Fichtenaltholz mit Buchenvoranbau

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Franz Binder und Sebastian Höllerl
Schutzwaldsanierung – ein Beitrag zum Hochwasserschutz – LWF Wissen 82

Die Bedeutung des Bergwaldes zum Schutz vor alpinen Naturkatastrophen ist unbestritten. Vor allen anderen Abwehrstrategien steht daher die Erhaltung der Schutzwälder im Mittelpunkt der menschlichen Gefahrenvorsorge (Interpraevent 2009).

So richteten bereits zwischen 1860 und 1880 alle Alpenstaaten Institutionen ein, deren Aufgabe die Wildbach- und Lawinenverbauungen, die Sicherung besonders instabiler Hangbereiche und vor allem großflächige Wiederaufforstungen sind und die im Wesentlichen bis heute bestehen (Bätzel 2015). In Bayern wurden im Jahre 1872 die Straßen und Flussbauämter gegründet, denen die Wildbachverbauung in ihren Aufgabenbereich zugewiesen wurde.

1902 wurden mit den Sektionen für Wildbachverbauung in Rosenheim und Kempten eigene Behörden geschaffen. Nach StMUV (2015) war ihre Aufgabe die Sanierung der Wildbacheinzugsgebiete und der Schutzwälder. Ziel war Abfluss und Geschiebeführung auf ein natürliches Maß zurückzuführen. Die Wildbachsektionen Rosenheim und Kempten wurden 1953 aufgelöst. Die Aufgaben der Wildbachverbauung erfüllen seither die jeweiligen Wasserwirtschaftsämter.

Im Jahre 1972 wurde das erste »10-Jahresprogramm Wildbachverbauung « aufgelegt. Eines der Hauptziele war, »… den Wald als die wasserwirtschaftlich wichtigste Vegetationsform zu möglichst großer flächiger Ausdehnung zu führen« (StMUV 2015).
Im Jahre 1985 wurden vom Freistaat Bayern im Rahmen eines Sonderprogramms zur schnellen Sanierung von gefährdeten Schutzwäldern im Alpenbereich und in anderen Regionen, die durch das Waldsterben in besonderer Weise betroffen oder gefährdet waren, Gelder bereitgestellt, um Schutzwälder im Alpenbereich, die durch das Waldsterben in besonderer Weise betroffen waren, schnell zu sanieren. Verantwortlich für die Sanierung der Wälder, die ihre Schutzfunktionen vor alpinen Naturgefahren, unter anderem den Schutz vor Hochwasser, nicht mehr erfüllen, sind seit 1989 die Fachstellen für Schutzwaldsanierung (heute: Fachstellen Schutzwaldmanagement) (Binder 2016).
Während die Bedeutung des Schutzwaldes zum Schutz vor Lawinen, Steinschlag und Muren nie in Zweifel gezogen wurde, wurde die Bedeutung des Bergwaldes als Schutz vor Hochwasser weltweit lange Zeit kontrovers diskutiert. Lull et al. (1972) haben dies wie folgt zum Ausdruck gebracht: »… die einen behaupteten, dass der Wald überhaupt keine positive Wirkung hätte, die anderen waren sich sicher, dass eine ordnungsgemäße Waldwirtschaft eine Lösung für das ganze Flutproblem darstellt. Die Positionen wurden mit Vehemenz gehalten, obgleich es einen Mangel an Wissen gab, gab es keinen Mangel an Argumenten«.
Heute ist diese Diskussion zwischen den zuständigen Fachleuten ausgeräumt: Im Rahmen der drei Säulen des Hochwasserschutzes technischer Hochwasserschutz, Hochwasservorsorge und natürlicher Rückhalt in der Fläche (StMUV 2014) spielt der Wald eine wichtige Rolle. Entscheidend ist dabei, das natürliche Retentionsvermögen auf der Landoberfläche und im Gewässer zu erhöhen, um den Oberflächenabfluss zu dämpfen. Hierbei ist der Wald – »bei einem gegebenen Bodentyp- unter allen Landnutzungsformen in der Regel derjenige mit der größten Wirkung auf den Wasserhaushalt« (Zürcher et al. 2010).

Das StMUV (2014) erwähnt daher die Schutzwaldsanierung als eine mögliche Maßnahme und Beitrag zum Hochwasserschutz im Handlungsfeld natürlicher Rückhalt und zieht eine Bilanz durchgeführter Maßnahmen. Hierbei wird unter anderem die Schutzwaldsanierung in Wildbacheinzugsgebieten aufgeführt. Wieso die Schutzwaldsanierung eine wichtige Rolle im Hochwasserschutz besitzt, soll im Folgenden dargestellt werden.
Fazit:
Wald ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht die wichtigste Vegetationsform, um Hochwasser vorzubeugen.

Hochwasser früher, heute und in Zukunft

Nach Herget (2012) bezeichnet man als Hochwasser Wasserstände bzw. Abflüsse, die über einen festzulegenden Schwellenwert liegen. Hochwasser weisen eine Ganglinie auf. Sie ist die Darstellung von beobachteten oder berechneten Abflüssen für einen Pegelort in der Abfolge ihres zeitlichen Auftretens. Ausgehend von einem Grundwasserabfluss (Basisabfluss) beginnt der Abfluss mit Einsetzen des Hochwassers anzusteigen. Der maximale Wert des Abflusses wird Scheitel- oder Spitzenabfluss genannt (Herget 2012).

Hochwasser gehören zu den häufigsten Naturereignissen und sind Teil des natürlichen Wasserkreislaufes. Sie sind ständiger Begleiter in allen unseren Naturräumen zu allen Zeiten (Herget 2012). Die witterungsklimatischen Ursachen der Hochwasser lassen sich nach Regen (Starkregen, Dauerregen), Schneeschmelze, Eisgang sowie Regen auf Schnee unterscheiden (Glaser 2008).
Einzelne historische Hochwasserereignisse haben Berühmtheit erlangt aufgrund ihrer extremen Wasserstände und weil sie nachhaltigen Schaden mit sich brachten. Bekannt ist die wiederholt als Jahrtausendflut bezeichnete »Magdalenenflut« von 1342 (u. a. Glaser 2008; Herget 2012). Nach Deutsch et al. (2010) zitiert nach Glaser (2008) lassen sich ab 1500 für Mitteleuropa vier Zeiträume erhöhter Hochwasserhäufigkeiten ausmachen: 1540 – 1600, 1640 – 1700, 1730 – 1790 sowie 1790 – 1840.

Er wertet die Ergebnisse der Hochwasserchronologien aus und kommt zum Ergebnis, dass bei extremen und großräumigen Ereignissen die Landnutzung und die Umgestaltung der Flussläufe keine Rolle mehr spielt. Bei mittleren Ereignissen nimmt jedoch der Einfluss der Landnutzung zu, indem sie zwar Hochwasser nicht verhindern, aber seine Spitze dämpfen kann. Anders bei kleinräumigen Ereignissen: hier hat die Landnutzung einen großen Einfluss auf die Hochwassergestaltung und die Hochwasserschutzfunktion des Waldes kommt voll zur Geltung.

So hat nach den Ergebnissen einer Literaturstudie von Wehrli et al. (2013) der Wald Einfluss auf das Hochwassergeschehen und auf den Feststoffhaushalt, vor allem in kleinen und mittleren Einzugsgebieten. Bätzing (2015) betrachtet die extremen Niederschläge mit Muren und Hochwasser in den Alpen in den letzten 160 Jahren. Demnach waren Katastrophen im Zeitraum 1904 bis 1987 relativ selten, und er stellt erst in jüngerer Zeit, das heißt ab 1987, wieder eine verstärkte Häufung fest. Dies dürfte nach Bätzing (2015) Ausdruck einer Klimaveränderung sein. Damit spricht er eine Vermutung aus, die von anderen Wissenschaftlern geteilt wird.

Als mögliche Folge des Klimawandels für die Naturgefahr Hochwasser wird eine steigende Hochwassergefahr in Mitteleuropa mit besonderer Gefährdung des Alpenraums (Zebisch et al. [2005] zitiert nach Glaser 2008) sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen gesehen (Interpraevent 2009; IPCC 2014; Kunz et al. 2017).
Die Bayerischen Alpen teilen sich in viele unterschiedlich kleine und mittlere Wildbacheinzugsgebiete auf. Vor allem in diesen Gebieten entfaltet der Wald nach Wehrli et al. (2013) bei Niederschlagsereignissen seine positive Wirkung auf die Hochwasserentstehung. Das gilt insbesondere bei kurzfristig auftretenden Starkregenereignissen. Siedlungen und Infrastruktur im Einzugsbereich von Wildbächen erfahren dadurch einen Schutz vor Hochwasser und Vermurungen.

Die Wildbäche im Alpenraum speisen in der Regel aber auch direkt oder indirekt die Zuflüsse zur Donau wie zum Beispiel Lech und Inn und tragen damit zum Hochwasser der Donau bei. Niederschläge, die in den Wildbacheinzugsgebieten zurückgehalten werden, mindern damit den potentiellen Hochwasserscheitel in der Donau und verringern die Überschwemmungsgefahr.

Daher sind in Wildbacheinzugsgebieten »die Bergwälder entsprechend ihrer Eigenart, Zusammensetzung und Biomassenkompartimentierung von eminenter Bedeutung« und daher der beste Hochwasserschutz (Bätzing 2015). Aus diesem Grund spielt die Schutzwaldsanierung auf Ebene von Einzugsgebieten mit häufig ausufernden Wildbächen und oft hochwasserführenden Flüssen eine wichtige Rolle, da hier durch die Sanierung das Abflussgeschehen positiv beeinflusst werden kann. In erster Linie sind das in den beschriebenen Wildbacheinzugsgebieten alle über 15° geneigten größeren Waldflächen (BayStMELF 1977).

Demnach besitzen ca. 44.000 ha Wald bzw. rund 28 % des ausgewiesenen Schutzwaldes im bayerischen Alpenraum Schutzfunktion vor Hochwasser. Der Beitrag zum Hochwasserschutz durch Sanierung von Schutzwäldern wird im bayerischen Alpenraum aufgrund der vorhergesagten Klimaänderungen mit einer vorhergesagten Zunahme von lokalen Starkniederschlagsereignissen in Zukunft noch deutlich an Gewicht gewinnen.
Fazit:
Schutzwaldsanierungsmaßnahmen zum Schutz vor Hochwasser konzentrieren sich auf Einzugsgebiete mit häufig ausufernden Wildbächen und oft hochwasserführenden Flüssen und tragen hier zum Schutz der Siedlungen vor Hochwasser und Vermurungen bei.

Beitrag des Waldes zum Hochwasserschutz

Eine Hauptaufgabe des Waldes im Gebirge besteht im Schutz vor Hochwasserkatastrophen durch Niederschlagszurückhaltung und in der gefahrlosen Ableitung von Starkniederschlägen sowie durch die weitgehende Verhinderung der wasserbedingten Erosion zur Vermeidung von Schäden« (Mayer et al. 1991).
Ein felsiger Hang mit NadelbäumenZoombild vorhanden

Abb. 1: Wald hält den Boden fest. Wo Bäume fehlen, dominiert nackter Fels (Foto: F. Binder)

Die Entstehung von Hochwasser ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Suda (1989) hat dies sehr anschaulich in seinem Hochwasserabflussmodell dargestellt. Neben der Wassereinzugsgebietsgröße ist vor allem die Landnutzungsform von entscheidender Bedeutung. Lull et al. (1972) haben den Einfluss des Waldes auf Hochwasserspitzen in verschiedenen Wassereinzugsgebieten im Osten der USA untersucht.

In ihren untersuchten Einzugsgebieten ging die Erhöhung des Bewaldungsprozentes mit einer deutlichen Reduktion der Hochwasserspitzen einher (Tabelle 1). Nach Englisch (2016) gehen die meisten Autoren, die sich mit der Frage Reduktion der Hochwasserspitzen beschäftigt haben, von Werten zwischen 5 und 30 % aus. Rieger (2012) modellierte für das Einzugsgebiet der Windach in Bayern eine Scheitelminderung von ca. 17 % für ein 10-jährliches Hochwasserereignis für seine Extremvariante 100 % Waldfläche.

Dies bedeutet, dass mit Zunahme des Bewaldungsprozentes in einem Wildbacheinzugsgebiet der natürliche Rückhalt von Niederschlägen in der Fläche zunimmt und der Beitrag des Waldes zum Hochwasserschutz steigt. Ursachen sind die höhere Interzeptionsleistung des Waldes gegenüber anderen Landnutzungsformen sowie die höhere Verdunstungsfähigkeit von Wald und Erschließung des Bodenspeichers durch tieferes Wurzelaufkommen (DWA 2015). Bei gleichen witterungsbedingten Vorbedingungen sind daher die freien Porenanteile in Waldböden höher als in Nichtwaldböden.

Damit besitzen die Waldböden in der Regel ein höheres Retentionsvermögen gegenüber Niederschlägen (Markart et al. 2016). Diese positiven Eigenschaften variieren mit strukturellen Unterschieden im Waldaufbau wie Rein- oder Mischwald, Laub- oder Nadelwald, einschichtiger oder mehrschichtiger Wald. Die hochwasserreduzierende Wirkung von Wald ist stark vom vorhandenen Bodenspeicher abhängig.

Nach lang anhaltenden, hohen Niederschlägen, die zu einer Sättigung des Waldbodenspeichers führen, ist eine weitere Dämpfung des Hochwasserscheitels durch den Wald nicht zu erwarten (DWA 2015) oder um es mit den Worten von Engler 1919 auszudrücken: »Alle unsere Versuchsergebnisse lehren, dass der Abflußverlauf von dem Niederschlags- und Abflußphänomen vorausgegangenen Wetter abhängig ist«. » Absolute Sicherheit gegen die Gewalt der Elemente gibt es überhaupt nicht. Wir müssen uns damit zufrieden geben, durch vorbeugende Maßnahmen ihre Verheerungen samt den schlimmen Folgen nach Möglichkeit einzuschränken und abzuschwächen«. Zu diesen vorbeugenden Maßnahmen zählt die Walderhaltung.
Tabelle 1: Einfluss der Landnutzung auf Hochwasserspitzen in kleineren Wildbacheinzugsgebieten (Quelle: Lull et al. 1972, verändert)
Tabelle 1: Einfluss der Landnutzung auf Hochwasserspitzen in kleineren Wildbacheinzugsgebieten (Quelle: Lull et al. 1972, verändert)
WassereinzugsgebietGebiet [ha]Landnutzung im Einzugsgebiet Einfluss auf Hochwasserspitze
  vor Behandlungnach Behandlung 
Shackham Brook81125 % Laubwald,
1 % Nadelwald,
74 % Weide u. Ackerfläche
27 % Laubwald,
57 % Nadelwald,
16 % Weide u. Ackerfläche
Von 1939 bis 1957; Reduktion um 41 %, von 66 % im November bis 16 % im April
White Hollow
Watershed
69466 % licht bestockter Laub-/
Kiefernmischwald,
4 % Kultur-,
4 % Grünland,
26 % Brachfläche
100 % Laub-/KiefernmischwaldIm Sommer reduziert um 73 bis 92 %; abhängig von anfänglicher Bodenfeuchte zu Beginn und Niederschlagsintensität
Pine Tree Branch
Watershed
3623 % Laubwald,
9 % Kulturland,
19 % Weide,
47 % Brachfläche,
2 % Sonstiges
33 % Laub-,
67 % Nadelwald
Im Sommer reduziert um 62 bis 87 %, abhängig von Bodenfeuchte und Niederschlagsintensität
Watershed 172,
Coshocton
729 % Wald,
51 % Weide,
20 % Brachfläche
43 % Naturverjüngung,
57 % Aufforstung (Kiefer
und Robinie)
Spitzen reduziert in der Veg. Periode um 59 %, während Veg. Ruhe um 69 %

Der Wald wirkt über den Boden gegen Hochwasserkatastrophen (Weinmeister 2003). Wald verbessert die Bodenstabilität. Je tiefgründiger und intensiver ein Boden durchwurzelt ist, desto höher ist seine Wasserspeicherkapazität und desto besser die Fähigkeit vor Hochwasser zu schützen. Der Wald erhält mit seinen Wurzeln die Bodenkrume und vermindert die Erosion. Der Boden behält damit sein Speichervolumen.

Das Wasser wird durch die Baumwurzeln, dem Boden bis in größere Tiefen entzogen, wodurch die Böden aufnahmefähiger für Niederschlagswasser sind. Dadurch verbessert sich das Speicherverhalten. Der Wald verbessert die Infiltrationsprozesse. Das Wasser wird in den Boden geleitet, wo es entweder gespeichert oder auf unterschiedlichen unterirdischen Fließwegen meist erst verzögert zum Hochwasserabfluss beiträgt (Zürcher et al. 2010). Der Boden und besonders der Wurzelraum sind daher Schlüsselgrößen, über die der Wald einen Einfluss auf den Wasserhaushalt ausübt.
Wasser wird im Wald zudem durch die Bodenrauigkeit, ausgedrückt als Rauigkeitsbeiwert, zurückgehalten (Tabelle 2). So wirkt sich Wald im Vergleich zu Weideland oder Acker eindeutig geschwindigkeitsmindernd auf den Oberflächenabfluss aus. Damit fließt dieser langsamer dem Wildbach zu und verringert den Hochwasserscheitel.
Tabelle 2: Rauigkeitswerte (n) für Überflutungsbereich bei Hochwasser in Abhängigkeit der Vegetation (Quelle: Chow 1959 aus Herget 2012, verändert)
Tabelle 2: Rauigkeitswerte (n) für Überflutungsbereich bei Hochwasser in Abhängigkeit der Vegetation (Quelle: Chow 1959 aus Herget 2012, verändert)
Überflutungsbereich bei HochwasserMinimum
n
Typisch
n
Maximum
n
Weideland, ohne Buschwerk   
kurzes Gras0,0250,0300,035
hohes Gras0,0300,0350,050
Ackerflächen   
abgeerntete Fläche0,0200,0300,040
ausgewachsen flächiger Bewuchs0,0300,0400,050
    
dichter Weidenbestand, geradlinig, im Sommer0,1100,1500,200
Kahlschlag mit Baumstümpfen0,0300,0400,050
dichter Baumbestand, einzelne umgestürzte Bäume, lichter
Unterwuchs, Hochwasser unter Astansatz
0,0800,1000,120

Die beschriebenen Vorteile des Waldes für den Hochwasserschutz sind am besten durch einen standortgemäßen, stufig aufgebauten gut strukturierten Bergwald zu erfüllen. Dieser sollte sich aus Baumarten zusammensetzen, die den Boden bis in große Tiefen erschließen können.

Im bayerischen Alpenraum erfüllt diese Aufgaben am besten der Bergmischwald aus Fichte, Tanne und Buche. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Tanne zu, da nur sie in diesem Baumartendreiklang in der Lage ist, den Boden tiefgründig aufzuschließen. Aufgrund ihrer Wurzelenergie kann sie auch verdichtete Bodenschichten durchstoßen und Wasserleitungsbahnen in die Tiefe schaffen, über die ein Teil des Niederschlagswassers abgeführt wird.
Kiefern stehen licht so dass am Boden Gras wächst.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Verlichteter, vergraster Kieferaltbestand (Foto: P. Dimke)

Verlichtete, vergraste Altbestände mit fehlender Verjüngung auf flachgründigen Humuskarbonatböden haben dagegen deutlich weniger positive Wirkungen auf das Hochwassergeschehen (Abbildung 2). Im Anhalt an die Überlegungen von Suda 1989 soll gedanklich durchgespielt werden, wieso das so ist und welche Auswirkungen zum Beispiel ein verlichteter und vergraster Kiefernaltbestand auf die Hochwasserschutzfunktion haben kann. In solchen Kiefernaltbeständen wird bei Niederschlagsereignissen die Interzeption im Kronendach des Bestandes durch die geringe Anzahl an Bäumen vermindert. Mehr Niederschlag gelangt auf dem Boden. Das Speichervolumen des Bodens wird rascher gefüllt. Mehr Niederschlag fließt oberflächennah ab.

Dieser Prozess kann im lichten Kiefernbestand durch das lange Gras »Lahnergras« (Calamagrostis, Molinia) verstärkt werden: Das Gras legt sich im Herbst hangabwärts und liegt dem Boden wie eine dichte Decke auf und verhindert so im Frühjahr und Frühsommer die Infiltration des Niederschlags in den Boden. Gleichzeitig wird die Geschwindigkeit des Oberflächenabflusses erhöht (Tabelle 2). Das Oberflächenwasser fließt schneller dem Wildbach zu.

Dies wird von Feger (2003) bestätigt. Nach seiner Aussage verhält sich ein lichter und vergraster Wald hydrologisch recht ähnlich wie reines Grasland. Durch die verminderte Transpiration der verlichteten Kiefernbestände wird nach Unterbrechung der Niederschläge das Bodenspeichervolumen nicht mehr so schnell geleert. Nach Wiedereinsetzen des Regens ist der Speicher des Bodens damit wieder schneller gefüllt, und es tritt schneller Oberflächenabfluss ein. Parallel dazu ist damit zu rechnen, dass Teilflächen, die mit langen Gräsern bestockt sind, in den Schnee einfrieren.

Dies hat zur Folge, dass wenn der Schnee langsam hangabwärts kriecht, die Gräser samt Wurzeln aus dem Boden gerissen werden. Der Regen im Sommer spült dann weiteren Boden ab und die entstandenen »Blaiken« vergrößern sich (Bätzing 2015). Mit dem Verlust des Bodens geht Wasserspeicher verloren. Alle diese Begleiterscheinungen wirken sich negativ auf die Hochwasserschutzfunktion des Waldes aus. Der Beitrag eines verlichteten, vergrasten Kiefernbestandes zum Hochwasserschutz im Vergleich zum intakten Bergmischwald ist deutlich geringer. Aus diesen Gründen hat bereits Engler (1919) gefolgert: »Die Aufforstung nackter dicht begraster Böden wird stets zu empfehlen sein«.
Fazit:
Wenn die positiven Wirkungen des Bergmischwaldes auf den Rückhalt des Niederschlages in der Fläche entfallen, kommt es verstärkt zu Oberflächenabfluss. Der Wald hat seine Hochwasserschutzfunktion eingebüßt. Wo dieser Bergwald in seiner Funktion gestört ist, gilt es diese wieder herzustellen. Wenn wir diese Aufgabe erfüllen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Erhalt der vorbeugenden Hochwasserschutzfunktion des Waldes. Dies ist Aufgabe der Schutzwaldsanierung.

Schutzwaldsanierung – ein aktiver Beitrag zur Hochwasservorsorge

Ein Hubschrauber schwebt über einem Berggipfel. Zwei Menschen stehen auf dem Gipfel. Im Tal ist ein Dorf.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Abbildung 3: Pflanzen und Material für Verbauungen in der Schutzwaldsanierung müssen oft aufwendig mit dem Helikopter eingeflogen werden. (Foto: W. Pfluger)

Die negativen Folgen für die Hochwasserschutzfunktion des Bergmischwaldes können langfristig nur durch vorhandene Verjüngung verhindert werden. Wo diese fehlt, muss sie künstlich eingebracht werden. Dies ist eine der Aufgaben der Schutzwaldsanierung. Dazu zählen vor allem Pflanzungen in verlichteten oder überalterten Schutzwaldbeständen sowie temporäre Gleitschneeverbauungen zum Schutz der Jungpflanzen vor Schneeschub.

Um den Zugang zu den Sanierungsflächen überhaupt zu ermöglichen, müssen diese zum Teil erst erschlossen werden. Dies geschieht zum Teil durch Forststraßen und im weiteren Verlauf durch die Anlage von Steigen. Oftmals müssen Pflanzen oder auch Materialien für die Verbauungen aufwendig mit dem Helikopter in die steilen Hänge geflogen werden (Abbildung 3).

Permanente Lawinenverbauungen wie zum Beispiel Stahlnetze oder Schneebrücken zum Schutz von Infrastruktureinrichtungen wurden und werden in der Regel von der Wasserwirtschafts- oder der Straßenbauverwaltung errichtet.
Ein junger Ahorn, auf dem die einzelnen Lebensjahre markiert sindZoombild vorhanden

Abb. 4: Ahornpflanze (Foto: S. Höllerl)

Insgesamt wurden von der Forstverwaltung seit Beginn der Schutzwaldsanierung rund 90 Millionen Euro in die Sanierungsmaßnahmen investiert. Zum Schutz dieser Investitionen sind flankierende Maßnahmen wie ein angepasstes Schalenwildmanagement und örtlich die Ablösung von Waldweiderechten unerlässlich.

Im Vergleich zwischen Beweidung durch Rinder und Verbiss durch Schalenwild stellt letzterer den weitaus größeren negativen Einflussfaktor auf den Schutzwald dar (El Kateb et al. 2009). Übermäßiger Schalenwildverbiss ist in Schutzwaldlagen vor allem deshalb so kritisch zu bewerten und unbedingt zu vermeiden, weil die Pflanzen dort oft mehrere Jahrzehnte benötigen, um so weit heranzuwachsen, dass sie die Schutzfunktionen des Altbestandes übernehmen können.

Einschlägiger Literatur zufolge beginnt die Verjüngung beispielsweise, die Schutzfunktion vor Lawinen zu übernehmen, wenn sie doppelt so hoch ist wie die maximale winterliche Schneehöhe (BUWAL 2005). Ursächlich für das langsame Wachstum der Pflanzen ist vor allem die kurze Vegetationsperiode in den Schutzwaldlagen (Abbildung 4).
Trotz der ungünstigen klimatischen Bedingungen konnten in den vergangenen gut dreißig Jahren bedeutsame Erfolge auf den Sanierungsflächen erzielt werden. Zwei Drittel der bepflanzen Flächen sind in einem guten Zustand. Hier gilt es, darauf zu achten, dass sich die Pflanzen möglichst ungeschädigt weiter entwickeln können. In manchen Bereichen sind die Pflanzen bereits soweit vorangewachsen, dass man die 1990 in einen völlig vergrasten Hang gebauten Schneerechen (links) und die daneben stehende Revierförsterin (rechts) kaum mehr erkennen kann (Abbildungen 5 und 6).

Trotz der Erfolge gibt es aber noch immer viel zu tun, und es werden auch immer wieder neue Sanierungsflächen dazu kommen, beispielsweise durch Windwürfe oder durch Borkenkäfer.
Schneerechen inmitten verdörrten Grases und einige Nadelbäume

Abb. 5: Früher (Foto: AELF Weilheim i. OB)

Dichtes Unterholz um die Schneerechen

Abb. 6: Heute (Foto: P. Gloning)

Integrale Schutzwaldplanung

Bei der Bewirtschaftung des Schutzwaldes gibt es gute Gründe, nach der Handlungsdringlichkeit zu priorisieren, da Maßnahmen sehr aufwendig und teuer sind. An der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft wird derzeit in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten ein GIS-gestütztes System zur Priorisierung der Flächen erarbeitet. Um das System so objektiv und so präzise wie möglich zu gestalten, wird hierfür auf eine Vielzahl bestehender digitaler kartenmäßiger Informationen zurückgegriffen (Abbildung 7).
Konzept der integralen Schutzwaldplanung als Diagramm. Analyse des Schutzbedarfs unterteilt in Gefahrenpotenzial und Schadenspotenzial, was auch als Karte Schutzbedarf zusammen gefasst werden kann. Dazu kommt noch eine Analyse der Schutzwirksamkeit, bestehend aus Waldzustand und Anforderungsprofil, als Karte Schutzwirksamkeit zusammengefasst, um eine Karte der Dringlichkeit zu erstellenZoombild vorhanden

Abb. 7: Konzept der integralen Schutzwaldplanung (Grafik: LWF)

Zunächst wird im Rahmen der integralen Schutzwaldplanung der Schutzbedarf erhoben, indem das Gefahrenpotenzial, das Schadenspotenzial und das Potenzial zur Standortdegradation festgestellt werden. Das Gefahrenpotenzial spiegelt sich wider in Flächen mit Naturgefahren wie Lawinen-, Steinschlag-, Hochwassergefahr. Das Schadenspotenzial ergibt sich durch die Lage von Gebäuden, Straßen, Infrastruktur etc.

Das Potenzial zur Standortdegradation ist hauptsächlich auf die Gründigkeit des Bodens zurückzuführen. Der Analyse des Schutzbedarfs wird in einem zweiten Schritt die Analyse der Schutzwirksamkeit gegenüber gestellt. Diese ergibt sich aus dem aktuellen Waldzustand und dem Waldzustand, der notwendig wäre, um der jeweiligen Naturgefahr bestmöglich zu begegnen (Anforderungsprofil für den Schutzwald).

Das System wird derzeit in Pilotprojekten getestet und optimiert. Sobald es ausgereift ist, soll es auf den gesamten Bayerischen Alpenraum angewendet werden und hier helfen, die wichtigsten Flächen sowohl hinsichtlich Schutzwaldsanierung als auch hinsichtlich Schutzwaldpflege zu detektieren. Diese Flächen sollen dann vorrangig bearbeitet werden.
Literatur
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  • Baumgartner, A. (1990): Verdunstung. In: Allgemeine Hydrologie. Quantitave Hydrologie. Hrsg.: Baumgartner, A. und Liebscher, H.-J. Berlin Stuttgart Gebrüder Borntraeger
  • Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (1977): Vollzug des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG): Ausarbeitung der Schutzwaldverzeichniss Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März 1977 Az.: F 4-FG 100 c-326
  • Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) (2014): Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus Bayerns Schutzstrategie Ausweiten Intensivieren Beschleunigen S. 52
  • Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) (2015): Wildbachbericht Bayern – Teil 2. Wildbachverbauung in Bayern Daten und Fakten aus zwei Jahrhunderten, S. 155
  • Binder, F; Stiegler, J. (2016): Bergwald schützt Heimat. AFZ-DerWald 22/2016, S. 40–45
  • Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (HRSG.), 2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald, Bern
  • Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) (2015): Dezentrale Maßnahmen zur Hochwasserminderung, Merkblatt DWA – M550, S. 95
  • El Kateb, H.; Stolz, M.; Mosandl, R.; (2009): Der Einfluss von Wild und Weidevieh auf die Verjüngung im Bergmischwald, LWF aktuell 71/2009, S. 16–18
  • Engler, A. (1919): Untersuchungen über den Einfluß des Waldes auf den Stand der Gewässer. Mitteilungen der Schweizerischen Zentralanstalt für das forstliche Versuchswesen XII. Band. Zürich Kommissionsverlag von BEER & Cie
  • Englisch, M. (2016): Wald und Wasser – ein (fast) ideales Paar. BFW.Praxisinformation Nr. 40, S. 3–5
  • Feger, K. H. (2003): Welchen Einfluß hat die Landnutzung auf die Entstehung von Hochwasser? AFZ-DerWAld 5/2003, S.4–5
  • Glaser, R. (2008): Klimageschichte Mitteleuropas 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen 2. Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, S. 220
  • Hager und Holzmann (1997): Hydrologische Funktionen ausgewählter naturnaher Waldökosysteme in einem alpinen Flusseinzugsgebiet. Österreichische Akademie der Wissenschaften, S.197
  • Herget, J. (2012): Am Anfang war die Sintflut Hochwasserkatastrophen in der Geschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, S. 160
  • Internationale Forschungsgemeinschaft INTERPRAEVENT (HRSG) (2009): Alpine Naturkatastrophen Lawinen Muren Felsstürze Hochwässer. Leopold Stocker Verlag, S. 120
  • Kunz, M.; Mohr, S.; Werner, P. (2017): Niederschlag. In: Klimawandel in Deutschland, Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven. Hrsg. Brasseur, G., Jacob, D. Schuck-Zöller, S. Springer-Verlag, 348 S.
  • Lange, B.; Lüscher, P. (2010): Einfluss des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf den Wasserhaushalt von Kleinflächen. Literaturstudie über die Wirkungsweise von Hochwasserschutzwälder (Eidgenössische Forschungsanstalt, unveröffentlicht)
  • Lull, H. W.; Reinhart, K. G. (1972): Forest and Floods in the Eastern United States. United States Department of Agriculture, Forest Service Research Paper NE-226, S. 95
  • Markart, G.; Kohl, B.; Sotier, B. (2016): Bergwälder als Abflussregulatoren. BFW.Praxisinformation Nr. 40, S. 16–19
  • Mayer, H.; Ott, E. (1991): Gebirgswaldbau Schutzwaldpflege Gustav Fischer Verlag 2. Auflage, S. 587
  • Rieger, W. (2012): Prozessorientierte Modellierung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen. Universität der Bundeswehr München, Institut für Wasserwesen Mitteilungen Heft 116, S. 260
  • Suda, M. (1989): Auswirkungen des Waldsterbens auf Siedlungen, Infrastruktureinrichtungen und den Fremdenverkehr im Bayerischen Alpenraum. Forschungsberichte des Deutschen Alpenvereins Band 4, S. 279
  • Weinmeister, H.W. (2003): Fähigkeiten des Waldes zur Verminderung von Hochwasser und Erosionsschäden. Berichte aus der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Nr. 40, S. 15–29
  • Wehrli, A.; Wasser, B. (2013): SilvaProtect-CH: Hydrologische Wirksamkeit des Waldes, Anhang 4 Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Gefahrenprävention, S. 5
  • Zürcher, K.; Thormann, J.-J.; Weingartner, R.; Allenspach, K. (2010): Einfluss des Waldes und der Waldbewirschaftung auf das Hochwassergeschehen kleiner und mittlerer Einzugsgebiete – Zusammenstellung und Bewertung des aktuellen Wissens (Literaturstudie, unveröffentlicht)

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