LWF aktuell 144
Klimawandel-Anpassungsstrategien vernetzen forstliche Forschung
von Kathrin Böhling, Tobias Mette, Aleš Kučera und Torben Hilmers

Zwei Männer hocken im Wald und schauen sich Messtechnik an.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Tomas Vichta, Doktorand an der Mendel Uni­versität, lässt sich an der LWF die Messtechnik an der Waldklimastation Freising von Lothar Zimmermann erklären. (© Tobias Mette, LWF)

Der Klimawandel stellt auch die forstliche Forschung und Ausbildung vor neue Herausforderungen. Im EU-finanzierten Projekt ASFORCLIC haben deshalb Institute und Universitäten aus der Tschechischen Republik, Deutschland, Schweden, Slowenien und Österreich die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald, die Forst-Holz-Wertschöpfungskette und die politischen Rahmenbedingungen untersucht und unterschiedliche Klimawandel-Anpassungsstrategien analysiert. Die Vernetzung von Forschungseinrichtungen und Universitäten stand ebenfalls im Zentrum von ASFORCLIC.

Mit dem EU-Twinning-Projekt ASFORCLIC (siehe Kasten) wurde in enger Zusammenarbeit internationaler Partner­institutionen die Vernetzung und Exzellenz der Mendel Universität in Brünn als einer der zwei wichtigsten Standorte für Forschung und wissenschaftlich fundierte Ausbildung im Bereich der Forst- und Holzwissenschaften in Tschechien gefördert. Da die Auswirkungen des Klimawandels die gesamte mitteleuropäische Forstwirtschaft vor große Herausforderungen stellen und Tschechien gleichzeitig wichtiger Rohholz-Exporteur für die holzverarbeitende Industrie in Bayern und an­deren Ländern ist, lag der Fokus des Partnernetzwerks auf der Untersuchung von Klimawandel-Anpassungsstrategien.

In dem dreijährigen Projekt wurden Maßnahmen durchgeführt, die den wechselseitigen Austausch und Wissenstransfer, gemeinsame Publikationen und weiterführende Forschungsprojekte befördern. Die Mendel Universität im tschechischen Brünn koordinierte das Projekt. Die LWF lieferte wichtige Bausteine, um die hierfür nötige Kompetenzentwicklung zu unterstützen und hat in dem Partnernetzwerk eigene Forschungsansätze weiterentwickelt. Neben der LWF und der TU München waren weitere Universitäten und Forschungsinstitute aus Deutschland, Österreich, Schweden und Slowenien beteiligt.

EU-Twinning-Projekte
1998 wurden auf Initiative der Europäischen Kommission länderübergreifende Partnerschaftsprojekte geschaffen, um künftige Mitgliedstaaten an die Europäische Union (EU) heranzuführen und sie bei ihren Vor­bereitungen auf einen bevorstehenden EU-Beitritt und beim Institutionenaufbau zu unterstützen. Twinning-Projekte wer­den u. a. aus Mitteln der europäischen Forschungsförderung finanziert.

Tschechische Forstwirtschaft im Klimawandel

Tschechien gehört zu den wichtigsten holzproduzierenden Ländern Europas. Ein Drittel des Landes ist mit Wald bedeckt, zum überwiegenden Anteil mit Fichten- und Kiefernbeständen. Die Folgen des Klimawandels haben massive Folgen für die Forstwirtschaft in Tschechien und erfordern weitreichende Anpassungen im Forst- und Holz-Sektor.

Aufgrund enormer Schadholzmengen hat sich der Holzeinschlag zuletzt verdoppelt – von knapp 16 Millionen m3 in 2015 auf 32,5 Millionen m3 in 2019, davon gut 31 Millionen m3 Nadelholz. Die Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen erfordert veränderte waldbauliche Konzepte. Nach sturm-, dürre- und borkenkäferbedingten Störungen sind viele Standorte nur schwer wieder in Bestockung zu bringen, da sich die Standortbedingungen im Temperatur- und Feuchtigkeitsregime erheblich verändert haben. Dies wirkt sich auch auf Mikroklima und Böden aus. Wegbereiter für klimaangepasste Mischbestände sind Pionierbaumarten wie die Birke, weil sie das notwendige Mikroklima für heimische und alternative Baumarten schaffen.

Die notwendigen Veränderungen im Waldbau bedeuten große Veränderungen für die tschechische Holzindustrie und führen zu einem erheblichen Investitionsbedarf in neue Technologien, Holzverarbeitung und Produktentwicklung. Die Veränderungen in der Waldstruktur müssen der Öffentlichkeit umfassend kommuniziert werden. Änderungen in der für Wald und Forstwirtschaft geltenden Gesetzgebung sind notwendig. Wünschenswert wären beispielsweise der Abbau von Bürokratie, die Förderung von weniger genutzten Waldbautechniken oder eine Änderung des Höchstalters für Verjüngungshiebe.

Kompetenzentwicklung für die forstliche Forschung an der Mendel Universität

Die LWF war im ASFORCLIC Projekt für die Kompetenzentwicklung von Nachwuchsforschenden und Angestellten im Wissenschaftsmanagement der Mendel Universität verantwortlich. Hierfür hat die LWF Workshops und Seminare, Forschungsaufenthalte und Trainings sowie Summer Schools und Tagungen initiiert, konzipiert und aktiv bei der Umsetzung mitgewirkt. Dazu gehörten Fortbildungen zum Datenmanagement und Datenschutz ebenso wie Schulungen zum Schreiben von wissenschaftlichen Artikeln oder Projektanträgen. Für Promovierende und Postdocs der Mendel Universität wurde zudem ein Mentoring System eingeführt, in dem erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Partnerinstitutionen den Nachwuchsforschenden zur Seite standen. Sehr gut angenommen wurde auch ein fortlaufendes Online-Literaturseminar zur Schulung des wissenschaftlichen Diskurses und des fachlichen Austauschs mit den Mentoren.

Für die Untersuchung von Klimawandel-Anpassungsstrategien wurden im Projekt drei Arbeitsgruppen (AGs) aufgestellt, bei denen sich die LWF und die TU München aktiv in AG 1 und 3 engagierten:

  • Waldproduktivität (AG 1)
  • Holzeigenschaften (AG 2)
  • Politik und Wirtschaft (AG 3)

Bildvergleich von verschiedenen Waldbildern - "sehr aufgeräumt" bis "grüne Hölle"

Abb. 2: Beispiel einer A-B-C-Serie. A: gleich­alter Reinbestand; B: gleichalter Misch­bestand aus zwei Arten; C: ungleichalter, arten­reicher Mischbestand. (© Torben Hilmers, TUM)

Vernetzung schafft Innovation

Gruppenbild von Experten (4 Frauen, 1 Mann)

Abb. 3: Vernetzung gelebt – mehrere Projektpartner treffen sich auf der IUFRO-Tagung: Prof. Jitka Menhazova (Mendel Universität), Prof. Janez Krc (Univ. Ljubljana), Prof. Spela Pezdevsek Malovrh (Univ. Ljubljana), Prof. Lidija Zadnik Stirn (Univ. Ljubljana), Dr. Kathrin Böhling (LWF) (© Ajša Alagić, Slowenisches Forstinstitut (GSI))

Der intensive Austausch innerhalb der Arbeitsgruppen führte zu gemeinsamen Initiativen. Hervorzuheben ist die AG Waldproduktivität, die nach einem Versuchskonzept der Waldwachstumskunde in München in jedem Partnerland forstliche Versuchsflächen etablierte. An zwei sorgfältig ausgewählten Standorten pro Land wurde jeweils eine sog. A-B-C Serie etabliert. Hierbei steht A für einen gleichaltrigen Reinbestand, B für einen gleichaltrigen Mischbestand und C für einen ungleichaltrigen, artenreichen Mischbestand. Diese Flächen sind zwischen 50 und 100 Jahre alt und repräsentieren ein vielfältiges Spektrum an standörtlichen Wuchsbedingungen. Durch die A-B-C-Serien lassen sich unterschiedliche waldbauliche Praktiken in Bezug auf diverse Ökosystemleistungen – von Klimagerech­tigkeit und Stresstoleranz bis hin zu Holz­qualität und Stabilität – umfassend bewerten. Die LWF wirkte mit bei der Planung der Bodenuntersuchungen und gab Schulungen für das an der LWF standardmäßig eingesetzte Wasserhaushaltsmodell LWF-Brook90.

Für die LWF selbst haben sich über das Projekt ASFORCLIC neue Türen geöffnet. Der Austausch von Daten und Wissen mit den beteiligten Forschungsinstituten machte eine europaweite Auswertung von Waldinventuren zum Wachstum von Buchenherkünften möglich (Engel et al. 2023). Die Daten werden mittlerweile in zahlreichen LWF-Projekten eingesetzt, unter anderem bei der Überarbeitung des Baumarten-Anbaurisikos in BaSIS.

Auch für die Forstpolitik lieferte ASFORCLIC neue Impulse bei der Frage, wie sich politische Rahmenbedingungen, Märkte und das Entscheidungsverhalten von Waldbesitzenden bzw. -bewirtschaftenden auf Entwicklung und Umsetzung geeigneter Anpassungsstrategien auswirken. Kathrin Böhling (LWF) und Jitka Meňházová (MEN) haben diese Fragen für den Waldumbau in Bayern und Tschechien analysiert, forstlich relevante Aspekte im Europäischen Green Deal (siehe Kasten) ausgewertet und Ergebnisse bei einer internationalen Tagung präsentiert. Im Ländervergleich zeigt sich beispielsweise, dass Eigentumsrechte und Freiheiten bei der Waldbewirtschaftung für Eigentümer in Bayern traditionell deutlich stärker ausgeprägt sind als in Tschechien. Aufgrund nationaler und europäischer Regelungen haben sich die Verhältnisse seit Mitte der 1990er Jahre jedoch etwas angeglichen (Böhling 2023; Nichiforel et al. 2020). Die Umsetzung der mit dem Europäischen Green Deal verbundenen waldrelevanten Ziele und Politikinstrumente wird zu einer weiteren Angleichung in den politischen Rahmenbedingungen führen.

Green Deal
Der Europäische Green Deal ist die aktuelle Wachstumsstrategie der EU und zugleich das Kernstück der europäischen Bemühungen um Nachhaltigkeit. Darin werden politische Initiativen dargelegt oder gebündelt, die dazu beitragen sollen, dass die EU-Mitgliedstaaten bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Der Europäische Green Deal vereint Klima- und Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum (ganzheitlicher Ansatz) und soll den Übergang der EU zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sicherstellen.

Zusammenfassung

Das EU-Projekt ASFORCLIC hat seine Ziele erfüllt. Die Forstfakultät der Mendel Universität in Brünn und die anderen beteiligten Institutionen (darunter LWF und TUM) sind erfolgreich und nachhaltig untereinander vernetzt. Das Projekt hat den Blick über den eigenen Tellerrand in zweifacher Hinsicht ermöglicht: durch Einblicke in andere europäische Forstwissen- und wirtschaften und durch die Betrachtung der gesamten Forst-Holz-Wertschöpfungskette einschl. politisch-gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Beide Aspekte sind essentiell für die erfolgreiche Umsetzung klimastabiler Waldbaukon­zepte – in Bayern wie in Europa.

Literatur

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren