Joachim Stiegler
Sturmwurfflächen im Hochgebirge – Gut Ding will Weile haben! - LWF aktuell 134

Die Orkane »Vivian« und »Wiebke«, die Ende Februar 1990 über Europa hinwegfegten, verursachten auch in den Bergmischwäldern der Bayerischen Alpen enorme Schäden. Schnell stellte sich die Frage, wie mit diesen alpinen Sturmwurfflächen umgegangen werden sollte. Um Hinweise für künftige Sturmereignisse zu bekommen, richteten die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und die Technische Universität München elf Dauerbeobachtungsflächen auf Sturmwurfflächen im Hochgebirge ein. Drei Jahrzehnte später stellt sich die Situation der Wiederbewaldung auf den Beobachtungsflächen sehr unterschiedlich dar.

Ziel und Versuchsdesign

Die langfristig angelegte Untersuchung, die 1991 begonnen wurde, zielte darauf ab, praxisrelevante Informationen über die Waldentwicklung und Verjüngungsdynamik auf Windwurfflächen im Schutzwald zu liefern. Im Vordergrund standen dabei Zeitdauer und Ablauf der Wiederbewaldung bei unterschiedlichen Ausgangssituationen.

Die Untersuchung erstreckt sich über die Wuchsbezirke »15.5 Mittlere Bayerische Kalkalpen« und »15.7 Allgäuer Hochalpen«. Die elf Beobachtungsflächen mit Flächengrößen zwischen circa 200–600 m² befinden sich im Zentrum von insgesamt fünf 0,9 bis 5,0 ha großen Sturmwurfflächen (Abbildung 1). Auf drei Flächen fand eine Holzaufarbeitung und -räumung statt, auf acht Flächen wurde das Sturmholz liegen gelassen, um den Einfluss des Totholzes auf das Verjüngungsgeschehen zu untersuchen. Die meisten Flächen sollten sich durch Naturverjüngung wiederbewalden, auf drei Flächen wurden verschiedene Baumarten ausgesät.

Im Beobachtungszeitraum von 30 Jahren fanden inzwischen fünf Aufnahmen statt (1991, 1995, 2000, 2010 und 2020), bei denen alle Verjüngungspflanzen auf den Versuchsflächen erfasst wurden. Bei Pflanzen unter 30 cm Höhe (inkl. Keimlingen) wurde nur die Stückzahl erhoben. Bei Verjüngungspflanzen über 30 cm Höhe erfolgte eine Einzelmessung, bei der jeweils Baumhöhe, Terminaltrieblänge, Wurzel- und Brusthöhendurchmesser, Wuchsformen sowie Schäden erhoben wurden. Alle einzeln aufgenommenen Pflanzen erhielten eine Nummermarkierung, um bei Wiederholungsaufnahmen die Entwicklung nachvollziehen zu können.

Tabelle: Beschreibung der Versuchsflächen

Abb. 1: Beschreibung der Versuchsflächen (verändert nach Borchert et al. 2003)

Die südexponierten Hohenschwangauer Flächen

Die Untersuchungflächen HO-3 und HO-4 liegen im Wuchsbezirk Mittlere Bayerische Kalkalpen auf einer Höhe von 1.280 m ü. NN und repräsentieren aufgrund ihrer Südexposition für den Bayerischen Alpenraum typische hochalpine Sanierungsflächen. Die Flächen auf diesen flachgründigen Rendzinen waren nach dem Sturmwurf 1990 nicht geräumt worden. Während HO-4 sich selbst überlassen wurde, versuchte man auf der Fläche HO-3, die Baumarten Fichte, Kiefer und Bergahorn mit Plätzesaaten zu etablieren. Um den Effekt des Wildverbisses zu beleuchten, wurde ein Teil der Fläche HO-3 gezäunt (HO-3-Z).

Auf der ungezäunten und sich selbst überlassenen Fläche HO-4 gab es auch 10 Jahre nach den Sturmwürfen erst circa 400 Pflanzen/ha, die größer als 30 cm waren (Abbildung 3a). Selbst 20 Jahre nach dem Schadereignis befanden sich nur insgesamt 2.500 Pflanzen auf dieser Fläche. Erst nach 30 Jahren wurden bei der Aufnahme im Jahr 2020 mehr als 10.000 Verjüngungspflanzen gezählt, von denen aber gut 8.000 noch immer kleiner als 30 cm waren. Erfreulicherweise fanden sich zumindest bei den kleinen Pflanzen neben der Fichte auch sehr viele Bergahorne und einige Mehl- und Vogelbeeren. Die knapp 2.000 größeren Verjüngungspflanzen waren hingegen auch im Jahr 2020 fast ausschließlich Fichten, die eine durchschnittliche Sproßlänge von etwa 170 cm aufwiesen.

Auf der Fläche HO-3 hatte die Fichte-Kiefer-Bergahorn-Plätzesaat zwar kurzfristig zu einer Erhöhung der Pflanzenzahlen geführt (Abbildung 3b), von den knapp 4.500 Verjüngungspflanzen im Jahr 1991 waren 1995 allerdings nur noch rund 2.000/ha zu finden. Deren Wachstum verlief allerdings langsam, so dass selbst 20 Jahre nach dem Sturm nur knapp 2.300 Pflanzen eine Größe von mehr als 30 cm hatten. Trotz anderer Baumarten in der Verjüngung erreichten bis 2010 vornehmlich nur die Fichten eine Höhe von 30 cm und darüber. Erfreulich dagegen die Entwicklung von 2010 bis 2020: Die Gesamtverjüngungszahl ist auf über 12.000 Pflanzen gestiegen, und in der Schicht über 30 cm sind neben rund 3.000 Fichten auch etwa 2.000 Bergahorne vertreten. Die mittleren Sproßlängenwerte lagen im Jahr 2020 bei etwa 250 cm (Fichte) und knapp 50 cm (Bergahorn). Die Verjüngungsschicht unter 30 cm bestand dagegen fast ausschließlich aus Bergahorn. Bei den größeren Pflanzen war 2020 noch ein kleiner Anteil an Kiefern erhalten. Insgesamt hatte der Saatversuch auf der Fläche HO-3 jedoch sowohl im Hinblick auf die Pflanzenzahlen als auch die Baumartenzusammensetzung nur geringfügige Auswirkungen im Vergleich zur unbehandelten Fläche HO-4.

Wie groß die Bedeutung angepasster Schalenwildbestände für die Verjüngung ist, geht aus Abbildung 3c hervor. Auf der eingezäunten Fläche HO-3-Z waren bereits nach 20 Jahren über 7.000 Pflanzen größer als 30 cm – neben gut 2.000 Fichten mehr als 3.000 Bergahorne, aber auch Mehlbeere, Vogelbeere und Weide. Nach 30 Jahren, also im Jahr 2020, war die Zahl der Pflanzen über 30 cm auf knapp 7.800/ha angewachsen. Wichtiger als die absolute Summe an Pflanzen ist jedoch die Anzahl an seltenen Mischbaumarten im Verhältnis zu Fichte und Bergahorn. Diese ist hinter Zaun auch 30 Jahre nach dem Sturmwurf noch markant höher als außerhalb des Zauns. Auch auf dieser eingezäunten Teilfläche ist die enorme Verjüngungsfreudigkeit des Bergahorns seit 2010 zu beobachten.

Abb. 2: Entwicklung der Versuchsfläche GR-2 über die Jahre 1995 (links), 2010 (Mitte), 2020 (rechts) © A. Wörle, LWF (links); J. Stiegler, LWF (Mitte, rechts)

Die nordexponierten Flächen bei Hohenschwangau

Die Untersuchungsflächen HO-1 und HO-2 wurden ebenfalls auf flachgründigen Rendzinen angelegt, jedoch sind diese nordexponiert. Auch diese beiden Flächen sind ungeräumt. Während HO-2 sich selbst überlassen wurde, versuchte man auf der Fläche HO-1 die Baumarten Fichte, Bergahorn, Vogelbeere und Birke mit Plätzesaaten zu etablieren.

Die Pflanzenzahl auf den Flächen HO-1 bzw. HO-2 stieg von 715 bzw. 332 Pflanzen/ha im Jahr 1991 auf gut 15.000 bzw. knapp 13.000 im Jahr 2020 an (Abbildung 3d). Die Verjüngung bestand anfangs aus Fichte, Bergahorn und Vogelbeere, auf HO-2 waren zudem Tanne und Buche vertreten; später kamen Weiden und auf HO-1 auch Birken hinzu. Der Bergahorn nahm mit Anteilen von meist über 50 % stets eine dominante Rolle ein.

Auf der Fläche HO-1 war 1991 eine plätzeweise Saat mit Fichte, Bergahorn, Vogelbeere und Birke erfolgt. Wie bereits auf den südexponierten Flächen wirkte sich die Plätzesaat auch auf den nordexponierten Versuchsflächen nach 30 Jahren nur geringfügig auf die Pflanzenzahlen und die Baumartenzusammensetzung aus. War man 2000 noch von einem geringen Effekt ausgegangen, unterschieden sich die Flächen ohne und mit Plätzesaat bereits 2010 nur noch graduell. Insgesamt sind auf beiden Flächen 2020 jedoch ausreichend Verjüngungspflanzen vorhanden. Besonders erfreulich ist der steigende Anteil der Tanne, die in den vorherigen Aufnahmen kaum vorhanden war. Auch andere Mischbaumarten sind zu finden, lediglich die Buche ist gering vertreten.

Frische Lehmstandorte bei Graswang

Die Versuchsflächen bei Graswang (GR-1 bis GR-3) liegen ebenfalls im Wuchsbezirk Mittlere Bayerische Kalkalpen auf einer Höhe von 1.330 bis 1.380 m ü. NN. Sie stocken auf (mäßig) frischen Feinlehmen und Lehmen und sind mit einer Hangneigung von 30 bis 35 Grad nach Nordwest bis Nordost exponiert. Der über hundertjährige Vorbestand setzte sich aus Fichte, Tanne, Buche und Bergahorn zusammen. Die Versuchsflächen wurden nicht geräumt, es erfolgte keine Saat oder Zäunung.

Bereits 1995 fanden sich auf den Versuchsflächen zwischen 4.000 und 5.000 Verjüngungspflanzen unter 30 cm ein, neben der Fichte waren dies auch Mischbaumarten, zum Teil sogar die Tanne (Abbildung 3e). Allerdings hatte bis zum Jahr 2000 fast keine dieser Pflanzen eine Höhe von mehr als 30 cm erreicht. Erst 20 Jahre nach dem Sturm hatte eine größere Zahl von Bäumen – fast ausschließlich Fichten – eine Größe von 30 cm überschritten. Bis zum Jahr 2020 erreichten diese Fichten im Mittel eine Sproßlänge zwischen 102 cm (GR-3) und 184 cm (GR-1), einzelne Pflanzen wurden im Maximum bis zu 7 m hoch.

Die Tanne, die 1995 auf den Flächen GR-2 und GR-3 als Kleinstpflanze vorhanden war, hat es auch 30 Jahre nach dem Sturm auf noch keiner der Flächen über eine Höhe von 30 cm geschafft. Umso erfreulicher ist der steigende Anteil an Tannen­sämlingen und Tannenkleinstpflanzen auf diesen beiden Flächen im späteren Verlauf. Bis zum Jahr 2020 fanden sich auf allen drei Graswanger Flächen einige Lärchen im Sprosslängenbereich zwischen 30 und 45 cm ein, auf GR-1 und GR-3 auch Buchen. Diese konnten sich dort im letzten Aufnahmeturnus (10 Jahre) im Schutz der Fichten etablieren.

Balkendiagramme zeigen die Entwicklung der Sturmflächen zwischen 1991 und 2020

Abb. 3: Entwicklung der Versuchsflächen bei Hohenschwangau (HO-1, HO-2: nordexponiert; HO-3, HO-4: südexponiert) und bei Graswang (GR-1, GR-2, GR-3, nordwest- bis nordostexponiert) © LWF

Versuchsflächen in den Allgäuer Alpen

Die Versuchsflächen bei Bad Hindelang (HI-1 bis HI-4) liegen im Wuchsbezirk Allgäuer Hochalpen auf einer Höhe von 1.150 bis 1.220 m ü. NN. Sie stocken auf mäßig frischen mittelgründigen Lehmen und weisen eine Hangneigung von 20 bis 35 Grad nach West bis Nordwest auf. Der Vorbestand der Flächen HI-1 und HI-2 war im Jahr 1990 ein knapp 100jähriger Fichten-Buchenbestand. Den Vorbestand der Flächen HI-3 und HI-4 stellte ein rund 180 Jahre alter Fichten-Tannen-Buchen-Bestand mit (sehr geringem) Vorausverjüngungsanteil dar. Die Versuchsflächen wurden mit Ausnahme der Fläche HI-1 vom Sturmholz geräumt, auf der Fläche HI-4 erfolgte eine Birkensaat.

Auf der nicht geräumten Fläche HI-1 fand sich in den ersten 5 Jahren zunächst nur spärliche Verjüngung ein (Abbildung 4a). Ab dem Jahr 2000 stieg die Zahl der Verjüngungspflanzen jedoch kontinuierlich an. Sehr positiv ist der hohe Anteil an Mischbaumarten bei den Sämlingen und Kleinstpflanzen, aber auch bei den Pflanzen mit einer Höhe von mehr als 30 cm. Auch die Tanne und die Vogelbeere sind zumindest in kleinen Anteilen vertreten. Weiden nehmen selbst 30 Jahre nach dem Sturmereignis noch immer einen erheb­lichen Anteil ein. Insgesamt sind im Jahr 2020 mehr als 3.300 Pflanzen/ha über 30 cm hoch.

Im Gegensatz zu HI-1 war die Fläche HI-2 im Jahr 1990 vom Sturmholz geräumt worden. In den ersten drei Aufnahmen bis 2000 unterschieden sich die Flächen kaum. Im Jahr 2010, also 20 Jahre nach dem Sturm, waren jedoch auf der geräumten Fläche mehr Verjüngungspflanzen vorhanden als auf der ungeräumten. Im Vergleich zur nicht geräumten Fläche HI-1 befanden sich auf der geräumten Fläche HI-2 am Ende des Untersuchungszeitraums ein Viertel mehr Pflanzen.

Auf beiden Flächen (HI-1 und HI-2) überschritten die Laubhölzer bis zum Jahr 2020 eine durchschnittliche Sprosslänge von mindestens 200 cm, sie sind damit im Durchschnitt ausnahmslos größer als die Fichte. Einige Bergahorn-Individuen erreichten bis zur letzen Aufnahme eine Sprosslänge von über 10 m.

Auch die Fläche HI-3 war 1990 geräumt worden, allerdings handelte es sich beim Vorbestand um einen rund 180 Jahre alten Verjüngungsbestand. Offensichtlich hatte sich hier bereits vor den Stürmen Naturverjüngung eingestellt. Dies führte dazu, dass bereits 1995, also 5 Jahre später, fast 2.400 Pflanzen/ha größer als 30 cm waren (Abbildung 4b). Nach 20 Jahren waren es sogar fast 8.600. Mit zunehmendem Wachstum nahmen diese Pflanzen mehr Standraum ein – es verwundert deshalb nicht, dass die Pflanzendichte nach weiteren 10 Jahren, also 30 Jahre nach dem Sturm, nicht noch weiter angestiegen war. Besonders positiv ist die große Baumartenpalette von Fichte, Tanne, Buche, Bergahorn, Vogelbeere und Weide hervorzuheben.

Auf der Birkensaatfläche (HI-4), die 1990 ebenfalls schon eine Vorausverjüngung aufgewiesen hatte, war die Birke bis zum Jahr 2010 bestandesprägend (Anteil 40 %). Die schnelle Wiederbestockung der Fläche durch die Birkensaat ist somit sehr gut gelungen. In der letzten Aufnahmeperiode nahm der Anteil der Birke zu Gunsten der Baumarten Bergahorn, Buche und Vogelbeere ab. Bis zum Jahr 2020 erreichten die Verjüngungspflanzen mit bis zu 14 m die höchsten Sprosslängen über alle Versuchsflächen hinweg, allen voran die Baumarten Bergahorn, Birke und Weide.

Balkendiagramme zeigen die Entwicklung der Sturmflächen zwischen 1991 und 2020

Abb. 4: Entwicklung der Versuchsflächen bei Bad Hindelang (HI-1, HI-2: westexponiert; HI-3, HI-4: nordwestexponiert) © LWF

Geduld zahlt sich aus…

Die Anzahl der Verjüngungspflanzen hat sich auf allen Versuchsflächen seit 1991 deutlich erhöht. Gut 30 Jahre nach den Stürmen lagen die Zahlen im Jahr 2020 bei mindestens 4.000 Pflanzen pro Hektar, auf den meisten Versuchsflächen sogar bei über 10.000 Pflanzen pro Hektar. Damit sind auf allen Flächen mittlerweile ausreichend Verjüngungspflanzen vorhanden.

Dennoch kristallisiert sich heraus, dass die Baumartenzusammensetzung auf den Untersuchungsflächen stark variiert. Die Baumarten, die bei den Aufnahmen 2020 am häufigsten vorkamen, waren die Fichte und zunehmend der Bergahorn. Einige wenige Bergahorne im verbliebenen Altbestand bzw. in den umliegenden Beständen reichen demnach aus, um die Waldentwicklung entsprechend voranzutreiben.

Unmittelbar nach den Stürmen fehlte auf den meisten Flächen eine Vorausverjüngung. Lediglich auf wenigen Flächen (z. B. HI-3, HI-4, HO-3 und HO-4) war zum Zeitpunkt des Sturms schon eine nennenswerte Zahl (mehr als 1.000 Stück je Hektar) an kleinen Pflanzen unter 30 cm zu finden. Eine frühzeitige Verjüngung mit einem (bemessenen) Naturverjüngungsanteil in den Beständen ist somit anzustreben, um gegebenenfalls eine schnellere und vielfältigere Wiederbestockung zu ermöglichen. Die Wiederbewaldung auf den Beobachtungsflächen geht (bis auf die Saatflächen) auf Samen aus angrenzenden Beständen und verbliebenen Mutterbäumen zurück. Die kontinuierliche Zunahme der Pflanzenzahlen auf den Beobachtungsflächen, die Schönenberger et al. (2003) auch für Windwurfflächen in der Schweiz beschreiben, macht deutlich, dass dieser Ansamungsprozess im Gebirge auch viele Jahre anhalten kann und die Verjüngung dadurch Zug um Zug ergänzt wird.

Die durchgeführten Saaten führten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die plätzeweise Saat mit den Baumarten Fichte, Bergahorn, Vogelbeere und Birke wirkte sich weder positiv auf die Gesamtpflanzenzahlen noch auf die Baumartenzusammensetzung aus. Dagegen führte die breitwürfige Birkensaat im Allgäu zu einer schnellen Wiederbestockung. Die Birken, aber auch andere Mischbaumarten sind dort über den gesamten Beobachtungszeitraum stark vertreten.

Die ausschlaggebende Bedeutung von angepassten Wildbeständen auf die Waldentwicklung wird durch die vergleichsweise günstige Waldentwicklung auf einer eingezäunten Teilfläche (HO-3-Z) belegt. Dort stellt sich die Situation sowohl bei den Pflanzenzahlen als auch bei der Baumartenzusammensetzung positiv dar.

Hinsichtlich der Flächenräumung nach Sturmwurf wäre zu erwarten gewesen, dass liegendes Holz, Wurzelstöcke etc. die Bodenrauigkeit erhöhen und daher einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Schneedecke und zur Etablierung von Naturverjüngung liefern. Bei unseren Untersuchungen ließ sich jedoch auf den geräumten Flächen zumindest temporär eine höhere Verjüngungstätigkeit nachweisen. Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen von Brang & Wohlgemuth (2013) überein, die auf geräumten Flächen ebenfalls tendenziell mehr Naturverjüngung fanden. Nach Wohlgemuth & Kramer (2015) dient die in Folge der Räumung aufgeschürfte Bodenoberfläche offensichtlich als optimales Substrat für die Samenkeimung und den Anwuchs der meisten Baumarten. Daneben könnten liegende Stämme unter bestimmten Voraussetzungen auch als Keimbett für die Verjüngung dienen. Eine »Rannen- bzw. Moderholzverjüngung« wurde jedoch auf den Flächen nur äußerst selten beobachtet. Offensichtlich scheint der Vermoderungszustand der liegenden Stämme nach 30 Jahren noch nicht für eine Besiedelung mit Verjüngungspflanzen auszureichen.

Die Sturmwurfflächen, in denen die Beobachtungsflächen liegen, sind relativ klein. Eine Verallgemeinerung bzw. Übertragung der Ergebnisse auf große Sturmwurfflächen im Alpenraum ist somit nur bedingt möglich. Nichtsdestotrotz können die Beobachtungsflächen dazu dienen, mögliche Szenarien aufzuzeigen. Eine weitere sorgfältige Beobachtung, insbesondere auch in Bezug auf liegengebliebenes Totholz ist daher geboten.

Abb. 5: Entwicklung der Versuchsfläche HI-3 über die Jahre 1991 (links), 2010 (Mitte), 2020 (rechts) ©: A. Wörle, LWF (links); J. Stiegler, LWF (Mitte, rechts)

Zusammenfassung

Nach den Stürmen »Vivian« und »Wiebke« Ende Februar 1990 wurden im Folgejahr elf Dauerbeobachtungsflächen auf Sturmwurfflächen im Hochgebirge eingerichtet, um die dortigen Wiederbewaldungsprozesse langfristig zu beobachten. Auf allen Flächen nahmen die Pflanzenzahlen im Zeitraum von 1991 bis 2020 zu, bei Versuchsende lagen sie zwischen 4.000 und über 10.000 Pflanzen pro Hektar. Die Entwicklung der Pflanzenzahlen und Baumartenzusammensetzung stellt sich sehr unterschiedlich dar – diese ist insbesondere von der Ausgangssituation im Vorbestand sowie von der Exposition abhängig. Zudem beeinflussen Faktoren wie Saat, Räumung und Zäunung die Wiederbewaldung der Versuchsflächen.

Projekt
Die Untersuchungen auf den Sturmflächen wurden von 1991 bis 2003 als Kuratoriumsprojekt V19-II »Dokumentation zur Entwicklung der Verjüngung auf Sturmkahlflächen des Jahres 1990« begonnen und anschließend 2010 bzw. 2020 als ST 257 bzw. ST 361 »Regenerationsfähigkeit und Verjüngungsdynamik von Schutzwäldern auf Sturmwurfflächen im bayerischen Alpenraum – Wiederholungsaufnahme auf Dauerbeobachtungsflächen 20 bzw. 30 Jahre nach den Stürmen Vivian und Wiebke« auf ausgewählten Sturm­flächen fortgeführt. Alle Projekte wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert.

Literatur

  • Borchert, H.; Märkl, G.; Mössnang, M.; Guglhör, W. (2003): Waldentwicklung auf Sturmwurfflächen von 1990. Unveröffentlichter Abschlussbericht zum Forschungsprojekt V19 II, 295 S.
  • Brang, P.; Wohlgemuth, T. (2013): Natürliche Wiederbewaldung von Sturmflächen: Schlussbericht des Projektes Wiederbewaldung Windwurfflächen 2008–2012. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL; 99 S.
  • FSWM (2021): Fachstellen Schutzwaldmanagement, Pflanzung im Schutzwald. Hinweise für die Praxis
  • Schönenberger, W.; Angst, C.; Bründl, M.; Dobbertin, M.; Duelli, P.; Egli, S.; Frey, W.; Gerber, W.; Kupferschmid, A. D.; Lüscher, P.; Senn, J.; Wermelinger, B; Wohlgemuth, T. (2003): »Vivians« Erbe – Waldentwicklung nach Windwurf im Gebirge. Merkblatt für die Praxis, WSL (36): 12 S.
  • Wohlgemuth, T.; Kramer, K. (2015): Waldverjüngung und Totholz in Sturmflächen 10 Jahre nach Lothar und 20 Jahre nach Vivian. Schweiz Z Forstwes 166 (3): S. 135–146

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