Andreas Baumgart
Die Flatterulme als Ersatzbaumart nach Esche – erste Erfahrungen aus Nordvorpommern – LWF Wissen 83
Es ist Freitag, der 22. Juli 2011 – einer der vielen grauen Tage in jenem verregneten Sommer. Dieser Tag wird die flache Grundmoränenlandschaft in Nordvorpommern wochenlang in eine Flussdeltalandschaft verwandeln. Bis zum Abend fallen mehr als 100 Liter je Quadratmeter. Die Wassermassen treffen auf bereits vollständig gesättigte Staunässeböden.
Allein im Landeswald des Forstamtes Schuenhagen stehen ab Montag, den 25. Juli mehr als 600 ha Wald unter Wasser. Im Endinger Bruch, einer größeren vermoorten Beckenlandschaft östlich von Velgast, werden am 1. August 2011 Wasserstände von mehr als 1,20 m über Flur erreicht. Und die Überflutung wird andauern – 38 Tage lang. Die wenigen Fließgewässer können kaum noch Wasser abführen. Die, zunehmende Sauerstoffarmut des stagnierenden Wassers verschärft die Situation.
Die Folgen des Hochwassers für die Waldvegetation werden an manchen Stellen schnell deutlich (etwa großflächig absterbende Erlenkulturen, hohe Schäden bei Baumarten wie Fichte und Vogelkirsche), an anderen Stellen erst im Folgejahr. Insbesondere die Rotbuche als dominierende Baumart in den eschenreichen Buchenbeständen reagiert mit früher Welke, Kleinblättrigkeit und Absterbeerscheinungen. Hainbuche und Winterlinde zeigen dagegen kaum Schadsymptome. Diese Baumarten stocken jedoch vor allem auf den feuchten Mineralstandorten, die weniger intensiv vom Sommer-Hochwasser betroffen sind.
In den am stärksten und längsten überfluteten Bereichen steht neben der Stieleiche nur eine Baumart gänzlich »unbeeindruckt« da, als hätte es das alles nicht gegeben – die Flatterulme.
Die Flatterulme in Mecklenburg-Vorpommern
Die Flatterulme ist im äußersten Nordosten Deutschlands eine seltene, aber stetig vorkommende Baumart (Landesforstanstalt Eberswalde 2007). Die klimatisch kontinental geprägten Länder Mecklenburg-Vorpommern (MV) und Brandenburg/Berlin (BB) weisen mit ca. 0,007 Stück/km² Landesfläche die mit Abstand höchste Anzahl an Flatterulmenvorkommen in Deutschland auf.
Absolut sind dies 183 Vorkommen mit 58.158 Baumindividuen (BB) bzw. 164 Vorkommen mit 24.576 Bäumen (MV). Eine Erhebung aus dem Jahr 1996 (Baunack, A. 1997) ermittelte für MV nur 8.839 Bäume. Vermutlich beträgt die tatsächliche Anzahl ein Vielfaches.
Die Flatterulme im Forstamt Schuenhagen
Die Region Nordvorpommern ist eine reliefarme Jungmoränenlandschaft, die seit Jahrhunderten durch landwirtschaftliche Nutzung und große produktive Ackerflächen gekennzeichnet ist. Der Waldanteil liegt bei nur 17 Prozent. Klimatisch ist das Gebiet durch den maritimen Einfluss der Ostsee geprägt, die Niederschläge liegen zwischen nur 600 mm (Darß) und 650 mm pro Jahr im Küstenhinterland. Die ökoklimatische Wasserbilanz ist dennoch deutlich positiv. Spätfroste kommen häufig vor.
Knapp 75 % der (überwiegend sehr gut nährstoffversorgten) Standorte sind stärker grundwasserbeeinflusst bis staunass oder gar sumpfig. In Nordvorpommern stockt die Flatterulme vor allem auf den langzeitig vernässten Grund- oder Staugleyen der jungpleistozänen Grundmoräne (Wuchsbezirk »Richtenberger Flachmoräne«).
Sie kommt als Nebenbaumart sowohl in Erlen-Eschenwäldern auf organischen als auch in Eichen-Hainbuchenwäldern und anderen Feuchtwäldern auf mineralischen Nassstandorten vor. Flächenmäßig sind letztere deutlich dominant. In kleinflächigen, nassen Senken in Eichen-Hainbuchenwäldern finden wir die meisten Flatterulmen.
Das (Einheits-)Forstamt Schuenhagen umfasst ca. 20.000 ha Gesamtwald. Etwa die Hälfte davon ist Privatwald, 10 % gehören Kommunen und ein Drittel ist Wald der Landesforstanstalt MV. Für den Anstaltswald liegen mit dem Forsteinrichtungswerk zum Stichtag 01.01.2018 aktuelle Daten zum Waldzustand vor. Die Holzbodenfläche beträgt ca. 6.250 ha, auf 73 Prozent davon stocken Laubhölzer. Die Flatterulme kommt in allen sieben Revieren vor. Auf Grund der naturräumlichen Bedingungen hat sie jedoch nur in fünf Revieren (Buchenhorst, Elmenhorst, Karnin, Lendershagen und Pennin) mit Schwerpunkt auf den Grundmoränenstandorten (ca. 4.700 ha) eine nennenswerte Bedeutung.
Flatterulmen kommen demnach auf einer Fläche von insgesamt knapp 54 Hektar (Oberstand) vor. Mehr als 80 Prozent liegen in Natura2000-Gebieten. Methodisch bedingt erfasst das in MV angewandte Forsteinrichtungsverfahren jedoch nur einen Teil der tatsächlich vorhandenen Bäume. Bei selten vorkommenden Baumarten wie der Flatterulme (die typischerweise in einzel- oder truppweiser Mischung vorkommt) reicht insbesondere in baumartenreichen, größeren Mischbeständen die (eigentlich niedrige) Aufnahmeschwelle von 0,1 ha für eine Erfassung häufig nicht aus. Es ist daher davon auszugehen, dass das tatsächliche Vorkommen an Flatterulmen wesentlich größer ist. Eine Reihe von bekannten stattlichen Einzelexemplaren (s. Abbildung 1) und kleinflächigen Vorkommen sind uns aus Beständen bekannt, für die das Einrichtungswerk keine Flatterulmen ausweist.
Nicht wenige sehr alte Flatterulmen erfreuen sich in der nordvorpommerschen Waldlandschaft noch guter Vitalität. Es wird daher für unsere Region angenommen, dass das biologisch erreichbare Alter deutlich über 200 Jahre liegen dürfte.
Einige Kenndaten
Altersklassen
63 Prozent der Vorkommen sind jünger als 20 Jahre und stammen fast ausschließlich aus Waldumbaumaßnahmen nach Eschenkalamität
höchstes Bestandesalter
(2 Bestände im Rev. Karnin): 211 Jahre
dickster bekannter Einzelbaum
(Rev. Karnin): BHD 124 cm (Höhe 30 m)
größter mittlerer BHD
Bestand 186 J., Rev. Buchenhorst): 100 cm
Vermehrungsgut
Kontrollzeichenherkunft »Schuenhagen«: 2 Bestände (Bussin 0,27 ha, 130 J. (vgl. Abbildung 2); Wolfshagen 0,54 ha, 123 J.)
Eschentriebsterben
Seit Anfang der 2000er Jahre verschlechterte sich die Vitalität der Esche, der wichtigsten Mischbaumart auf den reichen Nassstandorten der vorpommerschen Flachmoräne, zusehends. Ihr Anteil betrug zu dieser Zeit im Landeswald des Forstamtes noch knapp 15 Prozent.
Als eine Erholung wegen der verheerenden Absterbeerscheinungen an Trieben zunehmend unwahrscheinlich erschien, erfolgten im Landeswald ab 2005/06 jährlich Kalamitätshiebe im Umfang vom drei- bis fünffachen des Nachhaltshiebssatzes (damals 2.400 fm). Zwischen 2006 und 2018 wurden etwa 121.000 fm Esche eingeschlagen.
Das dafür im Forstamt erarbeitete Handlungskonzept basierte auf dem Prinzip der Risikostreuung und dem Postulat der rechtzeitigen Nutzung vor Entwertung (Neuß, R., Schröder 2013, Anonymus 2013). Die umweltschonende Nutzung kranker Eschen auf befahrungsempfindlichen Standorten und in naturschutzsensiblen Lebensräumen mit zudem verjüngungsfeindlich hohen Wilddichten an Reh- und Rotwild bedeutete eine extreme Herausforderung für den Forstpraktiker.
Wo immer möglich, erfolgte die Verjüngung in den Kalamitätsbeständen auf natürlichem Wege. In eschendominierten Althölzern gelang dies in Abhängigkeit von Vitalitätsverlust und Krankheitsverlauf jedoch oft nur eingeschränkt (zu wenig Schirm, starke Vergrasung, fehlende Vorausverjüngung, intensiver Verbiss), sodass der Waldumbau durch künstliche Verjüngungsmaßnahmen unterstützt werden musste.
Insgesamt wurden im Forstamt zwischen 2006 und 2016 auf etwa 305 Hektar Eschen-Kalamitätsfläche Pflanzungen durchgeführt, vor allem auf Standorten der Formengruppen NR1 und NK1 (mineralische Nassstandorte der Feuchtestufe nass und Nährkraftstufe reich bzw. kräftig) sowie auf mäßig entwässerten nährstoffkräftigen Mooren (OK3).
Die Kunstverjüngungsfläche nach Esche verteilt sich auf die gewählten Baumarten wie folgt (Tabelle 1):
Tabelle 1: Baumartenanteile der Pflanzungen auf Eschenkalamitätsflächen im Zeitraum 2006 – 2016
(Landeswald, Gesamtfläche: 305 ha)
Anteile kunstverjüngter Baumarten nach EscheBaumart | Anteil [%] |
---|
Roterle | 40 % |
Stieleiche | 34 % |
Flatterulme | 11 % |
Rotbuche | 4 % |
Bergahorn | 3 % |
Hainbuche | 3 % |
Winterlinde | 2 % |
Andere (z. B. Schwarzpappel) | 3 % |
Eine solide fachliche Grundlage für die Baumartenwahl war dabei die flächendeckend vorliegende Standorts- und ökologische Humusformenkartierung. Auf Moorböden sowie auf langzeitig vernässten Sand-Humusgleyen mit zügigem Grundwasser wurde vorwiegend Roterle gepflanzt. Für die feuchten bis nassen Lehm-Humusstaugleye fiel die Wahl im Schwerpunkt auf Stieleiche mit Beimischung von Hainbuche oder seltener Winterlinde. Wurden auf den feuchten bis frischen Humusstaugleyen, Lehm-Graustaugleyen und Staugleyfahlerden ausnahmsweise künstliche Verjüngungsmaßnahmen notwendig, fanden Bergahorn und Rotbuche Verwendung.
Als ab dem Jahr 2008 die Hoffnung auf Erholung der erkrankten Eschen zunehmend sank und das für unsere Region fast apokalyptische Ausmaß des Eschentriebsterbens absehbar war, beschäftigten wir uns intensiv mit weiteren Alternativen zur Esche. Vor allem für die sehr nährstoffreichen, aber langzeitig staunassen Lehmböden konnten Roterle (Präferenz für bewegtes Grundwasser) und Stieleiche (nicht mehr optimales Wachstum, massive Begleitvegetation, hohe Kulturpflegekosten, sehr lange Produktionszeiträume) keinesfalls »erste Wahl« sein.
Ermutigt durch positive Erfahrungen mit einzelnen Anbauflächen vor allem im Revier Karnin, Beobachtungen an vielen älteren Einzelbäumen und nicht zuletzt bestärkt durch die fast leidenschaftlichen Plädoyers des »Flatterulmen-Fans« Müller-Kroehling (Müller-Kroehling 2003, 2005) beschäftigten wir uns intensiv mit Ulmus laevis als ernstzunehmender Ersatzbaumart.
Pflanzung von Flatterulmen – Mut zum Risiko?
Zoombild vorhanden
Abb. 3: klassierte Flächengrößen junger Flatterulmenbestände im Landeswald des Forstamtes Schuenhagen (Grafik: LWF)
Für den Anbau der Flatterulme sprachen die bekannten Vorteile: geringe Empfindlichkeit gegen das Ulmensterben, hohe Überflutungs- und Staunässetoleranz, interessante Holzverwendungsmöglichkeiten, gutes Wachstum und akzeptable ökonomische Gesamtbewertung sowie günstige Perspektiven unter sich ändernden klimatischen Bedingungen (Müller-Kroehling 2011). Auf Grund des raschen Jugendwachstums sind zudem die Pflegekosten bis zur gesicherten Kultur insbesondere im Vergleich zur Eiche gering. Auch anfänglichen Ulmen-Skeptikern unter den Revierleitern wurde daher mit Blick auf die unbestrittenen Vorteile dieser seltenen Baumart nicht übermäßig viel Mut abverlangt.
Beginnend im Jahr 2008 erfolgten dann jährlich Pflanzungen von Flatterulme im Regelverband 2 m x 1,40 m (ca. 3.600 St./ha) in sehr unterschiedlichen Flächengrößen. Insgesamt wurden bis zum Jahr 2017 weitere 44 Flächen mit Flatterulme begründet. Am häufigsten wählten wir trupp- bis maximal horstgroße Mischungsformen, vielfach auch 0,5 bis maximal 1 ha große Flächen (vgl. Abbildung 3). Es wurden einmal verschulte zweijährige Pflanzen (1/1; im Durchschnitt 80 – 100 cm) verwendet. Die Pflanzung erfolgte fast ausschließlich mit dem Spaten.
Bekanntlich unterliegt die Flatterulme nicht den Bestimmungen des Forstvermehrungsgutgesetzes. Es sollten jedoch bevorzugt Pflanzen aus Saatgut regionaler Flatterulmenbestände verwendet werden. Auf Grund der sehr begrenzten Verfügbarkeit von Pflanzen aus den beiden eigenen kleinen Saatgutbeständen (Kontrollzeichenherkunft »Schuenhagen«) kamen vorwiegend Flatterulmen aus etwas weiter entfernt liegenden Beständen zum Einsatz. Wichtig war uns aber stets die Herkunft aus den nordostdeutschen oder ostdeutschen Flatterulmen-Genzentren West-Mecklenburg, Mittlere Elbe und Barnim-Märkisches Oderland [S. 94].
Für 30 Bestände ist die Herkunft der Pflanzen sicher bekannt: Forstamt Eutin [SH] (7), FoA Neuhaus/Elbe, Revier Grünenjäger [NS] (8), Stadtwald Frankfurt/ Oder [BB] (8), Warrenzin, Forstamt Poggendorf [MV] (4), Wolfshagen, Forstamt Schuenhagen [MV] (2) und Forstamt Billenhagen, Goorstorf [MV] (1).
Mit wenigen Ausnahmen wurden die Eschen-Hiebsflächen vor der Pflanzung vorwiegend mit Bagger und speziellem Räumrechen geräumt. Vorrang hatte dabei stets eine weitestgehende Schonung der sehr befahrungsempfindlichen Böden.
Fast alle jungen Flatterulmen-Flächen sind bis heute auf Grund der Wilddichte und der hohen Verbiss- und Schälgefährdung dieser Baumart gezäunt.
Erste Erfahrungen
Die erfreulichste Beobachtung sei als erstes genannt: In allen aktuell begutachteten 49 Flatterulmenbeständen traten keine bis nur geringe Absterbeerscheinungen auf. Bei den wenigen Totalausfällen handelte es sich meist nicht um Flatterulmen. Je älter die Bestände, um so häufiger waren Bäume mit Vitalitätsminderungen zu beobachten. Ihr Anteil überschritt aber bisher nicht 5 Prozent. Schäden durch die in Vorpommern häufig auftretenden Spätfröste waren nicht festzustellen.
Junge Flatterulmen wachsen schnell. Die Hoffnung, den Kulturpflegeaufwand gering halten zu können, erfüllte sich auf fast allen Flächen. Trotz der besonders wüchsigen Begleitvegetation auf den sehr nährstoffreichen Lehm-Humusgleyen waren in der Regel ein bis zwei Kulturpflegen ausreichend.
Die Entwicklung der Oberhöhen (s. Abbildung 5) zeigt, dass zehnjährige Bäume etwa 8 m hoch sind. Im Alter 20 werden etwa 15 m erreicht. Die Höhenentwicklung ist auf einigen Flächen sehr differenziert. Förderlich scheinen sich ein Seitenschutz und vor allem eine gewisse Überschirmung (Schlussgrad bis ca. 0,3) auszuwirken.
Flatterulmen auf größeren Freiflächen (> 1 ha) ohne oder mit nur geringem Schirm fielen in der Höhenentwicklung auffällig deutlich zurück. Diese Beobachtung bestätigt Angaben in der Literatur (z. B. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 2019) wonach die Halbschatt-Baumart Flatterulme zufrieden(er) sei, wenn sie nicht in vollen Sonnenlicht-Genuss kommt.
Allerdings sollten bei der Ursachenanalyse auch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Die Höhenentwicklung auf einer Reihe von Flächen mit Bodenstörungen lässt vermuten, dass die Ulmen trotz ihres guten Durchwurzelungsvermögens in bindigen Substraten (Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 2019) auf Bodenverdichtungen nach Befahrung besonders empfindlich reagieren. Vor allem auf den größten Anbauflächen (Revier Elmenhorst) mit sehr befahrungsempfindlichen Lehm-Humusstaugleyen zeigten die Flatterulmen ein auffällig schlechtes Wachstum. Für diese Flächen sind Bodenschäden nach flächiger Befahrung sicher bekannt. Mit einer nennenswerten Regeneration der gestörten schluff- und tonreichen Böden kann auch nach vielen Jahren noch nicht gerechnet werden.
Ein besonderer Stressor für die jungen Flatterulmen ist offenbar das wiederkäuende Schalenwild. Trotz der seit Jahren (für vorpommersche Verhältnisse) relativ hohen Rehwildstrecken von ca. 10 Stck./100 ha und einer gewissen Bestandsreduktion beim Rotwild gelang es in keinem Fall, die gepflanzten Flatterulmen ohne Zaunschutz aufwachsen zu lassen. Die wenigen (jagdlich intensiv) begleiteten Versuche ohne Zaun im Revier Lendershagen endeten in Totalausfällen.
In längere Zeit kleinflächig überstauten Bereichen können immer wieder auch Flatterulmen aus Naturverjüngung beobachtet werden, allerdings wachsen nur wenige aus der Äserhöhe. Gelingt es ihnen, zeigen sie eine recht hohe Schattentoleranz und wachsen zügig in die Höhe. Diese Beobachtung wird auch bestätigt durch die Höhenmessungen auf den Kunstverjüngungsflächen mit Überschirmung (s. o.).
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Abb. 5: Oberhöhenentwicklung junger Flatterulmenbestände im Landeswald des Forstamtes Schuenhagen (Grafik: LWF)
Da alle jungen Bestände im Zaunschutz aufwuchsen, liegen nur wenige Erfahrungen zur Schälgefährdung vor, insbesondere aus dem Revier Karnin. Hier wurde mehrfach beobachtet, dass Rotwild Flatterulmen intensiv schält, jedoch immer nur in sehr kalten Frostphasen (Temperatur < –10°C).
Der Schlussbericht zur Erfassung der genetischen Ressourcen der Ulmen-Arten in Deutschland stellt in seiner Zusammenfassung ebenfalls die negativen Auswirkungen überhöhter Wildbestände auf die Naturverjüngung der Flatterulme heraus und empfiehlt veränderte Jagdstrategien (Landesforstanstalt Eberswalde 2007). Wir können uns dieser Schlussfolgerung nur anschließen.
Die physiologisch bedingte auffällige Zwieselschäftigkeit der Flatterulme wirft bei manchen Forstleuten die Frage auf, ob »daraus überhaupt mal ein vernünftiger Baum werden kann«. Tatsächlich sehen auch in unseren etwa 50 Jungbeständen viele Bestandesindividuen in den ersten 15 Jahren nicht sehr vielversprechend aus. Andererseits bereitet es in Beständen im Höhenrahmen zwischen 12 und 15 m keine großen Schwierigkeiten, ein paar Dutzend Bäume zu finden, die den üblichen Anforderungen an Z-Bäume vollständig genügen. Auch die positiven Beispiele lang- und geradschaftiger alter Einzelbäume (s. Abbildung 1) mit astfreien Schaftlängen > 8 m stimmen uns nicht gerade pessimistisch.
Wir streben an, die jungen Ulmen bis mindestens etwa 12 m (Oberhöhe) im Dichtstand aufwachsen zu lassen und dann eine begrenzte Anzahl Z-Bäum-Anwärter (30 – 50 Stück/ha) zu begünstigen und auch zu asten. Die weiteren Eingriffe sollten in nicht zu großen Abständen erfolgen. Einerseits soll damit der Gefahr der bei der Flatterulme ausgeprägten Neigung zur Wasserreiserbildung begegnet werden. Andererseits soll die Phase bis zum deutlichen Nachlassen des Höhenwachstums ab etwa 60 Jahren (Schwab 2001) intensiv für die Kronenausbildung genutzt werden. Der Umstand, dass die Anbauflächen durchschnittlich etwas über Horstgröße liegen, sollte künftigen Förstergenerationen helfen, diese Flächen nicht zu »vergessen«, sondern weiter konsequent zu pflegen.
Der Aufwand dürfte sich lohnen. Erst bei der letzten Wertholzversteigerung im Januar 2019 im mecklenburgischen Linstow erbrachte eine Ulme aus dem Revier Lendershagen (6,10 m, BHD o. R. 59 cm) mit 560 Euro/ fm ein passables Ergebnis.
Danksagung
Insbesondere den Revierförstern Uwe Stiehm (Karnin) und Martin Mehl (Lendershagen) danke ich für sorgfältige Beobachtungen an Flatterulmen. Herrn FI-Anwärter Ole Gröne sei für die Erstellung der Grafiken gedankt. Möge sein für diese seltene Baumart erwachtes Interesse sein künftiges berufliches Wirken nachhaltig beeinflussen. Dr. Stefan Müller-Kroehling und Prof. Dr. Andreas Roloff danke ich für die ermutigenden Plädoyers für den Anbau der Flatterulme.
Zusammenfassung
In der Region Nordvorpommern ist die Flatterulme auf den vernässten Lehm-Humusstaugleyen der flachen Grundmoräne eine seltene, aber stetig vorkommende Baumart. Im Landeswald des Forstamtes Schuenhagen kommt sie auf ca. 54 Hektar im Oberstand vor. Bei Waldumbaumaßnahmen in Eschen-Kalamitätsbeständen wurde die Flatterulme im Zeitraum 2006 – 2017 auf etwa 35 ha durch Pflanzung künstlich begründet. Die durchschnittliche Anbaufläche betrug 0,7 ha.
Die verwendeten Herkünfte stammen aus den Genzentren der Flatterulme im nordostdeutschen Raum, einige aus Vorpommern. Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Flatterulme vital und zeigt ein rasches Jugendwachstum. Förderlich scheinen ein gewisser Schirmschutz und möglichst wenig gestörte Oberböden zu sein. Sie zeigt sich empfindlich gegen Verbiss und Schäle. Es sollen ab Oberhöhen von 12 m etwa 50 Flatterulmen je Hektar begünstigt und geastet werden.
Literatur
- Landesforstanstalt Eberswalde (2007): Erfassung der genetischen Ressourcen der Ulmen-Arten in Deutschland, Schlussbericht (Az.: 541-73.01/05BE001), Bearbeiter: Reichling, A. und Tröber, U.; Abschlussbericht vom 27.07.2007,117 S.
- Baunack, A. (1997): Vorkommen seltener Baum- und Straucharten in Mecklenburg-Vorpommern (SEBASTRA). Unveröff. Abschlussbericht in Voth, W. (2006): Das Programm zu den Waldgenressourcen in Mecklenburg-Vorpommern; Mitteilungen aus dem Forstlichen Versuchswesen Mecklenburg-Vorpommern, Heft 7/2006.
- Neuß, R.; Schröder, J. (2013): Mythos und Moor, AFZ/Der Wald (18), 14-16.
- Anonymus (2013): Management von Eschen-Kalamitätsbeständen, in AFZ/Der Wald (18), 28-29.
- Müller-Kroehling, S. (2003): Flatterulme – unbekannter Baum. 10 verbreitete Irrtümer zu einer heimischen Baumart. AFZ/Der Wald (25): 1282-1286.
- Müller-Kroehling, S. (2005): Flatterrüster – eine wenig bekannte heimische Holzart. Holz-Zentralblatt 131(8): 109-111.
- Müller-Kroehling, S. (2011): Die Flatterulme als Alternative und Ersatz in geschädigten Feuchtwaldbeständen. AFZ/Der Wald (19): 36-38.
- Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2019): Die Flatterulme (Ulmus laevis PALL.) – Baum des Jahres 2019; http://www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/waldbau/109895/index.php
- Schwab, P. (2001): Flatterulme – Ulmus laevis PALL., In: Projekt SEBA – Förderung seltener Baumarten. Hrsg.: Professur Waldbau ETHZ und Eidgenössische Forstdirektion BUWA. https://ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/usys/ites/waldmgmt-waldbau-dam/documents/SEBA/Baumarten%20Informationen/ SEBA1_AS_flul_2000.pdf, abgerufen am: 17.10.2019
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