LWF aktuell 149
Blick von oben auf die Alpen – eine neue Landbedeckungskarte
von Kristine Mayerhofer und Dr. Matthias Kunz

Eine neue Landbedeckungskarte für den bayerischen Alpenraum ersetzt die bisherige Laub-/Nadelwaldkarte. Basierend auf hochaufgelösten Orthophotos und Oberflächenmodellen können die Klassen Laubholz, Nadelholz, Latsche, Wiese, Fels und Wasser unterschieden werden. Mit dieser Karte sind unter anderem präzisere Habitat- und Waldvegetationsmodellierungen im Gebirge möglich.

Informationen zur Landbedeckung helfen bei vielen Fragstellungen der Forstwirtschaft und des Naturschutzes. Besonders relevant sind sie bei der Modellierung von Habitaten oder bei der Feststellung der Habitateignung für viele Wildtiere (z. B. Auer- und Gamswild). Auch bei der Modellierung von Wald-Lebensraumtypen oder der Erstellung von Suchräumen für Schadorganismen an Waldbäumen leisten diese Karten wertvolle Dienste. Bisherige Landbedeckungsklassifizierungen wie die Corine Landbedeckungskarte (EEA 2018), abgeleitete Laub-Nadelholz-Karten oder Baum­artenkarten aus Sentinel-2-Satellitendaten (Straub et Reinosch 2023; Welle et al. 2022, Blickensdörfer et al. 2024) sind für manche Anforderungen nicht geeignet. Gründe hierfür können die grobe räumliche Auflösung der Ausgangsdaten, Fehlklassifikationen oder abweichende Klassendefinitionen sein. Die bisher zur Verfügung stehenden Laub-Nadelholzkarten (Straub et Reinosch 2023) konnten besonders in lichten subalpinen Nadelwäldern die Laub-Nadelholzverteilung nicht adäquat abbilden. Grund dafür ist die geringe räumliche Auflösung der Sentinel-2- Daten von 10–20 m und die damit verbundene Vermischung der spektralen Reflexion von Bodenvegetation und darüber stehenden Bäumen. Für die Modellierung der Wald-Lebensraumtypen (Wald-LRTen) spielt der Laub-Nadelholzanteil jedoch eine wichtige Rolle.

Deshalb wurde mittels aktueller Orthophotos, neuer Oberflächenmodelle und eines robusten maschinellen Lernverfahrens eine neue Landbedeckungsklassifizierung entwickelt. Modelliert wurden die sechs Klassen Laubholz, Nadelholz, Latsche, Wiese, Fels und Wasser. Dabei liefern die Klassen „Latsche", „Wiese" und „Fels" für das Vorkommen bestimmter Wald-LRTen zusätzliche wichtige Hinweise. Beispielsweise sind in Lärchen- Zirbenwäldern oft Latschen beigemischt, und Orchideen-Buchenwälder sind häufig mit „von oben" sichtbarer Grasvegetation oder Felsen durchsetzt.

Entwicklung eines Modells

3-D-Darstellung zeigt die Landbedeckung am Spitzingsee.Zoombild vorhanden

Abb. 1: 3-D-Darstellung der Landbedeckung am Spitzingsee – „Blick" von der Taubenstein-bahn auf die Brecherspitz.

Als Grundlage der neuen Landbedeckungskarte dienten die digitalen Orthophotos (DOP) und das digitale luftbildbasierte Oberflächenmodell (lDOM) aus dem Jahr 2022 sowie ein aktuelles digitales Geländemodell (DGM) der bayerischen Vermessungsverwaltung mit einer räumlichen Auflösung von 20 cm (DOP) bzw. 1 m (DOM und DGM; LDBV 2024). Aus diesen Eingangsdaten wurde das normalisierte digitale Oberflächenmodell abgeleitet, das auch als „Kronenhöhenmodell" bekannt ist. Aus Sentinel-2 Daten wurden gängige Vegetationsindizes (NDVI, NGRDI, CVI; Rouse et al. 1973, Vincini et al. 2008, Hunt et al. 2010) berechnet. Alle Daten wurden auf eine räumliche Auflösung von 10 m gemittelt und dabei zusätzlich die Varianzen der Variablen innerhalb der 10 m berechnet. Außerdem wurden bekannte Texturmaße nach Hall-Bayer (2005) und die Oberflächenrauigkeit (TRI; Riley et al. 1999) erstellt. Als Eingangsdaten in die Klassifikation wurden demnach nicht nur einzelne Pixelwerte betrachtet, sondern auch ihre Varianzen innerhalb des 10 m Pixels und zu den Nachbarpixeln.
Die Orthophotos aus der amtlichen Luftbildbefliegung werden zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeitpunkten während der Vegetationsperiode in so genannten Befliegungslosen erfasst. Dies birgt oft das Risiko, dass sowohl die Lichtverhältnisse und damit die spektralen Reflexionseigenschaft als auch die phänologische Entwicklung der Bäume zwischen den Befliegungszeitpunkten unterschiedlich sein können. Deshalb haben wir für fast jedes Befliegungslos ein eigenes Modell und eines für den gesamten bayerischen Alpenraum trainiert. Damit wir der unterschiedlichen Wiedergabe derselben Klasse zu den verschiedenen Befliegungszeitpunkten im alpenweiten Modell begegnen können, wurde diesem Modell eine weitere Variable für jedes Befliegungslos mitgegeben, die ihm mitteilen soll: „Achtung, hier ist etwas anders!".
Um die Modelle zu trainieren, setzten wir Trainingspunkte manuell am Orthophoto. Im Laufe der Modellentwicklung wurde die Anzahl der Trainingsdaten immer wieder erhöht, um die Genauigkeiten der modellierten Klassen zu verbessern. Am Ende dieses Prozesses standen für das alpenweite Modell zwischen 1.700 und 7.600 Trainingspunkte pro Klasse und für die Modelle der einzelnen Befliegungslose zwischen 21 und 1.500 Trainingspunkte zur Verfügung.
Zum Schluss überprüften wir die unterschiedlichen Modelle visuell und vereinigten die besten Modelle, teilweise auch einzelne Klassen, zu einer Landbedeckungsklassifizierung für die Alpen.

Zwei Karten, die die Klassifizierte Landbedeckung und ein Infrarot-Ortophoto zeigen.

Abb. 2: Klassifizierte Landbedeckung südlich von Garmisch-Partenkirchen an der Alpspitze (links), daneben ein Falschfarbeninfrarot-Orthophoto desselben Ausschnitts. Die Alpspitze ist von Felsen umgeben, es folgen Wiesen und Latschenflächen. Schließlich geht die Landbedeckung in Nadel- und Laubwälder über. (© LWF)

Ergebnisse

Die Modellgenauigkeiten liegen für alle Modelle über 90 %, wobei die lokalen Modelle besser abschneiden als das alpenweite Modell. Die einzelnen Klassen können ebenfalls gut modelliert werden, in der Regel werden Genaugkeiten von über 89 % errreicht. Bei der abschließenden visuellen Überprüfung am Stereo-Luftbild fielen dennoch einzelne Fehlklassifizierungen von Latschen bzw. Grünerlen auf. Vereinzelt wurden auf stark überbelichteten und verschatteten Bereichen auch die Laubholz-Anteile über- bzw. unterschätzt. Im Bereich Berchtesgaden kam es zudem zu Fehlklassifkationen der Latsche auf baumlosen Wiesen.
Trotz dieser Fehler stellt die neue Landbedeckungsklassifizierung eine deutliche Verbesserung der Daten dar. Sie sind außerdem vergleichbar mit unseren bishe­rigen kleinflächigen Baumgruppenklassifikationen mit Orthophotos, obwohl wir jetzt eine wesentlich größere Fläche vorhergesagt haben und damit die Ausgangsdaten wesentlich heterogener waren. Ausschlaggebend für die guten Ergebnisse dürfte die Integration der räumlichen Varianzen der Variablenwerte sein, die die einzelnen „Rohwerten" der Variablen ergänzen.

Verwendung der Landbedeckungskarte

Aufgrund der guten Vorhersage von Laub- und Nadelholz, Latschen, Wiesen und Fels bzw. Schuttflächen wird die Karte inzwischen nicht nur für die Modellierung der Wald-Lebensraumtypen genutzt. Beispielsweise dient die neue Karte zur Erstellung einer Suchraumkulisse für die Pilzkrankheit Lecanosticta acicola an der Latsche (Pinus mugo spec.) oder zur Optimierung des Waldflächenbasislayers im Projektgebiet. Künftig soll diese Landbedeckungsklassi­fizierung um die Voralpen ergänzt werden, da es dort einige Latschen- und Spirkenmoore gibt, die mit den bisherigen semi-automatisierten Methoden nur bedingt als Waldflächen erfasst werden konnten.

Die Landbedeckungskarte kann hier angefragt werden.

Zusammenfassung

Die neue Landbedeckungsklassifizierung der bayerischen Alpen erfasst nicht nur den Laub-Nadelholzanteil in lichten Beständen besser als bisher vorhandene Klassifikationen der Region, sondern sie nimmt als zusätzliche Kategorien auch Latschen, Felsen und Wiesen auf. Die neue Klassifizierung wurde entwickelt, um die FFH-Wald-Lebensraumtypen in den Alpen besser modellieren zu können. Sie bietet aber auch eine gute Grundlage für weitere Habitatmodelle und für Analysen zur Waldzusammensetzung.

Literatur

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren

  • Kristine Mayerhofer
  • Dr. Matthias Kunz