Christoph Straub und Rudolf Seitz
Satellitenbilder kostenfrei für die forstliche Forschung – LWF aktuell 115
Durch das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus sind kostenfreie optische Satellitendaten zunehmend besser verfügbar. Anwendungsgebiete für die Forstwirtschaft ergeben sich unter anderem für die großflächige Waldflächenerfassung sowie für die Unterscheidung von Waldtypen beispielsweise zur Erstellung einer Laub- und Nadelholzkarte für Bayern. Zukünftige Forschungsarbeiten werden außerdem Möglichkeiten zur Erfassung der Hauptbaumarten sowie zur möglichst schnellen Identifizierung von Flächenveränderungen in Waldgebieten untersuchen.
Das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus wird seit 2014 operationell betrieben (EC 2014) und soll in den kommenden Jahren aktuelle Informationen für die Umweltüberwachung und die zivile Sicherheit liefern.
Die Sentinel-2 Mission des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus
Abb. 1: Die Sentinel-2 Satelliten kreisen um die Erde und nehmen kontinuierlich Bilder der Erdoberfläche auf. (Foto: ESA/ATG medialab)
Der erste Satellit Sentinel-2A hob bereits am 23. Juni 2015 ab. Am 7. März 2017 folgte ihm dann Sentinel-2B (ESA 2017a). Die Satelliten umkreisen die Erde in 786 Kilometern Höhe und nehmen jeweils kontinuierlich einen 290 Kilometer breiten Streifen der Erdoberfläche auf. Bei wolkenfreien Bedingungen ermöglichen die Satelliten theoretisch alle fünf Tage eine aktuelle Aufnahme. Beide Sentinel-2 Satelliten generieren Bilddaten im sichtbaren Bereich sowie im nahen und kurzwelligen Infrarotbereich in 13 Spektralbändern mit unterschiedlichen, räumlichen Auflösungen von 10, 20 oder 60 m (ESA 2017b). Speziell die Spektralbänder aus dem nahen und kurzwelligen Infrarotbereich können für forstwirtschaftliche Auswertungen von besonderem Interesse sein.
Alle fünf Tage aktuelle und kostenfreie Bilder der Erdoberfläche
Abb. 2: 290 km breiter Aufnahmestreifen des Sentinel-2A Satelliten. (Grafik: Contains modified Copericus Sentinel data, 2015)
Zusätzlich zeigt Abbildung 3 oben einen kleinen Ausschnitt vom Ebersberger Forst, um die maximale räumliche Auflösung von 10 m bzw. den Detailliertheitsgrad der Sentinel-2 Daten zu veranschaulichen. Zum Vergleich ist in Abbildung 3 unten ein hochaufgelöstes amtliches Orthophoto mit 0,2 m räumlicher Auflösung gegenübergestellt. Laubholzdominierte und nadelholzdominierte Bestände können in den beiden Color-Infrarot-Darstellungen deutlich unterschieden werden.
Im Folgenden soll das Potenzial von Sentinel- 2 Satellitenbildern für großflächige Auswertungen aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck hat die Abteilung »Informationstechnologie « der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) eine Untersuchung zur automatisierten Erfassung von Laub- und Nadelholzflächen durchgeführt.
Der entwickelte Arbeitsablauf zur Erstellung einer Laub- und Nadelholzkarte unter Verwendung von Sentinel-2 Satellitendaten wird im weiteren Artikel skizziert und gliedert sich in die folgenden wesentlichen Arbeitsschritte:
- Datenbeschaffung,
- Bildaufbereitung,
- Modellierung,
- Kartenerstellung.
Datenbeschaffung und Bildaufbereitung
Abb. 3: Laubholzdominierte und nadelholzdominierte Flächen deutlich unterscheidbar.
(Bilder: LWF und Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung).
Zusätzlich mussten im gesamten Sentinel- Aufnahmestreifen alle Gebiete abgegrenzt werden, deren Spektralwerte durch Wolkenbedeckung beeinflusst sind, in Abbildung 2 ist beispielsweise eine dünne Wolkenbedeckung im linken oberen Teil des Aufnahmestreifens sichtbar.
Modellierung
Im Allgemeinen sollten die eingesetzten Trainingsdaten die zu modellierenden Zielgrößen (hier: Laub- und Nadelholzanteile sowie unbestockte Flächenanteile) repräsentativ abbilden und möglichst gleichmäßig über das gesamte Bearbeitungsgebiet verteilt sein. Dies konnte im vorliegenden Fall gewährleistet werden, da auf bereits vorhandene Referenzgebiete aus dem abgeschlossenen Forschungsprojekt TreeIdent (Immitzer et al. 2015) zurückgegriffen werden konnte. Dieser Datensatz besteht aus insgesamt 4.178 Quadraten (Größe: 0,1 km × 0,1 km), die in einem regelmäßigen Abstand von 2,5 km × 2,5 km über die Waldfläche Bayerns verteilt wurden. Mit Hilfe amtlicher Color-Infrarot-Orthophotos (LDBV 2017) wurde in jedem Quadrat der prozentuale Anteil von Laubholz, Nadelholz und unbestockten Flächen visuell interpretiert.
Für die kNN-Modellierung wurden im vorliegenden Fall nur Trainingsgebiete verwendet, für welche die visuelle Interpretation zuverlässig durchgeführt werden konnte. Zusätzlich mussten alle Quadrate beseitigt werden, deren Spektralwerte durch störende Wolkenbedeckung in den Sentinel-2 Daten beeinflusst waren. Dadurch konnten schließlich 1.909 Trainingsgebiete innerhalb des in Abbildung 2 gezeigten Aufnahmestreifens für die Modellierung eingesetzt werden.
Kartenerstellung
Fazit
Abb. 4: Ausschnitt eines Sentinel-2A Aufnahmestreifens als Color-Infrarot-Darstellung (Bilder: LWF)
Einzelbaumbezogene Informationen können dagegen, wie mit Abbildung 3 oben veranschaulicht, nicht abgeleitet werden. Im vorliegenden Beitrag wurden exemplarisch Möglichkeiten zur großflächigen Erfassung von Baumartengruppen, d.h. von Laub- und Nadelholzflächen, in Bayern vorgestellt. Hierfür wurde ein Sentinel- 2A Aufnahmestreifen vom 26. August 2015 verwendet. Eine zukünftige Verbesserung der dargestellten Methode wird durch eine multitemporale Auswertung angestrebt, d.h. durch die kombinierte Verwendung mehrerer Sentinel-2 Aufnahmestreifen, welche die Waldflächen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahresverlauf bzw. während unterschiedlicher phänologischer Phasen abbilden.
Eine Herausforderung könnte dabei das Auffinden mehrerer wolkenfreier Datensätze innerhalb eines Jahres sein, insbesondere wenn wolkenfreie Aufnahmestreifen für ganz Bayern benötigt werden. Deshalb wird man wahrscheinlich für diese Fläche auf wolkenfreie Aufnahmestreifen aus unterschiedlichen Jahrgängen zurückgreifen müssen.
Zukünftige Forschungsarbeiten
In diesem Zusammenhang wird die LWF prüfen, ab welcher Flächengröße Sturmschäden in Sentinel-2 Daten zuverlässig detektiert werden können und ob automatisierte Auswertungen hierfür ausreichende Genauigkeiten liefern. Ein weiteres zukünftiges Forschungsthema wird sich mit der Erfassung großflächiger Vitalitätsveränderungen in Waldgebieten (z.B. verursacht durch Trockenstress) über die Auswertung von Sentinel-2 Zeitreihendaten befassen.