situationsgerechter Verjüngungsverfahren bei. Der buchtige Saum hat sich als Abschluss des Saumfemelschlags generationenlang bewährt.
Stark aufgelichtete, warme Bestandsstellungen werden in Zukunft immer mehr gefährdet sein. Der gemischte, strukturierte und altersdifferenzierte Dauerwald ist zweifellos ein richtiges Ziel. Aus ursprünglich gleichaltrigen, fast reinen Fichtenbeständen heraus ist er aber nur bei sehr frühem Beginn von Eingriffen zur Strukturierung der Bestände erreichbar. In den sehr zahlreichen Fällen, in denen Bestände bis zum Alter 70–80 dicht aufgewachsen sind, ist der rechte Zeitpunkt in dieser Bestandsgeneration verpasst. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht!
Schlusscredo
Borkenkäfervorsorge ist eine Daueraufgabe, die sich mit stabileren Wäldern und mehr Betriebserfolg auszahlt.